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5.

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»Es tut mir sehr leid, Juri, aber was soll ich sagen? Eigentlich hatte ich nicht damit gerechnet, dass du dich persönlich melden würdest. Gibt es denn ein Problem mit meiner Kündigung? Ich habe doch das Formular richtig ausgefüllt und an die Inner-Circle-Geschäftsstelle geschickt. Damit war die Sache für mich erledigt.« Sarah King spielte nervös mit einem Kugelschreiber, während sie mit Juri Ashkani telefonierte. Sie saß an ihrem Schreibtisch und hatte gerade ein paar Minuten Zeit zwischen zwei Meetings. Juris Anruf warf sie völlig aus der Bahn.

»Natürlich ist das ein Standardvorgang«, antwortete er ausweichend. »Trotzdem würde ich gern die Gründe für deinen Austritt aus dem Inner Circle erfahren. Hattest du ein unangenehmes Erlebnis? Wenn es sich um die jungen Damen handelt …«

»Nein, nein, darum geht es nicht.«

»Warum verlässt du uns dann?«

Sarah King war eine aufstrebende Finanzmanagerin aus New York. Sie arbeitete für ein amerikanisches Bankhaus in London. Junge erfolgreiche Manager wie sie waren Zielgruppe Nummer eins für den Inner Circle. Es stieß Juri Ashkani sicher übel auf, sie gehen zu sehen.

»Muss ich es denn wirklich aussprechen? Ja, ich wechsle zu NIC. Ich hoffe, du bist deswegen nicht böse.«

Eine Floskel – sie konnte sich vorstellen, wie verärgert er sein musste. Jeder wollte es in den Next Inner Circle schaffen. In ihrem Bekanntenkreis gab es kein anderes Thema mehr. Wahrscheinlich stand Juri Ashkani einer Flut von Kündigungen gegenüber und musste sich mit dem Gedanken anfreunden, nur noch zweite Wahl zu sein. Wobei – war er das nicht von vorn herein gewesen? Der Inner Circle hatte von Jamie Harkdales Charisma gelebt, von der Anziehungskraft seiner Person. Die Mitglieder wollten das Gefühl haben, zu seinen Freunden zu gehören. Zumindest ging das Sarah und ihrer Clique so. Sobald bekannt geworden war, dass Jamie sein Unternehmen verkauft hatte, war die bessere Gesellschaft in Panik verfallen. Natürlich gab es in London eine Vielzahl exklusiver Clubs, mit Wartelisten so dick wie ein Telefonbuch – aber nichts war mit dem Inner Circle vergleichbar. Trat man aus und woanders ein, verschlechterte man sich zwangsläufig – zumindest in den Augen derer, die wichtig waren. Aus diesem Grund blieben alle zähneknirschend dabei, obwohl sie sich eigentlich nicht unter dem virtuellen Dach eines neureichen Mannes treffen wollten, der sein Vermögen auf undurchsichtige Art und Weise gemacht hatte und nicht einmal über einen halbwegs vorzeigbaren Stammbaum verfügte. Das war einfach nicht chic. Fünf lange Jahre hatten die Leute Jamie Harkdale nachgetrauert, nie verstanden, weshalb er mit seiner Frau – über deren Stammbaum im Übrigen ebenso wenig bekannt war wie über Ashkanis – um die Welt reisen wollte, wo er doch in London alles hatte. Aber nun konnten sie sich gottlob darum bemühen, erneut in seinen Dunstkreis zu gelangen. Und Jamies Next Inner Circle bot neben den privaten sogar noch geschäftliche Vorteile. Alles war wieder gut.

»Natürlich nicht. Mach dir keine Gedanken. Sogar mir hatte man eine Mitgliedschaft angeboten«, sagte Juri knapp und beendete das Gespräch.

