Читать книгу DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI - Sokei-an Shigetsu Sasaki - Страница 12

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XII.

Der Roshi sagte zu seinen Anhängern: „Brüder, der Dharma von Buddha verlangt keine Anstrengung. Es gibt nichts weiter für euch zu tun, als so zu sein, wie ihr (selbst) seid. Stehen oder sitzen. Kleidet euch an, esst, wascht euch und uriniert. Schlaft, wenn ihr müde seid. Der Unwissende verlacht mich, aber der weise Mensch versteht. Die Alten sagten: ‚Diejenigen, die Wege und Mittel ausdenken, um sich mit der Außenwelt zu befassen, sind störrische Idioten‘.“

SOKEI-AN SAGT:

Wenn Lin-chi seinen Schülern sagt, dass der Dharma von Buddha keine Anstrengung verlangt, spricht er über einen Grundsatz, den man in Chinesisch Wu-Wei oder Ziellosigkeit nennt. Mit anderen Worten, man kann Buddhismus nicht zu einem Zweck verwenden. Natürlich wird das von denjenigen gesagt, die das gleiche Verständnis wie Lin-chi haben, dessen Verstehen dem des Buddha ähnlich ist. Aber für diejenigen von uns, die ein solch hohes Niveau nicht erreicht haben, ist Buddhismus ein wunderbares Gerät, mit dem wir unser tägliches Leben regeln. Lin-chi spricht aus seinem eigenen Verstehen und seiner eigenen Ansicht vom Buddhismus. Aus der Sicht des Shintoismus lebt ihr nicht, tut ihr nichts. Wenn ihr denkt, dass ihr seid, tut ihr etwas und ihr entweiht die Macht Gottes, weil die komplette Substanz des Weltalls der Körper Gottes ist. Im Shintoismus gibt es acht Millionen Götter und Göttinnen, weil alle Elemente des Weltalls Götter und Göttinnen sind und es der Körper des Menschen ist, der der Schrein jener Gottheiten ist. Wir können sie nicht sehen, aber sie sehen uns.

Ein Shinto Priester erzählte einmal diese Geschichte: „Eines Tages trocknete ein sehr alter Kiefernbaum in einem Garten aus und begann zu sterben. Der Gärtner, der das sieht, gräbt um den alten Baum eine Mulde und streut Dünger in die Nähe seiner Wurzeln. Später hat er den Baum belauscht, wie dieser mit einem anderen alten Baum spricht: „Nun, irgendwie fühle ich heute einwenig neuen Schwung in mir. Sieht so aus, als würde ich eine Zeit lang länger leben.“ Der andere Baum sagte: „Ja, ist es nicht wunderbar, dass wir nach so vielen Jahren noch etwas Kraft in uns übrighaben!“

Der Baum hat natürlich nichts vom Gärtner gewusst, so wie wir nichts von der unsichtbaren [Kraft] wissen, die von außen unseren Körper schützt und uns Gedanken zur Aufmunterung gibt. Wir denken, dass solche Gedanken von innen kommen, aber dem ist nicht so.

Man könnte sagen, dass der Glaube des Buddhismus in diesem einen Wort Ziellosigkeit oder Mühelosigkeit steckt. Wir denken, dass wir uns selbst stark machen, fortlaufend Wünsche haben, oder an einer besonderen Sache kleben, aber auch das ist Ziellosigkeit, wenn wir das Gesetz des Weltalls verstehen, dass alles, was man tut, nicht jemandes eigene Arbeit ist. Irgendeine große Macht treibt. Wenn eine Person das versteht, kämpft sie nicht, aber diejenigen, die nicht verstehen, müssen durch Hilfsmittel, oder wie die Buddhisten sagen, durch upaya, geschickte Mittel, gerettet werden. Der Bodhisattva wird, um jemanden zu retten, der auf dem Boden liegt, sich neben ihn legen. Wenn jemand ertrinkt, geht der Bodhisattva ins Wasser. Buddhas Dharma ist jedoch unbeweglich, nicht gehend, nicht rettend. Der Buddha hat gesagt, dass es nicht notwendig ist, Nirwana zu verkünden. Es gibt kein Nirwana und kein empfindendes Wesen, das gerettet werden müsste. So spricht man mit dem Verständnis des Buddha. Von diesem Standpunkt aus sagt Lin-chi:

„Es gibt nichts weiter für euch zu tun, als so zu sein, wie ihr seid.“ Das ist Buddhas Dharma! Ihr müsst das nicht missverstehen. Es gibt nichts weiter für einen Vogel zu tun, nichts weiter für eine Katze zu tun. Ein Vogel fliegt im Himmel. Das ist sein natürlicher Zustand. Wenn er in einem Käfig gefangen ist, ist das nicht die perfekte Bedingung für einen Vogel. Wenn eine Katze tanzt, entspricht das nicht ihrer Konditionierung. Wenn euch die Vorstellung, abgeschieden in den Bergen zu leben, bezaubert, ist dies nicht vollkommener Buddhismus. Seid wie ihr seid, nichts mehr. Das ist die Einstellung von Lin-chi.

„Stehen oder sitzen. Kleidet euch an, esst, wascht euch und uriniert. Schlaft, wenn ihr müde seid.“ Das tägliche Leben. Mein Lehrer sagte einmal, als er einen Vortrag zu diesem Thema hielt, dass viele Menschen glauben, dass Moral Religion sei, aber das ist nicht so. Religion ist die Grundlage der Moral.

