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Kapitel 1: Am Birkensee Heimkehr der Sieger
ОглавлениеAls Mauro mit seinen siegreichen Truppen in Alicando einritt, war der Krieg vorbei.
Die Stadt Alicando begrüßte ihre Helden. Trommelwirbel und Fanfaren begleiteten ihren Weg. Die Bürger jubelten ihnen mit der gleichen Begeisterung zu, die Mauro schon bei seinem ersten Besuch erfreut hatte. Es fühlte sich gut an, als Sieger in diese schöne Stadt zurückzukehren. An Mauros Seite ritt Uluk, der mit großem militärischem Geschick das feindliche Restheer manövrierunfähig gemacht hatte. Dahinter folgten Pado, Alagos und Tuagh, die ebenfalls maßgeblich am Sieg beteiligt gewesen waren. Hanok ritt weit hinten unter den Mittelländern. Er, der die Herzogwürde schon in greifbarer Nähe wähnte, konnte froh sein, überhaupt noch am Leben zu sein.
Auf der Treppe vor der Burg stand, festlich gekleidet und mit einem einladenden Lächeln auf den Lippen, die Dame Zeldis. Ihr Anblick gemahnte Mauro an die Folgen von Chojas Liebestrank. Er war morgens zwischen zwei Frauen aufgewacht und erinnerte sich nicht, wie es dazu gekommen war. Damals hatte er bewusst darauf verzichtet, die Dame, die durch die gemeinsame Nacht zu seiner Nebenfrau geworden war, formell zu entlassen. In den darauffolgenden Tagen hatten sie einige heiße Nächte miteinander verbracht. Die Erinnerung zauberte ein sinnliches Lächeln auf sein Gesicht. Merkwürdig, dass er nicht mehr an Zeldis gedacht hatte. Jetzt konnte er ein wenig Aufmunterung gebrauchen. Beschwingt nahm er ihren Arm und ließ sich von ihr in die Burg geleiten.
In der ehemaligen Fluchtburg, die nun Königsburg von Alicando hieß, wartete viel Arbeit auf den neuen Hausherrn. Es galt, gemeinsam mit den Fürsten und den Heerführern eine Nachkriegsordnung zu schaffen und das Land auf den Frieden vorzubereiten. Damit hatte Furukiya keine Erfahrungen, denn seit Menschengedenken befand man sich ständig im Krieg. Entsprechend nervös waren die Togweds. Es war voraussehbar, dass der König in Friedenszeiten kein so großes stehendes Heer unterhalten würde. Im Mannschaftslager spähten die fähigsten Krieger nach Togweds, die zusätzliche Leute suchten. Es gab mehr Bewerber als Engagements. Abwarten oder lieber schnell das nächstbeste Angebot annehmen? Diese Fragen bewegten all jene, die nichts als das Kriegshandwerk kannten.
Mauro diskutierte gerade mit seinen Heerführern über die königliche Garde. Er hatte begriffen, dass er eine leistungsfähige Truppe benötigte, die zahlenmäßig groß genug war, um ihn zu schützen. Das hatte die Erfahrung von Passar und von den Distelfeldern gelehrt. Andererseits scheute er sich, einen Tross hinter sich herzuschleppen, der seine Bewegungsfreiheit einschränkte. Er wollte nur dreihundert Mann zulassen.
„Wenn Ihr dreihundert Mann als angemessene Begleitung betrachtet, dann solltet Ihr doppelt so viele einstellen. Die Leute müssen manchmal schlafen!“ meinte Eryndîr.
Mauro überging den Einwand und rechnete: „Jede königstreue Provinz stellt mir 25 handverlesene, voll ausgerüstete Reiter zur Verfügung. Da wäre einmal das Sommerland: Xalmeida, Qatraz, Ikenar. Dann die Maiyar-Fürstentümer Maikanar, Ossar und Aglar.“
Alagos war hocherfreut. Mit der Nennung von Aglar als eines der Maiyar-Fürstentümer hatte Mauro die Absicht durchblicken lassen, seinem Clan die Souveränität über die Kupferberge zurückzugeben.
„Dann Malfar, Vedar und Dares. Die Bärenheimer und Yian Mah hätte ich fast vergessen. Ob Tolego auch Leute schickt, weiß ich nicht.“ Mauro war nicht begeistert, Männer aus Tolego in seine Truppe aufzunehmen, doch er durfte es ihnen nicht verwehren: „Ich werde es Fürst Torren freistellen.“
„Ich glaube nicht, dass Fürst Torren eine Ausnahmeregelung für sich beanspruchen wird“, erwiderte Vreden. Mauros Angebot an die Fürsten, Vertrauensleute in seiner direkten Umgebung zu platzieren, war für beide Seiten von Nutzen. Alle Fürstentümer würden ihre besten Leute schicken, denn sie standen untereinander im Wettbewerb.
