Читать книгу Der Fluch der Dunkelgräfin - Simona Turini - Страница 8

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Siechtum



Ich wurde ertragen. Ausgehalten.

Ich dachte immer, Liebe ließe keinen Platz für so negative Gefühle, für so viel Abneigung, dass das Zusammenleben als Bürde empfunden wird.

Ich dachte, Liebe hieße Respekt voreinander, ein Akzeptieren des Partners, so, wie er ist – mit allen Facetten, ergo auch mit allen Fehlern.

Aber in einer Welt, die am Abgrund steht, funktionieren solche Regeln nicht mehr.

Oder haben es nie, was weiß ich schon.

Nun bin ich die Persona non grata, der Outlaw, der Antichrist. Der Teufel in Menschengestalt.

Alle Entscheidungen Fehler, alle Timings beschissen, alle Entschuldigungen müßig.

Um mich herum sterben alle wie die Fliegen. Auch wenn mich keiner mehr dafür verantwortlich macht – damit haben sie vor ein paar Wochen aufgehört, als mein Leiden allzu offenbar wurde – fühle ich mich nach wie vor schuldig.

Nur wegen mir mussten Abstriche gemacht werden, Pläne über den Haufen geworfen, Treffen vertagt und Lager verlegt werden. Das war nie meine Absicht, und ich sehe auch jetzt nur bedingt meine Schuld – ich bin es nicht, die diese Krankheit in die Welt gebracht hat.

Im Gegenteil: Ich bin die, die dagegen gekämpft hat, von Anfang an, und die am nächsten daran war, ein Heilmittel zu finden. Aber dann hat es IHN erwischt, und nun bin ich es, die misstrauisch beäugt und der kein Wort mehr geglaubt wird.

Weil ER mir so nahe war.

Weil ER mich verraten hat.

Die Krankheit hat ihn erwischt, es ging sehr schnell zu Ende. Und sie glauben, dass er sie von mir hat. Weil ich sie jetzt auch habe. Dass es umgekehrt hätte sein können, dass ER es gewesen sein könnte, der mich angesteckt hat, das will nun natürlich keiner in den Raum stellen.

Es wäre Frevel.

Zwar habe ich ihn in die Gruppe eingeführt, habe ihn aus dem Wald geholt, als er kurz vor dem Verhungern war, aber dennoch haben sie sich sofort enger an ihn gebunden, als sie es jemals bei mir gekonnt hätten.

Dabei ist er doch viel bösartiger als ich.

Wo ich nach den Regeln spiele, bricht er sie mit Genuss. Wo ich Verständnis und Liebe als einzigen Ausweg sehe, wendet er sich hasserfüllt ab.

Das konnte er immer am besten: Menschen hinter sich lassen.

In einer Welt, die faktisch längst untergegangen ist, in der jeder gegen jeden kämpft, kommt so etwas einem Todesurteil gleich. Das heißt, eigentlich hat er getötet.

Glaube ich.

Beweisen kann ich nichts, denn die anderen haben es durchgezogen, haben verstoßen, haben abgelehnt.

Jetzt eben mich.

Weil er es verlangt hat, bevor er starb.

Dumm nur, dass sie mich ausgerechnet jetzt hier darben lassen, wo ich doch ein Heilmittel gefunden habe.

Versteht mich nicht falsch: Es geht mir nicht um Rache. Das wäre ja kleinlich. Es geht mir ums Prinzip: Wer Menschen hinter sich lässt, sterben lässt, allein und elend, der verdient keine Rettung. Finde ich zumindest.

Also, na ja, Rettung sollte man sich nicht verdienen müssen, Mensch sein sollte ausreichen. Aber wie viel Mensch steckt denn noch in diesen Leuten, die andere aus ihrer Mitte verstoßen, sobald die einen Fehler begehen, egal wie klein? Die ganz willkürlich und unfair Urteile sprechen?

Ich werde das Heilmittel nicht nehmen. Ich habe es getestet, ich weiß, dass es funktioniert. Doch ich werde sterben, und die Lösung unserer Misere nehme ich mit ins Grab.

Das Prinzip. Ihr versteht.

Jetzt liege ich hier auf meiner dreckigen Matratze, die so sehr stinkt, dass mir andauernd übel ist, und die von so viel Ungeziefer bewohnt wird, dass ich nicht mehr unterscheiden kann, welcher Teil meines Körpers juckt und welcher nicht, und soll dankbar sein für den Luxus, überhaupt eine Unterlage zu haben.

In meiner Brust spüre ich die Seuche, wie sie mich übernimmt. Wie sie Besitz von mir ergreift, wie sie meine Brust zusammendrückt, schmerzhaft.

Ich kann spüren, wie mein Herz schrumpft.

Der Fluch der Dunkelgräfin

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