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Kapitel 2: Neue Truppen für den König Das Tribunal

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Nach Schlobarts Abreise zwang Mauro sich, den Blick wieder nach vorne zu wenden. Er vergrub seinen Schmerz tief im Innersten und ging seinem Tagewerk nach. Mit niemandem teilte er seine Nöte, auch nicht mit Zeldis, die ihm nicht von der Seite wich. Nach außen hin funktionierte er wie gewohnt. Doch innerlich schien etwas zerbrochen zu sein.

Soeben kam ein Bote und meldete, dass die Stadtwache aus Mandrilar eingetroffen war. Sie hatte den Wehrsold mitgebracht, den der König den reichsunmittelbaren Truppen schuldete.

Mauro hatte ein starkes Bedürfnis nach Bewegung und stürmte auf der Stelle selbst auf den Burghof hinaus, wo königliche Beamte, die mit der Stadtwachte gekommen waren, gerade die Auszahlung vornahmen. Akribisch wurde jeder einzelne Goldtaler dokumentiert. Die mandrilanischen Beamten waren für ihre Unbestechlichkeit berühmt. Keine einzige Münze würde in eine Tasche wandern, in die sie nicht gehörte.

Mauro forderte den Stadtkommandanten auf, ihm Bericht zu erstatten. „Habt Ihr die Familien der Verräter von den Distelfeldern dingfest gemacht?“ fragte er mit herrischer Stimme.

Der Stadtkommandant meldete, dass der Fürst von Neylar seinem Leben selbst ein Ende gesetzt hatte. Zum Beweis zog er dessen Kopf aus einem Beutel. Die Familien der anderen Verräter hatten frühzeitig eine Warnung erhalten. Sie waren spurlos verschwunden. Die Stadtwache hatte bloß ein paar Frauen und minderjährige Töchter als Faustpfand mitgebracht.

Die Mädchen in ihren weißen Kleidchen, die nun zitternd vor ihrem König niederknieten, waren kein geeignetes Objekt für Mauros Abrechnung mit den Mandrilanen. Sie taugten eher dazu, die Menge gegen ihn aufzubringen, wenn er zu hart mit ihnen verfuhr. Diese Erfahrung hatte Mauro schon in Passar machen müssen. Deshalb richtete er seinen Zorn gegen den Stadtkommandanten. Der Anlass kam ihm gerade Recht, um Dampf abzulassen: „Wollt Ihr mir glauben machen, in einer Gesellschaft, wo jeder jeden kennt, könnte eine ganze Sippe vom Erdboden verschwinden?“ schrie er den Mann an. „Wahrscheinlich habt Ihr so lange getrödelt, bis jeder gewarnt war!“

Der Stadtkommandant kniete vor dem König, den Blick nach Landessitte auf den Boden geheftet. „Ich habe Euch erzürnt, mein Herr. Nehmt mein Leben als Sühne und verschont meine Männer“, sagte er mit fester Stimme. „Das sind tapfere Krieger, die nichts weiter als ihren Dienst tun. Seht, sie haben die Kisten mit dem Wehrsold zuverlässig bis hierher transportiert!“

Mauro blickte in die Runde. Die mandrilanischen Stadtwächter waren tatsächlich stolze Krieger. Sie unterschieden sich sichtbar von den Mandrilanen, die auf den Distelfeldern gekämpft hatten. Bestens ausgerüstet, wohlgenährt und erhobenen Hauptes standen sie da. Das stachelte seine Wut weiter an. „Wie ich sehe, habt Ihr ein Heer von richtigen Kriegern. Eurem König jedoch habt Ihr unerfahrene Bauern geschickt, die unter den Schwertern der Feinde fielen wie reife Ähren! Dafür werde ich Euch zur Verantwortung ziehen. Ihr kommt vor ein Kriegstribunal. Eure tapferen Krieger marschieren sofort ab nach Gralta. Auf den eintönigen Felsen können sie sitzen und darüber nachdenken, was Pflicht bedeutet. Ich werde euch Mandrilanen lehren, euren König zum Narren zu halten!“ Mit einer zornigen Geste bedeutete er den Wachen, den Stadtkommandanten abzuführen.

