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III. Die Gita

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Es stimmt nicht, dass die Gita die ganze Grundlage der Botschaft Sri Aurobindos enthält, denn sie scheint der Beendigung des Geborenwerdens in der Welt als höchstem Ziel oder zumindest als letztem Höhepunkt des Yoga zuzustimmen; sie misst der Idee einer spirituellen Evolution keine Bedeutung bei, ebensowenig der Idee der höheren Ebenen und des supramentalen Wahrheits-Bewusstseins sowie seines Herabbringens als Mittler der vollständigen Umwandlung des Erdenlebens.

Die Idee des Supramentals, des Wahrheits-Bewusstseins, kommt gemäß Sri Aurobindos Interpretation bereits im Rig-Veda vor und an einer oder zwei Stellen der Upanishaden; doch in den Upanishaden findet man sie lediglich als Keim in der Auffassung des Erkenntnis-Wesens, vijnanamaya purusa, welches das mentale, vitale und physische Wesen übersteigt; im Rig-Veda ist die Idee zwar im Prinzip enthalten, jedoch nicht entwickelt, und in der hinduistischen Tradition ist selbst das Prinzip nicht mehr zu finden.

Dies ist unter anderem, verglichen mit der hinduistischen Tradition, das Neue in der Botschaft Sri Aurobindos, nämlich die Vorstellung, dass die Welt weder eine Schöpfung der Maya ist, noch lila, ein Spiel des Göttlichen, noch ein Geburtenkreislauf in der Unwissenheit, dem wir zu entkommen haben, sondern ein Bereich der Manifestation; in diesem findet eine fortschreitende Evolution der Seele und der Natur in der Materie statt und von der Materie durch Leben und Mental zu dem, was sich jenseits des Mentals befindet, bis sie die vollständige Enthüllung von Sachchidananda im Leben erreicht hat. Dies ist die Grundlage dieses Yoga, die dem Leben neuen Sinn gibt.

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Dies ist kein eigentlicher Widerspruch; die beiden Stellen8 weisen auf zwei verschiedene Bewegungen im Yogasystem der Gita hin, deren krönende Bewegung die vollständig Hingabe ist. Man hat zuerst die niedere Natur zu erobern, das Selbst der niederen Bewegung mit Hilfe des höheren Selbstes zu befreien, das sich in die göttliche Natur erhebt, gleichzeitig bringt man all sein Tun einschließlich des inneren Yoga-Wirkens dem Purushottama, dem transzendenten und immanenten Göttlichen, als Opfer dar. Sobald man sich in das höhere Selbst erhoben hat, sobald man das Wissen erlangt hat und frei ist, vollzieht man die vollständige Hingabe an das Göttliche, lässt jedes andere dharma hinter sich und lebt allein durch das göttliche Bewusstsein, den göttlichen Willen und die göttliche Kraft, den göttlichen Ananda.

Unser Yoga ist mit dem Yoga der Gita nicht identisch, obwohl er alles enthält, was im Yoga der Gita wesentlich ist. In unserem Yoga beginnen wir mit der Idee der vollständigen Hingabe und dem Willen und Streben danach; gleichzeitig müssen wir die niedere Natur zurückweisen, unser Bewusstsein von ihr befreien, das Selbst, das in die niedere Natur verstrickt ist, mit Hilfe jenes Selbstes befreien, das sich zur Freiheit in der höheren Natur erhebt. Wenn wir dieser doppelten Bewegung nicht folgen, laufen wir Gefahr, eine tamasische und damit unwirkliche Hingabe zu vollziehen, ohne Bemühung, ohne tapas und daher ohne Fortschritt; oder wir vollziehen eine rajasische Hingabe, und zwar nicht an das Göttliche, sondern an eine selbstgeformte, falsche Idee oder an ein Bildnis des Göttlichen, hinter dem sich unser rajasisches Ego verbirgt oder noch etwas Schlimmeres.

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Diese Welt ist, wie sie die Gita beschreibt, anityam asukham [vergänglich und leidvoll], solange wir im gegenwärtigen Weltbewusstsein leben; allein indem wir uns von ihr abkehren, uns dem Göttlichen zuwenden und in das Göttliche Bewusstsein eintreten, kann man das Ewige auch durch die Welt besitzen.

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Die Lehre der Gita scheint sich in vielen Fällen zu widersprechen, da sie offensichtlich zwei einander widersprechende Wahrheiten zulässt und versucht, diese miteinander in Einklang zu bringen. Sie stimmt dem Ideal der Abkehr vom samsara und der Hinwendung zu Brahman als einer Möglichkeit zu; gleichzeitig jedoch bestätigt sie die Möglichkeit, frei im Göttlichen zu leben (in Mir, wie es heißt) und in der Welt als Jivanmukta zu handeln. Auf diese letztere Lösung legt sie das größte Gewicht. Auch Ramakrishna stuft die „Göttlichen Seelen“ (Ishvarakoti), welche die Leiter sowohl herab- als auch hinaufsteigen können, höher ein als die Jiva (Jivakoti), die, wenn sie einmal den Aufstieg vollzogen haben, nicht die Kraft besitzen, für die göttliche Arbeit wieder herabzukommen. Die volle Wahrheit liegt im supramentalen Bewusstsein und in der Macht, von dort auf Leben und Materie einzuwirken.

