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3. Kapitel Religion, Moral, Idealismus und Yoga

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Das spirituelle Leben (adhyatma jivana), das religiöse Leben (dharma jivana) und das gewöhnliche menschliche Leben, zu dem die Moral gehört, sind drei grundverschiedene Dinge, und man muss wissen, was man will, und darf diese drei nicht miteinander verwechseln. Das gewöhnliche Leben ist das des durchschnittlichen menschlichen Bewusstseins, von seinem wahren Selbst und vom Göttlichen getrennt und gelenkt von den üblichen Gewohnheiten des Mentals, Lebens und Körpers, den Gesetzen der Unwissenheit. Das religiöse Leben ist eine Bewegung des gleichen unwissenden menschlichen Bewusstseins, das sich von der Erde abwendet oder abzuwenden versucht, dem Göttlichen zu, doch bislang ohne Erkenntnis und gelenkt von den dogmatischen Lehren und Regeln einer Sekte oder eines Glaubensbekenntnisses, die Anspruch darauf erheben, den Weg aus den Banden des Erdbewusstseins in irgendein glückseliges Jenseits gefunden zu haben. Das religiöse Leben mag die erste Annäherung an das spirituelle sein, doch sehr häufig ist es nur ein auswegloses Umherwandern in einem Kreis von Riten, Zeremonien und Praktiken oder von starren Ideen und Formen. Das spirituelle Leben hingegen schreitet direkt durch eine Bewusstseinsveränderung fort, eine Veränderung des gewöhnlichen Bewusstseins, das unwissend und von seinem wahren Selbst und Gott getrennt ist, in ein größeres Bewusstsein, in dem man sein wahres Wesen findet und mit dem Göttlichen zuerst in einen direkten und lebendigen Kontakt tritt und dann zu einer Einung mit ihm gelangt. Für den spirituell Suchenden ist diese Bewusstseinsveränderung das eine, das er sucht, und nichts anderes zählt für ihn.

Moral ist ein Teil des gewöhnlichen Lebens; sie ist ein Versuch, das äußere Verhalten durch gewisse mentale Regeln zu lenken oder den menschlichen Charakter mit Hilfe dieser Regeln dem Vorbild eines gewissen mentalen Ideals anzupassen. Das spirituelle Leben überschreitet das Mental; es tritt in das tiefere Bewusstsein des Spirits ein und handelt aus der Wahrheit des Spirits. Was die Frage des ethischen Lebens anbelangt und das Erfordernis, Gott zu erkennen, so hängt das davon ab, was mit der Erfüllung der Lebensziele gemeint ist. Wenn das Erlangen des spirituellen Bewusstseins dazugehört, dann wird es dir die bloße Moral nicht geben.

Politik als solche hat nichts mit dem spirituellen Leben zu tun. Wenn der spirituelle Mensch etwas für sein Vaterland tut, dann geschieht es, um den Willen des Göttlichen zu erfüllen und als Teil einer göttlich ausgerichteten Arbeit und nicht aus einem üblichen menschlichen Motiv heraus. In keiner seiner Taten lässt er sich – wie die gewöhnlichen Menschen – von den üblichen mentalen und vitalen Motiven bewegen, sondern handelt aus der Wahrheit des Spirits und gehorcht einem inneren Befehl, dessen Ursprung er kennt.

Die Art der Anbetung, von der in dem Brief die Rede ist, gehört dem religiösen Leben an. Sie kann, sofern sie in einem zutiefst religiösen Geist durchgeführt wird, Mental und Herz bis zu einem gewissen Grad vorbereiten, doch nicht mehr. Wenn jedoch die Anbetung Teil der Meditation ist oder mit wahrer Aspiration nach spiritueller Wirklichkeit und spirituellem Bewusstsein geschieht, in der Sehnsucht nach der Berührung und Einung mit dem Göttlichen, dann vermag sie spirituell wirksam zu sein.

Wenn du in deinem Herzen und in deiner Seele ein wahrhaftes Streben nach spiritueller Wandlung hast, wirst du den Weg und den Führer finden. Das rein mentale Suchen und Fragen reicht nicht aus, um die Pforten des Spirits zu öffnen.

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Das Göttliche allein mit dem Ziel zu suchen, etwas von ihm erhalten zu können, ist bestimmt nicht die richtige Einstellung; doch wenn es ganz und gar verboten wäre, Ihn deshalb zu suchen, fänden die meisten Menschen auf der Welt den Weg zu Ihm überhaupt nicht. Daher ist es vermutlich erlaubt, damit sie einen Anfang machen; und wenn sie wirklich Glauben haben, ist es möglich, dass sie erhalten, worum sie bitten, und sie werden es für eine feine Sache halten und so weitermachen; und dann, eines Tages, mögen sie plötzlich auf den Gedanken kommen, dass dies schließlich doch nicht ganz das Richtige sei, dass es bessere Wege und eine bessere Einstellung gäbe, sich dem Göttlichen zu nähern. Wenn sie aber nicht erhalten, worum sie bitten, und sich dennoch an das Göttliche wenden und ihm vertrauen – nun das zeigt, dass sie bereit werden. Wir müssen es als eine Art Kinderschule für die Unreifen betrachten. Doch dies ist natürlich nicht das spirituelle Leben, es ist lediglich eine Art elementarer religiöser Annäherung. Die Regel im spirituellen Leben ist, zu geben und nicht zu nehmen. Der Sadhak kann aber um die Göttliche Kraft bitten, damit sie ihm helfe, seine Gesundheit zu bewahren oder sie wiederzuerlangen, wenn er dies als Teil seiner Sadhana tut, damit sein Körper für das spirituelle Leben bereit und fähig und ein brauchbares Instrument für die Göttliche Arbeit wird.