„Was ist mit der Stadt Mandrilar?“
„Nein, danke, keine Mandrilanen. Lieber rüste ich selbst Krieger aus. Eryndîr muss ohnedies Wächter für meine Burg hier rekrutieren, da soll er ein paar mehr nehmen.“ Mauro rechnete alles zusammen: „Insgesamt komme ich auf 400 Reiter.“
„Zu knapp“, insistierte Eryndîr.
Hanok brauste auf: „Worüber reden wir hier? Wir feilschen um 100 Mann, während vor den Toren der Burg 20.000 um ihre Existenz bangen!“
Mauro sah ihn verwundert an: „Wieso? Können sie nicht heimkehren?“
„Heimkehren wohin? Diese Leute haben nichts als das Kriegshandwerk gelernt. Viele von ihnen kennen kein anderes Leben. Als Ihr mir vor einem Jahr den Auftrag gabt, dem Herzog von Alicando nach Süden zu folgen, nahm ich alle diese heimatlosen Krieger in mein Heer auf. Sie sind Strandgut aus allen Teilen des Landes, unterstehen keinem Fürsten, der sich für sie stark macht. Nun haben sie plötzlich keine Zukunft mehr. Ich bin zwar nicht mehr Condir, doch ich fühle mich für sie verantwortlich!“ Hanok war ziemlich erregt. Für ihn war unvorstellbar, dass Mauro dieses drängende Problem nicht im Blick hatte.
„Herrenlose Krieger sind eine Gefahr für das Land. Geben wir ihnen kein Brot, werden sie Banden bilden und uns berauben“, mahnte Alagos von Aglar. „Dann brauchen wir Wächter, die uns vor ihnen schützen.“
„Ja, ich habe verstanden“, erwiderte Mauro unwirsch. „Ich sollte mir um sie Gedanken machen. Doch wohin mit ihnen?“
Eryndîr wusste Rat: „Nun, Herr, Ihr habt den Nachbarn im Norden die Sicherung der Verkehrswege zu den Häfen im Süden zugesichert. Ihr braucht Truppen, die den Händlern Geleitschutz geben. Ihr braucht Zollgesetze, die verhindern, dass sie in jeder Provinz von neuem ausgeplündert werden und Krieger, die über deren Einhaltung wachen. Wenn ein Fürst sich querlegt, braucht Ihr unabhängige Truppen, um ihn zu disziplinieren. Und Ihr braucht Meldereiter, die Nachrichten von Stadt zu Stadt transportieren. Da bleiben nicht mehr viele übrig, die heimgeschickt werden müssen.“ Eryndîr war der einzige in der Runde, der Vorstellungen von einer Friedensgesellschaft hatte.
Mauro atmete auf: „Ich wüsste gerne, wie viele Krieger wir für diese Aufgaben brauchen. Die Beamten sollen ausrechnen, aus welchen Mitteln wir sie bezahlen. Dann beginnen wir mit dem Rekrutieren.“
„Ich mache mich umgehend an die Arbeit“, versicherte Hanok. „Die Zeit drängt. Die Männer sind nervös. Die Besten unter ihnen suchen bereits nach neuen Engagements. Wir sollten ihnen rasch eine Perspektive aufzeigen.“
Mauro ließ widerspruchslos zu, dass Hanok diese schwierige Aufgabe an sich zog. Wer hätte es sonst machen sollen?
In den nächsten Tagen überließ Mauro den Großteil der Arbeit seinen Leuten und schonte sich. Es erwies sich als hilfreich, dass er Zeldis bei sich behalten hatte. Vor allem in den schlaflosen Nächten leistete sie ihm wertvollen Beistand. Die Alpträume quälten ihn immer noch, und sein Herz machte ihm zu schaffen.
Die Annehmlichkeiten, die ihm Zeldis bereitete, machten ihn keineswegs Sigrun vergessen. Im Gegenteil, seine Gedanken wanderten immer wieder zu seiner fernen Geliebten. Oft malte er sich aus, wie er nach getaner Arbeit in Sigruns Arme fallen, ihre Zärtlichkeit genießen und die Ereignisse des Tages mit ihr teilen würde.
Regelmäßig kommunizierten die beiden über den Mondstein. Mauro übermittelte Bilder von seinem Einzug in Alicando und von der Schönheit des Sommerlandes.
