Читать книгу Der Clan der Dominanz | Erotischer Roman - Starla Bryce - Страница 3
Оглавление1. Milch
Wie oft hatte sie heute schon Winter Wonderland von Michael Bublé gehört? Dabei ließ der Regen an diesem Montagmorgen nicht gerade Weihnachtsstimmung bei Kim aufkommen. Doch Tante Brigitta, von allen bloß Gitta gerufen, packte jedes Jahr pünktlich zum Novemberbeginn die Weihnachts-CDs raus. Ganz egal ob das Wetter weihnachtlich war oder nicht. Das mit jeder Menge Kunstschnee und glitzernden weißen Füchsen und Rehen dekorierte Schaufenster hatte tatsächlich schon einige Kunden zu Weihnachtseinkäufen im Shabby Stübchen verleitet. Unter den Weihnachtsklassiker mischten sich die Geräusche der Handwerker, die in der Wohnung über dem Laden die alten Fliesen herausrissen. Bei dieser Beschallung grenzte es beinahe an ein Wunder, dass Kim das Hupen hörte. Sie legte den Stapel Glasuntersetzer mit Rosenmotiv, den sie gerade in das Regalfach hatte einräumen wollen, beiseite und schaute nach draußen. Ein grüner Opel Corsa. Kim presste ihre Hände auf die Ablagefläche der Vintage-Kommode. Ihr Herz begann seinen Takt zu verdoppeln, dann zu verdreifachen. Als hätte er nur auf dieses Signal gewartet, schaltete sich nun auch der Schwindel ein. Kim strich die dunkelblonden Locken hinter die leicht abstehenden Ohren – die sie schon seit der Teenagerzeit störten - und trommelte rhythmisch gegen ihre jeansbedeckten Oberschenkel. Sie wollte sich ihrem Körper nicht schon wieder ergeben. Das Auto hupte ein weiteres Mal, ehe der Vordermann weiterfuhr und auch der grüne Opel verschwand.
»Die Symptome sind nicht lebensbedrohlich. Gleich geht es wieder weg«, flüsterte Kim und schloss für einen Moment die ungeschminkten Augen hinter der schwarzen Cateye-Brille. Doch das war keine gute Idee gewesen. Das Bild, das Kim die meiste Zeit über erfolgreich verdrängte, rückte näher: Robin.
Ganz deutlich hörte Kim sein glucksendes Lachen. Er hatte neben ihr gesessen. Wie immer hatten seine schwarzen Haare etwas ungepflegt ausgesehen. Dabei hatte er mitunter ziemlich lange für diesen Look gebraucht. Kim steigerte die Intensität ihrer trommelnden Schläge und öffnete die Augen. Sie fokussierte sich auf das weiß angepinselte Herz aus Weidenzweigen, das an der Wand neben dem Eingang hing. »Ganz ruhig. Es geht gleich wieder weg.«
Die Türglocke läutete und eine ältere Dame betrat das Shabby Stübchen. Kim erinnerte sich daran, dass sie letzte Woche bereits hier gewesen war. Die langen weißen Haare sowie die purpurrote Baskenmütze waren eine Kombination, die man nicht alle Tage zu Gesicht bekam.
Bitte nicht jetzt!, flehte Kim ihren Körper in Gedanken an und hoffte, dass die Gegenwart der Kundin ihr die drohende Ohnmacht ersparte. Die ältere Dame näherte sich, kniff, als sie etwa einen Meter vor Kim stehen geblieben war, die Augen zusammen, um das Ansteckschild besser lesen zu können, und begrüßte sie dann mit: »Hallo, Frau Möllering.«
Kim erwiderte den Gruß mit angespanntem Lächeln. Warum ihre Tante darauf bestand, dass sie in diesem kleinen Laden ein Namensschild tragen musste, war ihr noch immer schleierhaft. Immerhin hatte Kim sie dazu überreden können, bloß Kim Möllering auf das Namensschild zu schreiben, und nicht Kimberley Christin Möllering.
»Sie sind hier wegen der Etagere, richtig?« Kim spürte, wie sich ihr Körper etwas entspannte. Ablenkung war oft die beste Medizin.
Die Kundin nickte. »Schön warm haben Sie es hier. Wenn ich nicht den Geburtstag meiner Schwester vorbereiten müsste, würde ich bei diesem Wetter auch den ganzen Tag im Warmen sitzen.« Die Frau lächelte.
