Читать книгу Verdammt. Verliebt. - der Nr.1 amazon Bestseller über eine Liebe, die nicht sein kann, aber sein muss, weil sie von anderen beschloßen wurde - Simona Dobrescu - Страница 10

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Kapitel 4

„Mimi?“

„Bin wach“, antwortete ich und streckte mich behutsam in meinem viel zu großen Bett, bevor ich mich aufsetzte. Das Zimmer war mir vertraut und doch blickte ich mich jeden Morgen aufs Neue verdutzt darin um. Es war nicht mehr das größte im zweiten Stock der Liverpool Road in Hartford, Connecticut, um das ich mich monatelang vor unserem Einzug mit Anna gestritten hatte. Vor meinem Fenster schneite es nicht.

Seltsam, wie die alltäglichsten Dinge wie Vorhänge, Bettwäsche, ein Schreibtischstuhl, sich ganz anders anfühlen konnten. Das machte es schwierig, sich das Frühere zu bewahren und sich gleichzeitig seinem neuen Leben zu stellen. Alles, was mir von meiner kleinen Schwester und meinen Eltern geblieben war, stand eingerahmt auf meinem Schreibtisch oder klebte in einem Album. Und das war bei Weitem nicht genug, um mich nicht, trotz der liebevollen Zuneigung, dem Halt und dem Verständnis, die mich umgaben, trostlos und verlassen zu wähnen. Es erklären, war sinnlos, in Worte zu fassen unmöglich, denn es gab niemanden in meinem Leben, der nur annähernd nachvollziehen konnte, was ich durchmachte. Umso entscheidender war es, dass keiner von ihnen erfuhr, wie schwach ich mich fühlte. Isoliert. Anormal. Das würde sie nur noch mehr belasten. Ich unterdrückte gewohnt konsequent die Tränen und tupfte mit einem Ärmel sicherheitshalber unter meinen trockenen Augen, bevor ich das Einzige tat, was half: Die Erinnerungen beiseiteschieben.

Meine Tante trat ein, öffnete die Gardinen und das Fenster. Sonnenlicht flutete die Holzdielen und machte meine neue Heimat zur Gewissheit. Jeder Monat hier war ein Sommermonat.

„Wie geht es dir?“, fragte Madison und beugte sich über mich, um mein Fieber zu prüfen. Ihre gewellten dunklen Haare und die warm schimmernden braunen Augen verliehen ihrem hübschen Gesicht eine Mütterlichkeit, die sie schon vor Marc besessen hatte. Sie war erst Anfang dreißig und fiel durch ihren jungen Kleidungsstil stark auf, zu dem immer auch ein Farbklecks gehörte. Heute war es ein roter Rock mit Regenschirmmotiven zur schwarzen Bluse und dazu passenden Ballerinas. Sie war ausgeglichen, gelassen und blieb selbst ruhig, wenn sie Plätzchen backen, einen Film entwickeln und gleichzeitig mit meiner Oma telefonierte. Allgemeinhin hatte sie wenig mit meiner Mom gleich, aber die Art wie sie ihre Augenbrauen hochzog, erinnerte mich zu sehr an sie, als dass es mich kalt lassen könnte.

„Gut“, antwortete ich schnell, um mich auf andere Gedanken zu bringen, und stellte fest, dass es stimmte. Mein Kopf tat nicht weh und meine Glieder fühlten sich nicht länger bleiern an.

„Schön“, lächelte meine Tante zufrieden und half mir behutsam aufzustehen. „Soll ich schon mal ins Badezimmer vorgehen?“

Oh, Herr.

„Maddy?“, fragte ich zögernd und seufzte. „Ich weiß, ihr macht euch Sorgen und es tut mir leid, dass ihr meinetwegen nicht zur Ruhe kommt. Aber mir geht es wirklich besser.“

„Wie viel besser?“

„Kann-sich-alleine-fertigmachen-und-anziehen-besser.“

„Du bist –“

„– volljährig. Man hat mir schon früh beigebracht, Schubladen und Schranktüren zu öffnen oder an Wasserhähnen zu drehen. Du siehst, ich bin vorbereitet.“

„In Ordnung“, gab sie nach und grinste. „Aber beeil dich. Marc will dir noch was für deinen ersten Schultag geben, bevor sein Bus kommt.“

„Okay“, erklärte ich und stand schon vor meinem offenen Schrank. Ich würde mich nie daran gewöhnen, dass Sommer, Herbst, Frühling und Winter hier T-Shirt-Zeit bedeuteten, also schnappte ich mir eher halbherzig meine weiße Bluse mit dem Schleifchenmuster und, von Madison inspiriert, einen dazu passenden schwarzen Minirock und lief ins großzügige Badezimmer, um eine ausgedehnte Dusche zu nehmen. Ich wechselte mehrfach von Heiß auf Kalt und genoss das Prickeln meiner Haut jedes Mal, wenn sich der Körper auf die neue Temperatur umstellen musste. Dann fiel mir mein Cousin ein und ich band mir die Haare in einem losen Pferdeschwanz zusammen um die Wunde zu verstecken, sparte mir die Spangen, obwohl die ersten dunklen Strähnen herausfielen, rannte die Treppe hinunter in die Küche, wo mein Onkel gerade vom reichlich beladenen Tisch aufstand, und nahm Platz.

