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2. Gott ist ein Lichtweber

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Am nächsten Morgen kommt er zu ihr in die Zelle. Das Mädchen blinzelt, kratzt sich am Kopf und blickt ihn aus schaumigen Augen an.

»Wer bist du?«, fragt sie.

Er lächelt.

»Vielleicht ein Engel?«

Johanna stößt ein Schnauben aus.

»Eingeschleust hast du dich«, poltert sie und fixiert ihn mit kritischer Miene.

Er muss lachen, er hat nichts anderes erwartet. Klug scheint diese kleine, rotzige Magd zu sein, oder? Dennoch, Loyseleur muss das Spiel beginnen. Er hat es dem Bischof versprochen.

»Was macht dich so sicher?«, flüstert er und nähert sich der Magd mit einem Stück Brot.

Sie hat die Augen eines hungrigen Tieres, ihr Leib erbebt kurz, doch sie scheint sich nicht für die Nahrung zu interessieren. Johanna spuckt aus. Er sieht in ihren Augen das Temperament eines Kriegers aufflackern, wenn auch nur kurz. Das ist kein Bauernmädchen, denkt er. Das ist keine gewöhnliche Frau.

»Die Engländer müssen mich freilassen. Gegen Lösegeld!«, sagt Johanna indes und presst trotzig ihre Lippen aneinander. Er lacht.

»Bist du einfältig!«

Johanna winkt ab.

»Es gibt Wunder«, wispert sie leise.

Er beißt in das Brot und sieht sie an.

»Und sonst, wie geht es dir hier?«

»Ich rede mit Gott, das reicht mir!«, antwortet Johanna.

So schnell gibt er nicht auf. Pferde hat er gezähmt. Er weiß, was es heißt, einen Willen zu brechen.

»Und wenn ich von ihm käme?«, meint er lächelnd, während der an dem Stück Brot kaut.

Er kann sehen, wie Johanna im Munde der Speichel zusammenläuft vor Hunger. Darauf hat er es angelegt. Er reicht ihr ein Stück, doch die Jungfrau zuckt nur zusammen, rückt ab. Ein Moment der Stille.

»Keine Angst«, wispert Loyseleur bemüht sanft, spricht wie zu einem Tier, einer Wildkatze, die es zu beschwichtigen gilt. Johanna mustert ihn kritisch.

»Die Wachen, sie kommen zu nahe, ich weiß es«, meint er da.

Johanna nickt widerspenstig und nun ist sein Moment gekommen. Er beugt sich ein Stück weit nach vorn.

»Ich aber – ich werde es nicht tun, versprochen!«, wispert er und kann mit einem Mal ihr Haar riechen, das ihr fettig und braun ins runde Gesicht hängt.

»Du hasst es, wenn man dich anfasst, hab ich recht?«

»Rein bin ich!«, braust Johanna auf und entfernt sich noch ein Stück weit von ihm, der immer noch kaut.

»Ich aber«, sagt er, »kann dir helfen. Ich werde mit dem Bischof reden, damit man dich nicht zwingt, Frauenkleider anzuziehen.«

Johanna faucht.

»Du bist mir ein schöner Engel!«, meint sie und spuckt noch einmal aus.

»Ich zieh sie ohnehin nicht an. Und ich brauch keine Engel. Die Engländer helfen mir bestimmt. Bald bin ich wieder frei!«

Dann beißt sie sich auf die Lippen und zieht sie zusammen zu einem Strich. Vielleicht, um nicht der Versuchung zu erliegen, doch nach dem Brot zu greifen. Loyseleur lässt die Rinde für sie liegen, als er aufsteht. Das würde nicht einfach werden. Aber was hatte er erwartet?

