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1.3 Grundtypen des Nationalismus: Liberalnationalismus, Linksnationalismus, Rechtsnationalismus

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Eine Definition, die in so großer Nähe zum Selbstverständnis der Nationalisten steht, muß sich freilich die Frage gefallen lassen, ob damit nicht bereits eine Vorentscheidung über den politischen Charakter des Nationalismus, seinen Ort innerhalb des politischen Feldes gefallen ist. Denn es ist ja unübersehbar: die Ideologen des Nationalismus, von Barrès und Maurras über Papini und Corradini bis zu Moeller van den Bruck und Ernst Jünger, stehen politisch rechts in dem von Norberto Bobbio bezeichneten Sinne. Ihre Präferenz gilt dem, was die Menschen ungleich macht, und diese Präferenz überträgt sich auf ihre Deutung des Verhältnisses der Nationen, sofern ihnen der Imperialismus als logische Konsequenz des Nationalismus gilt. Gehört der Nationalismus also essentiell zum Ideenbestand der politischen Rechten?49

Bei der Prüfung dieser Frage ist zunächst auf eine Nuance hinzuweisen, die ich bei dem Vergleich zwischen Estels Definition und dem Selbstverständnis des „nationalistischen Nationalismus“ übergangen habe. Für den letzteren ist der Imperialismus – die Schaffung einer Ordnung der Ungleichheit zwischen den Nationen – eine notwendige und unausweichliche Folge des Nationalismus, und dies implizit selbst in der „defensiven“, französischen Version, die ja immerhin ein Kolonialreich von nicht geringen Dimensionen verteidigt. Die Estelsche Definition enthält dies nur als Möglichkeit, nicht als Notwendigkeit, führt sie als spezifisches Merkmal des Nationalismus doch nur die Annahme eines „sehr hohen ontischen und sittlichen Gewichtes“ der je eigenen Nation an, wohingegen die Schaffung einer Dignitätshierarchie als eher kontingentes Moment erscheint. Die genannte Annahme ist realisierbar, ohne daß damit die Freiheit und Gleichheit anderer Nationen in Frage gestellt wird. Denkbar ist eine reine Prestigekonkurrenz ohne Auswirkungen auf die Souveränität und Selbstbestimmung anderer, ist eine auf die ökonomische Ebene beschränkte Konkurrenz unter grundsätzlicher Respektierung rechtlicher, auch völkerrechtlicher Regularien, ist sogar eine Ordnung der Gleichheit, die die Nationen bzw. Nationalstaaten auf bestimmte, etwa das Wohlstandsgefälle ausgleichende oder ökologischen Erfordernissen Rechnung tragende Maßnahmen verpflichtet. Nationalismus muß deshalb, wie Estel an anderer Stelle bemerkt, nicht notwendig „rechts“ sein. Er kann sich, im internationalen Maßstab gesehen, ebensogut in „linken“ oder „liberalen“ Konstellationen artikulieren.