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Das ist richtig. Religionen verändern bestenfalls die Oberfläche der Natur. Sie degenerieren zudem sehr bald in eine Routine von zeremoniell gewohnheitsmäßiger Anbetung und starren Dogmen.

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Ich teile J.s Ansicht über die Hindu-Religion nicht. Religion ist immer unvollkommen; sie besteht aus einem Gemisch von Spiritualität mit den Bestrebungen des Menschen, seine niedere Natur ohne Wissen zu sublimieren. Die Hindu-Religion kommt mir wie eine Tempel-Kathedrale vor, halb Ruine, edel in der Substanz, oft phantastisch im Detail, doch immer von einer Phantastik, hinter der eine Bedeutung steht – niederbröckelnd oder stellenweise schwer beschädigt, doch eine Tempel-Kathedrale, in der immer noch der Unsichtbare verehrt wird und seine reale Gegenwart von jenen gefühlt werden kann, die sie in der rechten Haltung, betreten. Die äußere soziale Struktur, welche sie [die Hindu-Religion] aufgebaut hat, um sich ihm zu nähern, ist etwas anderes.

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Ich betrachte die spirituelle Geschichte der Menschheit und besonders Indiens als eine immerwährende Entwicklung eines göttlichen Planes und nicht als ein Buch, das zugeklappt wurde und dessen Worte ständig wiederholt werden müssen. Selbst die Upanishaden und die Gita waren nichts Endgültiges, obwohl dort alles im Keim enthalten sein mag. In dieser Entwicklung bildet die jüngste spirituelle Geschichte Indiens eine sehr wichtige Phase, und die Namen, die ich erwähnte, nahmen in meinem Denken zu jener Zeit einen besonderen Platz ein, denn sie schienen mir die Richtungen aufzuzeigen, in die die künftige spirituelle Entwicklung ganz unmittelbar zu gehen haben würde, und zwar nicht verweilend, sondern fortschreitend. Ich möchte aber betonen dass es mir fernliegt, eine Religion, ob neu oder alt, für die Menschheit der Zukunft zu verkünden. Meine Auffassung der Sache ist vielmehr, einen Weg zu weisen, der noch verschlossen ist, und nicht eine Religion zu gründen.

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Wenn mit der Bemerkung1 gemeint ist, die Form der Religion sei etwas Bleibendes und Unveränderliches, kann sie nicht akzeptiert werden. Doch wenn hier mit Religion der eigene Weg der Beziehung zum Göttlichen gemeint ist, dann trifft es durchaus zu, dass dies etwas ist, das zum inneren Wesen gehört und nicht wie ein Haus oder ein Mantel um einer persönlichen, sozialen oder weltlichen Annehmlichkeit willen gewechselt werden kann. Wenn ein Wechsel vollzogen wird, kann es nur aus einem inneren, spirituellen Grund sein, aufgrund einer inneren Entwicklung. Niemand kann an eine Religionsform oder an ein bestimmtes Glaubensbekenntnis oder System gebunden werden; doch wenn er das eine, das er angenommen hat, gegen ein anderes aus äußeren Gründen austauscht, so bedeutet dies, dass er zuinnerst überhaupt keine Religion besitzt und sowohl seine alte als auch seine neue Religion lediglich eine leere Formel ist. Im Grund ist es vermutlich dies, worauf die Bemerkung abzielt. Die Bevorzugung einer neuen, andersartigen Annäherung an die Wahrheit oder der Wunsch nach innerem spirituellen Selbstausdruck sind nicht die Beweggründe für eine Veränderung, gegen die hier ein Einwand erfolgt. Es sind dies vielmehr das Anheben des sozialen Status, ein Abwägen, was ebensowenig ein spiritueller Beweggrund ist wie eine Konversion um des Geldes oder einer Heirat willen. Wenn ein Mensch innerlich keine Religion besitzt, kann er sein Glaubensbekenntnis aus jedem Grund ändern; wenn er sie jedoch besitzt, kann er es nicht, sondern allein dann, wenn er einer spirituellen Forderung folgt. Ein Mensch, der bhakti für das Göttliche in der Gestalt von Krishna empfindet, kann schließlich nicht gut Krishna um Christi willen aufgeben, weil es sein soziales Ansehen erfordert.

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Sicherlich ist vairagya, die Abkehr von der Welt, ein Weg, um sich dem Ziel zu nähern – es ist der traditionelle Weg und gleichzeitig ein drastischer, wenn nicht ein schmerzhafter Weg. Das Verlangen nach menschlich-vitalen Vergnügungen abzulegen oder nach literarischem und anderem Erfolg, nach Lob und Ruhm, selbst die Forderung nach spirituellem Erfolg, jenen inneren bhoga des Yoga aufzugeben, wurde immer als ein Schritt auf das Ziel zu betrachtet – vorausgesetzt, man bewahrt dieses eine Ausgerichtetsein auf das Göttliche. Ich selbst gebe dem ruhigeren Weg des Gleichmuts, dem Weg, den Krishna wies, den Vorzug vor dem schmerzvolleren des vairagya. Doch wenn das Erfordernis der eigenen Natur oder das Erfordernis des inneren Wesens in diese Richtung weist und sich seinen Weg durch die Schwierigkeiten der menschlichen Natur erzwingt, muss dies als die gültige Richtung angesehen werden. Wovor man sich in diesem Falle hüten muss, ist der Ton der Verzweiflung im Vital, das auf den Schrei reagiert, von dem du sprichst – nämlich dass es nie das Göttliche erlangen wird, da es das Göttliche bisher noch nicht erlangt hat, oder dass es keinen Fortschritt macht. Du hast mit Sicherheit einen Fortschritt zu verzeichnen – dieser größere Impuls der Seele und dann die Loslösung selbst, die fortwährend irgendwo in dir wächst. Das Wichtigste ist, durchzuhalten, nicht das Seil zu zerschneiden, weil es deinen Händen weh tut, sondern diese eine Beharrlichkeit zu bewahren, wenn alle anderen von dir abfallen.

