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Huldigung an die Malerei

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(Franz von Stuck, 1889, Gouache, Deckfarben, Aquarell auf Karton, 62x98cm, Stuck-Verein, München)

»Sie überraschen mich, Herr Behrens.«

»Thevs.«

»Wie bitte?«

»Nennen Sie mich Thevs. Das machen alle.«

Hettie saß neben dem Privatdetektiv im Auto und genoss die Aussicht beim Fahren.

»Gern. Jedenfalls finde ich es toll, was Sie in so kurzer Zeit herausgefunden haben. Besonders, da Sie Ihre Ermittlungen ja nun ausweiten müssen.«

Thevs schaltete den Scheibenwischer ein, weil es anfing zu tröpfeln. »Irgendwie glaube ich, wenn wir herausfinden, wer Alina Roth getötet hat, haben wir gleichzeitig den Dieb Ihres Bildes.«

»Möglich. Es ist schon komisch, dass ausgerechnet eine Kunststudentin einen Tag nach dem Verschwinden eines wertvollen Gemäldes ermordet wird. Denken Sie, dass Alinas Professor uns weiterhelfen wird?«

»Das werden wir gleich sehen.« Er deutete auf einen Wegweiser. »Weit ist es nicht mehr bis List, wo er sein Haus hat. Was machte er für einen Eindruck auf Sie, als Theissen ihn vorgestellt hat?«

Hettie überlegte, wie diplomatisch sie bleiben wollte, entschied sich aber dann für Direktheit. »Ich fand ihn unsympathisch. Er legt Wert darauf, auf den ersten Blick als Künstler erkannt zu werden. Sie wissen schon: zerknautschte Jacke, auffällige Brille, etwas verlebt und immer irgendeinen Schal um den Hals.«

Er schmunzelte. »Bei einem porschefahrenden Zahnarzt würde man auch die Augen verdrehen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass jede Berufsgruppe ihre Klischees pflegt.«

»Und dazu fühlt er sich ziemlich wichtig.«

Im Vorbeifahren bewunderte Hettie die Wanderdüne links neben der Straße. »Die kommt zusehends näher«, bemerkte sie.

»Es gibt Berechnungen, wie lange sie braucht, bis sie den Weg blockiert. Wenn Sie mich fragen, ist so was reine Spekulation, und zudem hängt es vom Strandhafer ab«, erklärte Thevs.

»Was ist das denn?«

Er deutete aus dem Fenster. »Das Grünzeugs, das auf dem Sand wächst. Haben die Leute hier früher überall angepflanzt, als es noch mehr Wanderdünen gab, und es hat sich ausgebreitet.«

»Wieso soll das die Düne aufhalten?«

»Weil der Strandhafer sehr lange Wurzeln hat. Schon einige Meter lang. Die funktionieren wie kleine Anker.«

Mittlerweile hatten sie List erreicht. Im Gegensatz zu Kampen oder Keitum, wo zu dieser Jahreszeit noch nicht viel los war, tummelten sich hier bereits Touristen auf der Straße, hauptsächlich Familien mit Kindern und ältere Leute.

Sie fuhren vorbei an Hafen, Riesenrad und Erlebniszentrum, bis sie am hinteren Ortsende die leerstehenden Gebäude der ehemaligen Marineversorgungsschule erreichten. In deren unmittelbarer Nachbarschaft befand sich Professor Kollenboschs Haus.

»Das hätte ich mir irgendwie hübscher vorgestellt«, gab Hettie zu, als sie vor dem nichtssagenden Einfamilienhaus standen.

»Jo«, stimmte Thevs zu, »könnte auch ‘nem Buchhalter gehören, nicht? Wobei wir wieder bei den Klischees sind. Oder jemand hat einfach keinen Bock auf Schöner Wohnen

Sie passierten ein rostiges Gartentor mit kaputtem Schloss und schritten über einen Waschbetonweg auf die Haustür zu. Links und rechts davon befanden sich Blumenbeete, in denen außer Unkraut nichts wuchs. Hettie drückte auf die Klingel.

Es dauerte eine Weile, aber schließlich wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet und ein sommersprossiges Gesicht lugte hindurch.

»Ja?«

»Matthias Behrens und Henriette Schimmelreiter. Wir möchten Professor Kollenbosch sprechen«, sagte sie.