Kompliziert wird die Sache allerdings dadurch, daß neben den internationalen auch die intranationalen Beziehungen zu berücksichtigen sind. Aber auch hier steht der Nationalismus keineswegs in einer exklusiven Symbiose mit jenen Kräften, die das politische Feld dauerhaft in Richtung einer Ordnung der Ungleichheit strukturieren wollen. Er pflegt sich vielmehr, als idée force, auch mit anderen idées forces zu verbinden, die im politischen Spiel – im doppelten Kampf um „das Monopol der Entwicklung und Verbreitung des legitimen Teilungsprinzips der sozialen Welt“ sowie um „das Monopol der Verwendung der objektivierten Machtinstrumente“50 – wirksam sind. Wie im Bereich der internationalen Beziehungen handelt es sich dabei im wesentlichen nur um drei Ideen bzw. Ideenkomplexe, die sich mit dem Nationalismus auf spannungsvolle Weise amalgamieren: die Ideen der Freiheit, der Gleichheit und der Ungleichheit. Vorstellbar ist, daß eine an individueller Freiheit orientierte Bewegung wie die liberale sich dafür entscheidet, diese Präferenz derjenigen auf Schaffung, Absicherung oder Machterweiterung des Nationalstaates nachzuordnen, ohne sie damit prinzipiell aufzugeben. Vorstellbar ist weiterhin, daß demokratische und/oder sozial(istisch)e Bewegungen den für sie charakteristischen Egalitarismus einer ähnlichen Subordination unterziehen; wie schließlich auch denkbar ist, daß eine auf Maximierung der Ungleichheit ausgerichtete Rechte sich darauf beschränkt, dieses Ziel im Rahmen und unter Anerkennung der Priorität des Nationalstaates zu verfolgen. In allen diesen Fällen wären die Nation und ihr Staat nicht mehr bloße Mittel, um supra- oder subnationale Ziele zu verfolgen, wie dies für den nationalen Liberalismus oder entsprechende Kombinationen mit Demokratie, Sozialismus, Konservatismus etc. gilt. Vielmehr hätte man es mit den Ergebnissen einer Art Achsendrehung zu tun, für die Bezeichnungen wie Liberalnationalismus, Links- oder Rechtsnationalismus am angemessensten erscheinen. Nationalismus wäre von hier aus gesehen gerade nicht indifferent gegenüber der Rechts-Links-Polarität51, sondern eine Maxime, die nur in Symbiose mit anderen Ordnungsvorstellungen auftritt. Mit Recht wird deshalb in der neueren Forschung die „synkretistische Flexibilität“ des Nationalismus betont, seine Fähigkeit, Fusionen mit den unterschiedlichsten Ideologien eingehen zu können52.

Einige Beispiele mögen helfen, die These von der Achsendrehung verständlicher zu machen.

 Nationaler Liberalismus liegt etwa vor, wenn sich ein Benjamin Constant in Reaktion auf die Erfahrungen mit den despotischen Ambitionen des pouvoir collectif während der französischen Revolution für den unbedingten Vorrang der Sicherung der Freiheit ausspricht, verstanden im Sinne eines „Triumphs der Individualität“53; wenn ein Ernest Renan der Nation nur transitorische Bedeutung zubilligt, als zeitweise unentbehrliche „Garantie der Freiheit“, die jedoch bestimmt sei, von einer europäischen Konföderation abgelöst zu werden54; oder wenn, unter ganz anderen Voraussetzungen, deutsche Historiker des Vormärz wie Karl Rotteck das – für sie selbstverständlich von den gebildeten und besitzenden Schichten repräsentierte – Volk als Geschichtssubjekt und Träger des historischen Prozesses konzipieren, für den Fall eines möglichen Zielkonflikts zwischen teilstaatlicher Freiheit und restaurativer Einheit aber klar für die erstere plädieren: „lieber Freiheit ohne Einheit als Einheit ohne Freiheit“55. Von Liberalnationalismus kann man dagegen bei jener sich paradoxerweise als „nationalliberal“ bezeichnenden Partei sprechen, die die innere Liberalisierung auf die Zukunft verschiebt und nach außen für eine Politik optiert, die Deutschland mit den anderen Weltmächten al pari stellt: „erst ein großer Staat, dann können wir das andere abwarten“56.

 Nationaldemokratische Vorstellungen grundieren beispielsweise das Denken von Jefferson, Paine und Condorcet, für die der nationale Staat primär ein Instrument zum gemeinsamen Nutzen einer demokratisch verfaßten Zivilgesellschaft ist, die wiederum auf das höhere Ziel einer Vervollkommnung des Menschen bzw. der „Zivilisation“ verpflichtet sein soll. Im Unterschied zum demokratischen Kosmopolitismus, der für eine Abschaffung der Nationalstaaten und eine universelle Demokratie eintritt – am ausgeprägtesten im Cercle Social von de Bonneville und Fauchet 1790/91 – wird die Gliederung in Nationalstaaten nicht grundsätzlich in Frage gestellt, jedoch generellen Zielen wie der „Beseitigung der Ungleichheit zwischen den Nationen“ (Condorcet) oder der Angleichung der Regierungsformen (Paine) untergeordnet; Jefferson hat sogar einen Austausch der Staatsbürgerschaftsrechte vorgeschlagen57. Im demokratischen Nationalismus dagegen pflegen die transnationalen Bezüge zu rhetorischen Figuren zu verblassen, denen keine organisatorischen Konsequenzen entsprechen. Die Nation ist intern demokratisch, huldigt aber gegenüber anderen Nationen dem sacro egoismo – so etwa bei einem Jakobiner wie Barère, der die französische Wirtschaft protektionistisch abschotten will und gleichzeitig für koloniale Expansion eintritt, darüber hinaus vor allem gegenüber England eine Aggressionsbereitschaft an den Tag legt, die mit Chauvinismus zu schwach beschrieben wäre58. Eine sakrale Aufladung der Nation findet sich auch bei späteren Protagonisten der Demokratie wie Michelet, Mazzini oder im deutschen Radikalismus des Vormärz und der Revolution von 1848/4959.