Mauro machte sich sofort daran, das Tribunal vorzubereiten. Bei dieser Gelegenheit würde er auch die Verräter von den Distelfeldern aburteilen. In seiner momentanen Gemütslage dürstete ihn nach Blut. Irgendjemand würde bezahlen müssen….

„Für Militärgerichtsverfahren gibt es selbst in diesem Lande eine Verfahrensordnung. Die werden wir einhalten. Die Vorgänge in Passar sollen ein Einzelfall bleiben. Ich möchte dem Volke zeigen, dass es unter meiner Regierung gerecht zugeht!“ Mauro sprach mit lauter Stimme, als müsste er sich selbst überzeugen.

Mit seinen Beratern ging er das Verfahren im Detail durch. Die Fürsprecher der Angeklagten wurden bestimmt und die Schöffen. Mauro sollte als oberster Richter das letzte Wort behalten.

„Es gibt da noch ein Problem“, ließ sich einer der anwesenden Ratsherrn vernehmen. „Ihr braucht eine Legitimation, um Recht zu sprechen. Ihr seid noch kein gekrönter König.“

Sofort polterte Mauro los: „Was heißt dass, kein gekrönter König? Ist die Tatsache, dass ich diesen Krieg gewonnen habe, nicht Legitimation genug?“

Der Ratsherr zog betreten den Kopf ein.

Mauro erschrak über seine eigenen Worte. Der Wüterich, der so sprach, hatte nichts gemein mit dem Herrscher, der er sein wollte. Er mäßigte seinen Tonfall: „Sprecht Ratsherr. An welche Legitimation habt Ihr gedacht?“

Eine betretene Stille entstand. Schließlich fasste sich der Ratsherr ein Herz und fuhr fort: „In der Schatzkammer der Stadt bewahren wir König Xirons Krone auf. Er trug sie sein Leben lang. Nach seinem Tode brachte der ältere Sohn sie nach Alicando zurück, denn Euer Vater Curon wählte die Maiyar-Krone. Später ließ Curon den eigenen Bruder, den Herrscher von Alicando, in Mandrilar hinrichten. Wir, die Nachfahren, hüten seitdem diesen Schatz. Es wäre eine Ehre für Alicando, wolltet Ihr an die Tradition Eures Großvaters anknüpfen...“

Nach der Sitzung bat Alagos den König um eine Privataudienz: „Herr, ich bin wahrlich kein Mandrilanenfreund, doch schickt die Stadtgardisten bitte nicht nach Gralta.“

„Warum nicht?“ Mauro war erstaunt, dass der Rhûn-Maiyar für die Mandrilanen sprach.

„Zu viele von ihnen sind inzwischen von den Fahnen gegangen. Nun verfügen wir nur noch über diese wenigen wackeren Männer, die ihrem Kommandanten aus Pflichtbewusstsein hierher folgten. Wer immer Euren Einzug in der Stadt vorbereiten soll, wird auf diese Männer angewiesen sein.“

Alagos lenkte in seiner unvergleichlich diplomatischen Art Mauros Augenmerk auf die alte Fehde zwischen Mandrilar und Alicando und auf die schwierige Sicherheitssituation in der Hauptstadt. „Wenn Ihr den Stadtkommandanten vor ein Tribunal stellen wollt, dann tut es bitte nicht hier in Alicando. In Mandrilar hättet ihr die Chance, Gnade walten zu lassen. Hier will das Volk Mandrilanenblut fließen sehen.“

