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2. Jette

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Nachdem sie das Kosmetikinstitut verlassen hatte, fuhr Jette in den Reitstall. Als sie ihren Wagen auf dem Schotterparkplatz davor abstellte, klingelte das Handy. Ein Blick auf die Nummer des Anrufers ließ sie die Stirn runzeln.

»Renato, guten Morgen, was kann ich für dich tun?«, zwitscherte sie dennoch mit fröhlicher Stimme, weil sie wusste, Renato Winkler damit nerven zu können. Er war ihr stärkster Konkurrent in der Sylter Beautybranche, doch Jette hatte es geschafft, dass er seine Salons in Kampen und List hatte schließen müssen und nur noch in Westerland zugange war, wo weit weniger schicke Kundschaft weilte. Mit offensiver Werbung, Socializing und gezielten Angeboten hatte sie ihm den Rang abgelaufen.

»Deine aufgesetzte Freundlichkeit kannst du dir sparen. Es hört niemand zu, den du täuschen könntest.«

Jette grinste, erwiderte aber nichts darauf, sondern ließ ihn fortfahren.

»Ich habe gehört, du bringst eine Anti-Aging-Serie unter dem Namen Doktor Thienemeyers Sylter Naturkosmetik auf den Markt?«

»Das ist korrekt.«

»Und du hast sämtliche Wellness-Abteilungen der guten Hotels abgeklappert und die Betreiber überredet, meine Cremes aus dem Sortiment zu nehmen und stattdessen deine anzubieten!«

Renatos letzte Domäne, die Jette ihm selbstredend nicht weiterhin überlassen würde.

»Ich habe lediglich mein Produkt vorgestellt, das nicht nur ein Bio-Siegel hat, sondern auch hier auf der Insel hergestellt wird. Verständlich, dass das für die Hotels interessanter ist als irgendeine No-Name-Pampe mit minderwertigen Inhaltsstoffen, die in einem Entwicklungsland angerührt wird.«

»Ich verbitte mir derartige Unterstellungen! Du weißt genau, dass das nicht stimmt. Lügen und Tricks, so bist du lange genug durchgekommen, Jette, aber ich werde dir Einhalt gebieten.«

»Drohst du mir etwa?«

»Das kannst du sehen, wie du willst!« Damit legte er auf.

Jette stieg mit einem Lächeln auf den ästhetisch aufgespritzten Lippen aus dem Wagen. Renato Winklers Tage auf Sylt waren gezählt. Sobald der Kosmetikverkauf in den Hotels wegbrach, würde er Personal reduzieren müssen, somit wahrscheinlich auch Öffnungszeiten und bevor er sich versah, würde er nur noch ein Ein-Mann-Unternehmen in einem winzigen Salon sein. Gedemütigt würde er sodann die Segel streichen und voilà, Ziel erreicht.

Der Reitstall, in dem Jettes Wallach stand, befand sich in der Inselmitte, in den Marschwiesen bei Tinnum. Umgeben von Feldern, mit Strand und Watt in der Nähe, war es ein sehr idyllisches, friedvolles Plätzchen. Manchmal. Der Stall gehörte dem Amazonencorps 2006, einem Damen-Ringreiterverein, und Jette war Mitglied seit seiner Gründung. Auch wenn die anderen Zicken permanent versuchten, sie hinauszumobben. Besonders Elke Lüders, die alte Kampflesbe, aber da musste sie schon früher aufstehen.

Gerade trat sie aus dem Stall, in Gummistiefeln und dreckiger Hose. Konnte Jette nicht ein einziges Mal ihre Ruhe vor ihr haben?

»Hey Jette, du bist spät dran.«

Genervt schlug sie die Autotür zu und marschierte Elke entgegen. »Guten Morgen, erst mal. Wieso spät dran?«

»Na, eigentlich hattest du heute Stalldienst.«

»Wie oft habe ich euch schon gesagt, dass ich für eine derartige Zeitverschwendung nicht zur Verfügung stehe? Mindestens genauso oft, wie ich euch angeboten habe, mich an den Kosten für einen Stallburschen zu beteiligen. Nur weil ihr alles selber machen wollt, könnt ihr nicht von mir als Geschäftsfrau erwarten, dass ich meine Tagespläne über den Haufen werfe, um die Stallgasse zu fegen, wie jede Durchschnittshausfrau, die sonst nichts zu tun hat.«

»Immer dieselbe Leier«, Elke machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ist schon gut. Du kannst dich bei Maren bedanken, die hat deine Arbeit mal wieder erledigt.« Damit ließ sie Jette stehen und ging ins Clubhaus, wahrscheinlich brauchte sie eine Tasse Kaffee. Elke war koffeinsüchtig. Und eigentlich nicht lesbisch, sondern verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Aber wer trug bitte mit über vierzig einen platinblonden Kurzhaarschnitt mit ausrasierter Schläfe auf einer Seite? Freiwillig und ohne den Frisör zu verklagen? Wo Undercuts außerdem total last season waren.