 Für den Ideenkreis eines nationalen Sozialismus steht in Deutschland etwa Lassalle mit seinen Bestrebungen, durch eine auf den „Volksgeist“ gestützte Bewegung vom Staat das Zugeständnis des allgemeinen Wahlrechts zu erkämpfen und sodann mittels staatlich geförderter Produktivgenossenschaften die soziale Frage zu lösen; steht der Frühzionismus eines Moses Heß oder die von Lenin während des Ersten Weltkriegs entwickelte Strategie, in Rußland mittels Räteherrschaft und Nationalisierung des Grund und Bodens den „Sozialismus in einem Lande“ durchzusetzen, bei stets festgehaltener Perspektive auf eine sozialistische Weltordnung, die die Gliederung in Nationalstaaten transzendiert60. Ein sozialer Nationalismus hingegen, der eben diese Gliederung für unübersteigbar hält, jedoch nach innen wie außen gewissen Gleichheitspostulaten verpflichtet bleibt und damit noch zur Linken gehört, ist bei den revolutionären Syndikalisten Italiens erkennbar und kann wohl auch für Mussolini angenommen werden, der schon in seiner Zeit als Leiter des Avanti mehr Nationalist als Internationalist ist61. Wie schnell ein solcher Linksnationalismus allerdings in den Rechtsnationalismus umzuschlagen vermag, läßt sich nicht nur am italienischen Beispiel, sondern auch am Schicksal prominenter sozialdemokratischer Dissidenten in Deutschland studieren, etwa an August Winnig oder Ernst Niekisch62.

 Als nationalkonservativ wird in der Literatur gern die Ausrichtung bezeichnet, die der Konservatismus in Deutschland nach der Reichsgründung angenommen habe. Mit Panajotis Kondylis ist jedoch eher davon auszugehen, daß die Aneignung der modernen Nationsidee (die ja untrennbar mit derjenigen der Volkssouveränität verbunden ist) im Verein mit der gleichzeitigen Adaption an Kapitalismus und Marktwirtschaft den an die alteuropäische societas civilis gebundenen, sozial im wesentlichen vom Adel getragenen Konservatismus zerstört hat63, so daß man in diesem Fall nicht von einer Achsendrehung sprechen kann. Was im Kaiserreich und mehr noch in der Weimarer Republik unter dieser Flagge segelt, sind unterschiedliche Erscheinungsformen einer neuen (zweiten) Rechten, unter denen der Rechtsnationalismus die wichtigste, wiewohl nicht einzige Strömung ist64.