»Der ist nicht da.«

»Wir hatten einen Termin vereinbart.«

»Keine Ahnung.«

Langsam wurde Hettie ungehalten. Was war das für eine Art und Weise, mit Gästen umzugehen? Sie hatte zwar nicht damit gerechnet, zu Kaffee und Kuchen gebeten zu werden, aber dieses Bürschlein hier verfügte über keinerlei Umgangsformen.

Nun ergriff Thevs das Wort. »Hör mal zu, du Rotznase«, blaffte er, »wenn du glaubst, wir riechen nicht, dass ihr da drin Gras raucht, dann liegst du falsch. Wir können jetzt entweder dafür sorgen, dass hier regelmäßig eine Polizeistreife vorbeikommt, weil Frau Schimmelreiter hier ziemlich eng mit den Bullen ist, oder du sagst uns einfach, wo wir den Kollenbosch finden und wir lassen dich in Ruhe.«

Rotgeäderte Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, dann murmelte der junge Mann: »Der ist drüben in der Marineschule. Hinten im Garten ist ein Loch im Zaun, da können Sie durch. Immer geradeaus, so kommen Sie direkt zu ihm.« Grußlos wurde die Tür geschlossen.

Hettie nickte Thevs anerkennend zu.

»Pädagogisch unglaublich gewitzt.«

»Man muss den richtigen Ton mit den Leuten treffen«, brummte er ein wenig verlegen.

»Das meinte ich damit. Kommen Sie, schauen wir nach, was unser Herr Professor auf einem Grundstück macht, das ihm nicht gehört.

Künstlern, wie es aussah. Jedenfalls war dies Hetties Eindruck, als sie sich einer leerstehenden Lagerhalle näherten, aus der Stimmen drangen.

»Haben Sie sich hier ein Atelier eingerichtet, oder was?«, fragte Thevs anstelle einer Begrüßung.

Mehrere Köpfe fuhren herum, als sie das Tor zur Halle weiter aufschoben und eintraten. Professor Kollenbosch stand vor einer mannshohen, an die Wand gelehnten Leinwand, umringt von drei jungen Leuten. Daneben gab es zahlreiche andere Keilrahmen, Staffeleien, Kanister mit Terpentin, Biertische, auf denen Malpaletten und bergeweise Farbe gestapelt waren, alte Kaffeebecher voller Bleistifte und Zeichenkohle sowie Lappen, Anmischspatel und umgedrehte leere Bierkisten, die als Hocker dienten. Es roch nach Lösungsmitteln und Zigaretten, eine nicht gerade intelligente Kombination, wie Hettie fand.

»Ach du meine Güte, ist es schon so spät?« Kollenbosch sah auf sein Handgelenk, merkte dann aber, dass er keine Uhr trug. »Tut mir leid, ich habe wohl die Zeit vergessen. Lassen Sie uns hinüber ins Haus gehen.«

»Wieso denn? Ich finde es hier viel interessanter. Das ist übrigens Herr Behrens, von dem ich Ihnen erzählt hatte. Er ist ein ebenso großer Kunstfreund wie ich.«

Kollenbosch wies auf die jungen Leute, zwei Frauen und einen Mann. »Und das sind Studenten von mir. Ich habe hier auf Sylt, fernab von Universitätszwängen, eine Atelierrunde ins Leben gerufen, zu der ich meine besten Schüler einlade, um ihr Talent gesondert fördern zu können.«

Klang ziemlich hochgegriffen, fand Hettie, besonders wenn man an den sommersprossigen Kiffer von eben dachte. So viel konnte der wohl kaum auf dem Kasten haben, seinem dümmlichen, vernebelten Blick nach zu urteilen.

»Warum machen Sie das hier in dieser Halle?«, fragte Thevs berechtigterweise.

Mit ausgebreiteten Armen deutete Kollenbosch um sich. »Wegen der Weite und der Freiheit. Die leerstehenden Gebäude sind viel inspirierender als das spießige Haus, das ich von meinen Eltern geerbt habe. Hier kann sich jeder verwirklichen, umsetzen, was immer er will, egal, wie groß das Werk wird.«

»Und was sagen die Behörden dazu?«

Kollenbosch zuckte nonchalant mit den Schultern. »Natürlich wissen die nicht, dass wir hier sind. Der Reiz des Verbotenen ist ein zusätzlicher kreativer Kick für uns. Und falls nötig, können wir die Halle in ein paar Minuten räumen. Wir schaden doch niemandem und bis sich die zuständigen Instanzen darauf einigen, was mit dem Gelände passieren soll, nutzen wir eben einen kleinen Teil davon.« Er sah zwischen Thevs und Hettie hin und her. »Seien Sie mal nicht so spießig. Was wollen Sie überhaupt von mir?«