„Ihr meint, ich soll den Stadtkommandanten verschonen? Der Mann hat gefehlt…“

„Das sieht nur auf den ersten Blick so aus. Seine Männer sind Spezialisten. Sie wissen genau, wie man in einer großen Stadt Ordnung hält und wie man Mauern verteidigt. Für eine Feldschlacht sind sie nicht ausgebildet. Hätte der Kommandant sie in die Schlacht geschickt, hätten sie nicht viel mehr bewirkt als die anderen. Daheim jedoch wäre niemand mehr gewesen, der für Ordnung und Sicherheit sorgt.“

„Was soll so schwierig daran sein, in einer Stadt für Sicherheit zu sorgen?“

„Mandrilar ist zehnmal größer als alle anderen Städte hier. Es ist nicht leicht, die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten. Mord und Plünderung sind jetzt schon an der Tagesordnung. Wenn nicht bald Ordnung einkehrt, läuft die Situation aus dem Ruder.“

Mauro sah Alagos erstaunt an. „Ihr seid gut informiert. Warum habt Ihr nicht vorher in der großen Runde gesprochen?“

Der Condir senkte das Haupt.

>Ist es schon wieder so weit, dass meine engsten Getreuen nicht mehr wagen, mir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen? Bin ich schon wieder so schrecklich geworden?< Auf diese Frage erwartete Mauro keine Antwort. Laut sagte er nur: „Ich danke Euch für den Hinweis, Condir“, und ließ den erleichterten Alagos gehen. Für die Zukunft nahm er sich vor, mehr zuzuhören und weniger einsame Entscheidungen zu treffen. Er durfte nicht zulassen, dass sein Liebeskummer sein Urteil trübte.

Mauro hatte eine öffentliche Verhandlung angeordnet. Erwartungsgemäß nahm die Stadt Alicando großen Anteil an diesem Schauspiel. Als der König in Begleitung der Dame Zeldis Einzug in die große Arena hielt, spendeten die Bürger dem Paar begeisterten Applaus.

Als nächstes kam der Bürgermeister gemessenen Schrittes in die Arena. Auf einem Purpurkissen trug er die Alicando-Krone vor sich her. Die Bürger hielten den Atem an, als er Mauro mit förmlichen Worten Xirons Krone antrug.

Mauro dankte den Würdenträgern von Alicando, dass sie das Andenken seines Großvaters über so viele Jahre gewahrt hatten. Er gelobte, für Recht, Ordnung, Frieden und Sicherheit zu sorgen. Dann nahm er Xirons Krone vom Kissen und setzte sie selbst aufs Haupt.

Die Dame Zeldis, eine Alicando, erwies ihrem König als erste mit einem vollendeten Hofknicks ihre Referenz.

Der Jubel auf den Rängen wollte kein Ende nehmen. Ein halbes Jahrhundert nach König Xirons Tod hatte sein Enkel sich zu seinem Erbe bekannt. Alicando hatten wieder einen König.

Die mandrilanischen Truppen, die Mauro geschlossen hatte antreten lassen, blickten betreten zu Boden. Für sie weckte die Szenerie schlimme Erinnerungen.

Der Reihe nach wurden die Verräter von den Distelfeldern vom Tribunal abgeurteilt. Bei jedem Todesurteil schrie die Menge begeisterten Beifall. Mauro dankte Alagos insgeheim, dass er ihn davor bewahrt hatte, auch das Tribunal gegen den Stadtkommandanten hier durchzuführen. Mauro war mittlerweile zu der Überzeugung gekommen, dass der Mann zumindest eine faire Chance zur Verteidigung haben sollte. In dieser aufgeheizten Stimmung konnte es kein gnädiges Urteil geben. Pech auch für Hanok, denn sein Fall würde als nächster zur Verhandlung kommen.