Da in einer Untersuchung über die Beziehungen zwischen Nationalismus und Faschismus dem Rechtsnationalismus besonderes Gewicht zukommt – was nicht heißen soll, daß nur rechtsnationalistische Positionen in den Faschismus Eingang gefunden hätten –, sei dessen typologische Struktur, wie ich sie in anderen Arbeiten ausführlicher begründet habe, kurz skizziert. Zunächst kann ein Nationalismus, dem es um eine Ordnung der Ungleichheit, sei es mehr innerhalb der Nation, sei es mehr im Verhältnis der Nationen bzw. Nationalstaaten, geht, mehr zu Exklusion oder mehr zu Inklusion tendieren, was sich an der Gestaltung der bürgerlichen, politischen und sozialen Rechte ablesen läßt65. Einen Rechtsnationalismus, der zwar ein gewisses Maß an bürgerlichen Freiheiten anerkennt, bei den politischen Rechten aber klassen-, ethno- oder geschlechterpolitisch motivierte Abstufungen oder gar Exklusionen vornimmt, darüber hinaus soziale Rechte für überflüssigen Luxus hält, nenne ich alten Nationalismus. Man könnte auch von Rechtsnationalismus erster Stufe reden, der in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht der für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts charakteristischen Verschmelzung konservativer und liberaler Positionen verpflichtet ist, in zentralen Punkten jedoch die integrative Kraft des freiheitlichen Nationalstaates für erschöpft hält und den Status quo durch Rücknahme oder Einschränkung wesentlicher Rechte zu stabilisieren versucht: z.B. durch Änderungen des Wahlrechts, die das politische Gewicht der Ober- und Mittelschichten vergrößern, dasjenige der Unterschichten verkleinern66; durch Umstellung von Assimilation auf Dissimilation, indem ethnische Minderheiten dauerhaft unter Fremdenrecht gestellt und politischem wie wirtschaftlichem Druck ausgesetzt werden67; durch bevölkerungspolitische Maßnahmen, die die Fertilität der Unterschichten begrenzen, die der Bessergestellten erhöhen sollen usw.

Von Rechtsnationalismus zweiter Stufe oder neuem Nationalismus ist dagegen immer dort zu sprechen, wo auch in bezug auf die politischen und sozialen Rechte eine Umstellung auf Inklusion erfolgt oder doch wenigstens eine deutliche Bewegung in dieser Richtung erkennbar ist. Gewiß ist dabei das Maß an Inklusion nicht so groß wie im Falle des demokratischen oder sozialen Nationalismus und erst recht eines demokratischen und/oder sozialen Nationalstaates; gewiß auch ist die Lockerung schichtspezifischer Ausschließungsmechanismen oft von einer gegenläufigen Bewegung in geschlechter- oder ethnopolitischer Hinsicht begleitet. Im Unterschied zum alten Nationalismus aber, und nur darauf kommt es an, verhält sich der neue Nationalismus gegenüber der „aktiven Massendemokratisierung“ (Max Weber) nicht bloß abwehrend und eindämmend, sondern responsiv, indem er sich explizit auf die Interessen und Bedürfnisse der Massen als Legitimitätsquelle einstellt. Ein gewisses Maß an demokratischer Partizipation, und sei es nur in Form der plebiszitären Legitimität, wie auch an sozialer Sicherung ist deshalb dem neuen Nationalismus wesentlich68. Es erscheint mir sinnvoll, den Terminus allein auf diese (im übrigen dem historischen Sinn am meisten entsprechende) Entwicklung innerhalb des Rechtsnationalismus zu beziehen und ihn nicht dadurch zu verschleifen, daß man mit ihm das angebliche Gleiten des Nationalismus von links nach rechts belegt – mit der unausweichlichen Folge, daß dann die Entwicklung des Rechtsnationalismus nur mehr mit Steigerungsbegriffen wie „Radikalnationalismus“ oder „Ultranationalismus“ ausgedrückt werden kann69. Natürlich läßt sich das in die Nation investierte Gefühlsquantum steigern oder vermindern. Nationalismus aber im weltanschaulichen Sinne ist per se bereits durch die Absolutsetzung der Nation bestimmt und kann deshalb nicht weiter gesteigert werden, schon gar nicht, wie häufig behauptet wird, durch die Verbindung mit dem Rassismus, der eine Präferenz für Rasse, nicht für Nation beinhaltet.

