Читать книгу Verdammt. Verliebt. - der Nr.1 amazon Bestseller über eine Liebe, die nicht sein kann, aber sein muss, weil sie von anderen beschloßen wurde - Simona Dobrescu - Страница 8

Оглавление

Kapitel 2

An der Linie, die sein Kreuz unmittelbar vor mir bildete, erkannte ich die Gestalt, der ich eben noch gefolgt war, und seufzte erleichtert auf. Die kurze Entfernung erlaubte mir einen guten Blick auf den hochgewachsenen Jungen, der, seine Körperhaltung absurd ruhig, seine Glieder viel zu entspannt für die Situation, in der er sich befand, seine weite Kapuze abnahm und im Licht der Fackel auf das bebende Monster zu trat. Der Hund fletschte die Zähne. Dann stellte er sich auf die Hinterbeine – ein eher unnötiges Unterfangen, da die Höhle ihn wieder zurück auf seine Pfoten zwang – und stieß ein mir unter die Haut gehendes Gebrüll aus. Vor Schreck erstarrt beobachtete ich die beiden und presste mich stärker gegen die raue Wand, spürte das Prickeln meines rechten Handgelenks, an dem er mich gepackt und aus der Gefahrenzone gezogen hatte.

„Du hast hier nichts verloren“, erklärte die verhüllte Gestalt sachlich und wäre nicht der gefährliche Unterton in seiner Stimme gewesen, man hätte annehmen können, er rede mit einem unartigen Kind.

Die Kreatur machte keine Anstalten, darauf zu reagieren. Sie stand bloß da und blickte ungeduldig drein, das Fell aufgestellt, die Augen von einem fiebrigen Glanz durchzogen, wobei ihr Blick plötzlich an ihm vorbei und zu mir sprang.

„Nicht in die Augen sehen“, sagte der mysteriöse Retter und packte, mit einer Geschwindigkeit, die ich nur im Nachhinein ausmachen konnte, das Tier beidhändig am Nacken, nahm es in die Zange und drückte zu, während es unverändert zu mir blickte und sich unter seinem festen Griff wand. Die Worte waren längst verklungen, da ich begriff, dass sie mir gegolten hatten. Mit an körperlich grenzender Gewalt drängte ich meinen Verstand, den Blick von der Kreatur abzuwenden. Ein lautes Knacksen hallte daraufhin von den Wänden, das Monster jaulte auf und ich starrte wieder zu ihm, wie es sich vor Schmerzen wild gebärdete, fauchte, knurrte und um sich biss in dem hoffnungslosen Versuch, sich befreien zu können. Sein Gegner hatte es im Schwitzkasten und drückte erneut zu. Gleichzeitig knirschte es noch lauter und der Junge ließ ihn los.

„Verschwinde“, befahl ihm die tiefe Stimme meines Retters, während er wenige Schritte zurücktrat. Der Hund stierte ein letztes Mal herüber und war fort. Lediglich der zurückgebliebene Gestank erinnerte noch an seine Anwesenheit.

Gedankenverloren schaute der Junge ihm nach und ließ ein paar Momente verstreichen, ehe er sich seine tiefe Kapuze wieder aufsetzte, die passend zu der langen hellbraunen Kutte aus einem fließenden Stoff gefertigt war. Noch indes ich mich fragte, ob er mich vergessen hatte, trat er schweigend auf mich zu. Rote Flecken zierten seine Hände sichtbar sobald er vor mir stehen blieb und die Kopfbedeckung endgültig an die richtige Stelle brachte, sein Gesicht in Dunkelheit verbarg.

Er griff nach meinem Arm und zog mich wortlos mit sich, führte mich zu einer Wendeltreppe, die ich eher hinaufstolperte denn -ging. Darauf bedacht, mechanisch einen Fuß vor den anderen zu setzen, versuchte ich, bestmöglich mit ihm Schritt zu halten.

Jeglicher Versuch ihm zu danken wurde von ihm unterbunden, also fügte ich mich in sein Schweigen und folgte ihm durch endlose Flure und Gänge, Kammern und Räume, bis wir schließlich an einen Felsen gelangten, der sich wie von Geisterhand öffnete und ins Freie führte.

Erleichtert machte ich mich frei, lief an ihm vorbei nach draußen in die Nacht und fand mich vor der ominösen Wasserquelle wieder, die sich als riesiger, ovaler Brunnen entpuppte. Steinfiguren zierten ihn, Abbildungen kleiner Kinder mit Flügeln, die melancholisch gen Himmel blickten. Fasziniert von den traurigen, hilflosen Gesichtern und ihren anklagenden Augen vergaß ich meine Umgebung und streckte eine Hand aus, um sie zu berühren. Kaum ertastete ich den kalten Stein, bewegten sich die Pupillen des Kindes und bohrten ihren Blick in meinen.

Und dann taten es ihm die anderen Figuren nach, Kind um Kind fixierte mich mit offener Schuldzuweisung. Erschöpft legte ich den Kopf in den Nacken und lachte lauthals los. Natürlich, dachte ich. Blutwiesen, riesige Hunde, schwarze Ritter, Gräber und Steinengel, die mich anvisieren.

