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1 Das römische Schwert wird geschmiedet Die Republik bis 270 v. Chr. Roms Aufstieg: Die Schlacht von Sentinum

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295 v. Chr. trafen im umbrischen Sentinum ein römisches Heer und dessen italische Verbündete auf eine gefährliche Konföderation von Feinden, die geeint waren in ihrer Entschlossenheit, Roms uneingeschränkte Herrschaft über Italien zu verhindern. Das sich daraus ergebende Gefecht – von Livius eindrucksvoll beschrieben – war die Entscheidungsschlacht des letzten Samnitischen Krieges.1 Rom führte drei erschöpfende Kriege (343–290 v. Chr.), um die Samniten, zähe Krieger aus dem zivilisationsfernen Hochland Süditaliens, zu unterwerfen. Trotz der demütigenden Niederlage bei Caudinum (321 v. Chr.) schloss Rom die Samniten nach und nach durch die Gründung von Militärkolonien ein. 295 kämpften die Römer gleichzeitig mit den Etruskern im Norden und mit den Samniten im Süden. Diese Volksgruppen machten gemeinsame Sache mit den Umbriern und den Galliern aus der Poebene,2 um in einem letzten Kraftakt ihre Autonomie zu bewahren.

Samniten, Etrusker und Gallier schickten Armeen zu einem Zusammenschluss nach Umbrien. Als Gegenmaßnahme entsandten die Römer eine Streitmacht von Verbündeten, die aus dem damals üblichen Kern von vier aus Bürgern bestehenden Legionen und einer starken Truppe römischer Kavalleristen bestand, mit denen sich tausend campanische Kavalleristen und Infanterieformationen von Verbündeten und Latinern koordinierten, welche die Legionen zahlenmäßig übertrafen. Dieses Heer wurde gemeinsam von dem patrizischen Konsul Q. Fabius Maximus Rullianus und seinem plebeischen Kollegen P. Decius Mus befehligt.3 Zwei kleinere Heere, vermutlich um je eine einzelne Legion gruppiert, von denen zweifellos jede wie üblich von einer vergleichbaren Zahl verbündeter Truppen unterstützt wurde, waren in der Nähe Roms mit Blickrichtung auf Etrurien stationiert, während ein viertes Heer, dessen Kern von der II. und IV. Legion gestellt wurde, unter einem Prokonsul in Samnium operierte.4

Die von den Konsuln geführte Armee traf bei Sentinum auf das feindliche Heer, etwas südlich des heutigen Sassoferrato, 170 km nördlich von Rom. Die Armeen schlugen ihre Lager 6 km voneinander entfernt auf, wobei Roms Feinde getrennte Lager errichteten. Man einigte sich darauf, dass die Samniten gemeinsam mit den Galliern und die Etrusker mit den Umbriern operieren sollten. Die Samniten und Gallier sollten die Römer angreifen, während die Etrusker und Umbrier den Auftrag hatten, deren Lager zu stürmen.5 Etruskische Deserteure verrieten jedoch diese Pläne an die Römer. Diese machten sich daran, die Koalitionstruppen aufzusplittern, um sie getrennt zu besiegen. Sie lockten die Etrusker und Umbrier weg, indem sie deren Felder verwüsteten, um anschließend die Schlacht mit den Galliern und Samniten zu eröffnen, solange deren Verbündete abwesend seien.

Nach zweitägigen Scharmützeln formierten sich die beiden Heer zur Schlacht. Livius schreibt:

Als sie in Schlachtordnung bereit standen, floh eine Hirschkuh, verfolgt von einem Wolf, aus dem Gebirge zwischen den Schlachtreihen über das Feld. Dann liefen sie in entgegengesetzer Richtung weiter, die Hirschkuh auf die Schlachreihe der Gallier, der Wolf auf die der Römer zu. Den Wolf ließ man passieren, die Hirschkuh wurde von den Galliern getötet. Da rief ein römischer Soldat aus der ersten Reihe aus: ‚So ist der Weg von Flucht und Tod markiert. Dort liegt Dianas heiliges Wild erschlagen. Der Wolf des Mars, auf unserer Seite, blieb unversehrt; er erinnert uns an unsere Abkunft und an unseren Gründer.‘6


12. Diagramm der Aufstellung der beiden Heere bei der Schlacht von Sentinum. Die Aufstellung der Legionen beruht auf der Mutmaßung, dass die ehrenvolle Position auf der rechten Seite der höherrangigen der anwesenden Legionen zustand.