Eine weitere Variante, die ihrerseits in einer mehr exklusiven oder mehr inklusiven Form auftreten kann, ergibt sich, wenn man den Rechtsnationalismus zu den nicht im engeren Sinne politischen und sozialen Dimensionen des Modernisierungsprozesses in Beziehung setzt, zu dem, was in der Sprache des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie immer auch vage „Fortschritt“ heißt, also: der Entwicklung von Wissenschaft und Technik, arbeitsteiliger Produktion und formaler Organisation. Während alter und neuer Nationalismus unterschiedliche Optionen hinsichtlich des Umgangs mit den politischen und sozialen Begleiterscheinungen dieses „Fortschritts“ vertreten, pflegen sie diesen selbst doch im allgemeinen zu bejahen, auch wenn dies im Falle des alten Nationalismus heißt, daß er damit genau jene Triebkräfte affirmiert, die ihm auf lange Sicht den Boden entziehen. Denkbar ist jedoch ein in dieser Beziehung kritischerer Nationalismus – sicher nicht im Sinne einer totalen Negation, die es kaum erlauben würde, unter den Bedingungen nationalstaatlicher Konkurrenz mit einigem Erfolg nationalistische Politik zu betreiben, wohl aber im Sinne einer Eindämmung und Zähmung des „Fortschritts“. Im Anschluß an die von Historikern und Soziologen herausgearbeitete Unterscheidung von „erster“ und „zweiter Moderne“ (Nipperdey, Beck), von „einfacher“ und „reflexiver Modernisierung“ (Beck) bzw. von „liberaler Moderne“ und „massendemokratischer Postmoderne“ (Kondylis)70 ließe sich dieser nicht schlechterdings antimoderne oder gegenmoderne, wohl aber in gewisser Weise „fortschrittskritische“ Rechtsnationalismus als ein solcher charakterisieren, der den Übergang vom einen Stadium der Moderne zum anderen skandalisiert und die Nation als erstrebte Gemeinschaft gleichsam mit dem Rücken zur „zweiten Moderne“ verwirklichen will. Ich habe diese intermediäre, in einem gedachten Spektrum zwischen den Polen Progression und Regression angesiedelte Position völkischen Nationalismus genannt, weil sie innerhalb der deutschen Rechten bei jenen Gruppen gut nachweisbar ist, für die sich die Bezeichnung völkische Bewegung eingebürgert hat71. Da der Begriff „völkisch“ in der Forschung jedoch überwiegend auf ein ethnisch-genealogisches Nationsverständnis bezogen wird72, mithin auf ein Merkmal, das keineswegs für diesen Typus spezifisch ist, mag es sinnvoller sein, eine neutralere Bezeichnung wie „intermediärer“ oder „hybrider Nationalismus“ zu wählen, um Mißverständnisse auszuschließen. Das entscheidende Kriterium ist jedenfalls nicht die Auffassung von der Nation als ethnischer Abstammungsgemeinschaft oder gar die Verwendung des ius sanguinis, wie es oft in Verkennung der juristischen Bedeutung dieses Terminus heißt73, sondern die Verbindung von Rechtsnationalismus und Kritik der reflexiven Modernisierung.

In englischsprachigen Darstellungen begegnet man hin und wieder auch der Übersetzung des an sich unübersetzbaren Terminus „völkischer Nationalismus“ mit „ethnic populist nationalism“ oder einfach „populist nationalism“74. Tatsächlich deckt sich der hier herausgestellte begriffliche Kern mit vielen Forderungen, wie sie heute in den als populistisch geltenden Parteien West- und Südeuropas auszumachen sind, so daß es durchaus berechtigt ist, Kontinuitätslinien zu ziehen75. Das Problem ist allerdings, daß „Populismus“ in der Alltagssprache eine völlig diffuse Bedeutung angenommen hat und auch im wissenschaftlichen Gebrauch in diese Richtung tendiert, wird er doch auf die unterschiedlichsten Phänomene angewendet: neben der Kritik der reflexiven Modernisierung auch bereits auf eine solche der einfachen Modernisierung (wie bei den russischen Narodniki) sowie, konträr zu beidem, auf eine Politik der Modernisierung, wie sie teils in staatsinterventionistisch-korporativistischer, teils in neoliberaler Form vor allem in Lateinamerika verbreitet ist76. Eine Einengung des Begriffes dürfte, wie meistens in solchen Fällen, nicht zu erreichen sein, da sich zuviele politische Absichten mit ihm verbinden; wenn ich ihn verwende, dann nur in Anführungszeichen und stets in seiner engeren Bedeutung, die sich auf die Kritik der reflexiven Modernisierung bezieht.

Nationalismus und Faschismus

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