Lin-chi ist zufrieden mit den Notwendigkeiten des Lebens, aber man hat zu kämpfen, um diesen Zustand zu erreichen, setzt viele Methoden ein: sanzen (= dokusan) und so weiter.

„Der Unwissende verlacht mich, aber der weise Mensch versteht.“ Die Zeit wird es regeln, ich brauche nicht zu drängeln. Wenn ihr danach strebt, werdet ihr zurückgestoßen; ihr könnt euch mit der Natur nicht verbinden. Ihr müsst die Zeit, den Ort und die Bedingungen wissen. Um Buddhismus nach Amerika (nach Deutschland) zu bringen, müssen wir die Zeit, den Ort und die Bedingungen abwarten.

„Die Alten sagten: ‚Diejenigen, die Wege und Mittel ausdenken, um sich mit der Außenwelt zu befassen, sind störrische Idioten‘.“ Lin-chi sagt, dass wir versuchen, ein universales Gesetz außerhalb von uns zu finden; wir schauen nicht in unser Selbst. Die drei Körper sind ein Körper, aber der Mensch, der diesen Körper hat, sucht nach der Wahrheit draußen irgendwo. Er ist ein Idiot. Lin-chi sagt euch, nur innen zu suchen.


„Wenn ihr jeden Umstand beherrscht, wo auch immer ihr steht, dort ist der wahre Boden und die Umstände können euch nicht ablenken. Selbst wenn ihr durch ein vergangenes Übel das Karma tragt, oder die fünf schändlichen Verbrechen begangen habt, sind diese selbst der Ozean der Erlösung.“

SOKEI-AN SAGT:

Vielleicht können wir uns einigen, dass Bewusstsein der beste Begriff ist, um das Eine auszudrücken, an das wir glauben. Der Westen gibt dem höchsten Wesen den Namen Gott. Bewusstsein ist in allem: im Mikrokosmos und im Weltall, im Wasser und im Feuer, in einem Hund oder einer Katze, einem Löwen oder einem Menschen, in der ganzen Existenz, empfindungsfähig und nicht empfindend. Das Bewusstsein der Empfindungslosen, nennen wir latent. Es wird manifestiert, wenn die Zeit kommt, aber bis dahin ist es verborgen. Es ist nicht notwendig, zu beweisen, dass wir durch einen Grund bewusst sind; wir wissen, dass wir es sind — Bewusstsein wird in allen Stufen der Entwicklung manifestiert. Auf jeder Stufe wird ihm ein Name gegeben, wie zum Beispiel Gemüse, Tier, Mensch, sogar „Gruppenseele“, aber alle sind nur ein Bewusstsein.

Lin-chi hat dieses Bewusstsein „Roshi – Lehrer“ genannt. Im Zen beten wir diesen Lehrer in uns und hinter uns an. Wir können es nicht ausdrücken durch Begriffe wie Tief oder Hoch; ES ist, gehört uns nicht. Vom menschlichen Standpunkt aus, wie können wir es in irgendeiner Art ausdrücken, die nicht mit den fünf Sinnen verbunden ist? Der Lehrer des Lehrers, der Lehrer der die Kraft im Lehrer wirken lässt, obwohl er es nicht ist? Weil es kein er, du oder ich als getrennte Personen gibt. Wir sind zwischenindividuell; wir sind verbunden als du-und-ich. Wir nennen dies nicht Gott, und wir beten es nicht als Gott an. Wir verehren die Kraft, die in uns, von morgens bis abends, in jedem Wort, das wir sprechen, in jeder Handlung, die wir durchführen, erscheint. So vollziehen wir vierundzwanzig Stunden pro Tag unser religiöses Leben. Es gibt keine bestimmte Zeit für das Beten.

Die fünf schändlichen Verbrechen, über die Lin-chi spricht, sind: entweihen oder töten einer Mutter oder einer voll ordinierten Nonne, einen Arhat töten, Elternmord, das Blut eines Buddhas vergießen und die Harmonie der Sangha, der buddhistischen Gemeinschaft zerstören. Er sagt, dass, auch wenn ihr das Karma böser Handlungen aus der Vergangenheit tragt und sogar das Karma der fünf schlimmsten Verbrechen, so birgt das in sich selbst den Ozean der Erlösung. Kurzum, ihr werdet nicht durch die Umgebung, durch die Verhältnisse eures Lebens bezwungen. Wenn ihr euren Körper beherrscht, könnt ihr im Winter Seidenhosen tragen, ohne die Kälte zu fühlen. Wenn ihr alle Wörter gemeistert habt, werden sie nur eine Bedeutung haben. Aber leider benutzt der Mensch nicht die Wörter, er wird eher von ihnen benutzt.

Die wahre Einstellung ist ein Bewusstsein und eine Form, Farbe und Ton werden durch es bewirkt und nehmen die Form von Männern, Frauen und Kindern an. Aber diese „eine Seele“ ist von der menschlichen Seele verschieden, die von ihrer ursprünglichen Natur getrennt worden ist. Diese eine Seele oder der eine Körper sind allgegenwärtiges, allmächtiges Bewusstsein. Wir sind das, wenn wir uns beherrschen. Wenn wir nicht durch Form und Farbe getäuscht werden, sind wir der Einzige im Weltall. Es ist so klar. Es gibt nichts mehr darüber zu sagen, aber empfindende Wesen werden getäuscht und wandern durch sechs Welten. Wenn ihr versteht, was Bewusstsein ist, hören die Leiden der Vergangenheit auf. Denn dieses Bewusstsein ist nicht eures, aber es ist „inter-individuell“. Es gibt nur ein Wesen im Universum.