Eine haardünne weiße Linie liegt am Ende des Sees. Die beginnende Finsternis ist noch rötlich. Das macht die Sonne, weiß Johanna. Sie flieht über jede Grenze in tänzerischer Leichtigkeit und steht am Ende des Horizonts. Über die Oberfläche des Sees legt sich der Wind in tanzenden Wellen. Er ist ein rhythmisches Sich-Wiegen, Kommen und Schwinden, die Welt klingt, klinkt sich in das Atmende des Windes ein. Die Pflanzen haben Blumengesichter und abends brennt der Mohn. Die Blumen senken sich, die Sternenmuster verschwinden zu winzigen Strichen, wenn man den Blick zusammenkneift. Johanna liebt das flimmernde Weiß und dennoch wird ihr in einer Art Schmerz ihr Körper bewusst, wenn sie nach oben sieht – eine Last, die sie lieber loswerden würde. Ein Fast-Nicht-Knistern liegt in der Landschaft als letzter Tagesrest. Alles andere ist gut zwischen den Tannenzweigen. Und auch Johanna ist gut, als Kind. Weil sie nicht weiß, was es heißt, böse zu sein, sieht Johanna es auch in den anderen nicht.

In der Kindheit ist trotz des Todes und der Schwere des Körpers am Abend alles bei sich und heil. Und manchmal streut die Großmutter Maiskörner für die Hühner aus und das ist auch gut. In der Sonne steht sie dann, die Strahlen der Sonne sind Aureolen, umspülen sie. Als leuchtende Fluten und gestillte Träume. Es ist gläsern: So, als müsste man aufpassen, dass man nichts Falsches sagt. Alles könnte zerbrechen, wie ein einziger Faden eine Stickerei auflösen kann, weiß Johanna. Die Stille der Großmutter ist schön und wehrlos an diesen Abenden. Sie ist ewig wie der Moment und am Vergehen wie der Tag, auf den sich die Nacht senkt, und beides zugleich. Die Schönheit des Leuchtabends scheint aus jedem einzelnen Korn als Halm hervorzusprießen. Die Hände fassen nach den Körnern, rinnen aus. Verschenken sich so an die Welt. Und nachts kann Johanna in einer Wolke aus ihrem eigenen Haar liegen. Dann scheint es, als wäre alles zu erlösen. So wie der Priester gesagt hat. Zu erlösen von dem Tod. Eingefügt in eine Welle aus Licht, das nicht außen ist, ist Johanna in diesen Tagen. Der Vorhang vor ihrem Schlafzimmerfenster weht wie Geisterflügel. Und Johanna freut sich, denn morgen darf sie wieder mit den Kindern spielen. Die Schönheit des Spiels kommt immer aus gläserner Tiefe. Manchmal aber, im Dunkeln, ist es sehr laut. Da umkreisen sie alle Gedanken. Johannas Angst lässt sie zusammenducken und zwischen ihr und der Welt liegt ein Schleier. Da steht die Stimme, es ist fast die eigene und sie ist ihr doch fremd. Die Worte zerhämmern das Geheimnis der Dinge. Noch hat Johanna Angst vor der Stimme. Aber sie wird sich an sie gewöhnen. Einstweilen geht das Leben hier weiter. Man tanzt unterm Feenbaum. Heimlich, denn manche meinen, das sei heidnisch. Aber es gibt auch andere Tänze, die der Priester gutheißt. Viele Dorffeste. Im Dorf sind diese Festgelage wichtig und laut. Johanna nimmt Teil daran, wie auch die Großmutter es tut. So verstreicht das Leben. Johanna ist verliebt in das lockige Haar des Gartens, auch wenn die Arbeit am Hof hart ist. Und sie liebt die Wolken am Himmel. Auf der Stirn einer Wolke leuchtet die Sehnsucht, und sie kann sie immer betrachten, wenn sie das Vieh weidet. Den Finger kann sie hinein stecken in das Bild der Wolken und kosten. Seitdem schmecken sie salzig – wie der Finger. Johanna ist froh, weil sie einen Gott hat.

