Читать книгу Fettnäpfchenführer Kanada - Sophie von Vogel - Страница 11
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WARUM STINKT ES HIER SO?
VON CÉLINE DION UND MAISKOLBEN
»Tu connais Shania Twain?« – Kennst du Shania Twain?, fragt Maude als Mareike und sie gemeinsam beim Abendessen sitzen. »Über sie kommt gleich ein Spezial auf CBC. Hast du Lust, das mit mir zu sehen?«
»Klar.«
Mareike kennt noch kaum Leute in Montréal und ist froh, dass Maude sich ab und zu um sie kümmert. Die Sängerin Shania Twain ist zwar nicht gerade ihr Lieblingsstar, aber man soll sich ja auf andere Kulturen einlassen. Gemütlich schlurft sie Richtung Fernseher ins Wohnzimmer, aber Maude sprintet schon die Kellertreppe runter und ruft: »Hier unten, Mareike!«
Tatsächlich – unten im Keller steht ein zweiter Fernseher und Mareike fällt erst jetzt auf, dass sie Maude eigentlich noch nie oben beim Fernseher gesehen hat. Das Sofa hier unten ist noch gemütlicher als das oben und der Fernseher noch größer. Ansonsten ist vieles aber wie in einem ganz normalen Keller: Skier warten an die Wand gelehnt auf den nächsten Winter, ein völlig überfülltes Bücherregal staubt vor sich hin und eine riesige Gefriertruhe brummt leise in der Ecke. Das Programm beginnt und Mareike ist überrascht, wie schnell es wieder von Werbung unterbrochen wird. Im Schnitt werden alle zehn Minuten Werbespots gezeigt! Maude zappt durch die Sender. Auf dem nächsten Kanal läuft ein Musikvideo von Céline Dion.
»Sie singt auf Französisch! So was ... hat die nicht das Lied zu dem Film ›Titanic‹ gesungen, und zwar auf Englisch?«, ruft Mareike erstaunt.
Maude reagiert gespielt pikiert.
»Aber Mareike, das ist unsere Céline! Céline stammt doch aus Québec! Ihre ersten Lieder waren alle auf Französisch! Erst später hatte sie den großen Erfolg in den USA.«
KANADISCHE FERNSEHKULTUR
In Kanada findet man Fernsehsender in den verschiedensten Sprachen. Die größten sind aber natürlich die englisch- und französischsprachigen Sender:
CBC – ein öffentlich-rechtlicher Sender, der kanadaweit auf Englisch sendet. Er wird von der Canadian Broadcasting Corporation betrieben, die neben verschiedenen englisch- und französischsprachigen Radio- und Fernsehstationen auch regionale Sender in den Sprachen der First Nations betreibt.
CTV – ein privater englischsprachiger Sender von Bell Media, den man fast überall in Kanada empfangen kann.
Radio-Canada – ein öffentlich-rechtlicher Sender, der zur Canadian Broadcasting Corporation gehört und auf Französisch sendet.
TVA – ein privater, französischsprachiger Sender aus Québec, den man in ganz Kanada empfangen kann und der zu Quebecor Media gehört.
»Da fällt mir was ein! Magst du Mais, Mareike?«, fragt Maude plötzlich völlig unvermittelt.
Mais? Den isst Mareike eigentlich nie. Füttert man mit Mais nicht nur Tiere?
»Ja, klar!«, antwortet sie aus Höflichkeit.
»Gut, jetzt ist nämlich genau die richtige Zeit für guten Mais! Ich habe zwei frische Kolben oben.«
Und damit verschwindet Maude ein Stockwerk höher in die Küche.
Als Maude wieder neben ihr auf dem Sofa sitzt, beginnt es plötzlich bestialisch zu stinken. Dezent blickt Mareike zu Maude und fragt sich, ob die den Gestank auch bemerkt. Aber Maude scheint nichts Ungewöhnliches zu riechen. Bildet Mareike sich das etwa ein? Uuh, langsam wird es unerträglich. Wie faule Eier. Wo kommt das nur her? Aus dem Bad? Nein. Vergammelt hier irgendetwas hinter dem Sofa? Auch eher unwahrscheinlich. Aber woher kommt der Gestank dann? Da weiß Mareike es: Es muss der Mais sein! Der Mais, den sie essen soll! Nach einer Weile steht Maude auf, schließt das Kellerfenster und dreht die Klimaanlage auf.