„Der verrückteste Traum aller Zeiten.“

„Wie bitte?“, erklang eine erstaunte Stimme hinter mir. Ich seufzte und drehte mich lächelnd zu ihm, dabei schloss ich das Geschehen um uns in meine erklärende Geste ein: „Gerade hat er den Albtraum von der Mörderspaghetti, die mich zu Tode würgt, während ein Papagei mich festhält, geschlagen.“ Den Engel tätschelnd, zuckte ich die Schultern. „Um Längen.“

Verblüffte Stille quittierte meine Äußerung, aber seine Augen blitzten in ihrem Versteck kurz auf, ehe sie wieder erloschen. Der Funke reichte, um meine Neugier zu wecken.

Gespannt trat ich zu ihm und stellte mich auf die Zehenspitzen, um ihn besser mustern zu können.

„Darf ich?“, fragte ich eher anstandshalber und nahm ihm die Kapuze ab, bevor er

überhaupt zu einer Antwort angesetzt hatte. Wenn das mein Traum war, spielten wir ab jetzt nach meinen Regeln, beschloss ich und atmete scharf ein.

Verblüfft sahen zwei blaue Augen in meine, meine ganze Seele mit einer unscheinbaren Bewegung in Alarm bringend, ehe er sie voller Ablehnung zu schmalen Schlitzen zusammenkniff. Weit wie der Ozean und klar wie ewiges Eis gingen sie mir durch jede Faser meines Körpers und verliehen meinem Gegenüber, sanft eingefasst in ein schön gezeichnetes Gesicht, eine Reife, die er nicht haben konnte. Er war kaum älter als ich. Schwarze Haare fielen ihm in die Stirn. Seine Erscheinung löste eine Erinnerung in mir aus, die aber weit weg war, ich nicht zu greifen bekam.

„Nicht schlecht.“

Bei meinen Worten fuhr seine Hand hinauf zu dem glänzenden Stoff seiner dunklen Kleidung und packte die Kapuze, doch ich hielt sie auf halbem Wege fest.

„Was meinst du?“, fragte er und entzog sich meinem Griff, machte jedoch keinerlei Anstalten, sein Gesicht wieder zu verhüllen.

„Meine Fantasie. Da erschafft sie eine Welt voller Monster und Abgründe und doch gleichzeitig – dich.“

„Du denkst, du träumst?“

„Ich weiß es sogar.“

Das hier konnte in keiner Wirklichkeit existieren.

„Ist das deine Standard-Kleidung“, er musterte mich langsam von Kopf bis Fuß, „wenn du fantasierst?“

Der Sarkasmus entging mir nicht, doch das helle Flackern in seinen Augen ließ ihn verrauchen, sobald er erklungen war.

„Hey, sind Träume nicht der Ort, an dem nichts unmöglich ist? Du weißt schon, Mädchen werden Prinzessinnen, Brad Pitt zu meinem Ehemann, Süßigkeiten zum besten Freund der Frau? Das Bewusstsein bildet Erlebtes und Gewünschtes nach und verarbeitet Geschehnisse. In meinem Fall“, grinsend zog ich kurz an seiner Kutte, „handelt es sich wohl um irgendeinen ungelösten Konflikt mit Star Wars.“

Mein Cousin hatte mich vorgestern gezwungen, zwei Episoden der Science-Fiction-Saga mit ihm durchzusitzen. Nächstes Mal, wenn er seine „Collector’s Edition“ auspackte, war ich vorgewarnt und würde krank sein, ein Organ spenden oder die preisgekrönten Veilchen in Nachbars Garten für Mr. Beckett archivieren.

„Ich bin kein Jedi-Ritter“, erklärte der verhüllte Junge und wandte sich leicht ab, tat es den Steinfiguren gleich und schaute hinauf zu den Sternen. Schmerz flackerte bei den Worten über sein Gesicht, mein Lächeln erlosch sofort. Einen Herzschlag später entdeckte ich meine Hand begierig in die Höhe gleiten. In meinem Kopf warnte mich die Vernunft noch davor, ihn zu berühren, da strich ich längst über seinen Rücken, wie es meine Mutter früher getan hatte, wenn sie mich trösten wollte.

„Tut mir leid.“

„Und das ist keine Traumwelt“, fuhr er fort, ohne mich gehört zu haben. „Wäre dem so, hätten viele längst Wege und Mittel gefunden, um sich mit Gewalt zum Aufwachen zu zwingen.“

Wie zum Beweis seiner Worte donnerte es unmittelbar über uns, eine Armada gleißender Blitze erhellte den Ort und verpasste den Engeln einen ehrfurchtsvollen Blick. Sämtliche Augenpaare waren nun auf ihn gerichtet.

Die Farbe war während unseres kurzen Gespräches aus den Gegenständen entwichen und tauchte das einst farbenfröhliche Szenario in die tristen Grautöne, nach denen es verlangte. Eine dicke schwarze Wolke griff mit schauderhaften Armen nach dem Himmel und begann, schwarzes Wasser regnen zu lassen, das verdächtig nach Blut anmutete. Obwohl wir im Trocknen standen, konnte ich die Tropfen beinahe physisch fühlen. Bei dem Krach fiel es mir schwer, meine Gedanken zu ordnen, während die Kinderstatuen Tränen des Todes vergossen.