Frühstück bedeutete in diesem Haus wirklich die wichtigste Mahlzeit des Tages.

„Guten Morgen“, sagte er und lächelte verschlafen, während Marc sich auf seinem Stuhl zu mir umdrehte.

„Wow!“, schmatzte er mit vollem Mund und starrte mich an, „es wird aber auch Zeit, dass du aufhörst, dich zu verstecken.“

Die Herren des Hauses waren sich erschreckend ähnlich, nicht nur was die Haar- und Augenfarbe betraf, auch den Haarschnitt hatte Marc seinem Dad nachgemacht und sich beständig selbst dessen Gesten abgeguckt. Als Trevor mir zuzwinkerte, tat es sein Sohn ihm nach. Maddy verdrehte die Augen und ich wünschte ihm einen guten Morgen und küsste ihn auf seinen brünetten Haarschopf, schnappte mir eine Schüssel, kippte Müsli hinein und vermischte es mit Joghurt.

„Marc hat recht“, erklang Maddys Stimme, „es ist eine Schande bei einem so hübschen Mädchen.“

Um nicht rot anzulaufen, ging ich nicht darauf ein und wandte mich stattdessen an meinen Cousin. „Deine Mom hat mir gesagt, ich würde etwas von dir kriegen?“

„Oh, ja! Warte!“ Mit einem Satz sprang er auf und flitzte in sein Zimmer. Es polterte und ein Spielzeugauto flog auf den Flur, gefolgt von einem zufriedenen „Ha!“ und schon kam er wieder zurück. Rote Flecken hatten sich auf seinen Wangen gebildet und ließen ihn entzückend verwegen aussehen. Aber aus Respekt vor seinem Alter – er war immerhin schon neun Jahre alt und damit, wie er mit dem Fuß aufstampfend erklärt hatte, „kein kleines Kind mehr“, verkniff ich mir jegliche verräterische Äußerung. „Eigentlich wollte ich dir das zum Geburtstag schenken, aber dann dachte ich wegen dem Rot und Grün, dass es besser zu Weihnachten passen würde. Aber dann hast du dir vorgestern wehgetan und jetzt musst du auf diese neue Schule und ich habe mir für's Weihnachtsgeschenk noch etwas viel Besseres ausgedacht und hier!“, plapperte er aufgeregt, und ehe ich mich versah, hielt er mir etwas Glänzendes vor die Nase und ließ es hin und her baumeln. „Hoffentlich findest du es schön.“

Ungläubig blinzelte ich von ihm zu dem Objekt, auf das helles Sonnenlicht fiel, und griff schließlich nach dem schönen Armband. Es bestand aus aneinandergereihten Perlen, rot, grün, bicolor, und einer silbernen Kugel, die den Magnetverschluss bildete.

„Das hast du gemacht?“ Ich war sprachlos und drehte das Schmuckstück in meiner Hand.

„Es ist eine Art Glücksbringer“, sagte er stolz und nahm es mir ab, um es an meinem Gelenk zu befestigen. „Und es geht ganz einfach, siehst du?“ Klapp, rastete der Magnet ein und hielt das selbst gemachte Geschenk fest an meinem Arm. „Und es passt super zu deinem anderen Armband“, stellte er begeistert fest, und betrachtete meine Hand näher.

Neben dem strahlenden Perlenschmuck erschien mein anderes Armband komplett unscheinbar. Das glänzende, aber ansonsten schlichte Band gehörte fest zu mir, seit ich Samstagfrüh aus meiner Bewusstlosigkeit erwacht war.

„Ist das von Abby?“

„Ja“, murmelte ich.

Es war die eine Sache, die ich nicht abzunehmen wagte, weil sie Zeugnis dafür war, dass die Traumwelt meines dunklen Prinzen existiert hatte.

„Danke, Marc!“, sagte ich und drückte ihn fest an mich „Das ist der schönste Schmuck, den jemals jemand für mich gebastelt hat.“

Er wollte antworten, da ertönte eine laute Hupe und drängte ihn zur Eile. „Viel Spaß heute, Mimi“, rief er und lief zu seiner Mutter, die ihm den Schulranzen reichte, zu seinem Vater, der ihm einen Zehndollarschein zusteckte, und schließlich durch die Haustür direkt in den Schulbus.

Gerade da ich mich umdrehte, erschien sein Kopf wieder in der Tür. „Möge die Macht mit dir sein!“

Noch lange, nachdem sie hinter ihm zugefallen war, lachte ich.

„Beeil dich, Drew ist jeden Moment da“, sagte mein Onkel, band sich seine Krawatte um, drückte bekräftigend meine Schulter und ließ mich allein in der Küche zurück. Ich schlang mein Frühstück hinunter und wunderte mich, wie tief ich in Gedanken versunken sein musste, um nicht einmal zu bemerken, dass meine Tante aufgebrochen war. Hastig stellte ich mein Geschirr in die Spülmaschine, holte meine Tasche und verließ zusammen mit Trevor das Haus.