Doch Hanoks Fürsprecherin war Kayla von Malfar. Klug und wortgewandt wie sie war, spielte sie mit der Stimmung der Menge wie andere auf einer Laute. In einem flammenden Plädoyer stilisierte sie Hanok zum Kriegshelden hoch. Sie berichtete vom verzweifelten Kampf der Mittelländer gegen Horden von hyänengesichtigen Halbwesen, von der Gefangennahme der feindlichen Heerführer und von der Errettung des Königs vor den Toren von Knyssar (dass nicht Hanok, sondern dessen Gefolgsmann Gero diese Einsätze kommandiert hatte, ließ sie geflissentlich bei Seite). Dazu projizierte sie aus ihrer Erinnerung so lebhafte Bilder des wogenden Kriegsgeschehens in die Arena, dass jeder Zuschauer meinte, dabei gewesen zu sein. Zuletzt berichtete sie von Barrens hinterlistiger Falle und dem dreisten Verrat der Mandrilanen, die den siegreichen Feldherren um seinen gerechten Lohn gebracht hatten. Hanoks Freispruch war dann nur noch eine Formsache. Er wurde vom Volke ebenso heftig bejubelt wie zuvor die Todesurteile.

Mit glühenden Wangen nahm Kayla anschließend die Gratulation des Königs entgegen. „Ich wusste gar nicht, dass unser guter Hanok so ein Held ist“, meinte Mauro verschmitzt. „Nach meiner Erinnerung lief er immer hinter dem Feind her, bis ihn die Nachhut überrannte!“

Auch die anderen lobten das gute Plädoyer. „Gut gesprochen. Für eine Frau außergewöhnlich,“ bemerkte sogar Fürst Baaluk.

„Ihr seid raffiniert vorgegangen. Mit Euch möchte ich mich nicht auf ein Wortgefecht einlassen“, sagte Shui anerkennend.

„Wie Hanok es immer wieder schafft, schöne Frauen vor seinen Karren zu spannen“, meinte Uluk etwas neidisch. Hanoks Ruf als Frauenheld war auch in Alicando legendär.

Am Ende waren alle zufrieden. Die feine Nuance war nicht unbemerkt geblieben: Hanok wurde zwar nicht verurteilt, aber auch nicht rehabilitiert. Damit war er als Heerführer kein Konkurrent mehr für die anderen. Sein Tod hätte letztlich niemandem genutzt. Dass er im Moment die Arbeit für sie alle machte, fanden sie hingegen angenehm.

Eines Tages tauchte Hohepriesterin Suza in der königlichen Burg von Alicando auf. Sie teilte Mauro mit, dass in einigen Wochen eine Sternenkonstellation zu erwarten stand, die äußerst günstig für die Krönung in der Hauptstadt wäre. Der Termin war noch weit genug entfernt, dass Mauro sich nicht eilen musste, doch man sollte mit den Vorbereitungen beginnen.

Mauro willigte ein. Nachdem Sigrun nicht kommen würde, gab es für ihn keinen Grund, die Krönung in Mandrilar länger hinauszuzögern.

Nachdem sie sich über den groben Ablauf verständigt hatten, entstand eine kleine Pause. Schließlich packte Suza das heikle Thema an: „Da ist noch ein wichtiger Punkt offen: die Frage der Königin.“ Sie wartete ein wenig. Als Mauro nichts sagte, fuhr sie fort: „Man sagt, Ihr hättet die Brautwerbung für die Almanenprinzessin auf den Weg gebracht, die Euch in Moringart den Kopf verdrehte.“

„So ist es“, bestätigte Mauro.

„Es steht mir nicht zu, Euch Ratschläge zu geben. Ihr könnt jeder Frau Eurer Wahl Eure Gunst schenken. Ihr könnt so viele Frauen haben, wie Ihr wollt. Ich möchte Euch jedoch daran erinnern, dass die Almanin niemals Königin werden kann – so Ihr das jemals erwogen habt.“ Sie ließ ihrer Worte einsickern.