„Wo sind wir?“, fragte ich ungläubig und trat fort von ihm, nachdem er mir den Kopf wieder zuwandte und freudlos an mir vorbei zum Brunnen blickte. Ein schwaches Lächeln malte sich auf sein betrübtes Gesicht. Er erinnerte mich an einen Pokerspieler, kurz bevor er das Siegerblatt enthüllte. Gleichzeitig fiel ein feiner Sonnenstrahl auf seine ausgestreckte Handfläche, bis er sie drehte und er rückstandslos verpuffte.

Wenn das ein Traum war, warum gehorchte er nicht meinen Parametern? Warum spiegelte er seine wider?

Als könnte er meine Gedanken lesen, versuchte er plötzlich, mich zu trösten: „Du wirst das bald vergessen haben.“

Gebell, Schreie, Huftritte. Stille. Eine Explosion am Himmel und das Lied der Unsichtbaren, das von etwas anderem durchbrochen wurde.

„Tod. Tod. Tod …?“

Die warnende Stimme war erneut da und aus ihrer Mahnung entstand ein Singsang-ähnliches Fragen. Ich starrte mein Gegenüber an und glaubte ihm kein Wort. Sein Grinsen verebbte.

„Dir wird nichts geschehen.“

Etwas an der Art, wie er das sagte, passte nicht zu dem bleiernen Wort, das in der Luft hing und durch meine Kleidung kroch. Während ich ihn hin- und hergerissen musterte, wurden seine Augen schwärzer, denn ich es jemals bei einem Menschen gesehen hatte, und über seine Kutte huschte Dunkelheit, die mit ihm zu verschmelzen schien.

Ich schluckte. Es war dumm gewesen, ihm zu trauen. Seine Augen sprangen von mir zu dem prächtig in Blüte stehenden Rosenbusch in meinem Rücken, sein Ausdruck halb frustriert, halb erheitert. Vorsichtig machte er einen Schritt auf mich zu, geschockt wich ich einen Schritt von ihm zurück. Er streckte eine Hand nach mir aus und ich schlang meine Arme schützend um mich. Schließlich hob er fragend eine Augenbraue, und ein einzelner, ohrenbetäubender Schrei ertönte. Mein gesamter Körper zuckte unabsichtlich zusammen. Die Stimme war nah, klar und hoch, durchzogen von einer unauslöschlichen Feinheit, einem punktierten Ton. Ich musste sie nicht sehen, um zu wissen, dass sie zu einem noch sehr jungen Mädchen gehörte. Ihre lauten Schritte wurden von einem Hämmern unterbrochen, kreischend, schluchzend bat sie winselnd um Gnade, durchbrach schließlich das dichte Geäst der Büsche vor uns und stolperte unkoordiniert weiter. Sie entdeckte uns, taumelte sofort auf mich zu und ich reagierte automatisch und öffnete einladend die Arme. Die Kleine war keine zwölf Jahre alt, ihre zierliche Statur bedeckten zerfetzte Kleider, Ruß verschmierte ihre Haut, Wunden pflasterten ihren ramponierten Körper. Ihr verschwitztes Gesicht war zu einer panischen Maske verzogen. Sie war keine zwölf Jahre alt und bereits im Begriff zu sterben – und das wusste sie auch.

„Lauf!“, rief ich. „Du schaffst das!“

Die Augen meines Begleiters trübten sich kurz, leuchteten wieder tiefblau, glitten von mir zu dem Kind und zurück und verharrten schließlich auf meinem Gesicht, während Huftritte donnerten und polterten, laut genug, dass ich nicht mehr imstande war, meine eigenen Gedanken zu hören. Dass der Junge einfach nur dastand, ohne die leisesten Anstalten, ihr zu helfen, machte mich wütend und ließ mich los- und an ihm vorbei ihr verzweifelt entgegenrennen, betend, dass die Kleine durchhalten möge. Die daraufhin folgenden Dinge geschahen gleichzeitig, bedingten sich und wurden zu einer Verkettung, die ich nie wieder vergessen sollte: Ein zweiter Reiter, diesmal auf einem roten Pferd, galoppierte aus dem Nichts heraus und manifestierte sich in seiner ganzen bedrohlichen Herrlichkeit unmittelbar hinter dem erschöpften Mädchen, fixierte es mit einer Kaltblütigkeit, dass mir das Blut in den Adern gefror. Im selben Moment beschleunigte ich und versuchte die Lücke zwischen uns zu schließen – und wurde weggerissen, als mein schwarzer Retter mich packte und rabiat festhielt, mich dadurch fixierte, dass er mich an sich zog. Meine Nerven waren komplett überspannt, an meinem Rücken konnte ich jede Kontraktion seines Körpers fühlen. Ich kreischte und trat blindlings nach ihm, bat, dass er mich loslassen möge, ihr helfen würde, doch sein Griff war stark und er ließ keinen Zentimeter locker, obwohl ich seine Hände verzweifelt mit meinen Fingernägeln bearbeitete.