„Du schaffst das schon“, ermutigte er mich, bevor er mir ebenfalls zehn Dollar aufdrängte, seine Aktentasche mit dem geprägten Namen seines Immobilienbüros achtlos auf die Hinterbank schleuderte, sein charmantestes Kunden-gewinnen-Lächeln aufsetzte, in seinen Geschäftswagen einstieg und aus der Einfahrt heraussetzte. Ich winkte, indes er an mir vorbeirollte, und fuhr damit fort, sobald Drews Ford um die Kurve erschien. Mit einem eleganten U wendete er den Wagen und brachte ihn am Bordsteinrand zum Stehen. Aus den offenen Fenstern erklang ein Song von Rihanna, der auf Up-Tempo gemixt war. Vermutlich von Sean.

„Guten Morgen, Sonnenschein“, grinste er hinter seiner Sonnenbrille. „Wie fühlst du dich heute?“

„Okay“, antwortete ich, stieg ein und schnallte mich an, ihn verstohlen von der Seite betrachtend. Seitdem wir uns als Kinder angefreundet hatten, zog mich etwas Undefinierbares an Andrew Gardener an, doch niemals war ich wirklich imstande gewesen, es in Worte fassen zu können. Selbst nachdem wir unsere Sommerromanze vor zwei Jahren durchlebt und zugunsten unserer Freundschaft beendet hatten, ging von ihm noch immer etwas aus, das mich faszinierte. Vielleicht lag es an den Hormonen, die offen um ihn tanzten. Denn während ich mich von klein und dünn zu klein und dünn verwandelt hatte, durchlief sein Körper während der Pubertät eine ganze Transformationskette und ließ Drew zurück.

Anders als der dickliche Andy war Drew groß, sportlich und ausnehmend einnehmend. Seine dunklen Augen, die früher etwas groß für sein Gesicht gewesen waren, passten schlagartig perfekt hinein und zu seinen dunklen Locken, die einst zerzaust und nun verwegen wirkten. Wenn er verschmitzt grinste, musste ich stets lachen, weil es mich derart an den immerfort Streiche spielenden Jungen, der er gewesen war, erinnerte. Eines Sommers kam ich nach Mainfield und er spielte plötzlich in der Footballmannschaft, das Jahr darauf war er bereits einer der besten Spieler des Teams. Und seit dieser Zeit hatten sich nicht nur sein Aussehen, Kleidungsstil und Körperbewusstsein verändert, sondern auch seine Wirkung auf das andere Geschlecht, weshalb er sich kaum vor Mädcheninteresse retten konnte. Zum Glück war er auch jemand, der sich darauf nichts einbildete.

Heute schämte er sich für Fotos aus seinen Kindertagen. Mir waren sie die liebsten. Vor allem, wenn sie einen kleinen Jungen zeigten, der mir einen Schmetterling gefangen hatte und stolz in einem Glas überreichte. Oder mir Anweisungen gab, wie ich unseren Legoturm noch höher und schöner bauen könnte – oder behauptete, dass eine Prinzessin, die ich an jedem Geburtstagen sein wollte, auf einen Thron gehörte und sofort anfing, aus Brettern einen zu bauen. Das Bild, in dem er grinsend auf ein Eis zeigte, das mir aus meiner Tüte gefallen war und den Bordstein vor seinem Haus zierte, hing in meinem alten Zimmer über meinem Schreibtisch. Wir waren elf und zwölf und ich kniete weinend daneben, meine Finger klebrig von dem Versuch, die schmelzende Masse im freien Fall zu fangen. Gleich nachdem Maddy das Foto geschossen hatte, reichte Andy mir sein Eis und sagte, ich sei ein typisches Mädchen. „Warum weint ihr andauernd?“

„Jungs weinen auch“, schluchzte ich.

„Ja, wenn wir uns weh tun. Aber nicht wegen dem da! Gott, ihr seid gigantische Riesen-Babys!“

Sein Naserümpfen war der Grund, wieso ich mich bückte, während er dazu überging, den Kopf zu schütteln, dass die Locken nur so flogen. Meine Hände drückten den Blumenerdeklumpen fest zusammen und ich hätte fast gelächelt, denn Andy musterte mich plötzlich wachsam. Er taumelte zurück, während ihn die volle Ladung ohne Vorwarnung ins Gesicht traf. Braun regnete es ihm aus den Haaren und der Kleidung und fiel auf seine neuen weißen Schuhe.

„Matsch-Attacke!“, rief ich lachend und hatte bereits die nächste Portion Erde in der Hand und wurfbereit, bis Andy sie mir mit einem großen Satz wegschlug. Aufschreiend riss ich reflexartig beide Hände hoch, beobachtete, wie das Eis im hohen Bogen auf die Straße flog und unter einem Satz Reifen landete. Zur gleichen Zeit traf mich eine Ladung Gras-Erde-Gemisch, bei der ich hätte schwören können, die Regenwürmer zu riechen. Schnell hielt ich ihn fest, schnappte mir seinen Arm und zwickte ihn, bevor ich seine Haut unter meinen Fingern drehte.