„Die Frauen des Sommerlandes sind sicher auch wunderschön?“ wollte Sigrun wissen.
„Ja. Sie sind wunderschön“, erwiderte Mauro mit einem Seitenblick auf Zeldis, die eben zu ihm herüberlächelte. „Doch keine von ihnen kann Euch das Wasser reichen.“ Er sandte ihr eine Woge der Zuneigung und einen Kuss.
Sigrun sah sein Gesicht im Stein. Deutlich fühlte sie seine Liebe. Ihr war, als würden seine Arme sie zärtlich umfangen. Als sie merkte, dass er weitersprach, konzentrierte sie ihr Bewusstsein auf den Stein und versuchte, mit ihm zu verschmelzen, wie die Alte es sie gelehrt hatte. Diesmal gelang es. Deutlich hörte sie den Widerhall seiner Worte in ihrem Kopf: „Nur noch ein paar Tage, bis meine Brautwerber bei Eurem Bruder eintreffen. Wenige Wochen später seid Ihr in Mandrilar. Ich kann es kaum erwarten, Euch in meinen Armen zu halten!“
Sigrun lauschte atemlos. Sie hatte es geschafft, sie konnte ihn hören! Nun wusste sie, dass er die Brautwerbung auf den Weg gebracht hatte. „Eilt Euch, mein Geliebter. Das Leben ist kurz und meine Sehnsucht groß…“
Hanok gönnte sich keine Schonung, was seiner Heilung nicht zustattenkam. Seine Füße waren immer noch wund, die Sohlen bedeckt von eitrigen Schwären. Selbst mit übermenschlicher Selbstbeherrschung brachte er es nicht fertig, darauf auch nur ein paar Schritte zu gehen. Er musste sich damit abfinden, getragen zu werden. Diese kleine Erleichterung linderte zwar die Schmerzen, doch sie half nicht gegen die nächtlichen Alpträume. Die Nachwirkungen von Barrens Labyrinth machten ihm zu schaffen. Dennoch ließ Hanok keine einzige Sitzung aus. Er arbeitete konzentriert und spielte seine überlegene Intelligenz gegenüber den anderen Togweds aus.
„Warum schindet Ihr Euch so?“ fragte Kayla, die in Mauros Auftrag Licht in die Vorgänge auf den Distelfeldern bringen sollte. Sie verbrachte viel Zeit mit Hanok. So unvernünftig sie ihn einerseits fand, so sehr imponierte ihr andererseits seine Selbstdisziplin.
„Was würdet Ihr an meiner Stelle tun?“ fragte er zurück. „Ich kämpfe um mein Leben. Dieser König hat uns wiederholt gezeigt, dass vor seinen Augen nur die Stärksten Gnade finden. Wenn ich mich trotz meiner Schmerzen nicht schone, nötige ich ihm zumindest Respekt ab. Wenn es mir darüber hinaus gelingt, mich unverzichtbar zu machen, habe ich eine Überlebenschance.“
Kayla empfand diesen Härtekult als übertrieben: „Wir betrachten Krankheit als notwendigen Begleitumstand seelischen Wachstums. Eine erzwungene Pause ermöglicht die Verinnerlichung wichtiger Erfahrungen. Der König will Euch gewiss nicht vernichten. Er hat Euch ein faires Gerichtsverfahren zugesagt…“
„Und ich tue alles, um diese Chance zu nutzen. Ich wäre ein Narr, zu glauben, dass ein anderer als er selbst über den Ausgang des Verfahrens entscheidet. Doch ich brauche Eure Hilfe. Ihr seid es, die für mich sprechen wird. Ihr könnt den letzten Rest von Zweifel in seiner Brust zerstreuen“, gab Hanok zurück. „Werdet Ihr mir helfen, heil aus dem Verfahren herauszukommen, Prinzessin Kayla?“ Er beugte sich ein wenig in ihrer Richtung und sah ihr in die Augen.
Kayla wurde unwillkürlich rot und schämte sich dafür. In den Wochen, die sie miteinander gearbeitet hatten, war so etwas wie Freundschaft zwischen ihnen entstanden. Oder war es mehr?
„Ich werde dafür sorgen, dass Euch Gerechtigkeit widerfährt.“ Kayla mühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben. Doch Hanok hatte ihr Zögern bemerkt. > Sie ist klug, aber auch nur eine Frau < schoss ihm durch den Kopf. Schade, dass ihm in seinem Zustand nicht der Sinn nach einer Liebschaft stand.