„Bitte“, flüsterte ich und weinte, unfähig meinen Blick von dem Kind abzuwenden, das jetzt den Fehler machte, sich umzudrehen.

„Du kannst nichts für sie tun“, hörte ich ihn über jegliche Geräusche hinweg dicht an meinem Ohr antworten. Das Mädchen torkelte und fiel.

Zufrieden erhob der Reiter mit ausdruckslosen Augen sein Schwert.

Sie begann wieder um Gnade zu flehen, um ihr Leben zu feilschen und warf sich vor ihm nieder, zugleich erklang sein höhnisches Lachen, begleitet von emotionslosen Blicken. Tränen versperrten mir die Sicht, mein Körper bebte, doch ich schaffte es nicht, mich von den beiden abzuwenden.

Das musste ich auch gar nicht.

Der Reiter schaute zu uns, zögerte sichtbar und nickte schließlich, bevor er wieder auf sein Opfer achtete und mit einem ohrenbetäubenden Brüllen darauf einhieb.

Was mit dem Kind passierte, konnte ich mir nur vorstellen, denn noch inmitten der unheilvollen Geste, bei der der Verfolger seine Oberarme anspannte, wirbelte mein vermeintlicher Helfer mich herum.

Todesstille trat ein und legte sich wie ein Leichentuch auf uns.

Letztlich scharrten Hufe und man hörte den Reiter einen Befehl geben, bevor er in die Richtung zurückritt, aus der er vor wenigen Minuten erschienen war. Ich wand mich heftig, bis ich mir fast den Nacken verrenkte, und starrte zurück. Die toten Büsche, die er hinterlassen hatte, erwachten wieder blütenreich zum Leben und radierten seine Gegenwart weg. Von dem Mädchen fehlte nunmehr jede Spur.

Mein Begleiter lockerte den Griff und gab mich frei. Ich stolperte vorwärts. Da war ich nun und zitterte wie Espenlaub, mein Mund schmeckte nach Galle, mein Magen drehte sich und rebellierte, nach all dem, was ich erlebt und gesehen hatte. Die Erschöpfung der letzten Stunde zehrte an mir. Ich spürte den bekannten Tropfen das Fass zum Überlaufen bringen und drohte endgültig zusammenzubrechen, den Verstand zu verlieren. Nichts hier konnte sein, aber jegliches existierte. Geschlagen beugte ich mich vornüber und wollte mich übergeben, doch was ich hervorbrachte, waren erstickte Laute und Wortfetzen, die keinen Sinn ergaben. Meine Augen flehten den Jungen still um Hilfe, noch während ich entkräftet auf die Knie sank. In einem kraftlosen Unterfangen, mein Bewusstsein zu blocken, hielt ich mir die Ohren zu, schüttelte den Kopf und versuchte, die Verzweiflung des immer und immer wieder schreienden Kindes auszublenden. Mein Gegenüber betrachtete mich dabei aufmerksam und begriff schnell, dass ich allein nicht mehr in der Lage war, mich zu beruhigen. Nach einem letzten Blickwechsel zwischen den Steinfiguren und mir versteifte er sich, nahm einen tiefen Atemzug und entfesselte das berauschendste Lächeln, das ich je gesehen hatte. Wie eine Naturgewalt durchdrang es meinen Panzer aus Furcht und betäubte den Schauder, der mit eisigen Klauen nach meiner Seele zu greifen drohte. Seine blauen Augen erfüllt von einem Meer aus Wärme kniete er sich vorsichtig vor mich, ließ seinen Blick in meinen einrasten und zwang mich regelrecht, mich nur auf ihn zu konzentrieren. Eine entfernte Vertrautheit, wie bei einem lange verschollenen Freund, stieg in mir auf. Ich versuchte, sein Gesicht einem Namen, einer Begebenheit zuzuordnen, und scheiterte. Verzweifelt griff ich nach seiner Hand, der einzigen Stütze in dieser entsetzlichen Welt, die er mir Gott sei Dank nach kurzem Zögern gewährte, weiter lächelnd. Keine Worte hätten mich in diesem Augenblick mehr trösten können und deshalb saß ich einfach nur da, berauscht von dem Gefühl, dass er imstande wäre, das Schlechte von mir fernzuhalten. Obwohl ich ihn kaum berührte, passierte dabei etwas mit mir, jagte ein Gefühl, ein vibrierender Impuls durch meinen ganzen Körper wie ein angenehmer Stromschlag, der kribbelte und prickelte und sich einfach fantastisch anfühlte – und sprang über meine Hand auf seinen Körper über. Ungläubig lächelte ich kurz dankbar zurück, um in seinem Blick jede meiner Emotionen wie auf einer Wasseroberfläche gespiegelt zu finden. Die Offenheit seiner Empfindungen verlieh ihm etwas entsetzlich Verletzliches, bevor er sie sachte abschüttelte, um stattdessen meinen Körper auf der Suche nach Verletzungen mit den Augen abzutasten. Sobald er seine andere Hand nach mir ausstreckte, hielt ich die Luft an. Vorsichtig wischte er mir einzelne Haarsträhnen aus dem Gesicht und führte den verrutschten Träger meines Kleides zurück auf meine Schulter. Eine prickelnde Schneise entstand auf meiner Haut, dort wo seine Finger mich berührten, und erlosch, sobald sie wieder fortgezogen wurden.