Ganz offensichtlich setzt etwas in dir die unbeendigte Kurve eines vergangenen Lebens fort und drängt dich auf den Pfad des vairagya und auf den stürmischeren bhakti-Weg, trotz meiner – und auch deiner – Bevorzugung eines weniger schmerzvollen Weges, etwas, das entschlossen ist, mit der äußeren Natur drastisch zu sein, damit sie frei und ihr geheimes Streben erfüllt wird. Doch höre nicht auf diese Einflüsterungen der Stimme, die sagt, du würdest keinen Erfolg haben, und es sei nutzlos, es zu versuchen. Das ist etwas, was man auf dem Weg des Spirits niemals zu sagen braucht, wie schwierig er auch im Augenblick erscheinen mag. Bewahre in allem diese Sehnsucht, der du in deinen Gedichten so wundervoll Ausdruck verleihst; denn sie ist in dir, in deinen Tiefen, und Wenn sie die Ursache des Leidens ist – wie es große Aspirationen sind in einer Welt und Natur, in denen sich ihnen so viel widersetzt – dann ist sie auch das Versprechen und die Gewissheit eines künftigen Durchbruchs und Sieges.

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Ich wandte mich damals gegen asketisches und tamasisches vairagya. Mit tamasisch meine ich jene Haltung, die durch eine Niederlage im Leben entsteht, nicht weil man tatsächlich vom Leben angewidert ist, sondern weil man ihm nicht gewachsen war oder seinen Preis nicht bezahlen konnte; man wendet sich dann dem Yoga als einer Art Asyl für Krüppel und Schwache und dem Göttlichen als einer Art Trostpreis für die Sitzengebliebenen der Weltklasse zu. Doch für einen, der die Gaben und Werte der Welt gekostet hat, sie aber unzureichend und schließlich reizlos findet und sich deshalb einem höheren und schöneren Ideal zuwendet, oder für einen, der teilhatte am Kampf der Welt, doch dann erkannte, dass etwas Größeres von der Seele gefordert wird, für den ist vairagya durchaus hilfreich und ein guter Anfang für den Yogaweg; ebenso das sattvische vairagya, durch das man erkennt, was das Leben ist, und sich dem zuwendet, was darüber oder dahinter steht. Mit asketischem vairagya meine ich jene Haltung, die Leben und Welt insgesamt verneint und in das Unbestimmbare eingehen will; ich bin gegen vairagya für jene, die diesen Yoga aufnehmen, da es unvereinbar mit meinem Ziel ist, das darin besteht, das Göttliche in das Leben herabzubringen. Doch ist man mit dem Leben so wie es ist zufrieden, dann besteht kein Grund, das Göttliche in das Leben herabzubringen; deshalb ist vairagya in dem Sinn eines Unbefriedigtseins mit den Leben als solchem durchaus zulässig und in gewisser Hinsicht sogar unerlässlich für meinen Yoga.

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Ich anerkenne durchaus, dass ein vorübergehendes Stadium von vairagya als Gegengewicht gegen einen zu starken Sog des Vitals nützlich sein kann. Doch vairagya neigt immer zur Abkehr vom Leben, und das tamasische Element in vairagya, wie Verzweiflung, Niedergeschlagenheit usw., erstickt das Feuer des Wesens und kann sogar dazu führen, dass man zwischen zwei Stühle fällt und so die Erde verliert und den Himmel verfehlt. Ich ziehe es deshalb vor, vairagya durch eine stetige und ruhige Zurückweisung dessen, was zurückgewiesen werden muss, zu ersetzen – Geschlechtstrieb Eitelkeit, Egozentrik, Verhaftetsein usw. –, doch nicht etwa die Zurückweisung jener Tätigkeiten und Mächte, die zu einem Instrument der Sadhana und göttlichen Arbeit gemacht werden können, wie Kunst, Musik, Dichtung usw.; doch diese müssen eine neue, spirituelle oder seelische Grundlage finden, eine tiefere Inspiration, eine Hinwendung zum Göttlichen oder zu göttlichen Dingen. Yoga kann ohne die Zurückweisung des Lebens ausgeübt werden und ohne die Lebensfreude oder die vitale Kraft zu töten oder zu schmälern.

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Nein, ich sagte nicht, dass du das rajasische oder tamasische vairagya gewählt hättest. Ich erklärte lediglich, wie es von selbst entstanden sei, als Ergebnis einer vitalen Bewegung anstelle des sattvischen vairagya, das meist einer Abkehr von der Welt um des Göttlichen willen vorangeht und diese verursacht oder begleitet oder ihr entspringt. Tamasisches vairagya entsteht aus diesem Zurückschrecken des Vitals, wenn es fühlt, dass es die Lebensfreude aufzugeben hat, dass es lustlos und traurig wird; rajasisches vairagya entsteht, wenn das Vital die Lebensfreude zu verlieren beginnt und sich beklagt, keinen Ersatz dafür zu bekommen. Niemand wählt solche Bewegungen; sie entstehen unabhängig aus dem Vital als gewohnheitsmäßige Reaktionen der menschlichen Natur. Diese Dinge zurückzuweisen, indem man sich von ihnen loslöst, ein zunehmendes ruhiges Streben, eine reine bhakti, eine glühende Hingabe an das Göttliche – das war es, was ich als die wahrhaft förderliche Bewegung vorschlug.