Nun setzte Hettie ein charmantes Lächeln auf. »Wir hätten ein paar Fragen zu Alina Roth.«

»Was geht Sie das an?« Die patzige Stimme gehörte dem großen jungen Mann mit dunklen Haaren und gesund aussehendem Teint. Er trug ein Basecap umgedreht auf dem Kopf, sodass der Schirm nach hinten zeigte, ein T-Shirt und alte Jeans mit Farbklecksen darauf. Eine seiner Kommilitoninnen, die hübschere der beiden, legte ihm beruhigend eine Hand auf den Arm, die er aber unwirsch abschüttelte.

Statt ihm zu antworten, sah Hettie Professor Kollenbosch direkt an. »Wir vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen dem Mord an Frau Roth und dem Diebstahl meines Gemäldes besteht. Herr Behrens hier, seines Zeichens Privatdetektiv, und zwar ein guter, fand heraus, dass Alina Roth in Hamburg nicht gerade in den besten Kreisen verkehrte. Dazu kommt, dass sie der auf meinem Bild dargestellten Eva extrem ähnlich sieht.«

Kollenbosch schluckte. »Was wollen Sie wissen? So gut kannte ich Alina nämlich nicht.«

»Ach was?«, fiel der junge Mann wieder ein. »Aber gut genug, um sie in Ihrem Haus wohnen zu lassen und unter Ihre Fittiche zu nehmen.«

»Torben, bitte.«

Nun hakte Thevs ein. »Dann sind Sie wohl Torben Niklas, im selben Semester mit Alina, und der freundliche Geselle im Haus war Steffen Wüst.«

Nomen est omen, dachte Hettie und bemühte sich, es nicht laut auszusprechen.

»Sie sind aber gut informiert«, bemerkte die Armtätschlerin.

»Klar. Ich weiß auch, dass sie Kirsten Wennehoff heißen und über fünf Jahre älter sind als ihre Kollegen, weil sie erst drei andere Studiengänge ausprobiert haben, bis sie zur Kunst fanden.«

Das überraschte Hettie. Auf Ende zwanzig hätte sie Kirsten nicht geschätzt. Mit ihrem raspelkurzen schwarzen Haar, den dominanten Augenbrauen und dem extrem breiten Mund wirkte sie jung und burschikos.

»Und Sie«, Thevs fasste die Letzte im Bunde ins Auge, »sind Jana Bichler, kommen eigentlich aus Süddeutschland und hatten für die ersten paar Semester ein Stipendium.«

Die kleine Frau mit den mausbraunen langen Haaren würde später wohl mit Gewichtsproblemen zu kämpfen haben, konstatierte Hettie. Noch war sie das, was man wohlgerundet nannte: frauliche Hüften, üppiger Busen, rote Pausbacken. Sie könnte sicher mehr aus sich machen, dachte Hettie, dann würde sie selbstbewusster wirken. So aber stand sie mit gesenktem Blick neben den anderen, beinahe ein wenig mitleiderregend.

Kollenbosch klatschte gelangweilt dreimal in die Hände. »Bravo, Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht. Wie beeindruckend. Und jetzt? Was wollen Sie?«

»Ich würde gerne wissen, ob Alina Roth einen Freund hatte.«

»Nein«, sagte Kollenbosch etwas zu schnell.

»Stand einer von den jungen Herren vielleicht auf sie – oder Sie selbst?«

»Ich muss doch sehr bitten. Uns geht es hier nicht um zwischenmenschliches Gedöns, sondern um die Kunst.«

»Mit wem verbrachte sie ihre Zeit hier auf der Insel?«

»Na, mit uns. Sie jobbte zwar nebenher im Pemba, um sich etwas dazuzuverdienen, aber ansonsten war sie hier und arbeitete. Deswegen sind wir schließlich in Klausur, sozusagen. Ich betreibe kein Feriencamp für einsame Studenten.« Kollenbosch ging ans andere Ende der Lagerhalle und deutete auf eine Spanplatte, die so groß wie ein Türblatt war und an der Wand lehnte. Darauf waren Bleistiftskizzen von Körperteilen zu sehen, dutzende davon.

»Eigentlich beschäftigen wir uns derzeit mit abstrakten Thematiken, aber Alina mochte das nicht. Sie wollte lieber die Natur imitieren.«

»Das gelang ihr sehr gut«, warf Hettie ein. Sie war beeindruckt, wie detailgenau Alina Roth Füße, Hände und Körperhaltungen gezeichnet hatte. Ihre Studien waren gelungen.