„Hab keine Angst.“

Augenblicke vergingen, bevor seine Augen fieberhaft aufflammten, schließlich schaute er mich an und im selben Moment durch mich hindurch, richtete seinen Blick nach innen. Märchenhafte Ruhe folgte und Atemzüge später veränderte sich die Umgebung ein letztes Mal. Ein weißes, prächtiges Schloss erklomm sich den Weg aus den Tiefen der Erde, da wo ich vor wenigen Minuten noch über das Gräberfeld gelaufen war. Das Wasser im Brunnen plätscherte klar und die Sonne vertrieb das Gewitter und wärmte meine Haut. Eine Ahnung jagte durch meinen Körper und durchflutete meine Sohlen, die, wie ich verdutzt feststellte, zu heilen anfingen, während sich auch die Kratzer auf meinen Armen und Beinen einer nach dem anderen schlossen. Mein Handgelenk heilte, die Blutspritzer verschwanden. Über dem herrschaftlichen Bau erstreckte sich ein funkelnder Regenbogen und das melodische Lied der begabten Sängerin erklang in einer von Blüten bestäubten, vibrierenden Luft. Sein Gesicht erhielt weichere Züge und schließlich grinste er mich an. Inmitten dieses Irrsinns befiel mich ein letztes Mal der klare Gedanke, dass er mir entfernt bekannt vorkam.

„Glaubst du mir jetzt?“, fragte er schmunzelnd und löschte jeden weiteren Gedanken aus meinem Bewusstsein. Mein Verstand wehrte sich gegen das Geschehene. Gegen das Gesehene. Um nicht darüber nachdenken zu müssen, erwiderte ich das Erste, was mir einfiel.

„Magst du Hunde?“

Zuerst runzelte er die Stirn, doch schließlich zuckten seine Mundwinkel und zauberten winzige Grübchen auf seine Wangen.

„Was?“

„Hunde. Vier Pfoten, ein Schwanz, blutunterlaufene Augen, narbenübersätes Gesicht.“

„Höllenhunde sind nicht zum Mögen konzipiert.“

„Hmmm?“, platzte es geistreich aus mir heraus.

Sein Lachen wurde durch den warmen Wind in den ganzen Garten getragen. Der Klang war dermaßen angenehm, dass ich lächeln musste. Ein echtes, beruhigend normales Lächeln.

Ich beschloss das nicht zu hinterfragen. Etwas ging gerade vor sich, aber ich war zu erschöpft um Nachforschungen anzustellen. Das er mir half, reichte vollkommen.

„Melody!“, durchbrach eine verängstigte, vertraute Stimme meine Analyse und ließ mich ruckartig den Kopf drehen.

„Abby?“

Ihre Stimme schrammte am Rande der Panik entlang, flüsterte dabei durch jeden Gang, jeden Strauch und Blütenkopf. „Bitte! Kannst du mich hören? Wenn du mich hören kannst, schau mich an. Bitte!“

Auch er war still geworden, seine Augen zum Brunnen geglitten. Offensichtlich bemüht, etwas zu verstecken. Stumm reichte er mir die Hand und half mir vorsichtig auf die Beine, stabilisierte mich, bis ich imstande war, allein zu stehen.

Abbys Stimme war längst fort, da ich siedend heiß verstand, was er soeben gesagt hatte.

„Ich bin in der Hölle gelandet?“

Er nickte kurz. „Und damit rückt die Würgespaghetti wieder auf Platz Eins.“

„Wo ist der Rest?“, wollte ich wissen.

Er hob die Augenbrauen.

Ich seufzte. „Satan mit seinem Dreizack, heiße, sünderverschlingende Fegefeuer, Folterapparate, Lava und Totenköpfe …“

„Klischees.“

„Was ist hinter den Klippen?“

Die Frage missfiel ihm. „Leben. Tod. Die Spanne dazwischen.“

„Verlockend.“

„Warte – du weißt um die Klippen?“, seine Stimme wurde mit einem Schlag abgehakt leise.

„Vorhin standest du an ihrem Abgrund. Ich bin dir kurzerhand gefolgt.“ Entschuldigend zuckte ich bei der Erklärung die Achseln.

„Wann war das?“, fragte er nun mit einer Intensität, die ihn unmenschlich erscheinen ließ. Sein Blick hielt meinen weiterhin gefangen. Unsicher blickte ich weg.