„Aua! Wofür war das?“

„Zur Klärung“, sagte ich, und er schnaubte, stellte mich vor sich hin und klopfte mein Kleid pflichtbewusst ab. Gründlich pickte er daraufhin meine Haare frei von Dreck und ich fiel mit ein und befreite seine. „Du weinst nicht, obwohl du Schmerzen hast und ich weine nicht, weil ich ein Mädchen bin.“

„Schon klar“, grinste er, nahm meine Hände in seine und wirbelte mich plötzlich herum. Wir führten lachend einen seltsamen Tanz auf, um uns vollends freizuschütteln. Ich warf meine Mähne vor und zurück, als er mit einem Mal innehielt und seinen Arm um meine Schulter legte.

„Warte, wie meinst du das?“, seine runden Augen musterten mich plötzlich besorgt. „Stimmt was nicht?“

„Abby und ich haben uns wegen ihrer blöden Geburtstagsfeier gestritten und Annas Mandeln

werden heute entfernt und ich bin nicht bei ihr und ich wollte einfach an nichts davon denken und ein Eis essen und nicht einmal das hat geklappt!“

Die Worte kamen schnell hintereinander aus meinem Mund geschossen, ohne Satzzeichen oder Unterbrechungen, und lange nachdem ich fertig war, betrachtete er mich einfach nur stumm, bevor das Leben in ihr zurückkehrte, er ins Haus lief und mit einer Dose in der Hand zurückkam. Er liebte das Unberechenbare. Fast mehr, wie ich es tat.

„Was – “, er richtete bereits den Strahl auf mich und kalte Sprühsahne landete in meinem Gesicht. Andy lachte noch, da griff ich bereits nach der Dose, entriss sie ihm, verrieb einen Sahne-Kilimandscharo zwischen meinen Händen und sprang ihn mit Kampfgeschrei an, rang ihn kompromisslos zu Boden, weil er weglaufen wollte, und setzte mich kichernd auf ihn. Er versuchte mich von sich herunterzurollen, sobald meine Hände unter sein T-Shirt fuhren und auf seinem Bauch landeten, jedoch vergeblich. Quietschend vor Genugtuung drückte ich sein Shirt darauf und massierte die Sahne ein.

„Gibst du auf?“

„Gegen ein Mädchen?“, schnaubte er und ich quiekste unter seinem Gebären aber behielt die Oberhand.

„Ich kann das den ganzen Tag. Gibst du auf?“

Seine Schultern bebten vor Lachen unter meinem Versuch seine Haare anzuvisieren. Nach ergebnislosen Treffern, sprühte es Weiss in sein Ohr und seine Bewegungen wurden resignierter, aber sein Grinsen breiter. „Und jetzt?“

Er nickte bereitwillig.

„Ich will es hören, Andy. Gibst du auf?“

„Ja. Ich ergebe mich.“

An dem Tag hatte er gelernt, seine Shirts in die Hose zu stecken. Ich schaute auf und entdeckte Maddy mit ihrem Apparat am Anschlag. Von dem Moment, indem er losprustete, gibt es drei Bilder.

Eins, auf dem man meine zufriedenen Augen sieht.

Eins, das zeigt, wie er versucht, meine Hände zu greifen.

Und eins von der Seite und aus größerer Entfernung, das anhand unseres Strahlens festhält, wie mein bester Freund es geschafft hatte, mich die Sorgen vergessen zu lassen.

„Woran denkst du?“, erkundigte er sich, und fuhr an, ließ parallel die Klimaanlage herunter- und die Fenster hochfahren.

„Das Wetter.“

„Aha.“

„Den ersten Schultag.“

„Sicher.“

„Galileo und der Papst?“

Mit einem Stirnrunzeln schürzte er die Lippen. „Die Erde dreht sich um die Sonne, Galileo irrte sich nicht, der Papst schon. Außerdem ist sein Ausspruch ‚Und sie bewegt sich doch‘ heutzutage nachgewiesen nur eine Legende. Können wir jetzt zur Wahrheit übergehen und du gibst mir eine ehrliche Antwort?“

Seine warmen Augen bohrten sich aufmerksam in meine. Drew war stets clever gewesen.

„Und du willst wirklich aufs Community College?“

Betreten wandte er sich ab. „Es ist hier, oder?“

„Hast du dir das Notre-Dame-Prospekt überhaupt durchgelesen?“

Sean hatte es ihm letztens unter seine Sachen geschummelt.

„Notre Dame liegt in Maryland, Mimi.“

„Du hättest ein Sport-Stipendium dafür, Drew.“

„Dir mag Entfernung nichts ausmachen. Aber ich will nicht zu weit fort von daheim.“

Manchmal verblüffte es mich, wie grundsätzlich gegensätzlich wir zwei waren. Man musste nur wissen, was der andere wollte, sich wünschte oder plante, indem man das Gegenteil davon wählte.