Die Gallier standen der V. und VI. Legion unter Decius auf dem linken Fügel der Römer gegenüber, die Samniten formierten sich gegenüber der I. und III. Legion unter Fabius (Abb. 12). Livius gibt keinerlei Hinweis bezüglich der Aufstellung der wichtigen latinischen und alliierten Infanterie- und Kavalleriekontingente, doch man kann davon ausgehen, dass sie an den Flügeln als alae sociorum, wie damals üblich, die Legionen flankierten. Zu Beginn schien der Ausgang ungewiss. Livius schreibt, dass die Römer überwältigt worden wären, wenn die Etrusker und Umbrier zugegen gewesen wären:

Obwohl der Ausgang immer noch unklar war und Fortuna keinerlei Hinweise gegeben hatte, verlief der Kampf auf dem rechten Flügel völlig anders als auf dem linken. Die Truppen des Fabius verlegten sich mehr auf die Verteidigung als auf den Angriff und bemühten sich, die Schlacht so weit in den Tag hinauszuziehen wie möglich; denn ihr Feldherr wusste, dass die Samniten und Gallier zu Beginn eines Gefechts ganz wild wüteten, man ihnen aber nur lange genug Widerstand leisten musste; denn wenn der Kampf sich in die Länge zog, würde die Samniten Stück für Stück die Kampfmoral verlassen, während die Kraft der Gallier, die von allen Menschen am wenigsten Hitze und Anstrengungen vertrugen, immer stärker nachlassen würde. Im Anfangsstadium einer Schlacht waren sie mehr als nur Männer, am Ende weniger als Frauen. Deshalb ließ er seine Soldaten so viele Kräfte sparen wie möglich, bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Feinde – wie üblich – nachlassen würden. Decius hingegen, mit der größeren Ungeduld seiner Jugend und seines Temperaments, legte alle seine Kraft in den ersten Zusammenstoß. Als dann seine Infanterie zu ermüden schien, befahl er eine Kavallerieattacke, schloss sich der tapfersten Einheit an und forderte die jungen Männer auf, mit ihm zusammen den Feind anzugreifen. Sie würden, so sagte er, doppelten Ruhm ernten, wenn der Sieg von der Kavallerie am linken Flügel ausgehe.

Zweimal schlugen sie die gallische Reiterei in die Flucht. Beim zweiten Mal wurden sie weit nach vorne getragen und befanden sich bald mitten unter der feindlichen Infanterie, als sie einem neuartigen und furchteinflößendem Angriff ausgesetzt waren; denn auf Streitwagen und Karren stehend, rasten bewaffnete Feinde mit mächtigem Getöse von Hufen und Rädern auf sie zu und erschreckten die Pferde der Römer mit diesem ungewohnten Lärm. So löste sich die siegreiche Kavallerie in wahnsinniger Panik auf und Pferde wie Reiter kamen bei dieser plözlichen Flucht zu Sturz. Das Chaos setzte sich bis zu den Standarten des Fußvolks fort, und viele wurden zertrampelt, als die Pferde und Gefährte durch ihre Reihen brachen. Kaum hatte die gallische Infanterie die Verwirrung der Feinde bemerkt, griff sie auch schon an, ohne den Römern Zeit zu geben, sich zu erholen und Atem zu schöpfen.

Decius forderte die Römer mit lauter Stimme auf zu sagen, wohin sie fliehen wollten oder welche Hoffnung sie in die Flucht setzten. Er versuchte sie aufzuhalten, als sie davonrannten, und sie zur Umkehr zu bewegen. Als seine Anstrengungen, die Massenflucht zu verhindern, sich als fruchtlos erwiesen, rief er laut den Namen seines Vaters P.[ublius] Decius aus. ‚Warum‘, so fragte er, ‚will ich das Schicksal unseres Hauses hinauszögern? Es ist das Vorrecht unserer Familie, als Sühneopfer Gefahr vom Staate abzuwenden. So will ich jetzt die Legionen der Feinde mit mir der Erde und den Manen opfern.‘

Als er ins Feld zog, hatte er den Pontifex M. Livius angewiesen, ihm nicht von der Seite zu weichen. Nun befahl er diesem, ihm die Formel vorzusprechen, mit der er sich und die Feinde für das Wohl des römischen Volkes, der Quiriten, dem Tode weihen wolle. Dann erhielt er die Weihe mit demselben Gebet und in derselben Kleidung, in welcher sie sein Vater Publius Decius bei Veseris im Latinischen Krieg empfangen hatte.7 Dann fügte er der üblichen Formel die Worte hinzu: ‚Schrecken und Flucht, Mord und Blut, den Zorn der himmlischen und unterirdischen Götter lasse ich vor mir hergehen: trage den Fluch der Vernichtung mit mir auf die Fahnen, Waffen und Wehren der Feinde hinüber; und Verderben treffe die Gallier und Samniten mit mir am selben Ort.‘ … Dann gab er seinem Ross die Sporen und galoppierte auf die Linie der Gallier zu, wo er sah, dass diese am dichtesten standen, und stürzte sich in die tödlichen Waffen der Feinde.