„Heute kennen Übende das Dharma nicht. Sie sind Ziegen ähnlich, die sofort alles in ihre Münder nehmen, was mit ihrer Nase in Berührung kommt. Sie unterscheiden nicht zwischen Herr und Sklave, Gastgeber und Gast. Da ihre Motive, in den Weg einzutreten, falsch sind, gehen sie zu lärmenden Orten. Wir können sie nicht Welt-Entsager nennen. Nein! Sie sind die Weltlichen.“

SOKEI-AN SAGT:

Eines Tages kam der Drachenkönig aus dem Grund des Meeres, um dem Buddha einen riesigen blauen Steingong für Buddhas Jetavana Garten zu schenken. Der Buddha hat dafür einen Glockenturm gebaut. Seine Größe kann man sich vorstellen, wenn man sich bewusst macht, dass fünfhundert Mönche darunter Platz nehmen konnten, um Sutras zu rezitieren. Die Vibration der Glocke war so erstaunlich, dass, wenn Sutras darunter rezitiert wurden, sie zum Singen ertönte und Sutras zusammen mit den Mönchen rezitierte. Der Gong ist natürlich ein Symbol unseres Bewusstseins, unseres Körpers; so hat jeder Tempel eine große Glocke sowie größere und kleinere Klangschalen.

In seinen natürlichen Bedingungen vibriert ein Gong klar; unter unnatürlichen Bedingungen wird das Vibrieren behindert. [Sokei-an bedeckt die Klangschale auf seinem Tisch mit seiner Hand und hat sie dann geschlagen.] Wenn unser Bewusstsein durch etwas zurückgehalten wird — falsches Denken, Aberglauben, oder durch bestimmte Umstände — ist es dasselbe, als würde das Vibrieren eines Gongs angehalten.

Buddhismus ist sehr einfach. In der Meditation besteht unsere Praxis nur darin, herauszufinden, wie wir uns auf den natürlichen Boden des Geistes stellen, so wie eine Klangschale auf ihrem Kissen sitzt. Wir beobachten, wie der Geist in uns ganz natürlich funktioniert. Um das zu verstehen, müssen wir diesen Geist vorübergehend stillhalten, um herauszufinden, wie er funktioniert. Die erste Praxis in der Meditation ist, nicht an irgendetwas zu denken, nicht euren Geist mit Kraft zu zwingen sich zu bewegen. Dann werdet ihr sehen, wie euer Unterbewusstsein funktioniert. Indem ihr euren Geist für kurze Zeit stillhaltet, erlaubt ihr dem Unterbewussten, ins Bewusstsein zu gelangen. Ihr könnt noch nicht alle kleinen Bewegungen eures Geistes anhalten, weil diese zur Natur gehören, nicht euch; so könnt ihr den Weg der Bewegungen des Geistes beobachten. Als Nächstes beendet ihr eure Aufmerksamkeit, den Geist still zu halten und verstärkt die Bewegung eures Geistes. Ihr werdet erkennen, dass es kein Ego gibt, keinen Geist eines Menschen. Alles ist die Bewegung der Natur. Tragt das in euer tägliches Leben, beobachtend, wie ihr euch fühlt, wie ihr reagiert. Das ist die Art und Weise Buddhismus zu lernen. Es gibt nichts Anderes, was wir tun könnten. Es nützt nichts, zu meditieren, wenn wir nicht wissen, was wir tun. In der Meditation erfahren wir, wie unser Körper funktioniert und wie unser Geist funktioniert. Wir denken nicht über Bedeutungen oder den Sinn nach; Bedeutungen sind in Wörtern, aber nicht in uns. Welche Bedeutung auch immer ein Wort in euren Geist trägt, ist diese nicht dein Selbst. Alle Wörter haben nur eine Bedeutung. Ein Wort kann alle Bedeutungen vermitteln. Wie lautet dieses eine Wort? Es ist die gegenwärtige Situation unseres Geistes, so konzentrieren wir uns auf diese gegenwärtige Einstellung unseres Geistes und begrüßen die Wörter, die viele Bedeutungen in sich tragen. Dann sind alle Wörter und Bedeutungen gerade wie der Ton der Klangschale. Lasst sie erschallen, lässt euer Gehirn viele Wörter denken. Das Gehirn ist nicht ein Wort, nicht eine Bedeutung, so wie die Glocke kein Ton ist. Aber wenn der Geist nicht klar ist, enthält er nicht die eine Bedeutung.

Wenn ihr die erstaunliche Arbeit des Geistes erkennen wollt, müsst ihr verstehen, dass sich eure gegenwärtige Geisteshaltung sofort eine Million Bedeutungen einfallen lassen kann. Wenn ihr die gegenwärtige Geisteshaltung eines Anderen seht, könnt ihr seine Gedanken lesen, aber nur, wenn die Geisteshaltung wie eine Glocke auf dem Kissen klar ist. Ihr müsst euren Geist in einem gesunden Zustand bewahren, wie ihr das mit eurem Körper tut; das immer wiederkehrende Anhaften macht ihn krank. Begebt euch für kurze Zeit jeden Tag in diese vollkommene Einstellung. Treibt euren Geist nicht von morgens bis abends im Kreis. Wenn euch jemand fragt, was Buddhismus ist, was die Praxis des Buddhismus ist, gibt es nur eine Antwort — lasst eine klare Glocke erklingen. Das Koan ist ein Hilfsmittel, um alle Anhaftungen eures Geistes wegzunehmen, — den ganzen Aberglauben und das unlogische Denken. Grabt bis zum Boden des Geistes, macht ihn bodenlos. Klettert auf die höchste Geistesstufe und macht sie grenzenlos. Dann werdet ihr wissen, was wahres Dharma ist.