Drew schoss mir einen schwer lesbaren Seitenblick zu. Ich hätte am liebsten weitergeschwiegen, aber mir war klar, dass er auf eine Reaktion drängte.

„Dich“, beantwortete ich schließlich seine ursprüngliche Frage ohne dass mir entging, wie er mit der Suche nach einem Radiosender innehielt.

„Und woran genau?“

„Deine zahlreichen Facetten. Sarah, Sabrina, Danielle, Nancy, Tamara, Julia – “

„ – vergiss Marianne nicht“, sein rechter Mundwinkel schob sich verräterisch nach oben, ehe er den Blinker setzte und sich in den reger werdenden Morgenverkehr einfädelte. Das Grinsen erreichte seine Augen nicht. Mein Impuls, ihn in den Arm zu nehmen und zu sagen, er müsse sich jemandem anvertrauen, wurde stärker, aber er brauchte Zeit. Nicht etwa Ablenkung wie den Dating-Marathon, den er in den letzten Monaten veranstaltete. Was er auch suchte, er würde es in keiner anderen finden. Nicht bis er sich damit auseinandergesetzt hatte und sich eingestand, dass man seine Ex-Freundin nicht vergaß, weil man zwanzig andere küsste. Abby und ich registrierten, dass er sich etwas vormachte. Er litt. Er bockte. Am liebsten wäre ich zu diesem Mädchen gefahren, hätte von ihr Details verlangt und ihm endlich geholfen. Leider waren die beiden nur ein paar Wochen miteinander ausgegangen und hatten penibel darauf geachtet, dass das keine hohen Wellen schlug. Niemand kannte ihren Namen. Was ich wusste, war, sie hatte Drew eiskalt erwischt. Und dass er sich öffnen würde, wenn er sich dafür bereit fühlte. An jenem Tag würde ich für ihn da sein.

„Ein Mann muss manchmal tun, was ein Mann tun muss“, erklärte er seufzend und bog ein letztes Mal ab auf die Hauptstraße Mainfields. „Nur weil du nicht aus dem Vollen schöpfst, muss ich mich nicht auch zurückhalten.“

Sein Fenster glitt summend hinunter und er winkte einem Fahrer, der gerade vergeblich versuchte, sich in den Verkehr einzureihen. Augenblicklich stieg die Hitze im Auto. Ohne ihn zu fragen, drückte ich auf den elektrischen Fensterheber und ließ es wieder hochfahren.

„Mir liefen die Verehrer noch nie scharenweise nach.“

„Ein weiteres plastisches Beispiel deiner verzerrten Wahrnehmung“, erwiderte er und piekste mich in den Oberarm. Ich grinste, piekste zurück und suchte nach meinem Handtaschenspiegel, um meine Lippen zu betrachten. Sie waren noch rissig, aber wenigstens war von den Bissspuren nichts mehr zu erkennen. Mit ein wenig Balsam ließ sich das meiste in den Griff kriegen. Gerade da ich zu einer Antwort ansetzen wollte, fiel mir plötzlich ein imposantes neues Gebäude auf. Die Fassade war aus lauter kleinen blauen und roten Mosaiksteinen zusammengesetzt, mit eingefassten, bogenartigen Eingängen, die momentan noch durch ein heruntergefahrenes Rollgitter versperrt waren und den Blick auf einen großen hellen Gang freigaben, den links und rechts namenhafte Geschäfte säumten. „Vegard Plaza“, las ich laut vor und runzelte die Stirn ob der goldenen Buchstaben. Vegard?

„Das neueste, tollste, beliebteste Einkaufzentrum Mainfields“, erklärte Drew genervt. Als wäre die gute Laune und unsere Blödelstimmung durch zwei Worte wie weggeblasen. „Es gesellt sich hoheitlich in die Reihe von Vegard’s Kitchen ein, das neueste, tollste, beliebteste In-Restaurant; Vegard Island, der neueste, tollste, beliebteste Indoor-Spielplatz samt Mini-Vergnügungspark und Vegard’s Coffeeshop – “

„ – der neueste, tollste und beliebteste Coffeeshop Mainfields?“

„Du siehst ihn gleich, wenn wir daran vorbeikommen. Er ist unverwechselbar: Achte einfach auf das Kaffeehaus, vor dem eine Million Menschen Schlange stehen.“

„Warum sagt mir Vegard was aber andererseits doch wieder nicht?“

„Es ist ein Familienname, aber du kennst, glaube ich, keinen von ihnen. Am ersten Tag der Sommerferien fliegen sie zu einem ihrer anderen Häuser und kommen am Morgen des ersten Schultags pünktlich zurück. Sie verbringen keine Urlaube in der Stadt. Oder dem Land. Oder dem Kontinent“, schloss er ironisch und doch war etwas in seiner Stimme, das nicht zu dem flapsigen Top passte.

„Aber ihr habt mir von ihnen erzählt … “

„Abby und Michelle vermutlich am meisten. Ihre Eltern arbeiten seit ein paar Jahren für den Clan. Mutter, Vater, drei Kinder.“ Seine Abneigung für die Familie war fast greifbar, wie er das Wort Clan betonte.