»Hat irgendjemand von Ihnen eine Idee, wer sie umgebracht haben könnte?«, fragte Thevs ins Blaue, was betretenes Schweigen samt Füßescharren zur Folge hatte.

»Nein«, sagte Kollenbosch. »Sie war ein nettes Mädchen, wir alle mochten sie. Und obwohl sie in diesem Strandlokal arbeitete, war sie ein eher zurückgezogener Mensch und kannte hier kaum jemanden.«

»Vielleicht ist ihr irgendein zudringlicher Typ in den Keller gefolgt und hat sie angemacht und umgebracht«, stieß Torben hervor.

»Wo waren Sie eigentlich gestern Nacht?«

Kirsten Wennehoff langte nach einem Päckchen Tabak, das auf dem Biertisch lag, und drehte sich eine Zigarette. »Das werden wir Ihnen nicht auf die Nase binden. Der Polizei erzähle ich es gerne, Ihnen muss ich nichts erklären.« Sie zündete die Zigarette mit einem Feuerzeug an, warf es auf den Tisch zurück und ging hinaus.

Hettie und Thevs versuchten, mehr Informationen aus den Künstlern herauszukitzeln, aber die blockten ab. Es war, als würde die Gruppe ihre Ränge schließen, keiner wollte etwas preisgeben. Vielleicht wäre ein Einzelgespräch mit dem Professor doch die bessere Taktik gewesen. Nach wenigen Minuten verabschiedeten sich Thevs und Hettie. Auf halbem Weg zwischen der Halle und dem Gartenzaun zum Grundstück von Kollenbosch trafen sie Kirsten.

»Wenn Sie wissen wollen, wie Alina wirklich drauf war, fragen Sie nicht den Professor oder Torben.«

Überrascht hob Hettie die Augenbrauen. »Sondern?«

»Am besten ihren Sugardaddy.«

»Und wer wäre das?«

»Kirsten«, rief Kollenbosch vom Eingang der Halle herüber. »Kommst du dann? Wir müssen weitermachen, bevor es dunkel wird.«

Sie warf den Zigarettenstummel achtlos auf den Boden und verschränkte die Arme vor der Brust. »Sein Name ist Carsten Janssen und er ist ein richtig alter Sack.« Damit marschierte sie zurück zu den anderen.

Thevs und Hettie sahen zu, dass sie ihr Auto erreichten, es nieselte unangenehm.

»Ich habe Hunger«, sagte Hettie, als sie losfuhren.

»Krabbenbrötchen?«

»Unbedingt.«

Ein paar Minuten später war es deutlich mehr als nur ein Nieseln und Thevs bog auf den Großparkplatz am Erlebniszentrum ein. Sie rannten durch den Regen in die zu einem Einkaufszentrum umfunktionierte Alte Bootshalle am Hafen.

Zufrieden ließen sie sich bei Gosch mit zwei Krabbenbrötchen und zwei Bier an einem Tisch nieder. Draußen wehte eine steife Brise und die Regentropfen liefen an den Fensterscheiben hinunter. Im Lokal war viel los, an verschiedenen Zubereitungsstationen konnte man sich kaufen, was das hungrige Herz begehrte, vornehmlich natürlich Fisch und alles, was aus dem Wasser kam. Aus Lautsprechern dröhnte Musik, die an Ballermann und südliche Gefilde erinnerte, manche der Gäste wippten dazu im Takt. Nicht gerade Hetties Geschmack, aber in diesem Moment war ihr das egal, denn ihr Magen knurrte. Herzhaft biss sie in ihr Brötchen und verdrehte beim Kauen schwärmerisch die Augen.

Thevs lachte.

»Was ist los?«, fragte sie.