Nachdem Sarah aufgelegt hatte, rief sie Jamie Harkdale an und verabredete sich mit ihm für den späten Nachmittag. Sie trafen sich in einem kleinen Café in der Nähe ihres Büros. Er schien nicht sonderlich beunruhigt wegen Juri Ashkani zu sein. Doch Sarah fand es wichtig, ihm von ihrem Telefonat zu berichten. Er sollte wissen, dass sie loyal zu ihm stand. »Nach meiner Einschätzung ist mit wütenden Oligarchen nicht zu spaßen. Grundsätzlich niemals!«, teilte sie Jamie mit. »Und dass Juri aufgebracht ist, liegt auf der Hand.«

»Daran kann ich nichts ändern. Aber ich bin überzeugt davon, dass ein professioneller Geschäftsmann wie er damit umgehen kann. Wer weiß, vielleicht entschließt er sich über kurz oder lang dazu, seine Mitgliedschaft doch anzutreten, denn auch für ihn könnten sich wirtschaftliche Vorteile daraus ergeben. Jedenfalls danke ich dir, dass du mir von eurem Telefonat berichtet hast.«

Sie bereute ihren Entschluss nicht, den Inner Circle verlassen zu haben und NIC beigetreten zu sein. Weil es ihr nicht so sehr auf soziale als auf geschäftliche Kontakte ankam. Sarah King wollte Karriere machen, nicht dem Müßiggang frönen. Und ein von Jamie Harkdale geführtes Unternehmen galt als weitaus prestigeträchtiger als eines, das Juri Ashkani besaß. Sarah kannte Jamie nur oberflächlich, hatte sich aber über die Familie Harkdale informiert, um deren Position in der Londoner Gesellschaft beurteilen zu können. Trotzdem fühlte es sich an, als ob sie zu seinem Freundeskreis gehörte, besonders nach dem heutigen Treffen. Die Mitgliedschaft im Inner Circle hatte ihr in der Vergangenheit unter Jamie mehr als nur einen lukrativen Geschäftskontakt beschert. Als sie von seinem neuen Projekt gehört hatte, war Sarah begeistert gewesen und hatte gehofft, man würde sie in diesen Kreis aufnehmen. Schon immer hatte sie sich auf ihre feine Nase für gute Geschäfte verlassen. Jetzt sagte ihr diese, dass die Zukunft NIC hieß. Und dass Juri Ashkani auf dem alten Inner Circle sitzen bleiben würde wie auf einem Korb fauler Äpfel.

»Ich bewundere deine Ruhe«, sagte sie zu Jamie. »An deiner Stelle würde ich wahrscheinlich mehr als nervös werden bei dem Gedanken, mich mit Juri Ashkani anzulegen.«

»Du irrst dich. Juri ist ein intelligenter Mann, aber er besitzt kein Monopol auf Internetclubs, und NIC ist nicht das einzige Online-Unternehmen, das Mitglieder aufnimmt. Sobald der Anfangshype durch ist, wird sich alles beruhigen.«

Sarah beugte sich vor und griff über ihre Kaffeetasse hinweg nach Jamies Hand. »Toll, wie entspannt du das siehst. Ich freue mich sehr, nun auch zu NIC zu gehören. Vielen Dank, dass du meinen Antrag so rasch bearbeitet hast.«

Mit einem irritierten Gesichtsausdruck zog Jamie seine Hand weg und rutschte ein wenig zurück, als wollte er Abstand zwischen sie bringen. »Das haben meine Mitarbeiter getan. Ich werde deinen Dank an sie weitergeben.«

»Das wäre nett.« Sarah schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Sollte sich Ashkani noch mal bei mir melden, sage ich dir Bescheid. Und falls du mal wieder in der City bist, würde ich mich sehr freuen, dich wiederzusehen. Im richtigen Leben plaudert es sich doch viel angenehmer als im virtuellen, findest du nicht?«

Später, als sie das Gespräch geistig Revue passieren ließ, musste sich Sarah eingestehen, dass ihr Treffen mit Jamie Harkdale nicht so verlaufen war, wie sie gehofft hatte. Weder schien er beunruhigt wegen Juri zu sein noch sonderlich angetan von ihr. Natürlich wusste sie, dass er liiert war – was aber in Sarahs Welt einen Flirt nicht ausschloss. Normalerweise kam sie beim anderen Geschlecht gut an. Es waren gerade die Verheirateten, die einem Abenteuer gegenüber nur selten abgeneigt waren. Und Sarah hatte kein Problem damit, Affären mit vergebenen Männern zu beginnen. Sie stand auf Macht und Einfluss, und nichts erregte sie mehr als der heimliche Wettstreit mit einer Ehefrau, aus dem sie als Siegerin hervorging. Anscheinend war Jamie jedoch immun gegen ihren Charme. Was ihn in Sarahs Augen noch interessanter machte.

Inner Circle - Wie Eis und Asche

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