„War hier nicht letztes Jahr noch die Buchhandlung?“, fragte ich abgelenkt mit Blick auf das nun in Sichtweite kommende, dem Einkaufszentrum in nichts nachstehende Café. Seine Außenwände waren mit denen des Plazas identisch, nur anstelle der Torbögen war eine elektrische Schiebetür eingefasst. Gerade wurde sie durch die vielen Kunden allerdings blockiert. Goldene Buchstaben auch hier.

„Man sagt, es sei echtes Gold.“ Drews Stimme unterbrach meine Beobachtungen. Er fuhr langsamer, die Ampel vor uns sprang auf Rot.

„Und um auf deine Frage zurückzukommen: Doch. Aber soviel ich gehört habe, liefen die Verkäufe schlecht. Kaum war der Laden zum Verkauf ausgeschrieben, war er auch schon vom Markt. Es ist, als hätten sie vor, die Stadt einzunehmen.“ Er quittierte die wartende Menge mit einem unbeeindruckten Seitenblick und schüttelte irritiert den Kopf. „Erst besaßen die Vegards gewichtige Anteile an den neuen Siedlungen im Westen – das ist seit ihrem Auftauchen hier ein offenes Geheimnis. 2004 kauften sie sich in die Bank und die Zeitung ein. Vor gut einem Jahr eröffneten sie das Restaurant und in diesem Frühjahr folgte der Rest. Das Einkaufszentrum hatte letzten Monat seine fulminante Eröffnung. Jay-Z und Tom Cruise waren anwesend. Landesweite Berichterstattung inklusive, angeblich war jedes Hotelzimmer der Stadt und des Umkreises ausgebucht.“

„Wahnsinn.“

„Mr. Vegard gehören allein in den USA die größten Sender unter anderem Chanel 2, Music-World und PlusAction. Die Familie besitzt zwölf Hotelketten, drei Plattenfirmen und etliche Airlines, neben ihren Anteilen an namenhaften, börsennotierten Telekommunikations- und Ölunternehmen. Man mixe Pop-, Film- und Showstars dazu und ergänze die Masse um Politiker. Sie bauen sich von hier aus ihr eigenes Imperium auf. Soviel ich gehört habe, werden sie Anfang nächsten Jahres weiterexpandieren. Zum heutigen Tag sind sie auf vier Kontinenten vertreten.“

„Was fällt ihnen auch ein, sich nicht mit Mainfield zu begnügen?“, fragte ich und konnte bereits die Umrisse der Schule erkennen.

„Du redest immerhin von meiner Geburtsstadt.“

Stadt ist so ein Wort“, setzte ich an und leckte mir über die Lippen. Ich liebte es, ihn zu triezen. Der Erdbeergeruch von meinem Labello stieg mir in die Nase und beruhigte mich.

„Hartford ist auch nicht gerade New York.“

„Im Vergleich zu Mainfield schon.“

Mit einem Zungenschnalzen bog er auf den Parkplatz und sofort vergaß ich, worüber wir gerade noch geredet hatten. Vor dem achteckigen, alten Gebäude der Abraham Lincoln High School hatte sich anscheinend die gesamte Schülerschaft versammelt und redete, lachte oder scherzte in der prallen Morgensonne. Dank seiner exponierten Lage und beeindruckenden Größe vereinte die Schule zwei Bezirke und bildete eine Schülerschaft aus über tausend Leuten. Die meisten Kurse und Klassen waren doppelt oder dreifach belegt, sodass die durchaus reale Chance bestand, sechs Stunden lang nicht einen meiner Freunde zu sehen.

Ich betete zu den Göttern des Glücks und beobachtete Drew dabei, wie er parkte, ausstieg und um die Motorhaube herumging.

Es war wie in einer dieser Hollywood-Komödien. Sobald er mir die Tür öffnete und beim Aussteigen half, verstummten viele und starrten mich an. Nicht, dass ich damit gerechnet hatte, mich unsichtbar über den ersten Schultag zu retten. Aber wie sehr ich sie zu beschäftigen schien, war mir bis zu diesem Moment auch nicht wirklich bewusst gewesen. Genau deshalb, dachte ich, hatte ich mich verkrochen. Diese Neugier, all das Mitleid. Unsicher schlug ich die Augen nieder und spürte meine pochende Wunde zum Takt meines Herzens wummern. Ich hoffte, sie war nicht auszumachen, musste nicht noch mehr auffallen.