»Draußen ist es ziemlich ungemütlich, nicht?«
»Allerdings. Aber wir haben ja bereits Anfang November. Da können wir keinen strahlenden Sonnenschein erwarten. Schöner als der Dauerregen wäre jedoch ein wenig Schnee. So wie damals, als ich jung war. Was hatten wir für Spaß beim Schlittschuhlaufen!«
Kim schaute nach draußen in den grauen Regen. Vor dem Schaufenster hatte soeben noch der Opel Corsa gestanden. Erneut wollte der Schwindel sich über Kim hermachen, doch sie ging in Richtung des Lagers und gab ihrem Körper keine Zeit, in die ach so bekannte Schockstarre zu verfallen.
Zwischen den gut sortierten Kartons im Regal fand Kim sogleich den richtigen mit der Aufschrift Etagere. Sie selbst hatte die Bestellung eingeräumt.
»Es ist alles in Ordnung«, flüsterte Kim. Obwohl sie es bereits so oft getan hatte, war Kim noch immer nicht gut darin, sich selbst Mut zuzusprechen. Doch es nützte nichts. Boje war nicht da. Und wäre er da gewesen, hätte sie ihn keines Blickes gewürdigt. Zumindest war das ihr Plan.
Das Päckchen mit dem benutzten türkisfarbenen String, das sie am vorletzten Wochenende aus dem Briefkasten gefischt hatte, ließ ihr keine Ruhe. Auch wenn Boje mehrfach betont hatte, dass die Postbotin sich versehen haben musste und er nicht der »heißeste Kerl aller Zeiten« war, an den das Paket adressiert gewesen war. Von einem Absender keine Spur. Kim hatte ihre Zweifel an Bojes Version mit der verpeilten Postbotin. Bojes Fehltritt in der Vergangenheit trug seinen Teil dazu bei. Doch Boje war jetzt achtundzwanzig und hatte letztes Jahr den Schritt in die berufliche Selbstständigkeit gewagt. Sie wohnten zusammen und erst vor Kurzem war da diese Andeutung mit der Hochzeit gewesen. Das würde Boje doch nicht einfach aufs Spiel setzen? Hitze stieg in Kim hoch und das Regal vor ihr schien zu wanken. Kim ließ sich auf den Boden plumpsen. Ihre Hände griffen nach dem Regal. Die Panik ergriff Besitz von ihr, füllte jede Zelle ihres Körpers hämisch lachend aus. Kim trommelte erneut auf ihre Oberschenkel, versuchte, sich auf den Rhythmus zu konzentrieren, doch dieses Mal brachte ihr die Übung nichts. Der Schwindel schaltete ihren logischen Menschenverstand aus und sie konnte nicht anders, als sich auf den kalten Boden zu legen und die Augen zu schließen. Es vergingen einige Sekunden. Kim versuchte, so ruhig wie möglich zu atmen.
»Gleich ist es vorbei«, dachte sie. »Es wird wieder weggehen.«
Und das tat es auch. Doch zurück blieb das Gefühl, wieder einmal versagt zu haben. Die Übungen hatten nichts gebracht. Langsam stand Kim auf, nahm einen tiefen Atemzug und verließ mit dem Karton in der Hand das Lager. Sie wollte die Kundin nicht unnötig warten lassen.
»Hier ist sie. Ich hoffe, sie gefällt Ihnen«, sagte Kim. Die Kundin, die soeben noch den cremefarben lackierten Schaukelstuhl begutachtet hatte, packte nun die aus weiß angemaltem Metall gefertigte Etagere aus. »Bezaubernd! Genauso habe ich sie mir vorgestellt.«
»Sehr schön.« Kim versuchte, ein Lächeln aufzusetzen. Der Schwindel hatte sich zurückgezogen. Doch Kim musste jederzeit damit rechnen, dass er ihr wieder einen Besuch abstattete. Ihr Alltag bestand aus Achterbahnfahrten und nie wusste sie, wann der nächste steile Abhang auf sie wartete. Die Kundin bezahlte und verließ den Laden, begleitet vom Geräusch der Türglocke.
Kurz nach neun. Die Zeiger der großen Bahnhofsuhr bewegten sich im Zeitlupenmodus. Der ganze Arbeitstag lag noch vor ihr. Kim seufzte. Heute sehnte sie sich danach, sich mit einer Schale warmer Kürbissuppe im Bett zu verkriechen. Umhüllt von warmen Decken. Die Lichterkette an der Wand eingeschaltet und die Rollläden geschlossen, um nichts mehr von dem Regen mitzukriegen. Das Piepen ihres Handys ertönte und Kim nahm es aus der Hosentasche. Eine Nachricht von Boje: Deine Milch wartet!
Kim errötete. Ihre Möse registrierte die Nachricht mit einem Kribbeln. Sie würde es vermutlich nicht schaffen, ihm die kalte Schulter zu zeigen.