Читать книгу Fettnäpfchenführer Kanada - Sophie von Vogel - Страница 7

Оглавление

1

WIE VIEL SPASS VERSTEHT EIN ZOLLBEAMTER?

FORMULARE UND KÄSEBRÖTCHEN

Etwas Weiches kitzelt Mareike an der Nase.

»Nur noch fünf Minuten, Max«, murmelt sie verschlafen.

Sie ist doch gerade erst eingenickt. Dieser freche Kater. Kann er sie nicht einmal schlafen lassen? Das Kitzeln lässt nicht nach.

Verschlafen öffnet Mareike ein kleines bisschen das rechte Auge und fährt überrascht zusammen, als sie in die großen Kulleraugen eines kleinen Jungen blickt, der so nah ist, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berühren. Das ist weder ihr Kater Max noch liegt sie in ihrem Bett im vertrauten Frankfurt. Stattdessen klemmt sie in einem engen Flugzeugsitz und ihr Kopf ist in Richtung des Nachbarsitzes gerutscht, von wo aus sie der kleine Junge mit seiner Spider-Man-Puppe an die Nase stupst.

»Mama, la chica tiene los ojos bien azules« – Mama, die Frau hat ganz blaue Augen, ruft der kleine Junge auf Spanisch.

»Mon chéri, laisse la dame dormir« – Schätzchen, lass die Dame schlafen, antwortet die Mutter geduldig auf Französisch.

Wie lustig, dass die beiden zwei Sprachen miteinander sprechen, denkt Mareike. Ihr Schulfranzösisch ist eigentlich gar nicht so schlecht, die Mutter hat sie jedoch nur mit Mühe verstanden.

Neugierig lugt Mareike durch das kleine Flugzeugfenster nach draußen und ist auf einmal hellwach. Stundenlang sind sie über eine dicke Wolkendecke geflogen, durch die man nicht einmal ein kleines bisschen hindurchlinsen konnte. Jetzt hat sich die Aussicht radikal verändert. Unter ihnen erstrecken sich schier endlose Wälder, kleine Seen und Flüsse, die sich durch die wilde Landschaft schlängeln. Das Flugzeug folgt einem sehr breiten Strom, der sich langsam zu einem Fluss verengt.

Kanada! Was für eine Weite! Ewig hat Mareike sich auf diese Reise gefreut. Ein Jahr in einem fremden Land, raus aus dem deutschen Alltag, rein ins Abenteuer der kanadischen Wildnis! Zwischendurch muss sie sich aber noch ein kleines finanzielles Polster erarbeiten. Deshalb will Mareike ihre Reise in Montréal beginnen, sich einen Job suchen und von dort aus den Rest Kanadas erkunden. Mit ihrem Working-Holiday-Visum darf sie in fast allen Branchen arbeiten. Was sie wohl erwarten wird in diesem Jahr? Ob die Kanadier wirklich so offen und hilfsbereit sind, wie man es sich erzählt? Ob sie Bären, Rentiere und Wale sehen wird?

EINTRITTSKARTE FÜR KANADA

Als deutscher, österreichischer oder schweizerischer Tourist braucht man in der Regel kein Visum für seinen Urlaub in Kanada.

Seit 15. März 2016 ist jedoch die Einreiseregelung eTA auch für deutsche Staatsbürger erforderlich. eTA (Electronic Travel Authorization) benötigen Staatsangehörige eines Landes, die ohne Visum mit dem Flugzeug nach Kanada einreisen. Die Genehmigung wird elektronisch mit dem Reisepass verlinkt und ist bis zu fünf Jahre gültig bzw. bis zum Ablaufdatum des Reisepasses.

Mit gültigem Reisepass und aktueller eTA kann man bis zu sechs Monate im Land bleiben. Ein Stempel im Pass gibt das genaue Datum an, bis zu dem man wieder ausreisen muss. Nur in Ausnahmefällen ist eine Verlängerung des Aufenthalts möglich, und auch dann muss man frühzeitig mit den zuständigen Behörden in Kontakt treten.

Für kürzere Arbeitsaufenthalte bis zu einem Jahr können 18- bis 35-Jährige an dem Programm für Jugendmobilität teilnehmen. Es umfasst das Programm Working Holiday, das zum Arbeiten in einem beliebigen Bereich berechtigt außer im medizinischen oder schulischen bzw. erzieherischen Sektor. Weiterhin ist es möglich, ein studien- oder ausbildungsbezogenes Praktikum in Kanada zu absolvieren oder als temporary foreign worker mit einem Stellenangebot aus Kanada für zwölf Monate im Land Erfahrungen zu sammeln.

Genauere Infos zu diesen und anderen Programmen finden sich im Internet unter: www.kanada-info.de.