Wenn ihr wisst, was wahrer Dharma ist, werdet ihr wissen, wie man zwischen dem Wahren und dem Falschen unterscheidet. Jede wahre Religion gibt euch eine Art Idee von Reinheit: „Sei so rein wie der Schnee“, „sei so rein wie ein Kristall.“ Einige denken, dass alles Wünschen profan ist, dass zu rauchen, zu trinken und am Geschlecht zu hängen unrein ist; enthaltsam zu sein, unverheiratet zu bleiben, wird euch reinmachen. Aber Reinheit ist in eurem Geist. Ihr müsst alle Stufen der Reinheit kennen. Als ein empfindungsfähiges Wesen seid ihr rein. Fallt nicht in einen Aberglauben. Jeder Übende muss diese Stufen der Praxis durchlaufen. Wenn ihr japanische Fechtkunst übt, beginnt ihr mit Strohpuppen, nicht mit einem echten Gegner. So übt der buddhistische Schüler, wie man die Anweisungen des Lehrers mit einem reinen Geist ausführt. Hilfsmittel selbst sind nicht Buddhismus, sie tragen euch aber zu wahrem Verstehen durch die vielen Phasen der Übung.

In Japan ziehen einige buddhistische Äbte goldene Roben an und sitzen auf zinnoberroten Stühlen, essen kein Fleisch, sprechen kein menschliches Wort, denken keinen menschlichen Wunsch, gerade wie lebende Buddhas, aber das ist nicht wahrer Dharma. Sein Geist ist dann gleich dem eines Laien, wenn sein Auge sich nicht für die Wirklichkeit geöffnet hat. Gefangen in den fünf Sinnen sieht er nie den Kern dieser Existenz. Es gibt einige, die nicht einmal einen Brief schreiben können. Wirklich, sie sollten zur Grundschule zurückgehen, aber sie sitzen dort (im Kloster)! Wir nennen sie nicht Roshi; sie sind Sklaven der Unwissenheit, Leichenbestatter, die nur noch Trauergottesdienste durchführen — doch sie nennen sich Buddhisten. Denkt ihr, dass ein Mann, nur weil er Roshi [DJW: oder Osho] eines großen Tempels ist, ein großer Mönch sein muss?

Dem ist nicht so! Es gibt heute nicht viele echte Lehrer, Lehrer, die das Auge haben, um das Dharma von Shakyamuni Buddha zu sehen. Es ist nicht leicht, einen echten Lehrer zu treffen.

„Heute kennen Übende das Dharma nicht. Sie sind Ziegen ähnlich, die sofort alles in ihre Münder nehmen, was mit ihrer Nase in Berührung kommt. Sie unterscheiden nicht zwischen Herr und Sklave, Gastgeber und Gast.“ Gemäß der Theorie von Lin-chi gibt es vier Positionen, von Subjekt und Objekt, oder, wie hier, Herr und Sklave: Der Herr ist auf dem Platz des Herrn; der Abhängige ist in der Position des Abhängigen; der Abhängige ist auf dem Platz des Herrn und so weiter. Ein Herr in der Position eines Herrn ist einem klugen König auf dem Thron gleich, oder im chinesischen Idiom: „Einem Drachen in der Sonne ähnlich.“

Aber Natur verbirgt alles Wertvolle; einen Diamanten zu finden, ist nicht so leicht. Die Natur erzeugt nicht viele wertvolle Dinge — es gibt nicht viele Weise in der Welt. Wie viele kennen wir? Buddha? Christus? Manchmal dauert es Hunderte von Jahren, um Leute von der wahren Stellung eines großen Lehrers zu überzeugen. Sogar in der Zeit von Buddha haben sogar zwei Drittel der Bürger von Shravasti seine Stimme nicht gehört, obwohl er seinen Dharma öffentlich verkündete. In dieser großen Stadt Indiens hörten nur einige zu und wie viele haben wirklich gehört? Heute kennt fast die ganze Menschheit den Namen Buddhas.

„Da ihre Motive, in den Weg einzutreten, falsch sind, gehen sie zu lärmenden Orten.“ Man kann auf einem Berggipfel leben und dort ruhig und gelassen sein, aber wenn derjenige in die Stadt geht und beleidigt wird, hat er in einem kurzen Augenblick seine Ruhe verloren. Wie kann er andere retten? Solche Leute werden nicht aus der Liebe an der Menschheit Buddhisten, sondern sie werden durch niedrige Motive angetrieben. Sie hassen die Welt. Weil alles gegen ihre Wünsche ist, finden sie, dass alles unrein ist; obwohl nichts unrein ist, nur ihre eigenen Ansichten. Alles wird aus der reinen Erde, dem Feuer und so weiter, gemacht. Solch eine Person begibt sich in einen Tempel und schneidet alle Beziehungen mit anderen Menschen ab. Er nennt sich heilig, aber sein Geist ist nicht heilig, so lange er die Welt hasst. Er kann sich in einer Felsenhöhle, einem Tempel oder Berg verbergen, aber er kann sich nicht vor seinem eigenen unreinen Geist verbergen. Der Buddha ist in den Weg durch die Liebe zu denjenigen in der Dunkelheit eingetreten. Um sie zu erleuchten und zu unterrichten, sie zu befreien, hat er ihnen gezeigt, wie sein Geist rein erklingt.