Mauro unterdrückte ein Aufbegehren. Natürlich hatte er vorgehabt, Sigrun zur Königin zu machen. Vor seinem geistigen Auge hatte er sich schon an ihrer Seite zur Krönung reiten gesehen. „Ich nehme an, Ihr werdet mir sogleich sagen, was daran unvernünftig ist“, sagte er mit unbewegter Miene zu Suza. Er zählte die Argumente auf, die er mittlerweile auswendig kannte: „Die Rigländer sind selbst unter den Almanen ein ziemlich unbedeutender Stamm. Die Verbindung bringt für mich keinerlei politische Vorteile. Die Dame besitzt weder die Erziehung noch den Status, den man für eine künftige Königin erwarten möchte. Die Furukim schätzen die Almanen gering. Sie gelten als Wilde, die in Erdhöhlen hausen. Eine Almanin als Königin würden sie niemals akzeptieren. Die Zauberclans lehnen Sigrun ab, weil sie aus keinem der alten Geschlechter stammt. Habe ich etwas vergessen?“

„Ja, Ihr habt etwas vergessen“, erwiderte Suza mit strengem Blick. „Als Ihr in Knyssar mit dem Feuerkönig um die Herausgabe des Schlüssels verhandeltet, habt Ihr ihm Yerion als Königin vorgestellt. Er hat sie akzeptiert und Euch die Rettung des Tempels ermöglicht. Sie wird bei den Krönungsfeierlichkeiten an Eurer Seite stehen. Jede andere wäre ein Affront gegen die Götter!“

Mauro wurde blass. Daran hatte er nicht gedacht. Mit dem mächtigen Schutzpatron des Landes mochte er sich nicht anlegen. War dieser selbst es gewesen, der Sigruns Reise nach Mandrilar verhindert hatte? Wollte er Mauro davor bewahren, einen unverzeihlichen Fehler zu machen? Er fasste sich und sprach mit ernster Miene: „Prinzessin Yerion hat in Ostgilgart beim Schmieden des Ringes geholfen, sie sang das Lied der Königin für mich. Unzählige Male haben sie und die ihren mich auf meinem Weg unterstützt. Ohne den Schutz und die Hilfe aus Yian Mah wäre ich niemals so weit gekommen. Nichts Geringeres schulde ich Königin Merowe, als dass ich ihre Tochter zur Königin erhebe.“

„Ihr wollt Yerion zur Königin erheben?“ fragte Suza mit einem fast mitleidigen Lächeln. „Diese Macht habt ihr nicht. Ihr durftet sie vorschlagen, und das habt Ihr getan. Die letzte Entscheidung trifft die Große Mutter. Sie hat Yerion akzeptiert. Die junge Königin verbrachte mehrere Wochen im Tempel, ehe wir sie nach traditionellem Ritus inthronisiert haben.“

Mauro sah Suza verdutzt an. „Dafür brauchte es mich gar nicht?“

Suza musterte Mauro missbilligend: „Wie viele Männer hier habt Ihr vergessen, dass Frauen nicht von Natur aus zur Bedeutungslosigkeit verdammt sind. Die Königin ist die Stellvertreterin der Großen Mutter auf Erden, die Patronin aller Frauen. Sie zu berufen ist reine Frauensache. Die Riten, denen sie vorsteht, sind beinahe so alt wie die Menschheit. Sie stammen aus der Zeit der Herrschaft der Großen Mutter. In unseren Tempeln hüten wir auch dieses Wissen.“

„Ich höre zum ersten Male, dass Furukiya eine Göttin hat“, verteidigte sich Mauro. „Duldet der eifersüchtige Gott Furuk sie neben sich?“

„Furuk hat niemals gegen die Verehrung der Großen Mutter Einspruch erhoben. Jahrhundertelang haben sie im Tempel einträchtig nebeneinander gehaust. Sie galten gar als vertrautes Paar. Um ein Kind zu zeugen, braucht es Vater und Mutter. Wir Priesterinnen nehmen das Göttliche sowohl in männlicher als auch in weiblicher Erscheinungsform wahr. Es ist dual und doch zu einer Einheit verschmolzen, wie die zwei Hälften eines Kreises.“

