Читать книгу Ausgewählte Briefe, Band 2 - Sophronius Eusebius Hieronmyus - Страница 9
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ОглавлениеAber warum trifft es uns denn gar so hart, wenn wir mitunter leiden müssen? Warum tut es uns so wehe, wenn jemand sterben muß? Sind wir denn dazu geboren, ewig hier zu bleiben? Abraham, Moses, Isaias, Petrus, Jakobus, Johannes und Paulus, das Gefäß der Auserwählung, 2170 sind gestorben, ja sogar der Sohn Gottes, und wir sind ungehalten, wenn eine Seele aus dem Körper scheidet, die vielleicht bloß deshalb hinweggenommen wurde, damit die Bosheit nicht ihren Sinn verkehre! Denn seine Seele war Gott wohlgefällig. Deshalb beeilte sich der Herr, ihn aus der ungerechten Umwelt hinwegzunehmen, 2171 damit er nicht auf einem langen Lebenswege von der Richtung abkomme und in die Irre gehe. Dann mag man über einen Toten trauern, wenn er der Hölle verfällt, wenn ihn die Unterwelt verschlingt, wenn ihn die strafenden Flammen in ewiger Glut peinigen. Uns aber, die beim Hinscheiden der Engel Schar begleitet, denen Christus entgegeneilt, sollte es mehr bedrücken, daß wir noch länger in diesem Todeszelte leben müssen. Wandeln wir doch fern vom Herrn, solange wir hier auf Erden leben. 2172 Möge auch uns der Wunsch beseelen: „Wehe mir, weil sich meine Pilgerfahrt verlängert hat! Ich verweilte bei den Bewohnern Cedars. Allzulange wanderte meine Seele umher.“ 2173 Wenn Cedar Finsternis bedeutet 2174 — und diese Welt ist Finsternis; denn das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht begriffen 2175 —, dann wollen wir unserer Blesilla Glück wünschen. Wanderte sie ja von der Finsternis zum Lichte, wo sie, obgleich sie bereits im ersten Eifer der beginnenden Bekehrung von uns ging, dennoch die Krone der Vollendung erlangte. Gewiß, wenn sie ein unvorhergesehener Tod überrascht hätte, als der Hang zur Welt in ihr lebendig war, oder als sie — was Gott bei den Seinen verhüten möge — den Genüssen dieses Lebens nachhing, dann wäre Grund zur Trauer, und der Tränen könnten nicht genug fließen. Jetzt aber hat sie unter Christi gnädigem Beistande vor ungefähr vier Monaten sozusagen in der zweiten Taufe ihres heiligen Entschlusses sich gereinigt und des weiteren so gelebt, daß sie die Welt preisgab und ständig ans Kloster dachte. Fürchtest Du da nicht, daß der Erlöser zu Dir sprechen möchte: „Zürnst Du etwa, o Paula, weil Deine Tochter meine Tochter geworden ist? Bist Du unzufrieden mit meinem Ratschlusse? Verbirgt sich unter Deinen Tränen Deine Empörung und Deine Eifersucht, weil sie jetzt in meinem Besitze ist? Du weißt doch, was ich über Dich und über Deine übrigen Angehörigen denke! Du versagst Dir die Nahrung nicht aus Bußeifer, sondern im Übermaße des Schmerzes. Solche Enthaltsamkeit liebe ich nicht. Wer in dieser Weise fastet, macht sich zu meinem Feinde. Ich nehme keine Seele auf, die sich wider meinen Willen vom Körper trennt. Eine törichte Philosophie mag solche Märtyrer schaffen, einen Zeno, Kleombrotos oder Cato. 2176 Mein Geist läßt sich nur über dem Demütigen, dem Friedfertigen nieder, sowie über dem, der vor meinen Worten erzittert. 2177 Du hast mir ein klösterliches Leben versprochen, Du hast Dich durch Deine Kleidung von den anderen Frauen abgesondert, um ein Leben tieferer Frömmigkeit zu führen. Ist dies etwa die Wirkung Deines Entschlusses? Dieser Geist, welcher trauert, stammt noch von den seidenen Kleidern her. Eines Tages wird Dich der Tod unverhofft wegraffen, und gleich als ob Du meinen Händen entgehen könntest, suchst Du vor dem grausamen Richter zu fliehen. Auch Jonas, der beherzte Prophet, ergriff einst die Flucht, aber selbst in der Tiefe des Meeres war er mein. 2178 Wenn Du glaubtest, daß Deine Tochter lebt, so würdest Du niemals darüber klagen, daß sie in ein besseres Jenseits hinübergegangen ist. Ich habe doch durch meinen Apostel die Anweisung gegeben, daß Ihr nicht nach Art der Heiden über die Entschlafenen trauern sollt. 2179 Schäme Dich, daß eine Heidin über Dir steht! 2180 Des Teufels Magd ist besser als die meine. Sie bildet sich ein, daß ihr ungläubiger Gatte in den Himmel aufgenommen wurde, Du hingegen glaubst nicht, daß Deine Tochter bei mir weilt, oder am Ende wünschst Du es gar nicht einmal.“