Als Mareike gerade in ihren Tagtraum entschwinden will, tönt die sonore Stimme des Piloten durch das Flugzeug und befördert sie jäh zurück in die Realität. Tatsächlich befinden sie sich schon im Landeanflug und die Stewardessen verteilen Formulare an alle Passagiere.

Mareike schmunzelt, als sie das Blatt überfliegt. Ist das ernst gemeint? Soll sie wirklich ankreuzen, ob sie Waffen oder Sprengstoff dabei hat, straffällig oder ansteckend krank ist? Sie ist schließlich weder kriminell noch schleppt sie die Pest ein. Und selbst wenn – wer kreuzt da schon Ja an?

Gedankenlos füllt sie das Formular schnell aus, um dann weiter den faszinierenden Blick aus dem Flugzeug zu genießen. Jetzt ist sogar schon eine große Stadt in Sicht. Ja, das muss Montréal sein. Einige riesige Hochhäuser und in der Mitte ein enormer grüner Hügel. Wie seltsam, mit all dem Wasser drum herum sieht es fast so aus, als wäre Montréal eine Insel.

Zwanzig Minuten später betritt Mareike zum ersten Mal nordamerikanischen Boden. Mit steifen Beinen, aber voller Vorfreude strebt sie in Richtung Ausgang. Sie möchte möglichst schnell zum Gepäckband. Hoffentlich ist ihr Koffer sicher mit angekommen. Vor allem jetzt, wo alles für ein Jahr darin verstaut ist.

Doch zunächst einmal findet sie sich in einer riesigen Halle wieder, durch die sich eine lange Schlange von mehreren Hundert Menschen windet. Bevor man an sein Gepäck kommt, muss man erst mal durch den Zoll. Zu ihrer Überraschung kommt sie relativ schnell vorwärts. Nach 20 Minuten ist sie bereits an der Reihe. Mit ihrem schweren Rucksack geht sie auf den Zollbeamten zu und reicht ihm ihren bordeauxfarbenen Pass.

»Hello. Bonjour. How are you? Ça va?« – Hallo. Wie geht’s?, fragt der Beamte sie freundlich.

»Very good. Très bien« – Sehr gut, antwortete Mareike.

Wie toll, dass man hier gleich zweisprachig begrüßt wird! Der nette Zollbeamte stellt viele Fragen, die Mareike zunächst alle fröhlich beantwortet: Ob sie zum ersten Mal in Kanada sei, was sie vorhabe, was sie sehen wolle und so weiter. Langsam werden ihr die Fragen aber doch zu persönlich. Wo sie wohnen werde, woher sie die Vermieterin kenne, wie viel Budget sie für die Reise habe – ungewöhnlich, diese Fragerei. Zu guter Letzt soll sie das Formular aus dem Flugzeug zeigen.

Himmel, das hat sie ja ganz vergessen! Fiebrig kramt sie in ihrer viel zu großen Handtasche herum, bis sie es endlich etwas zerknüllt zwischen zwei Äpfeln und einem alten Käsebrot findet. Missbilligend blickt der Zollbeamte auf das Chaos in ihrer Tasche.

»Sie haben angekreuzt, dass Sie keine frischen Lebensmittel mitgebracht haben, Miss. In Ihrer Tasche befindet sich aber Obst. Haben Sie sonst alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet?«, fragt er streng.

Eingeschüchtert nickt Mareike. Was für ein Wirbel wegen zwei Äpfeln!

»Sie haben also keinen der hier aufgelisteten Gegenstände bei sich?«

»Sicher, ich habe 10.000 kanadische Dollar, einen Kanarienvogel und sieben Maikäfer bei mir.«

Mareike findet diese Prozedur furchtbar albern. Der Grenzbeamte scheint das Ganze nicht so witzig zu finden, schaut sie ungeduldig an und sagt: »Ich bitte Sie, meine Frage zu beantworten. Führen Sie einen der aufgelisteten Gegenstände nach Kanada ein?«

»Nein.«

Sie will es nicht auf die Spitze treiben. Kopfschüttelnd macht der Beamte eine Notiz auf Mareikes Formular, gibt es ihr zurück und schickt sie weiter in ein anderes Büro, vor dem schon eine lange Menschenschlange wartet. Wann darf sie nur endlich ihren Koffer abholen? Nach einer gefühlten Ewigkeit bekommt sie ihr Arbeitsvisum in den Pass getackert und darf sich Richtung Gepäckband begeben. Dort tuckert auch schon ihr Koffer gemütlich im Kreis. Froh, endlich das Bürokratische hinter sich zu haben, zerknüllt Mareike ihr Formular aus dem Flugzeug und pfeffert es in einen Mülleimer.

Ihren Koffer zerrt sie mühsam vom Gepäckband und begibt sich Richtung Ausgang. Sie will endlich kanadische Luft schnuppern!

Mit federndem Schritt strebt sie auf die Tür am Ende eines langen Ganges zu. Gleich ist sie draußen – gleich ist sie wirklich in Kanada!