Ab diesem Augenblick schien die Schlacht losgelöst von menschlichem Mühen. Nach dem Verlust ihres Feldherrn – was gewöhnlich Panik erzeugt – hielten die Römer in ihrer Flucht inne und waren bestrebt, den Kampf wieder aufzunehmen. Die Gallier, vor allem das Gewimmel um den Leichnam des Konsuls, schleuderten sinn- und ziellos ihre Speere, andere standen versteinert da, gleichermaßen unfähig zu kämpfen oder fortzulaufen. Im römischen Heer verkündete der Pontifex Livius, dem Decius seine Liktoren übergeben und das Amt eines Propraetors übertragen hatte, dass den Römern der Sieg sicher sei, weil das Weiheopfer des Konsuls alle Gefahr von ihnen abgewendet habe. Er sagte, die Gallier und Samniten seien der Mutter Erde und den Manen geweiht. Decius rufe ihr todgeweihtes Heer zu sich, damit es sich ihm anschließe. Beim Feind habe sich völliger Wahnsinn und Verzweiflung breit gemacht. Während die Römer (sc. auf diesem Flügel) also die Schlacht wieder aufnahmen, stießen L.[ucius] Cornelius Scipio und C.[aius] Marcius zu ihnen, denen der Konsul Q.[uitus] Fabius aufgetragen hatte, mit bisher geschonten Truppen aus der hintersten Linie dem Kollegen zu Hilfe zu kommen. Dort erfuhren sie von Decius’ Opfertod – ein weiterer Ansporn, für die Republik alles zu wagen. Obwohl die Gallier dicht an dicht in einem Schildverbund aufgestellt waren und der Nahkampf eine schwierige Schlacht erwarten ließ, befahlen die Legaten ihren Männern, die auf dem Boden zwischen den feindlichen Linien verstreuten Wurfspeere aufzusammeln und auf die testudo (Schildwall) der Feinde zu schleudern. Da eine Vielzahl der Speere in den Schilden stecken blieben und ab und zu auch der Körper eines Soldaten durchbohrt wurde, wurde die gallische Phalanx aufgebrochen. Viele sanken wie betäubt zu Boden, obwohl sie gar nicht verwundet waren. So wendete sich das Kriegsglück der Römer auf dem linken Flügel.8

Auf dem rechten Flügel ließ unterdessen Fabius, als die Wucht des samnitischen Angriffs nachließ, seine Reiterei ihre Flanke attackieren, während gleichzeitig die Legionen zum Angriff übergingen. Diesem Angriff waren die Samniten nicht gewachsen:

(Sie) … flohen in Panik am Heer der Gallier vorbei, ließen ihrer Waffenbrüder mitten im Gefecht im Stich und suchten Zuflucht in ihrem Lager. Die Gallier standen Schulter an Schulter hinter ihrem Schildwall. Da befahl Fabius, der vom Tod seines Kollegen erfahren hatte, einer Schwadron von etwa 500 kampanischen Reitern, die Frontlinie zu verlassen, einen Bogen zu reiten und die gallische Infanterie im Rücken anzugreifen. Die principes der dritten Legion mussten ihnen folgen, mit dem Auftrag, wo immer durch den Kavallerieangriff die Formation der Feinde durcheinander geraten sei, die Panik zu einem Blutvergießen auszunützen. Nachdem er die Errichtung eines Tempels und die Übergabe der feindlichen Waffen an Jupiter Victor gelobt hatte, zog er weiter zum Lager der Samniten, in das der ganze aufgescheuchte Schwarm getrieben wurde …9

Das Lager wurde erobert, die Gallier waren besiegt.

An jenem Tag wurden 25.000 Feinde getötet und 8000 gefangengenommen. Es war auch kein verlustloser Sieg. Denn das Heer von P. Decius hatte 7000 Gefallene zu beklagen, Fabius verlor 1700 Kämpfer. Fabius ließ nach dem Leichnam seines Mitkonsuls suchen und verbrannte die aufgehäuften Waffen der Feinde als Opfer zu Ehren des Jupiter Victor …

(sc. Im Anschluss an die Schlacht) ließ Quintus Fabius das Heer des Decius zur Bewachung Etruriens zurück und führte seine Legionen nach Rom, wo er in einem Triumphzug den Sieg über die Gallier, Etrusker und Samniten feierte. Die Soldaten folgten seinem Triumphwagen und priesen in ihren Versen den Heldentod von Publius Decius genauso wie den Sieg von Fabius. … Jeder Soldat bekam 82 Bronzeasse aus der Beute, einen Mantel und eine Tunica, was für die damalige Zeit eine durchaus ansehnliche Belohnung darstellte.10