„Wie kam es zur Unterdrückung des weiblichen Prinzips?“

„Mit dem Patriarchat setzte sich die Überzeugung durch, dass das männliche Prinzip dem weiblichen überlegen ist. Von dort war es nur ein kleiner Schritt, Furuk zum alleinigen Gott zu erheben. Doch erst König Curon untersagte die Riten zu Ehren der Großen Mutter. Er tat es aus Schmerz über den Tod seiner geliebten Schwester, die seine Königin war. Als müsste er die Große Mutter dafür strafen, dass sie ihm Alia nahm!“

„Ich verstehe. Als Königin Alias Stellvertreterin hättet Ihr König Curon Einhalt gebieten müssen, als er die althergebrachten Riten immer dreister entfremdete. Ihr habt es nicht gewagt…“

Suza sah Mauro prüfend an: „Werdet Ihr die Verehrung der Großen Mutter wieder zulassen?“

„Selbstverständlich“, erwiderte Mauro. „Auch ich habe eine mächtige Schutzgöttin: Morrigan.“

„Morrigan ist nur ein weiterer Name der Großen Mutter. Einer der zahllosen Arme, die sie den Menschen hilfreich entgegenstreckt. Wir werden die Schutzgöttin unseres Königs in unsere Gebete einschließen!“

„Welche Rolle wird Yerion bei der Krönung spielen?“ wollte Mauro wissen.

„Früher war es das Privileg der Königin, den König zu krönen. Das ist längst in Vergessenheit geraten. Yerion wird die Große Mutter beschwören und durch sie dem Volke kundtun, dass der neue König den Göttern wohlgefällig ist. Das ist alles, was von ihrer Macht übrig blieb. Außerdem ist sie Eure Partnerin im Fruchtbarkeitsritual, das Ihr nach eigenem Bekunden in Anschluss an die Krönungszeremonie vollziehen wollt.“

Mauro nickte. Das hatte er in Knyssar versprochen.

Während Hohepriesterin Suza ihm schilderte, was sie sich für das Fruchtbarkeitsritual überlegt hatte, hing Mauro eigenen Gedanken nach. Nun wusste er, warum Furukiyas Königin des Zauberns kundig sein musste: zu ihren Aufgaben gehörten Rituale und magische Beschwörungen. Dafür war Sigrun nicht ausgebildet. Sie wäre ernsthaft in Gefahr gewesen, hätte er darauf bestanden, sie zur Königin zu machen. Wahrscheinlich hätte sie Mandrilar nicht lebend erreicht. Doch wie sollte es weiter gehen? Würde Yerion für den Rest seines Lebens die Frau an seiner Seite sein? Der Gedanke widerstrebte ihm. Die Tochter der Hexenkönigin hatte sich mehrfach dagegen verwahrt, den Alltag mit ihm zu teilen. Doch war da nicht ein Hintertürchen gewesen? Mauro ließ sich das Gespräch mit dem Feuerkönig durch den Kopf gehen. Plötzlich kam es ihm in den Sinn: >Du hast Sie nicht als Deine Gattin erwählt? Wie klug von Dir, rituelle Verpflichtungen von Deinem privaten Lager zu trennen< hatte der Feuerkönig gesagt.

„Yerion ist meine Königin, nicht automatisch meine Gattin?“ fragte er Suza. „Dann könnte ich es halten wie mein Vater, der auch keine Gattin an seiner Seite hatte.“

„Das steht Euch frei“, bestätigte Suza. „Die großen Riten sind in jedem Fall der Königin vorbehalten. Sie und ihre Nachkommen stehen in der Rangordnung ganz oben.“

Mauro erinnerte sich, dass die Elfenkönigin ihn in Sarn als „Herrn zweier Häuser“ willkommen geheißen hatte. Eines davon würde Yerions Haus sein. Wer war die Herrin des zweiten? Würde er eines Tages Sigrun vergessen und eine neue Liebe finden? Oder war ihm, wie seinem Vater Curon, das Schicksal quälender Einsamkeit bestimmt?

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