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Die Gita kann man nicht als eine ausschließliche Lehre der Liebe bezeichnen. Was sie entwickelt, ist ein Yoga des Wissens, der Hingabe und der Werke, der sich auf einem spirituellen Bewusstsein gründet und auf der Verwirklichung des Einsseins mit dem Göttlichen und des Einsseins aller Wesen im Göttlichen. Bhakti, Hingabe und Liebe zu Gott, welche die Einung mit allen Wesen und die Liebe zu allen Wesen mit einbezieht, wird große Wichtigkeit beigemessen, doch immer in Verbindung mit Wissen und Werken.

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Du darfst nicht vergessen, dass die Gita von dem, der sie schrieb, nicht als Allegorie gedacht war – man könnte allerdings, wenn du so willst, sagen, dass wir jetzt das alte Kampf-Motiv fallen lassen sollten, indem wir es als eine Art Allegorie interpretieren. Die Gita ist Yoga – spirituelle Wahrheit angewandt im äußeren Tun und Leben –, doch dies bezieht jegliches Tun mit ein, nicht nur eines, das dem der Gita gleicht. Das Prinzip des im Tun verwirklichten spirituellen Bewusstseins ist es; das bewahrt werden muss – das besondere Beispiel der Gita kann als etwas angesehen werden, das einer vergangenen Welt angehört.

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Die Gita spricht nicht ausdrücklich von der Göttlichen Mutter; sie spricht immer von der Hingabe an den Purushottama – sie erwähnt sie lediglich als Para Prakriti, die zum Jiva wird, das heißt, die das Göttliche in der Vielheit manifestiert und durch die all diese Welten vom Höchsten erschaffen werden und in die er selbst als Avatar herabkommt. Die Gita folgt der Überlieferung des Vedanta, welcher sich gänzlich auf den Ishvara-Aspekt des Göttlichen stützt und wenig von der Göttlichen Mutter spricht, da es sein Ziel ist, sich von der Welt-Natur zurückzuziehen und zur höchsten Verwirklichung jenseits von ihr zu gelangen; die tantrische Tradition betont den Shakti- oder Ishvari-Aspekt und macht alles von der Göttlichen Mutter abhängig, da es ihr Ziel ist, die Welt-Natur zu besitzen und zu beherrschen und durch sie zur höchsten Verwirklichung zu gelangen. Dieser Yoga besteht auf beiden Aspekten; die Hingabe an die Göttliche Mutter ist wesentlich, denn ohne sie kann das Ziel des Yoga nicht erreicht werden.

Im Hinblick auf den Purushottama ist die Göttliche Mutter das höchste göttliche Bewusstsein und die höchste göttliche Macht über den Welten, Adya Shakti; sie trägt den Höchsten in sich und manifestiert das Göttliche in den Welten durch aksara und ksara, das Unveränderliche und das Veränderliche. Im Hinblick auf das aksara ist sie die gleiche Para Shakti, die den Purusha reglos in sich birgt, und auch sie ist reglos im Hintergrund aller Schöpfung in ihm. Im Hinblick auf das ksara ist sie die bewegte kosmische Energie, die alle Wesen und Kräfte manifestiert.

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Es ist mir nicht bekannt, dass es ein Purushottama-Bewusstsein gibt, welches vom menschlichen Wesen erreicht oder für sich verwirklicht werden kann; denn in der Gita ist der Purushottama der Höchste Herr, das Höchste Wesen, der sich jenseits des Unveränderlichen und des Veränderlichen befindet und beides, den Einen und die Vielen, enthält. Der Mensch, sagt die Gita, kann das Brahman-Bewusstsein erlangen und sich als ewigen Teil des Purushottama verwirklichen und im Purushottama leben. Das Purushottama-Bewusstsein ist das Bewusstsein des Höchsten Wesens, und der Mensch kann in ihm durch Überwindung des Egos und Verwirklichung seiner wahren Essenz leben.

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Zur Zeit der rsis und sogar davor waren Sankya- und Vedanta-Elemente im spirituellen Denken Indiens immer verbunden. Die Sankya-Auffassung vom Aufbau des Wesens (Purusha, Prakriti, die Elemente, Indriyas, Buddhi usw.) wurde allgemein anerkannt, und Kapila wurde überall mit Verehrung erwähnt. In der Gita wird er als einer der großen vibhutis genannt; Krishna sagt: „Ich bin Kapila unter den Weisen“.

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