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Es gibt ein sattvisches vairagya – doch haben viele Menschen die rajasische oder tamasische Art. Die rajasische Art wird von einem Aufbegehren gegen die Bedingungen des eigenen Lebens gekennzeichnet, die tamasische entsteht aus Unzufriedenheit, Enttäuschung, aus dem Gefühl, der Unfähigkeit, im Leben erfolgreich zu sein oder ihm begegnen zu können, aus dem Gefühl, von der Gewalt und dem Leid des Lebens zermalmt zu werden. Daraus geht die Empfindung der Nichtigkeit des Daseins hervor, das Verlangen, etwas weniger Elendes zu suchen, etwas Gewisseres und Glücklicheres oder auch die Befreiung vom Erdendasein überhaupt; die unmittelbare Folge davon ist jedoch nicht gleich ein lichthaftes Streben oder ein reines, friedvolles und freudvolles Streben nach spiritueller Verwirklichung.

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Den sattva-Bereich zu durchqueren, ist die übliche Idee des Yoga; es ist jene Vorbereitung und Läuterung durch yamaniyama, die moralische Selbstkontrolle von Patanjali, oder aber durch andere Methoden in anderen Yogasystemen, wie zum Beispiel Heiligkeit in den bhakti-Schulen, der achtfache Pfad im Buddhismus usw. In unserem Yoga tritt an die Stelle der sattvischen Entfaltung des Wesens das Erlangen des Gleichmuts, samata, und die seelische Umwandlung.

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Ganz offensichtlich schaffen die rajasischen Bewegungen größere Schwierigkeiten in der Sadhana als die sattvischen. Die größte Schwierigkeit des sattvischen Menschen ist die Falle der Tugend und Rechtschaffenheit, die Fessel der Philanthropie, der mentalen Idealisierungen, der Bindungen an die Familie usw.; diese Dinge sind aber mit Ausnahme der ersteren zwar schwer, doch nicht übermäßig schwer zu überwinden oder umzuwandeln. Manchmal jedoch sind sie so hartnäckig wie die rajasischen Schwierigkeiten.

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Die Zurückweisung des Lebens der Tat, sannyasa, beseitigt nicht das Verhaftetsein – es läuft lediglich auf ein Davonrennen vom Gegenstand des Verhaftetseins hinaus, was zwar helfen mag, doch in sich allein nicht die radikale Heilung bringen kann.

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Dieses Gefühl (die Unwichtigkeit der Dinge in der Zeit) wird von der asketischen Disziplin manchmal dazu benutzt, um den Menschen vom Verhaftetsein mit der Welt zu befreien – doch taugt es nicht für einen positiven oder dynamischen spirituellen Zweck.

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Das Lebensprinzip, das ich zu errichten suche, ist spirituell. Moral gehört in den Bereich des menschlichen Vitals und Mentals, sie gehört einer niedrigeren Ebene des Bewusstseins an. Ein spirituelles Leben kann daher nicht auf einer moralischen Grundlage basieren, es muss eine spirituelle Grundlage haben. Das bedeutet nicht, dass der spirituelle Mensch unmoralisch zu sein hat- als gäbe es kein anderes Gesetz des Verhaltens als das der Moral. Das spirituelle Bewusstsein handelt gemäß einem höheren und nicht einem niedrigeren Gesetz als das des moralischen Bewusstseins, es gründet auf der Einung mit dem Göttlichen, es lebt im Göttlichen Bewusstsein, und sein Handeln gründet auf dem Gehorsam gegenüber dem Göttlichen Willen.

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Die von dir geäußerten Ansichten hinsichtlich richtig und falsch, Schönheit und Hässlichkeit, sind für den Menschen und die Führung seines Lebens notwendig. Er kann ohne die Unterscheidungen, die damit verbunden sind, nicht auskommen. Doch in einem höheren Bewusstsein, sobald er in das Licht eintritt oder dessen Berührung empfängt, schwinden diese Unterscheidungen, denn er nähert sich dann dem ewigen, unendlichen Guten und Rechten, die er in ihrer Vollständigkeit erreicht, sobald er in das Wahrheits-Bewusstsein oder das Supramental einzutreten vermag. Auch der Glaube an die Führung Gottes wird durch die spirituelle Erfahrung gerechtfertigt und ist für die Sadhana ausgesprochen notwendig; dies bewahrheitet sich zuhöchst und in seiner ganzen Fülle, sobald man in das Licht eintritt.

Was du über das Gebet sagst, ist richtig. Das ist die höchste Art von Gebet, doch auch die andere, mehr personelle Art ist zulässig und sogar erwünscht. Jedes richtig dargebrachte Gebet bringt uns dem Göttlichen näher und festigt die rechte Beziehung zu Ihm.

Die Hemmnisse, von denen du sprichst, sind die üblichen der Sadhana, und werden durch die verschiedenen Teile des Wesens verursacht – besonders durch vitale Störung und physische Trägheit, Bewegungen, die das Bewusstsein allmählich verarbeiten muss.

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Ich vermute, jeder Mensch gestaltet seine eigene Lebensordnung – oder versucht sie zu gestalten – aus der Unzahl von Möglichkeiten, welche die Kräfte ihm anbieten. Die meisten setzen sich das Ich und die Familie als Ziel – zu verdienen, eine Familie zu gründen und zu erhalten, für eine Stellung in den gewählten Lebensumständen zu arbeiten, sei es im Geschäftsleben, in einem Beruf usw. usw. – Vaterland und Menschheit werden meist nur von einer Minderheit diesen Zielen hinzugefügt. Einige haben ein Ideal und folgen diesem als ihrem hauptsächlichen Lebensinhalt. Nur die sehr Religiösen versuchen, Gott zum Mittelpunkt ihres Lebens zu machen, was ihnen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nur ziemlich unvollständig gelingt. Keines dieser Dinge ist gesichert oder gewiss, und selbst letzteres enthält nur dann eine Gewissheit, wenn man sich ihm mit einer Ausschließlichkeit zuwendet, wie sie nur wenige aufzubringen bereit sind. Das Leben der Unwissenheit ist ein Spiel von Kräften, durch die der Mensch seinen Weg sucht, und alles hängt davon ab, inwieweit er durch die Erfahrung bis zu jenem Punkt wächst, an dem er dieser [Unwissenheit] entwachsen ist und in etwas anderes eintritt. Dieses andere ist tatsächlich ein neues Bewusstsein – sei es ein neues Bewusstsein jenseits des Erdenlebens oder ein neues Bewusstsein im Erdenleben.

