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II.d. Aszetische Briefe: Trostbriefe

23. An Marcella: Zum Tode Leas

Einleitung

Lea, eine vornehme Römerin, hatte sich als Witwe der aszetischen Richtung angeschlossen. Sie hatte diese Bewegung dem Ideale um einen wesentlichen Schritt nähergebracht, muß sie doch wohl als die erste Vorsteherin eines Nonnenklosters in Rom angesehen werden. Mit Marcella, der Seele des biblisch-aszetischen Zirkels um Hieronymus, war sie befreundet. Die unerwartete Todeskunde, die Marcella gelegentlich der gemeinschaftlichen Bibellesung erhielt, griff sie so an, daß Hieronymus noch am gleichen Tage ihr ein kurzes Trostschreiben zusandte. In diesem stellt er Leben und Tod Leas dem Schicksal des einige Tage vorher unvermutet verstorbenen designierten Konsuls Vettius Agorius Praetextatus 2126 gegenüber. Da dieser 384 gestorben ist, muß auch der Brief im gleichen Jahre geschrieben sein.

1.

Heute morgen, um die dritte Tagesstunde etwa, hatten wir angefangen, den 72. Psalm, den ersten Psalm des dritten Buches, 2127 zusammen zu lesen. Ich glaubte mich verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, daß seine Überschrift teilweise zum Ende des zweiten Buches gehört, während nur das letzte Stück den Anfang des dritten Buches bildet. Die Worte: „Es endigen die Lieder Davids, des Sohnes Jesses“, 2128 sind der Abschluß des zweiten Buches, während das folgende Buch mit den Worten: „Ein Psalm Asaphs“ 2129 beginnt. Wir waren gerade zu der Stelle gelangt, an welcher der Gerechte spricht: „Ich dachte bei mir selbst: Wenn ich so rede, dann habe ich das Geschlecht deiner Kinder verworfen“, 2130 eine Stelle, die in den lateinischen Handschriften einen anderen Wortlaut hat. Da wurde uns unvermutet die Nachricht hinterbracht, daß unsere fromme und heiligmäßige Lea aus dem Leben geschieden sei. In diesem Augenblicke sah ich Dich so sehr erblassen, daß es mir klar wurde, es gibt nur selten oder nie eine Seele, die ohne Betrübnis sich aus dem zerbrochenen irdischen Gefäße freimacht. Nicht etwa die Unsicherheit über ihr zukünftiges Los war Deines Schmerzes Ursache, sondern es tat Dir leid, daß Du nicht einmal am Begräbnis teilnehmen und ihr damit den letzten traurigen Liebesdienst hattest erweisen können. Mitten in unsere weitere Unterhaltung drang nämlich die Kunde, daß ihre sterblichen Reste bereits nach Ostia überführt worden waren.

2.

Fragst Du mich: „Wozu diese Rückerinnerung?“, dann will ich Dich mit des Apostels Worten bescheiden: „Sie ist in jeder Hinsicht überaus nützlich.“ 2131 Zuerst müssen sich alle darüber freuen, daß Lea nach Überwindung des Teufels die sichere Krone erlangt hat. Dann will ich in kurzen Worten einen Überblick über ihr Leben geben. Zuletzt will ich diejenigen, welche sich gegen den Geist der neuen Zeit auflehnen, 2132 darüber belehren, daß der designierte Konsul im Schoße der Hölle begraben liegt. 2133 Wer könnte den Lebenswandel unserer Lea in würdiger Weise verherrlichen? Ihre Hingabe an den Herrn war so vollkommen, daß sie Vorsteherin eines Klosters und Mutter der Jungfrauen wurde. Früher an weichliche Kleidung gewöhnt, hat sie später ihre Glieder im rauhen Büßerhemd kasteit. Ganze Nächte brachte sie im Gebete zu. Ihre Mitschwestern unterwies sie weniger durch Worte als durch ihr gutes Beispiel. Sie, die einstige Herrin über viele, offenbarte solch tiefe Demut, daß man sie für eines Menschen Magd hätte halten mögen. Je weniger man in ihr die Herrin über Menschen vermutete, desto mehr wurde sie zur wahren Dienerin Christi. Schlicht war ihre Kleidung, einfach ihr Tisch, unauffällig ihre Haartracht. Doch richtete sie es in allem so ein, daß sie keinerlei Aufmerksamkeit auf sich lenkte, um nicht schon in dieser Welt ihren Lohn zu erhalten. 2134

3.

Jetzt genießt sie für ihre kurze Lebensmühe die ewige Glückseligkeit. Die Chöre der Engel nehmen sie in Empfang. Sie ruht in Abrahams Schoß, und mit dem armen Lazarus erblickt sie den reichen in Purpur gekleideten Konsul, freilich nicht angetan mit dem Gewande des Triumphators, sondern dem ewigen Verderben geweiht. Sie sieht ihn lechzen nach einem Wassertropfen, gereicht von ihrem kleinen Finger. 2135 Wie doch die Dinge sich ändern! Noch vor wenigen Tagen standen ihm die höchsten Würden in Aussicht. Wie ein Triumphator nach seinem Sieg über die Feinde stieg er hinauf zur Burg des Kapitols. Mit Beifall und Jauchzen überschüttete ihn noch eben das Volk Roms, als die überraschende Nachricht von seinem Tode die ganze Stadt erschreckte. Und jetzt ist er einsam und verlassen, nicht im glänzenden Götterpalaste, 2136 wie seine unglückliche Gattin 2137 sich vortäuscht, sondern in Schmutz und Finsternis. Sie aber, die im Schutz ihres verborgenen Kämmerleins lebte, die arm und abgezehrt schien, die ein Leben führte, das man für töricht hielt, 2138 folgt Christus und spricht: „Alles, was wir gehört haben, das bekamen wir zu sehen in der Stadt unseres Gottes.“ 2139

4.

Daher bitte und beschwöre ich Dich unter Tränen und Seufzen: Solange wir auf der irdischen Bahn wandeln, wollen wir nicht zwei Röcke tragen oder uns, um es anders auszudrücken, mit einem zwiefachen Glauben wappnen. Wir wollen uns nicht beschweren mit den ledernen Schuhen der toten Werke. Die Tasche des Reichtums soll uns nicht zur Erde drücken. Wir wollen uns nicht umschauen nach dem stützenden Stab 2140 des weltlichen Einflusses. Wir wollen uns nicht zwischen Christus und der Welt gleichmäßig aufteilen. Statt der kurzen und hinfälligen Güter soll uns vielmehr ewiges Glück zuteil werden. Während wir täglich, ich meine dem Leibe nach, im voraus sterben, wollen wir nicht leben, als ob wir das übrige ewig besitzen, damit wir einst zum ewigen Leben eingehen können.

Ausgewählte Briefe, Band 2

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