„Wir können sie nicht Welt-Entsager nennen. Nein! Sie sind die Weltlichen.“ Lin-chi hat gedacht, dass man nicht ein echter Einsiedler ist, wenn man nur auf die physische Welt verzichtet hat — als ob jemand heute auf die U-Bahn und das Radio und alle Restaurants verzichten sollte — aber hat nicht auf die Welt in seinem Geist verzichtet. Dem echten Einsiedler sind der Berggipfel und der Boden des Meeres gerade ein und dasselbe Ding; das ganze Weltall ist aus einer Substanz gemacht. Wenn man wirklich in diesem wesentlichen Verstehen gefestigt ist, dann ist alles auf Eines reduziert. Aber derjenige, der vor den Geräuschen der Stadt davonläuft, hat Angst vor Begierden. Indem er sie unterdrückt, begibt er sich auf das Niveau des Begehrens. Wenn sein Begehren rein ist, dann ist jeder beliebige Ort, an dem er sich befindet rein und heilig. Obwohl sich die Natur seines Geistes von morgens bis abends ändern kann, ändert er sich selbst nicht. Er versteht die Änderungen in seinem Körper und seine Schwingungen in Übereinstimmung mit anderen. Was auch immer er mit dem Auge sieht, befleckt sein Auge nicht; und genauso ist das mit seinem Bewusstsein.


„Derjenige, der behauptet, auf die Welt verzichtet zu haben, muss sich darin üben, die Kenntnis des wahren Dharma zu erlangen, zwischen Buddha und Mara, wahr und falsch, heilig und weltlich unterscheidend. Wenn er das tun kann, verdient er es, ein Welt-Entsager genannt zu werden. Aber wenn er unfähig ist, zwischen Buddha und Mara zu unterscheiden, ist er derjenige, der bloß auf ein weltliches Haus für ein anderes verzichtet hat. Nennt ihn einen Karma-Schöpfer, nicht einen Welt-Entsager.“

SOKEI-AN SAGT:

Als Buddhisten müssen wir wissen, was „die große Sache Buddhas“ genannt wird. Dass dieser Shakyamuni Buddha auf das Hausleben verzichtet hat und Einsiedler wurde, ist nicht ein wichtiger Punkt für uns. Für einen Buddhisten bedeutet, auf die Welt zu verzichten, unsere ursprüngliche Natur zu kennen. Das ist das Fundament unseres Lebens.

Wenn ihr zum sanzen (dokusan) kommt, wird euer Zen-Lehrer euch die Frage geben: „Vor Vater und Mutter, wer warst du?“ Wenn ihr denkt und philosophiert, um auf diese Frage zu antworten, ist eure Antwort ein Konzept, das ihr zeigt, um die Wirklichkeit und ihre ursprüngliche Natur zu identifizieren, aber eure Antwort ist nicht ursprüngliche Natur. Deshalb müsst ihr, um eure ursprüngliche Natur zu finden, eine vom Philosophieren völlig verschiedene Methode anwenden. Ursprüngliche Natur ist nicht ein Konzept. Es ist, um ein anderes Wort zu verwenden, Buddha-Natur.

Diese Frage war die große Sache, für die der Buddha auf die Welt verzichtet hat. Wart ihr dort oder nicht? Wenn nicht, könntet ihr nicht hier sein. Wenn ihr hier seid, müsst ihr dort gewesen sein. Wenn ihr denkt, dass ihr dort wart, wer wart ihr? Im Buddhismus sind unsere Übungen von Anfang bis zum Ende, von der Zeit, in dem wir den Tempel als Novize betreten, bis zu der Zeit wo wir ihn als Lehrer verlassen — was auch immer wir lernen — auf diesen Punkt reduziert: Unsere Buddha-Natur zu kennen.

Ein Mönch in China fragte Chao-Chou Ts'ung-shen [778-896], einen berühmten Zen-Roshi: „Besitzt ein Hund Buddha Natur?“ Chao-Chou antwortete: „MU!“ — NEIN! [DJW: NICHTS]

Wenn ihr versucht, dies durch Vernunft zu verstehen, werdet ihr es nie verstehen. Es ist nur ein Wort, aber es schließt eine Million Bedeutungen ein, die alle auf dieses Wort, „MU!“ reduziert sind!

In einer Legende hat Brahma den ersten Bija-Ton, den Diamant-Ton AH geschaffen. Auf Sanskrit bedeutet „AH“ „Niemand“, „negativ“, „Nein“. Die Priester der Mantra Sekte sagen, dass AH in jedem Wort ist, dass es dort war, als Gott dort war und dass es immer dort sein wird. Ein Zen-Lehrer könnte euch fragen: „Was war vor AH?“ Alle diese Fragen weisen auf die ursprüngliche Natur hin. Buddhismus ist nicht schwer zu lernen. Es ist so einfach wie eure Hand, klar wie der Ton einer Silberglocke.