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Familie, Gesellschaft, Vaterland sind ein größeres Ego – sie sind nicht das Göttliche. Man kann nur dann für sie arbeiten und sagen, es sei für das Göttliche, wenn man sich des Göttlichen Befehls, adesa, oder der Göttlichen Kraft, die in einem wirkt, bewusst ist. Andernfalls ist es nur eine Idee des Mentals, die das Vaterland usw. mit dem Göttlichen identifiziert.

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Alles hängt von dem Ziel ab, das du dir setzt. Wenn es für die Verwirklichung des spirituellen Zieles notwendig ist, das gewöhnliche Leben in der Unwissenheit (samsara) aufzugeben, dann hat es zu geschehen; die Forderung des gewöhnlichen Lebens kann der des Spirits nicht standhalten.

Wenn man ausschließlich den Yoga der Arbeit als Pfad wählt, kann man im samsara verbleiben, doch frei – man betrachtet es als Feld des Wirkens und nicht mit einem Gefühl der Verpflichtung; denn der Yogi muss innerlich von allen Bindungen und Verhaftungen frei sein. Andererseits besteht keine Notwendigkeit, innerhalb der Familie zu leben – man kann das Familienleben aufgeben und jede Arbeit als Tätigkeit aufnehmen.

Unser Yoga hat das Ziel, sich zu einem höheren Bewusstsein zu erheben und allein in diesem höheren Bewusstsein und nicht aus gewöhnlichen Beweggründen zu leben. Dies bedeutet sowohl eine Veränderung des Lebens als auch eine Veränderung des Bewusstseins. Doch nicht für alle liegen die Umstände derart, dass sie das gewöhnliche Leben zurücklassen können; sie nehmen es daher in den frühen Stadien der Sadhana als einen Bereich der Erfahrung und Selbstschulung an. Sie müssen jedoch darauf achten, es allein so zu betrachten und sich von den üblichen Wünschen, Verhaftungen und Ideen, die meist damit verbunden sind, zu befreien; andernfalls wird es zu einem Hemmschuh und Hindernis der Sadhana. Falls man durch die gegebenen Umstände nicht dazu gezwungen wird, besteht kein Erfordernis, das gewöhnliche Leben fortzusetzen.

Wenn man das gewöhnliche Tun und Treiben aufgibt, wird man nur dann tamasisch, wenn das Vital daran gewöhnt war, seine Tatmotive aus dem normalen Bewusstsein mit seinen Wünschen und Tätigkeiten zu beziehen; sobald es diese dann verliert, fällt alle Freude, aller Reiz, alle Energie des Lebens von ihm ab. Doch wenn man ein spirituelles Ziel, ein inneres Leben hat und das Vital akzeptiert diese, dann erhält es seine Energien von innen, und es besteht keine Gefahr mehr, tamasisch zu werden.

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Es ist nicht absolut notwendig, sich vom gewöhnlichen Leben abzuwenden, wenn man das Licht suchen oder den Yoga ausüben will. Dies wird meist von jenen getan, die einen tiefen Trennungsschnitt vollziehen wollen, um ein rein religiöses oder ausschließlich inneres und spirituelles Leben zu leben – also jene, die der Welt gänzlich entsagen und sich durch die Erlangung eines höheren [Bewusstseins-] Zustandes oder der transzendenten Realität vom kosmischen Dasein abwenden wollen, um derart ihr Geborenwerden als Mensch zu beenden. Andernfalls ist es nur dann notwendig, wenn der Druck des inneren Verlangens so groß wird, dass das gewöhnliche Leben zu leben nicht länger mit dem Verfolgen des bestehenden spirituellen Zieles vereinbar ist. Bis dahin ist es wichtig, eine Kraft innerer Isolierung zu bewahren und fähig zu sein, sich in sich selbst zurückziehen und in jedem Augenblick auf den nötigen spirituellen Zweck konzentrieren zu können. Es muss ebenfalls die Fähigkeit entwickelt werden, das gewöhnliche äußere Leben aus einer neuen Haltung heraus zu meistern; dann kann man die Ereignisse jenes Lebens selbst als Mittel für die innere Veränderung der menschlichen Natur und das Anwachsen der spirituellen Erfahrung gebrauchen.

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Was deine Freundin anbelangt, so kann ich nicht erlauben, dass sie herkommt; denn das hängt von vielen Dingen ab, die hier nicht eindeutig gegeben sind. Als erstes hat man diesen Yogaweg aufzunehmen, oder es muss erkenntlich sein, dass man dazu berufen ist; erst danach erhebt sich die Frage der Eignung für unser Ashramleben. Die Frage der Familienpflichten kann auf folgende Weise beantwortet werden: Familienpflichten bestehen, solange man sich im gewöhnlichen Bewusstsein des grhastha, des Hausvaters befindet; ob man sich an sie hält oder nicht, wenn einmal der Ruf zum spirituellen Leben ergangen ist, hängt zum Teil von dem Yogaweg ab, dem man folgt, zum Teil vom eigenen spirituellen Erfordernis. Es gibt viele, die innerlich dem spirituellen Leben folgen und die Familienpflichten beibehalten, nicht als soziale Pflichten, sondern als Bereich zur Ausübung des Karmayoga; andere verlassen alles, um dem spirituellen Ruf oder Weg zu folgen, und sind gerechtfertigt, wenn es für den Yoga, den sie ausüben, oder für das bestehende Erfordernis ihrer Seele notwendig ist.