Noch ist sie klein. Noch hält die hitzige atmende Steppenlandschaft das Schicksal der Welt in der Hand. Johanna ist Kind und ist glücklich. Kann man sich vom Himmel abstoßen? Nein, man kann es nicht. Und stets kehrt der Frühling wieder. Der Frühling ist schön und nutzlos. Er eröffnet ihr einen Blick in die Durchsichtigkeiten der Welt. Es ist, als würde Johanna Wind sehen, wenn Frühling kommt. Oder Luft. Oder Gott. Wenn indes schon Dreschzeit ist, riecht es nach Hitze und Heu. Johanna hat Freundinnen, mit denen spielt sie am Feenbaum. Und auch sonst: Sie stecken in Garben, sie klettern auf Heuballen. Johanna ist Kind und sie ist alles, die Landschaften, die Hitze, die versengten Tage. Disteln im Haar und Webkugeln, vom Herumtollen, vom Klettern auf das Baumhaus. Aufgeschreckt in den Tag hinein. Nachts pumpert es manchmal am Gang und sie hat Angst. Aus den nachtschwarzen Himmeln schreit es. Für einen Moment schwirren dann die geheimen Angstgeister heran. Dass es nur Fledermäuse und Falken sind, die am Sims hausen, weiß Johanna da noch nicht. Durch ihre Kindheit torkeln Angst und Freude wie eine Katze und Johanna hascht nach dem Schwanz der Katze, ein Kitzeln und ein Tappen. Sie zieht mit klobigen Händen daran. Aber mit dem Tod und der Nacht kommen auch immer wieder Narben um Narben, ungesehen, ungesagt. Johanna holt sich einen weichen Moospolster, den sie streichelt gegen die Angst. Sie liebt die Eicheln, den Kiesel. Wer Steine missbraucht, missbraucht auch Menschen, weiß Johanna. Nie hebt sie einen Stein auf. Nie wirft sie einen Stein. Friedlich soll das Dasein sein, wie die Großmutter es sagt, findet sie. Alles liegt doch in seiner Fülle! Hinterm See ist die Ferne und atmet Magie. Um den Mond, der eine Hostie ist, liegt ein Hauch: Dunst, Dunkel. Das Glück ist die streichelnde Großmutterhand. Manchmal trennt nur eine Nacht den Sommer vom Winter und die Tage sind hell. Im Winter dehnt sich das Eis, auf dem schwer ein Nebel ruht. Blutig steht eine Sonne am Horizont. Die Erde. Ihr lichtgewirktes Kleid. Wie Fieber brennend durch die Adern glüht, so ist Gott, weiß Johanna Bescheid. Da fällt ihr auf, dass ihr Arm ein Gelenk hat. Dicke Wurzeln wachsen aus ihrem Wald. Die Welt. So beschäftigt sie sich nach und nach mit ihrem Körper: Die Haare flechten, die Knochen sortieren, aufstehen, immer wieder und immer wieder, harte Arbeit auf dem Feld. Vor Hunger knabbert dieser Körper sich selbst an. Ungesehen. Schwer ist der Körper. Bloß wenn es ans Schlafen geht, dann verwandeln sich die Dinge und im Schlaf wird alles leicht. Die Nacht aber macht Angst, wenn man nicht schlafen kann und wach liegt.

Manchmal hilft dann das letzte brennende Licht auch nicht mehr gegen die Dunkelheit. Es macht die Schatten nur noch tiefer. Im Schrank des Zimmers fließen die Welten ineinander, lauern Geister neben Kleidern, lauert Furcht hinterm Alltag, hinter der harten Arbeit auf dem Feld. Unsagbare Angst hat Johanna dann, sie will leben, denn Gott ist eine Geranie, kommt in Massen und überschwemmt sie, rosa und schreiend, ja, eine Blumenflut, er ist eine Sonne, die sich in trägen, schwülen Wellen auf sie herab ergießt. Gott ist wie eine Handvoll Erde und einmal angefangen, in ihn hinab zu schlüpfen, kann sie gar nicht mehr heraus. Ihr Körper, eine Pflanze mit Gliedmaßen, mäandernd, der ewigen Sonne ausgesetzt, ja, mäandernde Melodie, wandernd, wieder und wieder, Schritt und Tritt in Blumen, lauert Gott ihr auf. Sucht in ihr das Steuerruder. Es ist wie eine Sucht. Ein Gewirke ist jedes Bild in ihr, Vorsinnen in sich selbst. Manchmal schweigt er aber auch.