„Denk dir nichts“, verkündete Drew leise, aber zuversichtlich, legte den Arm um meine Schulter und zog mich sachte in Richtung Eingang. „Oder besser noch: Versuche sie zu verstehen. Da macht vor Monaten die Kunde von deiner Ankunft die Runde, von der bezaubernden Mimi Campbell, die ominöserweise im vorletzten Schuljahr zu unserem Schulkörper hinzustößt, aber – und das ist der wahre Twist – live und in Farbe niemals höchstpersönlich auftaucht. Gerüchte, sie sei auf unbestimmte Zeit freigestellt worden, wechseln sich mit anderen, sie sei zurückgefahren, ab. In der Zwischenzeit“, er lief jemanden grüßend schnurstracks auf das Gebäude zu und hielt mir, sobald wie ankamen, galant die Tür auf, „haben dich aber wenige Auserwählte zu Gesicht bekommen und bezeugen erstens sowohl deine Anwesenheit in unserem bescheidenen Ort als auch zweitens deine Schönheit.“

Ich lachte, weil er mir zuzwinkerte, und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. Er war wirklich umwerfend charmant, wenn er es darauf anlegte. Mit gestrafften Schultern trat ich ein. Vor mir tat sich eine große Aula auf, dahinter ein längerer Gang, den rechts und links Spinde säumten. Auf Höhe der Mitte gingen beidseitig weitere Flure ab. Aus der Vogelperspektive war das Gebäude vermutlich ein überdimensionales Pluszeichen. Noch dabei mir das vorzustellen, wurde ich sanft nach rechts gedreht und blickte auf eine holzgetäfelte Tür, die in dem sonst von Metall und Gipswänden beherrschten Gebäude fehl am Platz wirkte.

„Das Sekretariat ist das Reich von Miss Potter. Hier kriegst du deinen Stundenplan. Keine Sorge, du hast nur eine Woche verpasst, das holst du locker auf. Nach der dritten Stunde treffen wir uns an deinem Spind – Nummer 251 – und gehen zusammen in die Mensa. Abby und der Rest sind vermutlich längst vor Ort, sie hat mir übrigens noch gesagt, ich soll dir ausrichten: ‚Du rockst das schon.‘“

Nervös biss ich mir auf die Unterlippe und fühlte mich noch stärker von den Schülern unverhohlen von Kopf bis Fuß gemustert. Drew nahm meine Hand in seine, lenkte meine Aufmerksamkeit völlig auf sich und lächelte ermutigend. „Du bist eine Campbell! Du rockst das ganz bestimmt. Los, mach sie fertig!“

Zaghaft lächelnd nickte ich.

„Das ist die richtige Einstellung. Viel Erfolg!“

Mit einer Verbeugung, die dermaßen tief war, dass sie mich wieder zum Lachen brachte, verabschiedete er sich und ging hinaus auf den Vorplatz, vermutlich um seinen Freunden Rede und Antwort zu stehen.

Ich klopfte, holte tief Luft und trat ein.

Die nächsten zwei Stunden vergingen wie im Flug. Die Lehrer wussten Bescheid und hießen mich willkommen, die meisten Mitschüler begrüßten mich freundlich, einige kamen zu mir, um sich zu unterhalten, wieder andere, um sich vorzustellen oder einfach „Hallo“ zu sagen. Eine Gruppe von Mädchen in grau-schwarzen Cheerleaderuniformen musterte mich abschätzend und die Lauteste von ihnen, ein zierliches, dunkelblondes, stark geschminktes Mädchen namens Shelby, fand es wohl lustig, meinen Stuhl mit ihrem Fuß anzurempeln und „Freak“ zu raunen, während ich von der Tafel abschrieb.

„Kann ich dir irgendwie weiterhelfen?“, fragte ich sie schließlich, woraufhin sie einen auffällig rosanen Schmollmund zog und die Schultern zuckte. Kaum kicherte sie hysterisch weiter, wurde es mir zu blöd und ich rutschte einfach weg, sodass sie nicht mehr an mich heranreichte. Scheinbar war sie schlau genug, um nicht auf meine Frage einzugehen, aber nicht schlau genug, um einfach hinterherzurutschen. Das blieb vorerst die einzige besondere Begebenheit an diesem Morgen. In der Summe lächelte ich nett und erntete dasselbe distanzierte Lächeln zurück. Als die Klingel das Ende der zweiten Stunde verkündete, hatte ich einen leichten Krampf in den Wangen und eine Ahnung, dass ich mich den Cheerleadern hier nicht anzuschließen brauchte, war aber ansonsten zufrieden.

Mit dem Auffinden des Geschichtsraumes ließ ich mir trotzdem Zeit. Ich hatte festgestellt, dass es am einfachsten war, zuletzt das Klassenzimmer zu betreten, da ich eh gezwungen wurde, nach vorne zu kommen um mich vorzustellen und mir dadurch wenigstens nicht die Mühe machen musste, unter bohrenden Blicken und über gefährlich in den Gang hineinragende Beine und Taschen vorzulaufen oder mir selbst einen Platz zu suchen. Becky, eine rothaarige Amazone, fand es wenig berauschend, dass ich mir vor der ersten Stunde ausgerechnet „ihren“ Platz ausgesucht hatte. Es war einer der äußersten in der letzten Reihe und sie saß anscheinend seit ihrem ersten Schultag vor vier Jahren dort. Weil ich merkte, dass das ihr Ernst war, räumte ich ihn freiwillig. Am Ende hatte mir Mr. Sanders einen zugewiesen.

Völlig in Gedanken versunken hielt ich neben dem mit Stimmengewirr erfüllten Raum 105. Im Klassenzimmer kursierte mein Name und daran verknüpftes lautes Gejohle. Ich gab mich kurz dem Tagtraum hin, was es wohl bedeutete, Privatunterricht zu erhalten und wischte mir über die Stirn.