So weit die packende Erzählung des Livius. Doch wie viel davon ist glaubhaft? Viele Details – nicht nur der wenig plausible symbolische Auftritt des Wolfs und der Hirschkuh – sind höchstwahrscheinlich Phantasieprodukte späterer Generationen. Topographische Gegebenheiten wie Flüsse oder Hügel bleiben unerwähnt.11 Livius selbst bemerkte deutliche Ungereimtheiten, glatte Widersprüche, Übertreibungen und Verzerrungen in den Quellen zu diesen weit zurückliegenden Ereignissen.12 Insbesonders die Wiederholung des Selbstopfers des Vaters des Decius Mus in der Schlacht am Vesuvius gegen die Latiner könnte durch eine Verwechslung in den Bericht der Schlacht von Sentinum geraten sein.13

Dennoch bestätigt der weitere Verlauf der geschichtlichen Ereignisse die allgemeine Korrektheit der Darstellung in Bezug auf die strategische Vorbereitung, den Ausgang und die Folgen der Schlacht. Die meisten Details des Kampfverlaufs sind ebenfalls plausibel, da sie die zu erwartenden Praktiken jener Periode widerspiegeln.

Auch wenn es sich um ein Stück Literatur exemplarischen Charakters handelt, reflektiert dieses ‚Schlachtgemälde‘14 die traditionelle Auffassung der Römer von der erfolgreichen Kriegsführung als dem Zusammenspiel eines Katalogs von zu erfüllenden Bedingungen: eine ausreichende Anzahl gut bewaffneter, gut ausgebildeter und hoch motivierter Soldaten von hoher Kampfmoral, kompetente Führung, effektive Logistik, überlegene Strategie sowie die besseren politischen und diplomatischen Fähigkeiten, um ein solides Netzwerk von Verbündeten und Klienten intakt zu halten, und – von hoher Wichtigkeit – um sich die Gunst der Götter zu sichern.


Die erste Frage lautet: Womit waren die Kombattanten bei Sentinum ausgerüstet? Es ist zwar (noch) nichts aus dem Schlachtfeld geborgen worden, doch besitzt Italien eine große Menge archäologischer Waffenfunde aus dieser Epoche und eine bemerkenswerte Zahl von mehr oder weniger zeitgenössischen Darstellungen und Skulpturen, auf denen kämpfende Krieger abgebildet sind (wenn auch eher in Zweikämpfen als im Schlachtgetümmel; Abb. 13). Diese Nachweise betreffen fast ausschließlich Etrusker, Griechen und Samniten und nicht die Römer, die – anders als manche ihrer Feinde – ihren Toten keine Waffen ins Grab legten. Sie malten zwar Kriegsszenen anlässlich von Triumphzügen und zur Ausschmückung von Gräbern sowie als Weihegemälde in Tempeln, doch auf Grund der endlosen Abfolge von architektonischen Neugestaltungen des Stadtbildes ist kaum etwas davon erhalten.

Da die Hälfte ihrer Streitmacht routinemäßig von anderen Volksgruppen wie den Campaniern bei Sentinum gestellt wurde, dürfte sich in den römischen Heeren eine breite Auswahl der in Italien gängigen Ausrüstungsgegenstände wiedergefunden haben. Doch wie stand es mit den Römern selbst?

Es wird berichtet, dass die Ausrüstung der Römer bewusst weniger prachtvoll gestaltet war als die anderer Volksstämme wie der Samniten, die viel in ihre Prunkrüstungen investierten. Für spätere Zeiten ist belegt, dass die milites ihre schlichte Bekleidung in Verbindung mit ihrer Bereitschaft, für ihr Vaterland auf staubigen Straßen und beim Ausheben von Gräben zu schuften, als ein Unterscheidungsmerkmal römischer virtus gegenüber der weibischen Geckenhaftigkeit der Ausrüstung anderer Völker ansahen. Die Texte deuten darauf hin, dass 295 v. Chr. die meisten Legionäre einen Helm trugen und offensichtlich bereits mit dem großen Ganzkörperschild ausgerüstet waren sowie die damals üblichen Brustpanzer aus Metall trugen. Es hat jedoch den Anschein, dass die römischen Soldaten ihre Vormachtstellung in Italien ohne die weiteren Ausrüstungsgegenstände errangen, die heutzutage geradezu Ikonenstatus besitzen. Sie besaßen noch keine Kettenhemden, die in den Jahrzehnten vor Sentinum von den Galliern erfunden wurden und vermutlich in der Schlacht schon Verwendung fanden. Sie benutzten auch das pilum (den schweren Wurfspeer) nur sporadisch, und die Torsionsgeschütze wurden zu jener Zeit im hellenistischen Griechenland gerade erst entwickelt. Vor allem stand ihnen auch das berühmte spanische Schwert (gladius Hispaniensis) noch nicht zur Verfügung.