Zurzeit Buddhas war eine der großen Fragen die Ursache des Weltalls. Heute wissen wir, dass die Erde rund ist und wie das Sonnensystem entstanden ist. Aber in der Zeit Buddhas wurde geglaubt, dass die Erde flach sei, dass die Sterne die Geister von verstorbenen Menschen waren, die Verbindung mit den Seelen haben, die auf der Erde leben, dass die Sonne nicht größer ist als die Erde und dass der Mond kein toter Planet sei. Sie haben geglaubt, dass Wasser die Erde erhält und dass das Wasser durch einen wirbelnden Wind erhalten wird. Der Berg Sumeru war im Wasser mit der Sonne und dem Mond, der sie umkreist und das Wasser wurde durch einen Eisenberg gestaut. Das war das Konzept der Welt zurzeit des Buddha. Aber der Buddha dachte, dass unsere Welt nur eine von einer Million Welten war.

Heute, wenn wir irgendetwas beobachten, analysieren wir es in Atomen und Elektronen und beweisen die ursprüngliche Substanz materiell. Wir wissen, dass alle die verschiedenen Formen der empfindenden und der nicht empfindenden Welten auf eine wesentliche Substanz reduziert werden können. Wir haben keine Zweifel darüber. Sogar Grundschulkinder wissen es. Wenn wir das mit dem Glauben der Buddhisten vergleichen, können wir keinen Unterschied zu dieser Auffassung finden.

In der Zukunft wird eine Religion geschaffen, die sich rein auf das wissenschaftliche Denken stützt. Sogar jetzt, wenn die Wissenschaftler ursprüngliche Natur als eine lebende Substanz aber nicht tot definieren würden, würden sie in Übereinstimmung mit uns sein. Aber ich fürchte, dass, wenn der zukünftige Glaube zu den Menschen kommt, wird er vergessen haben zu lieben und zu beten. Vielleicht wird das das Zeichen für den Buddha der Zukunft sein, um zu erscheinen, — Maitreya, der Buddha der Liebe.

Lin-chi sagt, dass, wenn ein Buddhist kein Verstehen der ursprünglichen Natur hat, er ein bloßes Arbeitspferd, ein Weltmann, nicht ein echter Einsiedler ist. Aber derjenige, der versteht, obwohl er in der Welt lebt, ist ein wahrer Einsiedler, ein wahrer Entsager der Welt. So ist es unsere Aufgabe, die erste große Ursache des Weltalls und des Menschen zu finden. Wie man lebt, wie man unterrichtet und heilt, sind nur Zweige des kreativen Gesetzes oder des Dharmas. Wenn man Buddha-Natur versteht, verzichtet man auf zwei weltliche „Häuser“. Unser Körper lebt in zwei Häusern. Das eine ist die Verbindung mit unseren Verwandten — Vater, Mutter, Frau und so weiter; und das andere ist unser Verstandes-Zeug. Geist und Verstandes-Zeug müssen voneinander unterschieden werden. Geist ist Feuer und Geistes-/Verstandes-Zeug ist ein Klumpen aus Kohle. Natürlich, wenn es keine Kohle gibt, gibt es kein Feuer, also ohne Verstandes-Zeug können wir Geist nicht beweisen. Wenn ihr Geist von Geistes-/Verstandes-Zeug unterscheiden könnt, werdet ihr Buddha-Natur kennen. Es ist sehr einfach zu erkennen. Verstandes-Zeug ist das Zuhause, und Geist ist der Lehrer, so ist Geist ohne Geistes-Zeug Buddha. Es gibt kein Feuer, wenn es kein Holz gibt, aber Holz und Feuer sind nicht dasselbe. Wenn Holz zu Asche wird, geht das Feuer aus; wenn Verstandes-Zeug vernichtet wird, kehrt ihr zum Nirwana zurück, zur Gesamtvernichtung. Dann werdet ihr Buddha Natur — „Ah! Ich sehe.“ Ihr braucht dafür nicht viel Zeit in Anspruch zu nehmen. Das Verstehen kann in einem Augenblick kommen, aber ihr müsst es selbst tun. Es ist nicht notwendig, lange in Meditation zu sitzen. Nur aufmerksam sein, zu jeder Zeit — „Ah!“ Wie der Mönch, der einen Kieselstein gegen einen Bambusstamm gekehrt hat und durch den Ton seines Anschlagens — „Ah! Ja, ich verstehe!“ Wirkliche Essenz, das ist es. Also, wenn ihr das Verstandes-Zeug ausrottet, kehrt der ursprüngliche Geist zu euch zurück. Ihr habt das physische Haus und das geistige Haus aufgegeben; sie sind zwei tote Häuser.

Der Buddha hat gesagt, dass diese zwei Häuser ein Leichnam ohne lebende Seele sind, kein Verstehen der Buddha-Natur. Das sind „die lebenden Toten“ von denen Christus gesprochen hat: „Lasst die Toten die Toten begraben.“ Wenn ihr auf diese zwei Häuser verzichtet ist es egal, ob ihr Roben oder gewöhnliche Kleidung tragt, ob ihr Sutras rezitiert oder eine Zeitung lest. Wenn ihr eure ursprüngliche Natur findet, seid ihr ein echter Einsiedler. Der Buddha hat gelehrt, dass dies dem Rückzug in die Berge vorzuziehen sei. Aber derjenige, der das physische Haus verlässt, um in einen Tempel zu gehen, aber nicht sein geistiges Haus verlässt, ist ein Einsiedler des Körpers, aber nicht der Seele. Er kann seinen Kopf rasieren und Roben tragen, aber er behält seine Frau und Kinder im Tempel und behält sein Geistes-Zeug. Solch einer wird Buddha-Natur nie erfahren. Er ist nur ein Leichenbestatter, das ist alles. Es wird eine Armee von Eseln in seinem Tempel geben!