Ach, könnte der Atem Vogel werden, denkt Johanna und denkt dabei an die Großmutter.

Sie tanzt auf den Stoppeln des Feldes, lässt sich lachend vom Regen verjagen, Johanna, windverknotet, und am Kehlkopf, diesem Ei, nistet schon das Singen. Bis es ausschlüpft, tanzt sie, einstweilen, um die Zeit zu überbrücken. Froh sind ihre Fingerglieder, wenn sie an der Luft nesteln dürfen: Gott, du bist da! Und die Hand ist eine salzene Wunde, die versucht, zu wachsen. Johanna schluckt sich die Zeit zurecht, die Angst hinterm Gaumen, und tanzt.

Käme ein Engel, wäre er Nest, Gefieder, denkt sie.

Die Blätter sind Gelenke, an denen der Wind rüttelt. Lippenbrand: Alles ist Gottes Geschöpf, versucht Johanna sich zu sagen, wieder und wieder. Die Wahrheit hat viele Seiten. Johanna bemüht sich, den Ausblick zu behalten. Dann kann etwas blühen, denkt sie.

Sie erzittert, als sie so von Gott durchschritten wird. Gott ist ein Lichtweber, entnimmt ihr alle Schwere. Er schwankt und bebt in ihr. Wie Äste im Wind. Wie sehr diese Landschaft bei sich ist! Johanna möchte ihr Leben aus sich herausschreien. Junge Vögel öffnen ihre Schnäbel wie in Atemnot. Auch sie wollen zu Gott. Der Sonnenschein entrückt Johanna ein wenig. Sie muss sich von Gott erholen, von ihrer Heiligkeit, von zu viel Lichtgespinst im Hirn. Dass es nicht einfach ist, denkt sie.

Da begegnet ihr erstmals ein Engel. Michael heißt er und er steht in der Landschaft wie ein Sturm. Michael dreht sich und sein Kleid bildet Wellen, ist eine schwarze, gewellte Flut ohne Ende. Sie wirft sich Michael in Falten voraus, die wie Zelte sind. Unter denen kann man sich verstecken, in die Grätsche gehen, weiterziehen, weiß Johanna. Ihr Saum verlangt nach Wind, Wildheit, und so läuft sie dazwischen durch, immer wieder. Sie reitet mit der Finsternis in Michaels Kleidern, reitet, peitscht dahin und die Finsternis gehorcht und wird Licht.

»Wie ist das Fegefeuer?«, fragt sie Michael, denn der Dorfpfarrer hat einmal erzählt, dass da die Seelen hinkommen.

»Da ist Übergang!«, antwortet der Engel.

»Ist das schlimm?«

»Nein, der Himmel folgt dir überall hin!«, entgegnet Michael.

»Aber wie ist es da?«, will Johanna wissen.

»Zwischen nichts und nichts schwebt man!«

»Also kein Halt?«

»Ja! Aber du bist jung. Also lächle. Nur lächelnd kann man Acker bauen.«

Johanna nickt. Sie weiß, dass Michael recht hat. Und Johanna wächst. Noch ist sie ein Kind, ganz knabenkühn. Gleichzeitig besitzt sie aber die Zartheit eines Schmetterlings, und die kommt von innen. Verschlissen ihre Kleider, wenn sie spielt, hängen die Fetzen von ihr herab.

Ja, Johanna kann wild sein: Sie ist ein Bauernmädchen. Doch den Tod will sie nicht, den leblosen Vogel in der Erinnerung, der von Raureif überzogen war. So läuft Johanna manchmal auch traurig und ziellos herum. Aus Angst.

»Was hast du, Kind? Was rennst du denn so?«, fragt die Großmutter einmal.

»Der Tod – er ist hinter mir her!«, ruft Johanna aus.

»Woher weißt du das?«

»Er kommt alle holen, sagt der Dorfpfarrer!«

»Dann halte dich an Gott!«

»Der ist zu weit oben!«

Johanna schweigt kurz.

»Und mir kommt vor: Recht hier ist das Leben erst, wenn’s ans Sterben geht!«, fügt sie plötzlich hinzu.