13. Aus einem Grab in Paestum in Süditalien stammendes Gemälde eines Duells von Kriegern. Solche Zweikämpfe bei Leichenfeierlichkeiten dürften die Vorstufe zu den Gladiatorenspielen gewesen sein.

Mit Sicherheit übernahmen die Römer bereits fremdländische Ausrüstungsgegenstände: Ein Großteil der Legionäre trug schon den ursprünglich gallischen Helm des Typus ‚Montefortino‘ (Abb. 14). Die Tendenz, andernorts entwickelte Ausrüstungsobjekte für ihre Bedürfnisse zu adaptieren, wurde zwar zu einem Markenzeichen der Römer, doch es gab eine seit langem bestehende und weitverbreitete Tradition, in Italien fremde, vor allem griechische Waffen und Rüstungsdesigns zu übernehmen und den lokalen Bedürfnissen anzupassen. Auf diesem Weg wurde das zweischneidige Hoplitenschwert der Griechen, gewöhnlich unter dem Begriff xíphos bekannt, in Italien heimisch, als Rom gerade eine Republik wurde, und es hat den Anschein, dass Versionen dieser Waffe von den römischen Soldaten bis in das 3. Jahrhundert verwendet wurden (Abb. 15).15 Es hatte ein auffälliges Parierstück, eine blattförmige Klinge mit dem Schwerpunkt nahe der Spitze, aber auch eine wirkungsvolle Stoßspitze und war somit als Hieb- und Stichwaffe verwendbar. Die erhaltenen Exemplare aus Italien und Griechenland datieren vom 6. bis in das spätere 3. Jahrhundert v. Chr. und variieren stark in Länge und Breite. Die Klingenlänge (ohne Griffzapfen)16 reicht von 350 mm bis 650 mm, wobei die Mehrheit sich im Bereich von ca. 400 mm bis ca. 550 mm (Abb. 16) bewegt. Die längsten Exemplare waren möglicherweise Spezialanfertigungen für die Kavallerie.

Falls die Römer tatsächlich eine solche Waffe in Verbindung mit dem großen, unhandlichen Ganzkörperschild verwendeten (siehe Abb. 31), ist es gut möglich, dass sie schon ihre spätere Präferenz für den blitzschnellen Stoß unter dem Schild durch, von oben über den Schildrand oder seitlich am Schild vorbei entwickelt hatten und damit für die Übernahme des ‚spanischen Schwertes‘ prädestiniert waren, als sie ihm begegneten. Möglicherweise hatten die Italiker insgesamt eine besondere Neigung zum Schwertkampf,17 gepaart mit einer kulturellen Bevorzugung der Stich- gegenüber den Hiebwaffen. Die etruskischen Gemälde aus dem späteren 4. Jahrhundert aus dem François-Grab in Vulci zeigen Szenen aus der Ilias und romano-etruskischen Mythen, in denen die Figuren mit verschiedenen zeitgenössischen Waffen ausgerüstet sind, darunter Schwertern des xíphos-Typs18. Eines wird dazu verwendet, einem Gefangenen die Fesseln zu durchschneiden. Vier weitere werden zum Töten durch Stiche in den Brustkorb oder den Hals (in einem Fall durch einen Stoß von oben; Abb. 17) verwendet.


14. Links oben. Ein campanischer Kavallerist mit einem Montefortino-Bronzehelm gallischer Form, der mit einem Wangenschutz italischen Designs ausgerüstet ist. Die halbmondförmigen ‚Hörner‘ verstärken den Eindruck der Größe des Trägers. Grabmalerei aus Nola, Italien; spätes 4. Jh. v. Chr.

Die Römer erwarben das ‚spanische Schwert‘ erst in der Zeit nach Sentinum, während des Konflikts mit Karthago (laut Polybios erst am Ende des 3. Jahrhunderts v. Chr.). Dasselbe gilt für die gallischen Kettenhemden. Diese Veränderungen erbrachten eine gewaltige Stärkung der offensiven wie defensiven Fähigkeiten der Römer. Vor allem das neue Schwert vervielfachte die Angriffswucht der Soldaten. Und doch hatten die Römer – ohne diese Vorteile – die Volksstämme Italiens konfrontiert und besiegt, einer hochmodernen hellenistischen Armee unter Pyrrhus, dem König von Epirus, die Stirn geboten und Karthago im Ersten Punischen Krieg besiegt. Die römischen Waffen waren also bereits um 300 v. Chr. wirkungsvoll: funktional weder schlechter noch besser – weil fast identisch mit denen der übrigen Italiker. Adäquate Bewaffnung und Geschick waren eine notwendige Voraussetzung für den Sieg in Schlachten wie der bei Sentinum. Aber in einem Gefecht zwischen ähnlich Bewaffneten und mit den Kampfesweisen vertrauten Streitkräften waren dies keine entscheidenden Faktoren. Warum also siegte Rom bei Sentinum?