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Ich erinnere mich nicht an den Zusammenhang; doch ich vermute, er meint, um dem niederen dharma zu entkommen – wie sozialen Pflichten, dem Bezahlen von Schulden, dem Versorgen der Familie, dem Dienst am Vaterland usw. usw. –, hat man es häufig aufzugeben, um zu einem höheren dharma zu gelangen. Derjenige, der sich dem spirituellen Leben zuwendet, muss oft all dies hinter sich lassen, und er wird von vielen Menschen wegen seines adharma verurteilt. Doch wenn er dieses adharma nicht auf sich nimmt, ist er für immer an das niedere Leben gebunden – denn es gibt immer eine Pflicht, der man nachzukommen hat – und kann das spirituelle dharma nicht aufnehmen oder erst, wenn er alt ist und ihm seine Fähigkeiten nicht mehr voll zur Verfügung stehen.

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Du kannst sein Bild beschaffen, es wird vielleicht dazu beitragen, seine Natur zu erkennen. Doch es besteht keine Notwendigkeit, ihn zu überreden; wie aus seinem Brief hervorgeht, scheint er insgesamt für das spirituelle Leben nicht bereit zu sein. Seine Vorstellung vom Leben scheint eher moralisch und philanthropisch als spirituell zu sein; und zudem ist er dem Familienleben verhaftet. Wenn der Impuls, das Göttliche zu suchen, von dem er spricht, mehr ist als eine mentale Hinwendung, ausgelöst durch eine undeutliche Emotion, wenn wirklich etwas Seelisches dahintersteht, wird es sich im rechten Augenblick zeigen; es ist nicht nötig, dies anzuregen, und eine vorzeitige Anregung könnte ihn zu etwas drängen, zu dem er noch nicht bereit ist.

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Das wahre Ziel des Yoga besteht nicht in Philanthropie, sondern darin, das Göttliche zu finden, in das göttliche Bewusstsein einzutreten und sein eigenes Wesen (das nicht das Ego ist) im Göttlichen zu finden.

Die Feinde, ripus, können durch Unterdrückung, damana, nicht besiegt werden; selbst wenn es bis zu einem gewissen Grad gelingt, werden sie nur niedergehalten, doch nicht vernichtet werden; häufig vermehrt der Druck sogar ihre Kraft. Allein durch die Läuterung, die stattfindet, wenn das göttliche Bewusstsein in die egoistische Natur eindringt und diese verändert, kann es geschehen.

Nur wenn sich der Sadhak aus dem tiefen Inneren her gibt und sich beharrlich an den Weg hält, kann er erfolgreich sein.

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Die Idee der Nützlichkeit für die Menschheit ist der alte Wirrwarr von entlehnten Vorstellungen, die aus dem Westen stammen. Schließlich braucht man, um der Menschheit zu nützen, keinen Yoga; jeder, der ein menschliches Leben führt, ist auf die eine oder andere Weise der Menschheit „nützlich“.

Yoga ist auf Gott gerichtet, nicht auf den Menschen. Wenn ein göttliches, supramentales Bewusstsein und eine göttliche, supramentale Macht herabgebracht und in der stofflichen Welt gefestigt werden könnten, würde dies bestimmt eine gewaltige. Veränderung sowohl für die Erde als auch für die Menschheit und ihr Leben bedeuten. Doch die Auswirkung auf die Menschheit wäre nur ein Ergebnis dieser Veränderung; sie kann nicht das Ziel der Sadhana sein. Das Ziel der Sadhana ist einzig, im göttlichen Bewusstsein zu leben und dieses im Dasein zu manifestieren.

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Was den Auszug über Vivekananda anbelangt2, so scheint mir die Stelle nicht humanitär zu sein. Du wirst erkennen, dass ich dort die letzten Sätze auf der Seite hervorhebe, die Vivekananda zitiert, nicht die Worte über Gott den Armen und Sünder und Schuldigen. Die betreffende Stelle bezieht sich auf das Göttliche in der Welt, im All, in allen Wesen, jenes sarva-bhutani der Gita. Das umfasst nicht nur die Menschheit, viel weniger nur die Armen und Gottlosen – ganz sicher sind auch die Reichen und Guten Teil des Alls und jene, die weder gut noch schlecht, weder reich noch arm sind. Es ist auch nichts von philanthropischem Dienst darin enthalten (ich meine, in meinen eigenen Bemerkungen), daher ist auch der Dienst an den Armen, daridrer seva, nicht das Ausschlaggebende. Ich vertrat früher keinen humanitären, sondern den Menschheits-Standpunkt, und etwas hiervon mag in meiner Formulierung im Arya noch durchklingen. Doch hatte ich dort bereits meinen Standpunkt „unser Yoga um der Menschheit willen“ in „unser Yoga um des Göttlichen willen“ geändert. Das Göttliche umfasst nicht nur das Suprakosmische, sondern auch das Kosmische und das Individuelle – nicht nur nirvana oder das Jenseits, sondern das Leben und das All. Dies ist es, was ich überall hervorhebe.