„Wenn der Libellenschwanz im Dunkeln leuchtet, trinken wir Milch aus Strasssteinbechern.“

Ich konnte spüren, wie leichter Atem meine Schulter kitzelte. Ungläubig drehte ich den Kopf nach links und blickte geradewegs in zwei graubraune Augen.

„Du!“

Mit einem fragenden Blick richtete sich der Junge wieder auf und drückte die Schultern durch. Dabei fiel mir unsinnigerweise auf, dass er über der Lippe eine kleine halbmondförmige Narbe hatte, die meiner am Nacken ähnlich war. Es gab mir ein Gefühl von Vertrautheit.

„Ich habe gehört, dass man sich ablenken soll, wenn der Stress zu groß wird“, ignorierte er mein Beinahe-Quietschen mit einer Selbstverständlichkeit, als rede er über das Wetter.

„Kennen wir uns?“, fragte ich und überhörte seinen Kommentar, was ihn aber nicht weiter störte.

„Wir sitzen im selben Boot. Gabe“, stellte er sich vor und reichte mir die Hand. Nachdenklich nahm ich sie und lächelte zurück.

„Du warst am Freitag auf meiner Geburtstagsfeier.“

Er nickte. „Ein Bekannter hat mich mitgenommen. Er meinte, ihr wärt nett und dass ich nicht früh genug damit anfangen könnte, in Mainfield Anschluss zu finden. Übrigens alles Gute nachträglich – persönlich.“ Fasziniert starrte ich in seine freundlichen Augen, die kurz nach meinem Unfall trostspendend aus der Menge hervorgestochen hatten, und erinnerte mich an sein freundliches Zwinkern. Aus der Nähe betrachtet waren sie von unmöglich langen Wimpern eingerahmt, die ihm etwas Anmutiges verliehen. Er war gut anderthalb Köpfe größer und die Art, wie er seinen Rucksack lässig über einer Schulter trug, strahlte ein gutes Selbstbewusstsein aus, das durch sein sympathisches Lächeln aber nicht arrogant wirkte. Mein Blick wanderte weiter. Auf seinem grauen T-Shirt prangte die rote Rolling-Stones-Zunge, die farblich zu seinen schwarzen Röhrenjeans und Chucks passte. Er hatte kurzes, dunkles Haar und kleine Grübchen in den Wangen. Alles an ihm wirkte stimmig, als ruhe er in sich selbst. Gabe war sicher kein Testosteronheld, aber genauso wenig ein typisches Schulbandmitglied. Gutaussehend, auf eine verträumte, poetische Art, wie ein sensibler Herzensbrecher, der dir ein Lied schrieb, um es dir dann bei Kerzenschein selbst auf der Gitarre vorzuspielen.

Ich stellte ihn mir mit einem Notenblatt und Stift bewaffnet vor und räusperte mich, immer noch lächelnd. „Danke. Ich bin Mimi.“

„Ist mir nicht entgangen“, versicherte er.

„Weil du auf meiner Geburtstagsfeier warst –“

„– und praktisch die ganze Stadt von dir redet.“

„Du bist auch neu an der Lincoln?“

„Mein erster Tag“, nickte er mit ernster Miene und legte seine Hand feierlich schwörend auf sein Herz.

„Oh“, das änderte die Sache. Ich war selig, mir die Aufmerksamkeit mit ihm zu teilen. Denn dass er mit seinem Aussehen und Outfit auffiel, stand außer Frage. „Und wie läuft es bei dir?“

Ein paar unserer neuen Mitschüler, die nah an der Tür saßen, verstummten, da ihnen unser Gespräch auffiel. Gabe blickte kurz zu ihnen und zog mich etwas fort, bevor er zu einer Antwort ansetzte: „Offenbar gibt es in den einzelnen Klassenzimmern feste Lüftungszeiten. Und die sind nicht vor der Stunde.“

„Dein Ernst?“

„Leider schon.“

„Sitzplätze sind auch nicht verhandelbar“, warnte ich ihn. Wir guckten uns einen Moment lang schweigend an und lachten beide los. Im Raum war es totenstill geworden, doch am Ende des Ganges ging knarzend die Tür zum Lehrerzimmer auf und ein älterer, untersetzter Mann mit einer Kaffeetasse in der einen und einem Buch in der anderen Hand schlenderte fix auf uns zu. Sein kariertes Hemd und den braunen Pullunder musternd, tippte ich spontan darauf, dass es sich um unseren Geschichtslehrer handeln musste.

„Weiter geht’s“, seufzte Gabe in Richtung des näher kommenden Mannes.

„Außerirdische werden uns den Krieg erklären, sollte der Strasssteinbecher jemals gestohlen werden“, erwiderte ich.

„Darüber hinaus tränken wir zur Strafe nur noch Chlorwasser, das nach Vanillesorbet schmeckt“, grinste er und hielt dem ihn verstört musternden Lehrer und mir die Tür.

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