15. Links. Hochwertiges restauriertes Exemplar eines griechischen Schwerts des Typs xíphos aus Beroia, Griechenland. Die Scheide ist ungewöhnlicherweise mit der Ringaufhängung versehen, die auch von den Römern übernommen wurde. (Maßstab 1: 8)


16. Oben. Frührömische Geldbarren (aes signatum) um 300 v. Chr. Sie sind mit einem xíphos im griechischen Stil und der dazugehörigen Scheide verziert sowie der Vorderansicht eines großen, ovalen Schildes mit einem zentralen Schildbuckel, der den aus einem Bügel gefertigten Einzelgriff schützt.


17. Detailansicht aus etruskischen Malereien des späten 4. Jhs. v. Chr. aus dem François-Grab in Vulci. Die Protagonisten verwenden xíphoi für einen geraden Stoß (links) und einen senkrechten Stoß mit ungekehrter Hand (Bildmitte). Rechts durchstößt das Schwert einen Brustpanzer aus Bronze.


Die Waffenproduktion der europäischen ‚Barbaren‘, vor allem der Iberer und der Gallier, war technologisch mindestens ebenso hoch entwickelt wie die der Römer. Auf dem Gebiet der Panzerung und Helmfertigung waren die Gallier sogar führend. Es ist nicht bekannt, wie ihre ‚Industrie‘ organisiert war. Viele Komponenten waren kaum ortsgebunden und die benötigte Ausrüstung ziemlich einfach. Der entscheidende Punkt war das technologische Fachwissen. Gegenstände wie die Bronzebeschläge eines Pferdeharnischs, selbst kunstvoll emaillierte Exemplare, konnte ein geschickter Schmied fast überall anfertigen.19

In den urbanisierten Gesellschaften des Mittelmeerraumes war die Herstellung von Waffen vermutlich ein fester Bestandteil des Repertoirs der Schmiede in den meisten Städten, nicht nur der spezialisierten Waffenschmiede, auch wenn die hochwertigsten Schwertklingen vielleicht das Werk spezialisierter Schwertschmiede waren. In Kriegszeiten wurden möglicherweise die besten Handwerker angeheuert oder zwangsverpflichtet, unterstützt von weiteren mehr oder weniger gut ausgebildeten Arbeitskräften, die am laufenden Band schnell große Mengen von Ausrüstungsgegenständen produzieren mussten, um eine Streitmacht zu bewaffnen oder neu zu bewaffnen, wie dies Karthago und Rom während ihres langen Ringens in Spanien praktizierten.20 In der späteren Republik besorgte sich Rom die benötigten Waffen entweder auf diese Weise oder über Waffenhändler.21 Was es anscheinend vor dem 4. Jahrhundert n. Chr. nicht gab, war irgendeine Form zentral organisierter Fabriken, die im großen Maßstab Waffen erzeugten. Sieht man von der Massenproduktion in den Töpfereien des römischen Gallien und den Schiffswerften ab, gab es in der Antike praktisch nichts, was der modernen Produktion im Fabrikmaßstab einigermaßen vergleichbar ist.

Es gab ein weiteres besonders wichtiges militärisches Artefakt, das allen Armeen gemeinsam war, welches Rom aber weiter entwickelte als alle anderen und das ohne jeden Zweifel Teil des römischen Erfolgsgeheimnisses ist. Gemeint ist das jede Nacht zu errichtende Lager der Feldarmeen. Die Römer entwickelten es zu einem ausnehmend rigorosen System, das an Raffinement und Komplexität nicht einmal von den hellenistischen Heeren erreicht wurde. Das ‚Marschlager‘ wurde grundsätzlich durch einen mit Toren versehenen und im Vorfeld einer Schlacht vielleicht noch verstärkten Abwehrwall geschützt, der eine standardisierte Anordnung von Straßen, Zeltfronten, Kommandostellen, Stellplätzen für Pferde und Versorgungseinrichtungen einfriedete. Orientiert an dem regelmäßigen Raster der Straßen vieler Städte, entwickelten sich die Marschlager zu belagerungsfesten Anlagen und Winterquartieren. Aus diesen entstanden dann die permanenten Militärbasen der Kaiserzeit. Es ist nicht eindeutig bestimmbar, wann die römischen Marschlager aufkamen. Allerdings waren sie in den Punischen Kriegen bereits eine Institution und könnten theoretisch bereits lange vor Sentinum in Gebrauch gekommen sein.22