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Ich erinnere mich nicht an das, was ich über Vivekananda sagte. Wenn ich sagte, er sei ein großer Vedanta-Anhänger gewesen, ist es durchaus richtig. Daraus folgt aber nicht, dass alles, was er sagte oder tat, als die höchste Wahrheit oder das Beste schlechthin akzeptiert werden muss. Sein Ideal, zu dienen, seva,war ein Erfordernis seiner Natur und hat ihm sicher geholfen – das besagt aber nicht, dass es als universales spirituelles Erfordernis oder Ideal angenommen werden muss. Ob er, als er es verkündete, Ramakrishnas Werkzeug war, kann ich nicht beurteilen. Es scheint festzustehen, dass Ramakrishna in ihm eine große Macht erkannte, um den Welt-Geist in eine spirituelle Richtung zu lenken, und man darf annehmen, dass die Sendung vom Meister auf den Schüler überging. Die Einzelheiten seiner Tätigkeit sind etwas anderes. Was das „Voranschreiten wie ein Blinder“ anbelangt, so ist dies ein Gefühl, das leicht auftritt, wenn eine Macht, die höher als das eigene Mental ist, einen zu großem Tun drängt; denn das Mental erfasst nicht intellektuell das, zu dem es gedrängt wird; es kann Regungen des Zweifels und Staunens haben – und dennoch muss es weitermachen. Die vedantische Verwirklichung (Advaita) ist die des schweigenden, statischen oder absoluten Brahman – man kann sie erreicht haben und dennoch nicht die gleiche unanfechtbare Klarheit über die Bedeutung des eigenen Tuns besitzen –, denn für den Advaitin liegt der Schatten der Maya über dem eigenen Tun.

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Heute ist ein Berg von Korrespondenz über mich hereingebrochen, und ich konnte über die Menschheit und ihren Fortschritt nichts schreiben. Waren nicht die späteren Ansichten von Lowes Dickinson überschattet von der kränkelnden Manier eines enttäuschten Idealismus? Ich selbst habe keinen übertriebenen Respekt vor der Menschheit und dem, was sie ist – doch zu sagen, es hätte überhaupt keinen Fortschritt gegeben, ist so sehr übertriebener Pessimismus, wie das entzückte Halleluja über eine fortschrittliche Menschheit im 19. Jahrhundert ein übertriebener Optimismus war. Ich werde versuchen die Kapitel, die du mir sandtest, durchzugehen; dass ich es allerdings einrichten kann, Zeit für solche Dinge zu finden, ist ein fortwährendes Wunder und der deutliche Beweis einer Göttlichen Vorsehung.

Ja, es ist ein echter Fortschritt, den du macht – die Zeichen sind deutlich erkennbar. Und schließlich ist der beste Weg, der Menschheit zum Fortschritt zu verhelfen, der, selbst vorwärts zu schreiten; das mag individualistisch oder egoistisch klingen, stimmt aber nicht – es ist gesunder Menschenverstand. Wie die Gita sagt: „Was immer die Besten tun, nehmen die Übrigen sich als Beispiel!“

Es gibt immer ungeläuterte Teile, durch welche die Menschen zurückgeworfen werden – und wer wäre nicht gespalten? Doch das beste ist, Vertrauen in die Seele zu haben, jenen Funken des Göttlichen zuinnerst, und diesen zu hegen, bis er sich zu einer ausreichenden Flamme erhebt.

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Es ist sinnlos, derartige Gefühl zu hegen. Man muss die Welt erkennen, ohne bitter zu werden; Bitterkeit hat ihren Ursprung im eigenen Ego und seinen enttäuschten Erwartungen. Wenn man den Sieg des Göttlichen will, muss man ihn zuerst in sich selbst erlangen.

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Das erste Erfordernis für den Sadhak ist, sich vor allem auf das eigene spirituelle Wachsen, die eigene spirituelle Erfahrung zu konzentrieren – der Eifer, anderen zu helfen, lenkt von der inneren Arbeit ab. Spirituell zu wachsen, ist die größte Hilfe, die man anderen geben kann, denn dann geht etwas Hilfreiches in natürlicher Weise auf sie über.

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Sich derart an das Tun zu klammern ist absurd, solange man nicht das Licht erlangt hat, durch das man handeln muss. Der Satz „Yoga muss das Leben mit einbeziehen und nicht ausschließen“ bedeutet nicht, dass wir das Leben, so wie es ist, in all seiner strauchelnden Unwissenheit anzunehmen haben, in seinem Elend und dem dunklen Gemisch aus menschlichem Willen, Verstand, Impuls und Instinkt, deren Ausdruck es ist. Diejenigen, die das Tun verfechten, glauben, dass durch den menschlichen Verstand und die menschliche Energie, die immer von neuem losstürmen, schon alles ins rechte Lot kommen werde; der gegenwärtige Zustand der Welt nach der Entfaltung des Intellektes und einer gewaltigen Energie-Produktion, für die es keine historische Parallele gibt, ist ein deutlicher Beweis für die Nichtigkeit dieser Illusion, die ihr Tun überschattet. Yoga geht davon aus, dass allein durch eine Veränderung des Bewusstseins die wahre Basis des Lebens entdeckt werden kann; von innen nach außen ist hier die Regel. Doch bedeutet innen nicht ein Viertelzentimeter hinter der Oberfläche. Man muss tief nach innen gehen, man muss die Seele finden, das Selbst, die Göttliche Wirklichkeit zuinnerst; nur dann kann das Leben der wahre Ausdruck dessen werden, was wir zu sein vermögen, und es besteht nicht länger aus der blinden, immer wiederkehrenden wirren Trübheit jener unzureichenden und unvollkommenen Dinge, die wir waren. Wir haben zu wählen, ob wir in dem alten Durcheinander bleiben wollen, umhertastend und auf irgendeine Entdeckung hoffend, oder ob wir uns loslösen und das innere Licht suchen wollen, bis wir die Gottheit in uns und um uns entdecken und errichten können.

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Ich habe Xs Hinwendung zum Yoga, die die bessere Seite seines Aktivismus hätte ergreifen sollen, niemals allzu sehr getraut; zwei starke Fesseln in ihm verhindern diese, und zwar Ehrgeiz und das Bedürfnis zu handeln im Vital und geistiger Idealismus im Mental; diese beiden Dinge sind eine Brutstätte der Illusion. Der spirituelle Pfad erfordert eine gewisses Maß an Idealismus, man hat den wahren Wert der bestehenden Dinge zu erkennen, der – außer als Stufen in der Evolution – ein sehr geringer ist. Man kann daher entweder dem spirituell-statischen Pfad der Ruhe und Loslösung folgen oder dem spirituell-dynamischen Pfad einer größeren Wahrheit, die in das Leben herabgebracht werden muss.