»Was du dir für Gedanken machst, Kind!«, lächelt die Großmutter.

»Ja!«

»Ach, Johanna.«

Immer wieder sucht Johanna sich auch gute Gedanken. Dass die Blumen sogar im Dunkeln im Walde fortblühen, denkt sie da. Sie lassen sich nicht umbringen. Aber sie sind kostbar. Nicht jeder Bauer hat welche.

Nun erscheint sie, das erste Mal deutlich: eine dünne, gläserne Stimme von innen. Flötenvögel im Kopf. In ihrem Wesen liegt eine Entschlossenheit, die jeden aufleuchten lässt, der ihr begegnet.

»Johanna, heilig bist du!«

Da lachen Johannas Augen.

Am Morgen steigen Wolken auf: Wenn der Wind kommt, dann jagen sie über die Landschaft und Johanna jagt ihnen hinterher. In Johanna ruft es: »Heilig bist du!« Noch weiß sie nicht, dass das direkt von Gott kommt. Doch sie ist schon verzückt. Und wenn sie verzückt ist, leuchtet gleichsam geisterbleich ihr ganzes Gesicht. Wenn sie die Stimme nicht hört, werden ihre Augen aber wieder heimatlos. Was bleibt, ist dann nur die Großmutter als Sicherheit: wie sie das Brot bäckt.

»Was machst du mit den Resten, Großmutter?«, fragt Johanna.

»Die gehören ins Feuer, die bringen dann Glück. Damit die toten Seelen singen!«, kommt es zur Antwort.

»Ehrlich?«

»Ja!«

Die Großmutter reicht ihr ein Stück Brot.

»Iss«, sagt sie.

Johanna schüttelt den Kopf, weil ihr gerade wieder der tote Vogel einfällt.

»Ich mag nicht!«

»Die Gabe Gottes sollst du loben und schätzen!«, sagt die Großmutter ein wenig tadelnd.

»Warum?«

»Weil er sonst straft, Johanna!«

Da springt Johanna auf und holt den toten Vogel aus der Lade, den sie aufgehoben hat. Die Großmutter blickt sie erstaunt an. Während ihr die Großmutter folgt, läuft Johanna indes in den Garten und beginnt zu graben.

»Der Vogel ist tot. Was machst du, Johanna?«, will die Großmutter wissen.

»Ich gebe ihn jetzt Gott zurück, Großmutter! Die Zeit ist gekommen.«

Ein seltsames Kind ist sie, denkt die Großmutter und versteht nicht und fragt deshalb nach: »Das geschieht durchs Eingraben?«

»Ja!«

»Bist du sicher?«, will die Großmutter wissen.

»Ja!«

Johanna hält inne. Stille.

»Das machen Menschen doch auch, oder?«, fragt sie dann und betrachtet ihre erdigen Hände. Die Großmutter lächelt.

»Nicht alles, was Menschen machen, muss auch richtig sein!«, meint sie.

Johanna überlegt. »Der Tod ist grässlich, Großmutter, oder?«, fragt sie dann.

»Er ist das Einzige, worauf wir hinleben!«

»Warum?«

»Um bei Gott zu sein!«

Johanna wird wieder traurig. Sieht der Großmutter in die Augen. Schwarz wie die Löcher zwischen den Galaxien sind ihre Pupillen, denkt sie. Was für ein einsames Alter die Kindheit ist! Alles sagt immer bloß ich, ich und ich und ich.

»Aber!«, ruft Johanna da aus, doch mehr fällt ihr nicht ein.

»Schau, das Fleisch, Johanna! Es kommt von den Tieren. Wir töten sie, damit es uns etwas nutzt!«, sagt die Großmutter da.

»Ich weiß. Deshalb möchte ich nichts essen, was Augen hat«, nickt Johanna.

»Davon wird man aber satt. Und das Schlimme, Johanna, das ist nicht das Töten!«, erklärt die Großmutter zärtlich.

»Sondern?«, will Johanna wissen.

»Das Quälen!«

Johanna überlegt.

»Verstehe«, sagt sie dann.

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