Ein paar Minuten später ist der Gestank weg, doch Mareike hat ihn noch in der Nase, als Maude wenig später mit zwei dampfenden Maiskolben in der einen und einem Topf Butter in der anderen Hand die Treppe herunterkommt – seltsam, jetzt riechen die Maiskolben eigentlich ganz gut. Trotzdem ekelt Mareike sich. Und wie soll sie den riesigen Kolben denn essen? Maude hat das Besteck vergessen und anfassen wird Mareike das Ding bestimmt nicht, wenn es die Luft im ganzen Haus verpesten konnte. Schnell flitzt Mareike die Treppe rauf und holt Messer und Gabel aus der Schublade. Maude verfolgt das Ganze mit Erstaunen. Zurück im Keller ergibt sich Mareike seufzend ihrem Schicksal – wäre sie doch nur nicht so höflich! Zögerlich beginnt sie, mit Messer und Gabel den Maiskolben zu schneiden. Da prustet Maude los und nimmt ihr das Besteck aus der Hand.
Was ist diesmal schiefgelaufen?
Maudes Begeisterung für Maiskolben konnte Mareike erst nicht nachvollziehen. Aber natürlich handelt es sich dabei nicht um den bei uns bekannten Futtermais, sondern um Zuckermais, der viel zarter ist und von August bis Oktober geerntet wird. Besondere Sorten werden auch als Baby-Mais geerntet und zumeist zu mixed pickles verarbeitet. Besteck braucht man bei Maiskolben nicht: Man isst sie mit den Händen. Und dabei darf man sich sicher sein, dass die Finger danach nicht stinken. Was Mareike im Keller gerochen hat, war nicht der Mais im Ofen, sondern ein Stinktier.
Wilde Tiere stellt man sich als typisch für Kanada vor. Nur vergisst man leicht, dass es sie durchaus auch in kanadischen Städten gibt. Vor allem in den Vororten der Großstädte machen sich nachts zum Beispiel Stinktiere gerne zu schaffen: Das Stinktier ist ein Allesfresser und durchwühlt auf der Suche nach etwas Essbarem mit Vorliebe Haushaltsabfälle. Wenn Stinktiere Angst bekommen, verströmen sie ein Sekret, das Feinde abschrecken soll. Und bei dem Gestank tut es das sicher auch! Sie zielen meistens auf das Gesicht des vermeintlichen Angreifers und können bis zu einer Entfernung von sechs Metern treffen.
Eine andere weit verbreitete Spezies sind die Waschbären, die ebenfalls gerne Mülltonnen plündern. Sie können sehr gut klettern und springen und verstecken sich tagsüber in Bäumen, auf Dachböden oder in der Kanalisation. In den etwas abgelegeneren Provinzen kann es in kleineren Orten auch durchaus vorkommen, dass sich Elche, Luchse, Siebenschläfer oder Bären in Siedlungen verirren.
Die Fernsehsender spielen in Kanada tatsächlich mehr Werbung als die Sender in Deutschland: öfter, aber dafür jeweils kürzer. Daran muss man sich einfach gewöhnen. Es gibt auch keinen Unterschied zwischen den privaten und den öffentlich-rechtlichen Sendern. Eine Rundfunkgebühr, wie man sie in Deutschland an die GEZ zahlen muss, existiert in Kanada nicht. Die staatliche Canadian Broadcasting Corporation wird aus Steuergeldern finanziert.
In vielen kanadischen Häusern gibt es in der Tat zwei Fernseher: einen im eher repräsentativen Wohnzimmer und einen im gemütlichen Keller. Das ist eine nordamerikanische Eigenart, die sich großer Beliebtheit erfreut.
Zum Unglück vieler Kanadier wissen die meisten Europäer gar nicht, wie viele Stars, aber auch Erfindungen aus Kanada kommen. Genau deshalb schätzen es die Kanadier umso mehr, wenn man ihre nationalen Errungenschaften lobt. Céline Dion kommt zum Beispiel tatsächlich aus Québec, aber auch die ersten BlackBerrys wurden in Kanada entwickelt. Und sogar die in den letzten Jahren so beliebt gewordenen Schuhe der Marke Crocs stammen ursprünglich aus Québec. Viele deutsche Züge werden von der Firma Bombardier gebaut, ebenfalls aus Québec.