»Ich hätte nicht gedacht, dass Sie einfache Freuden so genießen würden.«

»Wieso nicht? Glauben Sie, ich schlürfe den lieben Tag lang Austern und Champagner?«

»Das nicht gerade, aber ich habe selten jemanden derartig verzückt einem Krabbenbrötchen huldigen sehen.«

»Wissen Sie, bei uns in Bayern gibt es das nicht. Wir essen Leberkässemmeln und Butterbrezen, wenn es mal schnell gehen muss. Vielleicht würde das wiederum Sie in Ekstase versetzen, wer weiß.«

»Möglich, aber zweifelhaft. Ich bin ein Nordlicht. Südlicher als bis NRW habe ich es in Deutschland noch nie geschafft.«

»Oje, das sollten Sie schleunigst mal nachholen. Gerade Oberbayern, wo ich herkomme, ist immer eine Reise wert. Apropos – hatten Sie nicht auch das Gefühl, dass die junge Dame aus Süddeutschland irgendwie deplatziert zwischen ihren nordischen Kollegen wirkte?«

»Jana Bichler?« Thevs wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, nachdem er sein Bierglas in einem Zug halb geleert hatte. »Ich vermute, die ist immer so. Gehemmt, unzufrieden, ich kenne diesen Typ. Hätte beinahe mal so eine geheiratet. Was halten Sie von Kirsten Wennehoff?«

»Ich glaube, die steht gern im Mittelpunkt und mochte die hübsche Alina nicht. Vielleicht war sie eifersüchtig. Weil Alina talentierter war. Oder besser bei Männern ankam. Torben Niklas wirkte am Boden zerstört, ich denke, der hatte eine Schwäche für das Mordopfer.«

»Könnte sein. Jedenfalls werde ich gleich mal rausfinden, wer dieser Carsten Janssen ist. Möglicherweise bringt uns das weiter.«

Nach der Pause rannte Hettie hinter Thevs her zum Auto zurück. Nachdem sie sich angeschnallt hatte und die Sonnenblende herunterklappte, um im Spiegel ihre nasse Frisur zu begutachten, stutzte sie.

»Das ist doch Roger Theissen.«

»Wie bitte? Wo?« Thevs spähte durch die Windschutzscheibe in den Regen.

»Nicht vorne, hinten. Sie müssen in den Rückspiegel sehen. Im Wagen schräg hinter uns. Er hat uns sicher nicht bemerkt, so eingehend, wie er mit der jungen Dame diskutiert.«

»Tatsächlich, der Oberkunstfreund von Sylt.«

Theissen saß in einem dunklen Mercedes, auf der Nase eine Lesebrille und neben ihm eine Frau Anfang zwanzig mit blondem Haar und zu einem hervorstehenden Schmollmund aufgespritzten Lippen. Er hielt einen Zettel in der Hand, von dem er anscheinend ablas, die Dame nickte dazu, dann schüttelte sie den Kopf. Nach einigem Vorlesen und Debattieren, das Hettie und Thevs durch die Heckscheibe beobachteten, zückte Theissen sein Portemonnaie und gab der Frau ein paar Geldscheine sowie den Notizzettel. Sie stieg aus, huschte zu einem anderen Wagen, einem alten Opel, und beide fuhren in entgegengesetzten Richtungen von dannen.

»Ts, ts, ts«, machte Thevs, »wenn das die gute Maike daheim wüsste, würde sie ihrem Roger bestimmt die Ohren langziehen.«

»Wieso? Das Ganze könnte völlig harmlos gewesen sein. Vielleicht erklärte Herr Theissen lediglich seiner Haushaltshilfe den Einkaufszettel«, mutmaßte Hettie betont unschuldig.

Thevs lachte laut auf. »Wenn die dem Theissen hilft, dann sicher nicht im Haushalt. Haben sie die knallenge Lederhose gesehen? Die himmelhohen Stöckelschuhe? So was trägt man nicht beim Großreinemachen.«

»Konnten Sie ihr Nummernschild erkennen?«

Mit einem triumphierenden Nicken hielt er sein Handy hoch. »Autokennzeichen und Konterfei. Bis Feierabend bin ich dann mal beschäftigt.«

In dem Moment, als sie vom Parkplatz auf die Straße bogen, sahen sie Kommissar Bruns und Schmitz in Richtung ehemalige Marineversorgungsschule vorbeifahren.

»Da würde ich gerne Mäuschen spielen«, bemerkte Hettie seufzend. »Die kriegen sicher mehr aus unserer Künstler-WG raus als wir.«

»Vielleicht, vielleicht aber auch nicht. Kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand von denen mehr sagt, als er unbedingt sagen muss.«

»Wenn nur die Zeit nicht so drängen würde. Ich habe das Gefühl, mich stündlich weiter von meiner Sünde zu entfernen. Es ist mir zwar unangenehm, doch ich denke, ich werde den lieben Cousin Dezi bitten, uns Zugang zu Informationen zu verschaffen, die die Polizei uns vorenthält, damit es schneller vorwärtsgeht.«

Sylter Sündenfall / Sylter Drachenstich

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