Die Feldlager entwickelten sich zu einem höchst wichtigen Bestandteil der römischen Kriegsführung, in konkret praktischer Hinsicht, aber auch in weniger offenkundiger Weise. Auf Feldzügen im Feindesland konnten sich die in ihren Zelten übernachtenden Soldaten relativ sicher fühlen. Sie waren von einem breiten, einsehbaren Streifen und einem durchgängig patrouillierten Wall umgeben, vor Überaschungsangriffen und willkürlich abgefeuerten Geschossen geschützt. Diese imposante mobile ‚Stadt‘ dürfte zudem eine einschüchternde Wirkung auf feindliche Späher ausgeübt haben.23 Polybios gab seiner Bewunderung Ausdruck und verfasste eine detaillierte Beschreibung.24 In der Schlacht bot ein gut angelegtes Lager im Rücken so manchem in Bedrängnis geratenen römischen Heer Zuflucht vor einer vernichtenden Niederlage. Die gleichbleibende Anordnung, wenn das Lager an einen entfernten Ort verlegt wurde, vermittelte durch ihre Vertrautheit ein beruhigendes Gefühl, während die Regelmäßigkeit als physisches Symbol der miltärischen Ordnung und Disziplin die Feinde, aber auch die eigenen Soldaten beeindruckte. Die Marschlager waren also eine wertvolle Stütze der Moral. Sie erleichterten aber in gleichem Maße die Überwachung und Kontrolle der eigenen Truppen. Dies war von besonderer Wichtigkeit zu Zeiten, in denen es üblich war, dass Rom gemischte Heere ins Feld schickte, denen zahlreiche nicht-römische Kontingente angehörten. Außerdem erschwerte es Bummelei und Desertion, und auch Zusammenrottungen zum Zweck der Meuterei blieben selten unentdeckt. Diese disziplinarischen Gesichtspunkte dürften bei der Entwicklung der Feldlager mindestens ebenso wichtig gewesen sein wie ihre Effektivität in der Konfrontation mit den Feinden.


Es gibt gute Gründe anzunehmen, dass ein Teil des römischen Vorsprungs zu dieser Zeit in der taktischen Überlegenheit zu suchen ist, zumindest gegenüber einigen Hauptfeinden in Italien. Doch hatte das römische System auch seine Schwächen: Die Aufteilung der Befehlsgewalt auf zwei Konsuln konnte zu katastrophalen Abstimmungsfehlern auf dem Schlachtfeld führen.25 Wenn dennoch bei Sentinum ein Flügel den anderen vor dem Zusammenbruch bewahrte, bevor er den römischen Sieg einleitete – wie immer diese Leistung auch zustande kam –, dann lässt sich daraus die Fähigkeit ablesen, mitten in der Schlacht auf Gefahren und Gelegenheiten zu reagieren, indem man Kontingente auf andere Bereiche des Schlachtfelds verschob. Diese taktische Flexibilität ging den Gegnern Roms ab, die sich anscheinend nur in einer Linie aufstellten und angriffen. Ein Jahrhundert später gehörten taktische Umschichtungen auf jeden Fall zum Inventar der Römer. Die Legionen waren in kleinen Unterabteilungen von ca. 120 Mann (Manipel = Handvoll) organisiert und dürften bereits ein taktisches Manöver praktiziert haben, das für die Zukunft von höchster Bedeutung war: die ‚Ablösung auf dem Schlachtfeld‘, das heißt den periodischen Rückzug aus dem Nahkampf in die hinteren Reihen und die Konfrontation der ermüdenden Feinde mit ausgeruhten eigenen Soldaten. Die Römer waren sich der Bedeutung von Ausdauer und Fitness als Faktoren in der Schlacht sehr bewusst, was sowohl Schlachtreliefs und die Intensität des Trainings zumindest in späteren Jahren bezeugen. Das Stehvermögen wurde ganz offen als Waffe gegen die Gallier eingesetzt. Deren erster Ansturm war – wie die Römer aus langjähriger Erfahrung wussten – von einer ungeheuren Wucht, die aber selten lang anhielt.26 Es ist durchaus plausibel, dass Fabius wirklich beschloss, die Gallier zu besiegen, indem er ihnen Gelegenheit gab, sich auszutoben, während seine Leute nur defensiv agierten. Dass ihm dies gelang, lässt wiederum auf eine hohe Kampfmoral, eine gute Ausbildung und große Standhaftigkeit seiner Soldaten schließen – und auf gegenseitiges Vertrauen zwischen dem Feldherrn und seinen Soldaten.

War also der römische Sieg bei Sentinum auf die überlegene Kampfmoral der Römer zurückzuführen? Die Tatsache, dass einige römische Soldaten es den Samniten gleich taten und die Flucht ergriffen und dass die Verbündeten der Römer einen hohen Anteil an dem Sieg hatten, deutet darauf hin, dass kein großer Unterschied in der Kampfmoral zwischen den Kontingenten auf dem Schlachtfel existierte, denn für italische Krieger waren Ruhm und Ehre ein hohes Gut, nach dem alle strebten.