„Kurz nachdem ich diesen Reiter abgehängt habe, der mir wiederum die Hunde vom Hals geschafft hat“, mein Blut kochte bei der Erinnerung. „Diese abscheulichen, hartnäckigen …“

„Wie bitte? Du hast –?“

„Mich vor ihm versteckt?“

„Und die Hunde hast du –?“

„Gar nichts. Höchstens etwas getreten.“ Die Arme verteidigend vor der Brust verschränkt, fügte ich aufrichtig hinzu: „Und sie mit Erde beworfen.“

Ich hoffte, dass er meine Motive verstand, denn wenn sein Starren ein Indiz war, hatte ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Grenze überschritten. Nicht, dass ich es nicht wieder getan hätte, wenn mein Leben davon abhing. Aber das Letzte, was ich wollte, war, ihm Ärger zu bereiten. Was, wenn er die Konsequenzen meines Verhaltens zu tragen hatte? Stille legte sich kaum auf uns, da erklang sein warmes Lachen erneut. Lauter. Tiefer. Den Kopf in den Nacken gelegt, wippte sein ganzer Oberkörper unter dem harmonischen Geräusch, das bislang das Authentischste an ihm war. Erleichtert, aber erschöpft, fuhr ich mir über die Augen.

„Bravo“, erwiderte er und drückte wie zur Bestätigung meine Hand. Seine Wärme übertrug sich auf mich und ich hielt inne, um das wohlige Pulsieren darin zu genießen, vergaß, dass ich mich nicht mehr daran erinnern konnte, ihm meine Hand überhaupt gereicht zu haben.

„War das falsch?“, fragte ich nervös.

Er schüttelte ungläubig den Kopf und fuhr sich durchs dichte, seidige Haar. „Nein. Ich bin aufrichtig beeindruckt. Das ist selten der Fall.“

Um mein ausgelassenes Herz zu beruhigen, wanderte mein Blick suchend umher. Die Engel lächelten zufrieden und streckten ihre Wangen in die Wärme der Sonne, machten es den Blumen nach, die in einer sanften, kühlen Brise wippten.

„Es ist wunderbar still und friedlich hier.“

Der Junge nickte höflich. „Nicht wahr?“

Seine Augen strahlten sanft und vermischten sich mit dem Himmel. Es war schwierig, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, wenn sein Blick auf mich gerichtet war. Diese Gedanken schwirrten mir gleichzeitig im Kopf herum und ich blickte eher abwesend auf die sehr vertraut wirkende Geste zwischen mir und einem Fremden – merkte ebenso beiläufig, wie sein Blick interessiert meinem folgte. Noch bevor er verstand, dass er unsichtbare Muster mit seinem Daumen auf meiner Haut zeichnete, zog er seine Hand derart heftig zurück, als hätte er sich an mir verbrannt.

„Wie zum Teufel …?“, fragte er und musterte mich ungläubig, indes ich instinktiv meine Arme hinter dem Rücken versteckte. Meine Haut erzählte noch von der Erinnerung an seine Berührung, da kam ihm anscheinend ein neuer Gedanke, der sein Gesicht schauderhaft verdüsterte. Blitze und Donner tauchten den Garten binnen eines Herzschlags in tiefste Nacht und seine Halsschlagader pulsierte stark genug, dass ich es selbst in stockfinsterer Dunkelheit erkennen konnte.

„Nein! Niemals“, dröhnte er bebend und seine Lippen krümmten sich passend zu dem schwarzen Blick, mit dem er mich plötzlich voller Abscheu bedachte. Das Gewitter darin machte seine Augen paradoxerweise nicht gefährlich, sondern nur noch verlockender. Gerade als ich den Mund öffnete, um ihm das zu sagen, zeigte er im Licht eines Blitzes anklagend auf meinen Oberkörper. Hagel fiel ohrenbetäubend um uns und ließ mich frösteln.

„Du! Hinfort. Auf der Stelle!“

Er war nicht nur sauer, er war ausser sich. Wie eine Welle ging der Zorn von ihm aus. Ich fühlte sie physisch gegen mich schlagen und trat näher, um ihn durch den Lärm besser zu verstehen.

„Warum?“, fragte ich perplex, hauptsächlich, um mich von dem sich verlierenden Gefühl in meinem Körper abzulenken.

„Weil es beginnt.“

„Es?“

„Du hast ihn abgehängt.“

Verwirrt blinzelte ich zu ihm hoch. Ihn?

„Den Reiter?“

„Ja“, ein Muskel in seinem Kinn zuckte. Es war die pure Faszination und zog mich unwiderstehlich an. Selbst die Art, wie seine Hände sich zu Fäusten ballten, weckte Verlangen in mir. Ich schluckte hart und mein Blick fiel auf seine Lippen.

Was stimmt nicht mit mir? Wie komme ich jetzt darauf, seinen Mund berühren zu wollen?

Mein Magen verkrampfte sich und ich suchte nach Ablenkung, während traurige Blütenköpfe an meinen Beinen vorbeiflossen und sein Gesicht hart wie Stein wurde.

Worüber haben wir uns gerade unterhalten?

Ich riss meinen Blick von ihm fort und hin zu der Stelle, an der das Mädchen verschwunden war.