MADE IN CANADA
Nicht nur Stars und Sternchen aus dem Show-Business, sondern auch wichtige Erfindungen und internationale Konzerne kommen aus Kanada. Zu den bekanntesten kanadischen Stars zählen:
Bryan Adams
Pamela Anderson
Justin Bieber
Michael Bublé
Leonard Cohen
Céline Dion
Nelly Furtado
Avril Lavigne
Mike Myers
Keanu Reeves
Kiefer Sutherland
Neil Young
Eine kleine Auswahl wichtiger kanadischer Erfindungen:
Basketball (1891 erfunden vom kanadischen Sportlehrer James Naismith)
BlackBerry (zuerst 1999)
Cirque du Soleil (1984 in Montréal von den Straßenkünstlern Guy Laliberté und Daniel Gauthier als Zirkus mit Schwerpunkt auf einer Mischung aus Artistik, Theater und Musik gegründet, heute eine der erfolgreichsten Zirkuskompagnien weltweit)
Crocs (2002)
Eishockey (19. Jahrhundert)
Glühbirne (entgegen der landläufigen Meinung 1874 von dem Studenten Henry Woodward in Toronto entwickelt – erst fünf Jahre später patentierte Thomas Edison die Glühbirne in den USA)
Schneemobil (1922 von Bombardier)
Trivial Pursuit (1979, seit 1981 im Handel)
Was können Sie besser machen?
Gegen die Werbung im Fernsehen kann man leider nichts tun, außer zu streamen, DVDs zu schauen oder ins Kino zu gehen. Schön ist, dass man die Wahl hat zwischen französisch- und englischsprachigen Sendern und es generell eine große Vielfalt an kleineren, kommunalen Sendern gibt, die nicht uninteressant sind, um die lokalen Gegebenheiten und kulturellen Gruppen kennenzulernen. Sollte es zwei Fernseher im Haus geben, lohnt es sich zu fragen, welcher wann genutzt wird, da das in jeder Familie anders ist.
Wegen der Tiere sollte man seine Mülltonnen vor dem Haus stets geschlossen halten. Falls einem tatsächlich ein Stinktier zu schaffen macht, kann man, wie Maude es getan hat, einfach die Fenster schließen. Viele Häuser verfügen zudem über gute Klimaanlagen, die schnell für bessere Luft sorgen.
Maiskolben schmecken am besten gegart, man kann sie aber auch roh essen. In jedem Fall sollte man sie nicht zu lange lagern, um den vollen Geschmack genießen zu können. Zum Essen gibt es auch Mais-Stäbchen, die man an beiden Seiten in den Mais pikst, um sich die Finger nicht zu verbrennen. Alternativ kann man diese mit Zahnstochern improvisieren. Zum Höhepunkt des Genusses kommt man, wenn man Butter auf den Kolben schmiert, die dann herrlich zerfließt. Im September ist es ein schöner Ausflug, aufs Land zu fahren und sich direkt beim Bauern frischen, wenn auch zumeist genetisch veränderten Mais zu besorgen.
LECKER: MAISKOLBEN KOCHEN
Handelt es sich um frische Maiskolben vom Feld, müssen zunächst die grünen Blätter entfernt werden sowie der sogenannte Bart an der Spitze des Kolbens. Man nehme nun einen großen Topf mit leicht gesalzenem Wasser und einer Prise Zucker und bringe das Ganze zum Kochen. Die Maiskolben ins kochende Wasser legen und ca. 20 Minuten kochen lassen (bei einem älteren Kolben ca. 30 Minuten). Dann können sie zum Abtropfen herausgenommen werden. Sofort mit Butter beschmieren und mit Salz bestreuen und heiß servieren.
Einmal gekocht können die Kolben auch zusätzlich mit Butter in der Pfanne rundum leicht angebraten werden. Oder man röstet den gekochten Maiskolben auf einem Holzkohlegrill.