Wenn ihr Buddha-Natur versteht, werdet ihr leicht zwischen Buddha und Mara unterscheiden. Wir alle kommen aus der Wurzel von Maya; wir alle sind Kinder Mayas der „Schöpferin.“ Als ihre Kinder sind wir nicht durch Mann und Frau gezeugt worden, deren Natur das Tier ist. Das ist die Bedeutung der „jungfräulichen, der reinen Geburt.“


„Nun, wenn es einen untrennbar verkörperten Buddha- Mara aus einem Fleisch gäbe — wie die Mischung von Wasser und Milch, von dem der Ganskönig Hamsaraja nur die Milch getrunken hat — er, der das klare Dharma Auge hat und Buddha von Mara innerhalb dieses einen Fleisches unterscheiden kann. Aber wenn ihr das Heilige bevorzugt und das Weltliche verabscheut, so versinkt oder schwimmt ihr im Meer von Leben und Tod.“

SOKEI-AN SAGT:

Wenn ihr die Wörter von Lin-chi sorgfältig untersucht, werdet ihr sehen, dass er versuchte, den Buddhismus seiner Zeit zu vereinfachen, der sehr kompliziert geworden war. Er versuchte wirklich, Buddhismus so zu verbreiten, dass jeder in China seinen wahren Grundsatz verstehen könnte. Aber heute, wenn wir diese Aufzeichnung lesen, fühlen wir uns, als ob wir einen Berg besteigen, anstatt dass wir von seiner Spitze bis in die Stadt herunterkommen. Wir begreifen, dass unsere Zeit intellektueller ist im Vergleich zur Tang-Dynastie, als solch ein einfacher Buddhismus verkündet wurde. Solche Einfachheit ist für unseren Geist heute schwer zu verstehen. Als ich diese Aufzeichnung las, hatte ich immer das Gefühl, dass wenn jemand „Ah!“ rufen sollte und ein anderer sollte „Ah!“ antworten; das wäre die ganze Geschichte von Lin-chi‘s Buddhismus. Vielleicht könnten wir jemand mit solch einem einfachen Geist im amerikanischen weiten Westen finden. In den tiefen Wäldern, wo noch keine Axt einen Baum berührt hat; wenn wir ihm „He!“ zurufen, würde er nur „He!“ antworten. Er würde keine Angst haben, auf irgendetwas zu schauen, er würde nicht zögern zu antworten; er würde sehr einfach sein. Wenn ihr jedoch in der Stadt „He!“ ruft, werden die Leute denken, dass ihr ein Taschendieb seid.

Als ich drüben im Westen war, dachte ich, dass Amerika der natürliche Boden für den Zen-Buddhismus sei. Wenn man amerikanische Übende mit unseren vergleicht, ziehen unsere sich rote und weiße Farbe an und behängen sich mit Schmuck. Die Menschen der Oststaaten haben so lange in ihren komplizierten Gedanken gelebt, dass ihr Geist eingehüllt ist in künstliche Affektiertheiten, während der Amerikaner sehr einfach ist. Natürlich gibt es in den Städten viele komplizierte Menschen, aber ich kann nicht glauben, dass irgendeine künstliche, hoch entwickelte, metaphysische Art von Religion zum amerikanischen Herzen passt.

In meinem Bemühen, viele Dinge in meiner eigenen Vergangenheit zu verstehen — und ich hatte nicht viel Zeit, um zu einem Entschluss zu kommen — fühle ich nun, dass ich ein festes Fundament auf demselben Boden (wie Lin-chi) stehen sollte und dann neue Zweige vom Stamm dieses Baumes sprießen lasse. Meine Natur fordert, dass ich meine Anstrengung zum Zentrum zusammenlaufen lasse, zur Wurzel, zum vereinfachten Leben. Vielleicht bin ich faul geworden — fauler als in meiner Jugend, denn damals war ich es auch — aber ich sehen gern, wie sich die Dinge entwickeln, ohne Analyse durch die Philosophie oder Logik.

Ich halte mein Glas in meiner Hand und weiß, dass seine Farben — weiß, gelb, blau und rot — aus verschiedenen Quellen kommen, die ich logisch beobachten könnte, aber diese Beobachtung hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass das das ist. Sogar wenn wir diese einfache Wirklichkeit kennen, wissen, basiert jedoch unser Leben nie auf dieser Wirklichkeit, sondern auf den Ergebnissen unserer künstlichen Gehirntätigkeit. Vielleicht sollten wir uns nicht für die Tatsache verantwortlich machen, dass während die Tiere in der Natur leben, wir Menschen in unserem Gehirn leben müssen. Wir genießen eine Landschaft, aber wir schätzen eine Landschaft mehr, die gemalt ist. Wir sehen die Schönheit des menschlichen Körpers auf der Leinwand, in Marmor oder Elfenbein lieber, als den lebenden Körper eines Menschen, weil die Schönheit der Form von den natürlichen Bedingungen abstrahiert ist. Es scheint mir, dass ein Mensch, der getrennt von der Natur lebt, jemandem ähnlich ist, der sich mit Alkohol berauscht, der von seiner natürlichen Quelle getrennt ist. Es gibt echte Dramen an jeder Straßenecke, aber wir sehen es nicht als Drama; wir können es nur auf der Ebene verstehen, wo es vereinfacht wird. Mein Freund hat mich gebeten aufs Land zu fahren. Aber ich ziehe es vor, Menschen zu beobachten anstelle der Natur. Gern habe ich Natur, wenn sie sich abstrahiert und von ihrem wilden (ursprünglichen) Zustand zeigt. Ich ziehe eine klare Linie zwischen einem Wesen, das in der Natur lebt und demjenigen das in seinem Gehirn lebt. Auf diesem Standpunkt stehend, sehe ich, was schlecht oder tugendhaft genannt wird, für mich gibt es da keine Mischung. Es ist ein Fehler der Menschen, dass sie immer Natur und Kunst verwechseln. Der Mensch hat das Essen aus der Natur genommen, hat es gegessen und hat Kunst geschaffen. Dann hat er die Rückkehr in sein natürliches Haus verabscheut. Wenn wir an Natur denken, denken wir an Kunst, aber verwechselt Natur nicht mit Kunst. Kunst ist abstrahierte Natur.