Der Reiter …

„Entweder das oder er hat das Interesse an mir schlichtweg verloren.“

„Die Höllenhunde haben dich nicht gekriegt.“

„Nein, sie haben den Platz für deinen Reiter frei gemacht.“

„Sie hatten im Vorfeld gewiss genug Zeit.“

Ich erinnerte mich an ihr paralysierendes Schnapp-Spiel und schwieg vorsichtshalber. „Vielleicht war ich den Aufwand nicht wert, der nötig gewesen wäre, mich zu Tode zu ängstigen“, sagte ich letztlich mehr zu mir selbst.

„Das bezweifle ich“, stieß er zwischen zusammengekniffenen, perfekten vollen Lippen hervor.

Hör auf damit!

„Wir werden dich jetzt los.“

Er knirschte wie zur Bestätigung mit den Zähnen und nahm meine Hand um mich unsanft vorwärts zu zerren. Das Unwetter teilte sich vor uns und ließ uns trocken hindurchgehen. Aus einem irrwitzigen, undefinierbaren Grund war ich überzeugt davon, dass er sich beherrschen würde, keine unmittelbare Gefahr auf mein Leib und Leben von ihm ausging. Es störte mich jedoch, wie er mich musterte. Es störte mich, dass ich der Ursprung seiner Wut war.

„Und ich greife auch noch ein“, entfuhr es ihm verbittert und er fluchte: „Pandoras verdammte Büchse.“

„Nochmal?“

„Still.“

„Aber -“

„Sei still!“

Ich denke nicht. „Was bin ich für dich? Eine Plagewelle?“

Zur Antwort rammte er seine Finger tiefer in mein Fleisch.

„Au!“ Ich versuchte, ihm meine Hand zu entreißen, ein sinnloses Unterfangen, wie ich nach kurzer Zeit feststellen musste. „Du hast mir nicht zu befehlen, was ich tun und lassen kann.“ Meine Stimme wurde definitiv lauter und mein Gebärden rabiater.

„Das sehe ich anders.“

„Das ist dein gutes Recht.“

Mein Herzschlag beschleunigte. Ich zog und zerrte weiter.

Das ist keine Option.“

„Nimm deine Hand von mir!“, fuhr ich ihn schließlich schreiend an und übertrieb: „Du tust mir weh!“

Sein Griff lockerte sich minimal. Mit einem entschlossenen Ruck befreite ich mich und sprang von ihm zurück. Entsetzt rieb ich über mein Gelenk und starrte ihn dabei an. Keine Spur mehr von Prickeln und Kribbeln. „Was ist eigentlich dein Problem?“

„Wie viel ist dir dein Leben wert?“, stellte er eine Gegenfrage, die ich nicht erwartet hatte.

Aber sie verdeutlichte mir schlagartig, dass wir uns in seiner Welt aufhielten und nach seinen Regeln spielten. Wenn er mich hierbehalten oder den Hunden zum Fraß vorwerfen wollte, hatte er vermutlich die Macht dazu. Wenn der Reiter ihm wieder über den Weg lief und er mich ihm einfach mitgeben wollte, konnte er es vermutlich.

Warum auf eine Fangfrage antworten? Will er verhandeln?

Quälende Schreie drangen an mein Ohr und ich schluckte hart. „Drohst du mir gerade?“

Ich blinzelte und im nächsten Moment stand er dicht vor mir, seine Augen brannten mit fesselnder Intensität. Ein Zwinkern später waren sie schwarz.

Tote Augen.

Mein Herz schlug heftig gegen meine Brust, in meinem Hals, meinen Ohren, ich konnte die Geräusche um uns nicht mehr unterscheiden. Er beugte sich zu mir herab, bis wir Nase-an-Nase waren. „Das Leben steckt voller guter und vieler schlechter Wendepunkte. Du bist hier nicht in Disneyland. Du befindest dich in einer höchst brenzligen Lage, hast eine der schlimmsten Abzweigungen überhaupt genommen, und wenn du Glück hast und schlau bist, folgst du, widersetzt dich nicht, tust genau was ich von dir verlange und schaffst es vielleicht durch die Nacht.“

„Warum hast du mir geholfen?“

Es war eine spontane Eingebung. Eine unschuldige Frage, die mich beschäftigte, seit er seine gestellt hatte. Doch sie änderte alles. Ich fühlte, wie die Wut in einer letzten Anwandlung über seinen Körper glitt, verging und er wieder an dem Punkt stand, wo er mich eben losgelassen hatte. Unschlüssig. Mit einem letzten Blick wandte er sich von mir ab. Um mutiger zu wirken, um die Benommenheit abzuschütteln, stützte ich die Hände in die Hüften und räusperte mich.

„Meinetwegen. Geht es halt nach deinem Kopf: Dein Plan lautet?“

Er versteckte seine Ungeduld schlecht. „Dich zurückschicken.“

Mitzuhalten war wie gegen den Strom schwimmen. Und ich war ausgelaugt. „Dazu musst du mich nicht zwingen. Sag mir wie und wo, und ich garantiere, du siehst mich von hinten.“

Ich hielt die Luft an, weil er wieder näher trat, diesmal in einer normalen Geschwindigkeit. Je mehr er den Abstand zwischen uns verringerte, desto stärker ging mein Puls, feuchter waren meine Handflächen. Ich hätte mir gern vorgelogen, es läge an der Angst vor dem, was er mir sagen oder antun könnte, aber wenn ich ehrlich war, lag es einzig an ihm, seinem Gang und den unmöglich vielen Dingen, die mich verbotenerweise zu ihm zogen, statt mich von ihm wegzutreiben. Von den nun stahlfarbenen Augen zu den angespannten Muskeln, die ihn noch imposanter und größer wirken ließen, über den disziplinierten Ausdruck auf seinem bildschönen Gesicht bis zu dem betörenden Duft, den sein Körper ausströmte.