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Natürlich, Tagore gehörte einem Zeitalter an, das an seine Ideen glaubte und dem seine Fehlschläge schöpferische Bestätigungen waren. Das ergibt einen gewaltigen Unterschied. Deine Kritik bezüglich seiner späteren Entwicklung mag richtig sein oder nicht, doch war gerade diese Mischung der Ton des Tages und drückte die fühlbare Hoffnung einer Verschmelzung mit etwas Neuem und Wahrem aus – daher war sie schöpferisch. Doch durch das gewaltige feindliche Geschehen ist jeglicher Idealismus in Stücke zerschlagen worden; nun versucht jeder, dessen Schwäche aufzuzeigen, doch weiß niemand, womit er ersetzt werden soll. Sicher nicht weiterhelfen wird uns diese Mischung aus Skeptizismus und Phrasen, wie „Heil Hitler“, dem faschistischen Gruß, dem Fünf-Jahres-Plan und dem Versuch, jedermann in eine amorphe Form zu hämmern – eine enttäuschte Leugnung aller Ideale einerseits und andererseits ein blindes Eintauchen in den Morast in der Hoffnung, dort eine feste Grundlage zu finden. Und was gibt es sonst noch? Solange keine neuen, spirituellen Werte entdeckt werden, ist keine große, dauernde Schöpfung möglich.

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Es ist seltsam, diese Intellektuellen sprechen immerzu vom Erschaffen, während sie lediglich dazu in der Lage sind, sich in das Nichts zu stürzen, ohne auch nur einen Finger dagegen rühren zu können. Was wollen sie erschaffen und aus welchem Stoff? Und außerdem, was nützt es, wenn jeden Augenblick ein Hitler mit seinem Knüppel oder ein Mussolini mit seinem Rizinusöl kommen kann, um es auszuwischen oder in Stücke zu schlagen.

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Ja, der menschliche Verstand ist ein sehr angenehmes und gefälliges Instrument und arbeitet hauptsächlich in den Bahnen, die von Interesse, Vorliebe und Vorurteil festgelegt wurden. Die Politiker argumentieren falsch oder unaufrichtig und besitzen die Macht, die Resultate ihrer Argumentationen zu erzwingen, und verpfuschen so die Belange der Welt. Die Intellektuellen argumentieren und beweisen, was ihr Mental ihnen aufzeigt und was weit davon entfernt ist, immer die Wahrheit zu sein; denn meist erfolgt die Entscheidung durch intellektuelle Neigung und jenen Blickwinkel, der dem Mental während der Erziehung aufgeprägt wurde; doch selbst wenn sie Erkenntnis besitzen, haben sie nicht die Macht, diese durchzusetzen. Auf diese Weise bewegt sich die Welt zwischen blinder Macht und erkennender Unfähigkeit und formt sich ihr Schicksal mit Hilfe eines mentalen Wirrwarrs.

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Du schreibst, als wäre das, was in Europa vor sich geht, ein Krieg zwischen den Mächten des Lichts und den Mächten der Finsternis – doch ist das nicht mehr so wie während des Großen Krieges. Es ist der Kampf zwischen zwei Arten von Unwissenheit. Unser Ziel ist,eine höhere Wahrheit herabzubringen, doch muss diese Wahrheit durch ihre eigene Kraft leben können und darf nicht vom Sieg der einen oder anderen Kraft der Unwissenheit abhängig sein. Das ist der Grund, warum wir uns nicht in politische oder soziale Auseinandersetzungen und Kämpfe mischen dürfen; dies würde einfach unsere Bemühungen auf eine niedere Ebene bringen und die Herabkunft der Wahrheit verhindern, die keines dieser Dinge ist, sondern einem ganz anderen Gesetz folgt und eine ganz andere Grundlage hat. Du sprichst davon, dass brahmatej [die Macht und Herrlichkeit Brahmas] von ksatratej [die Macht des Kshatriyas] überwältigt wird; doch wo ist das geschehen? Keine der sich bekämpfenden Parteien inkarniert es.

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1 Dieser Brief bezieht sich auf die folgende Bemerkung Mahatma Gandhis: „Religion aber gleicht nicht einem Haus oder einem Mantel, den man beliebig wechseln kann. Sie ist mehr ein integraler Teil des eigenen Selbstes als des eigenen Körpers. Religion ist das Band, das einen an seinen Schöpfer bindet, und wenn der Körper zwangsläufig verfällt, besteht die Religion auch hernach noch fort.“

2 „Ich habe jeden Wunsch nach meiner Erlösung verloren, möge ich wieder und wieder geboren werden und tausend Leiden leiden, so dass ich den einen Gott, den es gibt, verehren kann, den einen Gott, an den ich glaube, die Gesamtheit aller Seelen – und vor allem mein Gott der Elende, mein Gott der Böse, mein Gott der Arme aller Menschen, aller Arten, er vor allem anderen ist das einzige Ziel meiner Anbetung. Er, der hoch und niedrig ist, der Heilige und der Sünder, der Gott und der Wurm, Ihn bete an, den Sichtbaren, den Erkennbaren, den Wirklichen, den Allgegenwärtigen; zerbrich alle anderen Idole. In Ihm gibt es weder vergangene§ Leben noch künftige Geburt, weder Tod noch Gehen und Kommen, in dem wir immer eins gewesen sind und immer eins sein werden, Ihn bete an; zerbrich alle anderen Idole.“ (Aus einem Brief Swami Vivekanandas. Von Sri Aurobindo zitiert in der „Synthesis of Yoga“, Centenary Edition, 1972, S. 257.)

Briefe über den Yoga

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