Im Stall wurde Jette von Mäkeleien ihrer Clubkolleginnen begrüßt, die meisten drehten sich um den ignorierten Stalldienst und hätten ihr nicht gleichgültiger sein können.

Sie versorgte seelenruhig Fabrizio, ihr Pferd. Zeit, um ihn zu bewegen, hatte Jette heute nicht. Als sie fertig war, räumte sie die Putzsachen wieder weg.

»Am Sonntag können wir aber schon auf dich zählen, oder?«, fragte Maren Krüger, eine weitere Amazone. Sie hatte den Kopf durch die Tür der Putzkammer hereingesteckt und sah Jette aus dunklen Knopfaugen an. Jemand mit derart gewaltigen Schenkeln wie Maren sie hatte, sollte ein Pferd nicht mit seinem Gewicht belasten, war Jettes ehrliche Meinung.

»Selbstverständlich. Ich weiß doch, dass ihr mich braucht, wenn wir gewinnen wollen.« Ohne mich wird das sowieso nichts, fügte sie im Geiste hinzu. Sie wusste, dass sie die beste Ringreiterin im Club war und würde das beim Turnier am Wochenende in Morsum ein weiteres Mal unter Beweis stellen.

Grußlos und natürlich ohne sich für den geleisteten Stalldienst zu bedanken – schließlich hatte sie nicht darum gebeten –, schob sich Jette an Maren vorbei und verließ den Stall. Sie hatte sich gerade im Wagen angeschnallt, als das Handy erneut klingelte.

Es war Anders Dornsten, ihr Lieferant für Bio-Zutaten für die Doktor-Thienemeyer-Creme. Dann hatte Inken ihn wohl erreicht, bevor sie zum Frisör gegangen war.

»Ja?«, meldete sie sich knapp.

»Jette, wir müssen reden.« Anders hatte eine angenehme Stimme, die man durchaus als sexy bezeichnen konnte. Nun klang er freilich verärgert. Aber deswegen nicht weniger sexy.

»Ich wüsste nicht worüber. Hat meine Assistentin dich nicht informiert?«

»Sie hat mir mitgeteilt, dass du den vereinbarten Preis nicht bezahlen willst. So geht das nicht, Jette. Weißt du eigentlich, wie aufwändig es ist, Kräuterauszüge zu destillieren? Und ich habe extra in eine Ölpresse investiert, um die Qualität der Öle für deine Cremes zu garantieren. Wir hatten doch alles abgesprochen. Falls du es vergessen hast, es gibt auch einen Vertrag.«

Jette lächelte dünn. »Ja. Wir wissen beide, was der vor einem Gericht wert wäre. Aber wenn du die Sache bei einem intimen Abendessen diskutieren möchtest, würde ich mich unter Umständen entgegenkommender zeigen.«

»Ich bin mir sicher, dein Mann hätte was dagegen.«

»Das hat dich früher auch nicht interessiert.«

»Da war mir noch nicht klar, was für ein intrigantes Stück du bist.«

»Wie du das sagt, da könnte ich fast Angst bekommen.« Sie lachte leise und versuchte einen verführerisch tiefen Ton dabei anzuschlagen.

»Das solltest du. Ich lasse mich nicht über den Tisch ziehen. Und bevor ich noch einmal deinen ausgemergelten Körper anfasse, hacke ich mir lieber die Hände ab.«

Anders war der zweite Mann an diesem Tag, der Jette einfach abwürgte. Erstaunlicherweise fühlte sie sich nun nicht mehr überlegen, sondern gedemütigt und wütend. Beherrscht analysierte sie ihre Empfindungen, ließ sie vorüberziehen und rief sich in Erinnerung, dass sie besser war als alle anderen und daher erfolgreicher, schöner und begehrter. Neid musste man sich verdienen und Jette arbeitete täglich daran.

Sie startete den Motor und fuhr nach Hause. Wo ihr Mann auf sie wartete.

»Achim«, meinte sie wenig begeistert, als er ihr die Tür öffnete und sie küssen wollte. Genervt drehte sie ihren Kopf zur Seite, so dass seine Lippen nur ihre Wange streiften. »Was machst du hier? Warum bist du nicht in der Arbeit?«

»Aber Liebling, heute ist unser Kennenlerntag, hast du das vergessen? Ich wollte dich überraschen.« Er wies auf den üppigen Rosenstrauß auf dem Tisch. Daneben stand ein Sektkühler mit einer Flasche Champagner darin.

»Ach ja, stimmt.« Sie drückte ihm ihrerseits einen flüchtigen Kuss auf die Wange. »Lass uns das später machen, ja? Du weißt, ich trinke tagsüber keinen Alkohol und außerdem habe ich noch einiges zu erledigen. Ich ziehe mich nur rasch um und fahre dann wieder ins Institut.«

Sylter Drachenstich

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