„Vielleicht sollte ich dich einfach überzeugen?“, fragte er wenige Zentimeter vor mir und ein diabolisches Glimmen sprenkelte dabei seinen Blick. Die Wende gefiel ihm. Falls ich Zeit hatte abzulehnen, verstrich sie ungenutzt. Ungetrübt redete er weiter. „Unter normalen Umständen würde ich das nicht dem Zufall überlassen, ausnahmsweise gewähre ich dir jedoch freie Wahl. Denk an deine Wendepunkte. Entscheide weise.“

Warmer Wind kam zwischen uns auf und zog an meinem Kleid, meinen nackten Füßen, meinen Haaren, fächerte sie wie einen Vorhang um mein Gesicht, sodass ich ihn und den verschlungenen Pfad des Gartenweges nicht mehr erkannte. Das Lied endete und ein neues setzte ein. Ich hielt meine Haare zurück und wartete.

„Du kannst fort und zurück in dein Leben, versuchen alt zu werden und das hier zu vergessen, oder“, er legte den Kopf ein wenig schief, seine Augen blitzten verführerisch, „hierbleiben. Für immer.“

Meine Augen flatterten an ihm vorbei in den Garten, doch er schüttelte den Kopf.

„Nicht hier im Garten. An diesem Ort.“

Ich betrachtete ihn sorgfältig, fühlte seinen Atem auf meinen erhitzten Wangen, seine Körperwärme, und verstand in diesem Augenblick, dass ich nicht hätte zögern dürfen. Er bot mir an, lebend aus diesem Albtraum zu entkommen und ich war tatsächlich unentschlossen?

„Mit dir?“

Fassungslos starrte er mich an. „Mit jeder dazugehörigen Konsequenz.“

Widerwillig wandte ich den Blick von ihm ab.

„Bin ich tot?“

„Noch nicht.“

Der Junge beugte sich leicht zu mir vor, starrte auf meine linke Hand, die sich mechanisch nach ihm ausstreckte, und einen Anflug von Traurigkeit auf seinem Gesicht hervorrief.

„Was soll’s sein, Melody?“, er streichelte meinen Namen, als wäre es der reizendste Klang auf der großen, weiten Welt, und ich kam nicht umhin zu hoffen, er würde mir eine dritte Alternative aufzeigen. Stattdessen drehte er meine Hand behutsam, und während er das tat, bröckelte sein zurückweisender Schutzwall und fiel in sich zusammen. „Ich hasse es zwischen den Stühlen zu stehen. Warum erlaube ich dir also, dass du mich in dein Schlamassel verwickelst?“

Meine Augen weiteten sich in Schock. „Werde ich dafür noch bezahlen?“

„Nein.“

„Wirst du?“

In seinen Pupillen flackerte es und ich konnte mitverfolgen wie ihm etwas bewusst wurde. Ohne nachvollziehen zu können, was, kehrte Gewissheit darin ein und er begriff, was mir entging. Mit dem leisesten Hauch eines Zitterns in der Stimme sagte er: „So wie ich das sehe, haben wir beide keine Wahl.“

Und mit diesen Worten trat er von mir zurück, fuhr sich unruhig durchs Haar und versteifte sich. Verdutzt beobachtete ich ihn und gefror, derweil mein Magen sich verknotete und in meinem ganzen Körper ein Prickeln einsetzte. Feinste Strahlen zeichneten sich auf meiner Haut ab, wurden aus ihr geboren und tauchten mich in ein gleißend helles Licht, das aus meiner Mitte entsprang. Erst schwach, danach heller und großflächiger, bedeckten sie nacheinander jeden Zentimeter von mir. Durch mich und in mir machte sich Wärme breit, flutete mein Bewusstsein und verschlang jedes Detail, das mich ausmachte, verwob es in eine Symphonie aus Gefühlen, Erinnerungen und Wärme, stetige, durchdringende Wärme.

Wie eine Ertrinkende versuchte ich, mich an ihm festzuhalten, doch der Wind bauschte sich zu einem Sturm auf und zerrte an mir, peitschte mich orientierungslos gegen den Boden und in die Luft, zog mich in seine Spiralen und ließ dadurch die Umwelt in Weiß versinken, drehte und drehte mich, bis ich die Augen schließen musste und die Welt um mich herum samt ihm schließlich in ruhiger, wohliger Schwärze ertrank.

Verdammt. Verliebt. - der Nr.1 amazon Bestseller über eine Liebe, die nicht sein kann, aber sein muss, weil sie von anderen beschloßen wurde

Подняться наверх