Dass die Römer im Gegensatz zu ihren Feinden jedoch bei Sentinum komplizierte Manöver riskierten, deutet auf ein Niveau von Disziplin und Drill, das die Normen der übrigen Italiker übertraf. Sie wussten auch, wie man große und heterogene Heere von Verbündeten koordiniert, und bewiesen dies, als sie kurze Zeit später einer hellenistischen Armee von Berufssoldaten gegenübertraten und den Sieg davontrugen (vgl. S. 68).

Das Verhalten der Römer im Vorfeld der Schlacht von Sentinum unterstreicht auch ihre überlegenen strategischen Fähigkeiten. Es gelang ihnen, vier verschiedene Heere aufzustellen und sie an drei Fronten einzusetzen. So hielten sie einen Teil der Feinde in Schach, während sie den Hauptgegner zu einer Teilung zwangen und die Hauptbedrohung reduzierten, indem sie die Umbrier und Etrusker durch Angriffe auf ihr Heimatgebiet dorthin zurück lockten. So erhöhten sie ihre Chancen für die Schlacht bei Sentinum, denn damit hatten sie die gegnerische Armee halbiert.

Die Tatsache, dass die Römer mehrere über verschiedene Orte verstreute Heere gleichzeitig unterhalten konnten, zeugt von ihren hochentwickelten logistischen Fähigkeiten und erhellt das Ausmaß der Ressourcen an Menschen und Kriegsmaterial, auf das sie in ihrem eigenen Territorium und dem ihrer Verbündeten zurückgreifen konnten. Roms latinische und andere italische Verbündete machten mehr als die Hälfte der Streitmacht bei Sentinum aus. Als Nicht-Römer, die an den Flanken der römischen Heere eingesetzt wurden, werden diese Verbündeten häufig ignoriert oder (im doppelten Sinne) als Randfiguren behandelt, doch sie waren von absolut entscheidender Wichtigkeit für den Erfolg Roms.

Beide Parteien konnten auf große Personalreserven zurückgreifen, was den allgemeinen Bevölkerungszuwachs im Italien dieser Zeit reflektiert, der in der Folge ein Fundament der römischen Militärmacht bilden sollte. Doch jenseits der blanken Zahlen und der Tatsache, dass beide Heere bei Sentinum Koalitionen von Verbündeten repräsentierten, ergeben sich augenfällige Kontraste.

Die erfolgreiche Aufsplitterung des feindlichen Heeres deckte die Schwächen der antirömischen Koalition auf. Es war symptomatisch, dass die Kontingente der Koalition getrennte Lager unterhielten, vielleicht aus rein numerischen Gründen, möglicherweise jedoch auch aus Mangel an Vertrauen oder Erfahrung mit wechselseitiger Abstimmung. Die von Rom angeführte Streitmacht war weit besser integriert, war in einem Lager untergebracht und besaß eine vereinigte Befehlsstruktur (solange die Doppelspitze der beiden Konsuln harmonisch zusammenarbeitete). Dies unterstreicht einen politischen ebenso wie einen militärischen Kontrast: Das Netzwerk des römischen Koalitionsbündnisses war weit fester geknüpft, besaß eine klare Führungsstruktur mit einer koordinierten Strategie, die konsequent verfolgt wurde. Die andere Seite erwies sich im Jahr 295 v. Chr. wegen der Bedrohung ihres heimischen Territoriums als unfähig zu einer nachhaltigen militärischen Anstrengung, mit der man Rom hätte besiegen können. Bei Sentinum gelang es den Römern, die Gegner aufzuspalten, um sie dann einzeln zu besiegen. Als Rom selbst eine Lebensspanne später in eine vergleichbare Krise geriet, war es gegen diese Schwäche gefeit: Obwohl Hannibal vor seinen Toren stand, schickte es Armeen nach Spanien.

Dies war die Stellung, die Rom im frühen 3. Jahrhundert v. Chr. erreicht hatte, als ihm der erste miltärische Zusammenstoß mit einem mächtigen Gegner von außerhalb Italiens bevorstand: König Pyrrhus aus Epirus, einer der vielen begabten Soldatenkönige des hellenistischen Griechenland, vergleichbar mit den condottieri der italienischen Renaissance.

Rom hatte bereits bei Sentinum loyale, gut integrierte Verbündete wie die Kampanier. In den folgenden Jahrhunderten gelang es, die Volksstämme, denen es auf dem Schlachtfeld gegenüberstand, zu integrieren und alle, letztendlich sogar die Samniten und die ‚barbarischen‘ Gallier, zu römischen Soldaten zu machen. Um zu verstehen, wie dies möglich war, ist es nötig, noch weiter zurück zu gehen, in das Italien der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v. Chr., das heißt in die Morgendämmerung seiner Geschichte.

Rom und das Schwert

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