»Your declaration card, please.« – Ihre Zollkarte, bitte.

Schon wieder steht ein uniformierter Mann vor ihr und versperrt ihr den Ausgang. Er wedelt mit einem Formular, wie sie es eben beim Zollbeamten vorgezeigt hat. Muss sie das etwa hier abgeben? Oh nein – das liegt doch im Mülleimer!

Was ist diesmal schiefgelaufen?

Mareike litt etwas unter dem langen Flug. Die Sitze in der Economy-Klasse sind nach sechs bis sieben Stunden Flug immer unbequem. Auch wenn sie sich beim Aufwachen erschreckt hat, hatte sie im Flugzeug zum Glück keine anstrengenden Sitznachbarn. Die Mutter und ihr Sohn waren ein schönes Beispiel für die kulturelle Vielfalt Montréals und Kanadas insgesamt. Der kleine Junge ist südamerikanischer Herkunft. Die Mutter ist eine Québécoise und sprach Französisch mit ihrem Sohn, allerdings mit dem starken Akzent Québecs. Daher verstand Mareike auch nicht viel, weil sie daran noch nicht gewöhnt ist. Zu den sprachlichen Eigenarten des Französisch in Québec später mehr.

Dass der lange Flug sie doch angestrengt hat, merkte Mareike beim Zoll, den hatte sie unterschätzt. Wenn viele Flugzeuge gleichzeitig ankommen, kann es an großen Flughäfen wie in Montréal zu beeindruckenden Schlangen kommen. Da der Zoll jedoch meistens sehr gut organisiert ist und etwa in Montréal bis zu 16 Beamte gleichzeitig an den Schaltern sitzen, geht es schnell voran. Die Fragen des Zollbeamten hat Mareike als indiskret empfunden. Es waren jedoch alles nur Fragen, um festzustellen, ob man illegal arbeiten wird, genügend Geld für die Reise hat, Krankheiten mitbringt oder Kanada sonst irgendwie zur Last fallen könnte. Die Einfuhr von Obst, Gemüse, Pflanzen und Fleisch unterliegt strengen Auflagen. Hier sollte man sich am besten vor der Reise über die aktuellen Modalitäten informieren.

Die declaration card, das Formular für die Einreise nach Kanada, erhält man in der Regel von den Flugbegleitern im Flugzeug. Am Flughafen liegen aber auch noch welche aus, sodass man sich keine Sorgen machen muss, wenn man sich verschrieben hat. Es wird zunächst beim Zollbeamten vorgezeigt, der verschiedene Fragen stellt und dann für den internen Gebrauch eine Notiz auf dem Blatt macht. Erst ganz am Schluss, wenn man bereits sein Gepäck abgeholt hat und auf dem Weg nach draußen ist, wird es eingesammelt. Hier kann es auch passieren, dass die Koffer kontrolliert werden.

Montréal ist übrigens tatsächlich eine Insel und heißt daher auch Île de Montréal. Die Stadt liegt für den Handel strategisch hervorragend dort, wo Ottawa River und Sankt-Lorenz-Strom zusammenfließen – diese Lage ist auch der Grund für den früheren Reichtum der Region. In der Mitte der Stadt thront der Mont Royal, eher ein Hügel als ein Berg, der die grüne Oase der Stadt ist und dem sie ihren Namen verdankt.

Was können Sie besser machen?

Da die First Class oft unerschwinglich ist, muss man sich mit den engen Sitzen und dem wenigen Fußraum arrangieren. Gut für den Kreislauf und hilfreich gegen Thrombose ist es, während des Flugs ab und zu aufzustehen und sich die Beine zu vertreten.

Möchte man seinen Sitz auswählen und sich über alle seine Vorund Nachteile informieren, kann man dies vor der Flugbuchung auf speziellen Internetseiten wie www.seatguru.com tun.

Die kanadischen Grenzbeamten sollte man schon ernst nehmen, auch wenn sie entspannter sind als die meisten ihrer US-amerikanischen Kollegen. Die Fragen zum Budget und zum Grund des Aufenthalts betreffen allesamt Themen, über die man sich ohnehin vor Reiseantritt Gedanken machen sollte: Wie viel Budget benötigt man für die Reise, braucht man eine zusätzliche Krankenversicherung, beeinträchtigt ein gesundheitliches Risiko die Reise? Das besagte Formular muss man natürlich wahrheitsgemäß beantworten, in der Regel ist das aber eine Formsache, da die meisten Touristen tatsächlich keinen der genannten Punkte erfüllen. Vor allem aber darf man es nicht wegschmeißen, sondern muss es am Ende dem kontrollierenden Beamten aushändigen. Mareike muss nun entweder ihr Formular im Mülleimer suchen oder die ganze Prozedur noch einmal durchlaufen!

Fettnäpfchenführer Kanada

Подняться наверх