„Nun, wenn es einen untrennbar verkörperten Buddha-Mara aus einem Fleisch gäbe …“ Wenn Buddha Weisheit ist, wer ist Buddha-Mara? Mara ist schlecht, Dunkelheit, avidya. Ein Wort wie Buddha-Mara gibt uns ein Bildnis von Lin-chi. Natürlich bekennt er, wie er ist, jemand zu sein, der kreative und zerstörende Kraft zur gleichen Zeit hat, jemand der Nirwana und Böses versteht. Er ist in der Dunkelheit, avidya, und versteht komplette Vernichtung — mit anderen Worten Buddha. Das Böse von dem Lin-chi spricht, ist totale Dunkelheit.

In der Mahayana-Theorie kommt das Alaya-Bewusstsein aus dem verborgenen Bewusstsein, wie Hitze, die die Luft oder das Licht nicht durchdrungen hat, die noch nicht in den Kreis eingetreten ist, in dem Licht gesehen werden kann. Der Buddha hat das Nirwana und auch avidya genannt. Bevor wir es verstehen, ist es Dunkelheit und wenn wir es verstehen, ist es Nirwana.

Jemand sagte: „Was ist es, das den Unterschied ausmacht? Wenn du es weist, dann bist du frei.“ Jemand anderer hat gesagt: „Obwohl du nicht weißt woher du kommst, wirst du irgendwie befreit werden.“ Im sanzen, wenn ich komplette Vernichtung begriffen habe, fühle ich mich, als ob ich den Boden eines Eimers durchbrochen hätte, und ich verstehe das Gedicht der alten Buddhisten, das den bodenlosen Eimer beschreibt, der den Vollmond hält. Ich weiß es zu schätzen; ich habe den bodenlosen Eimer meines Geistes durchbrochen.

„… wie die Mischung von Wasser und Milch, von dem der Ganskönig Hamsaraja nur die Milch getrunken hat … “ Lin-chi hat die Geschichte Gans-König aus einem alten Sutra entlehnt. Wasser ist Erleuchtung und Milch ist Unwissenheit. Wir kommen aus der ursprünglichen Dunkelheit, avidya und kennen deshalb nicht die Wahrheit in uns; wir verwenden ES unbewusst, nicht wissend, wie wir es tun. Diesen Instinkt von der Dunkelheit von avidya gebrauchend, machen wir viele Fehler ohne es zu begreifen, weil wir eine Mischung von beiden sind. Hamsaraja, der Gans-König, saugt die Milch der ursprünglichen Dunkelheit auf und verlässt das reine Wasser der Buddha Natur. Der Buddha unterrichtete dasselbe. Durch die Zerstörung der Dunkelheit im Geist verlässt man die Buddha-Natur, die echte erleuchtete Natur. Da es in allem ist, scheint die Sonne ganz natürlich, wenn die Wolke der Täuschung aus dem Geist geblasen wird. So ist Buddha der Gans-König, der die Milch der Unwissenheit trinkt und das reine Wasser der Erleuchtung verlässt.

„… er, der das klare Dharma Auge hat und Buddha von Mara innerhalb dieses einen Fleisches unterscheiden kann.“ Auf welcher Stufe befand sich euer Bewusstsein in der Vergangenheit? In welchem Zustand wird es in der Zukunft sein? Jetzt? Ist euer Geist frei? Wo sind die Schwierigkeiten in eurem Geist? Ist er in der Dunkelheit oder nicht? Falls Lin-chi alle verschiedenen Stufen seines eigenen Bewusstseins erfahren hat, so kennt er das Bewusstsein anderer.

„Aber, wenn ihr das Heilige bevorzugt und das Weltliche verabscheut, so versinkt oder schwimmt ihr im Meer von Leben und Tod.“ Von Lin-chi’s Standpunkt aus dürft ihr nicht die Ansicht lieben, die heilig genannt wird, noch die Ansicht verabscheuen die weltlich genannt wird. Warum heilig? Warum weltlich? Kein Grund, denn diese Begriffe bestehen nur im menschlichen Geist, aber nicht im wahren Geist. Wenn ihr solchen Ideen anhaftet, sinkt oder schwimmt ihr im Meer von Leben und Tod, wo ihr das absolute Verstehen nicht erreichen könnt. Ihr lebt immer im Relativen, ihr müsst in eurem Geist leben und könnt keine höhere Stufe erreichen als das. Aber wenn ihr alle Stufen erfahren habt, werdet ihr erfahren, dass ihr nichts als Bewusstsein seid — die Spitze eures Fingers, die Zehe, die Nase und Zunge — ihr begreift, dass alles Bewusstsein ist.


DREI-HUNDERT-MEILEN TIGER Aufzeichnungen von LIN-CHI

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