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The King

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Der US-Pop vor Elvis glich einem Propagandafeldzug für amerikanische Lebensart. Die Musiklandschaft war fest in der Hand der imaginären Tin Pan Alley, der Gegend rund um das Brill Building nördlich des New Yorker Times Squares, einer gewaltigen Schnulzenschmiede, die sich aus Musik als Kunstform nicht viel machte und jegliche Veränderung fürchtete. Dicke Männer mit Zigarren versuchten das Zeitalter der Big Bands aus der Vorkriegszeit zu erhalten. Alles war hübsch sauber, die Jugendlichen durften sich auch mal verlieben und Tränen vergießen, aber im wesentlichen hatte die Musik weiß und jugendfrei zu sein. Neu war lediglich Frank Sinatra, der als Sänger in den Vierzigern erstmals erreichte, was sonst nur Filmstars vorbehalten war: Die Frauen fielen bei seinen Auftritten reihenweise in Ohnmacht.

1951 veranstaltete ein DJ namens Alan Freed eine Konzertreihe in der Cleveland-Arena, bei der sowohl weiße als auch schwarze Bands auftraten. Freed empfand den Begriff R & B schon lange als rassistisch und taufte die Show The Moon Dog Rock ’n’ Roll Party. Der Begriff etablierte sich schnell, und auch der kommerzielle Siegeszug war nicht zu stoppen, auch wenn Freed den Begriff natürlich nicht erfunden hatte. Schon 1934 erschien die Single »Rock ’n’ Roll« von den Boswell Sisters, und als rüde Umschreibung für den Geschlechtsakt hatte sich Rock ’n’ Roll unter Schwarzen bereits lange zuvor etabliert. 1954 tauschten Bill Haley und seine Saddlemen die Cowboyhüte gegen karierte Jacketts ein und stürmten mit reichlich Fett in den Haaren und einer Coverversion von »Rock Around The Clock« die Charts. »Rock around the clock« war im schwarzen Original nicht weiter aufgefallen, aber die weiße Version übertraf auch die kühnsten Träume der Musikindustrie. Die Platte wurde nicht einfach nur ein Hit. »Rock Around The Clock« wurde zur Hymne und verkaufte sich weltweit schneller als man nachpressen konnte. Die jungen Leute wollten das Gedudel ihrer Großväter längst nicht mehr hören. Erstmals in der Geschichte hatten sie genug eigenes Geld, um selbst als Zielgruppe entdeckt zu werden. Schnell drehte die Industrie mit Blackboard Jungle einen Film dazu und mit Don’t Knock The Rock gleich noch einen, um den Millionenseller von Bill Haley weiter auszupressen.

Dann kam Elvis, und plötzlich war nichts mehr so wie zuvor. Er kam, sah und versetzte die gesamte Jugend in eine nie zuvor dagewesene Hysterie. Ohne Elvis hätte es keinen Dean Reed gegeben, und auch viele andere Künstler wären wohl allenfalls in den Startlöchern geblieben.

Das Erfolgsgeheimnis des »Kings« war nicht wirklich neu und von anderen bereits erfolgreich in Szene gesetzt worden. Carl Perkins, Chuck Berry und Jerry Lee Lewis wirkten souveräner. Gene Vincent und Eddie Cochran, die eigentlichen Urväter des weißen Rock ’n’ Roll, waren authentischer und gefährlicher. Little Richard hatte ihm mit »Tutti Frutti« längst den Weg bereitet. Sein Kostüm mit dem hohen Kragen hatte der King bei dem Helden seiner Kindheit, Captain Marvel jr., abgeguckt. Die Posen hatte er im Kino bei James Dean und Marlon Brando studiert. Auch als Filmstar taugte er nicht viel, aber historisch markierte er einen gewaltigen Umbruch.

Die Geschichte von Elvis begann mit einer Marktlücke. »Wenn ich einen Weißen finden könnte, der den ›Negersound‹ und das ›Negerfeeling‹ besitzt, dann könnte ich eine Milliarde Dollar verdienen«, offenbarte Sam Phillips seiner Sekretärin Marion Kreisker, als er sein Label Sun Records 1952 in Memphis startete.

Im Sommer 1953 kam ein junger Weißer ins Sun-Studio, der mit den alten Bluesmen im Mississippi-Delta aufgewachsen war. Für vier Dollar nahm er zwei Songs auf, und im Januar 1954 kehrte er für zwei weitere Aufnahmen zurück. Phillips witterte das Potential des jungen Mannes. Er hatte das richtige Aussehen, eine gute Stimme und das gewisse Etwas in seinem Auftreten. Er überredete ihn zu Aufnahmen mit Scotty Moore und Bill Black von Doug Poindexter’s Starlight Wranglers. Man probierte einige Nummern, aber erst bei dem traditionellen Blues »That’s All Right« von Arthur »Big Boy« Crudup platzte der Knoten. Sam Phillips hatte seinen »weißen Neger« gefunden.

Im Juni 1955 kam Elvis mit »Baby, Let’s Play House« erstmals in die Country & Western-Charts, und 1956 schoß »The Pelvis« mit »Heartbreak Hotel« in alle Charts der Welt. Ein Hit nach dem anderen pflasterte seinen Weg. Die Medien nannten ihn »Hillybilly Cat« oder »King of Western Bop«, und er beherrschte allein die Charts für Pop, Country und Rhythm and Blues, bis das Denken in Schwarz und Weiß keinen Sinn mehr ergab. Kreischende Mädchen und Halbstarke zerlegten reihenweise das Mobiliar der Auftrittsorte, wenn der King of Rock ’n’ Roll seinen Gottesdienst abhielt.

Elvis Presley war perfekt. Perfekter als perfekt. Elvis kommunizierte mit einem neuartigen Code, den »die Erwachsenen« einfach nicht verstanden. Er bewegte die Massen und löste eine neue Art von Fanatismus aus. Elvis etablierte mit der Art, wie er sprach, Frauen in die Augen sah, durch die Kleidung, die er trug, und vor allem mit dem unglaublichen Sex-Appeal, der von ihm ausging, ein menschliches Gesamtkunstwerk. Elvis war nicht das romantische Versprechen, das man mit Schnulzensängern wie Frank Sinatra verband. Mr. Presley war Sex und Rock ’n’ Roll, »the real thing«.

Ebenso wie Sam Phillips seinen »weißen Neger« gesucht hatte, suchte die Musikindustrie nun nach einem sexlosen Elvis, eine Lücke, die vor allem von Cliff Richards besetzt wurde und Erfolg versprach. Rock ’n’ Roll hatte sich seiner schwarzen Wurzeln entledigt und in der Mainstreamkultur etabliert. Die erste Generation, die der Popkultur schutzlos ausgeliefert war, bekam die volle Dosis. Die Jugend von Japan bis Amerika sollte besser konsumieren als aktiv Musik zu machen. Man castete allerorts und probierte emsig neue Gesichter aus. Manche bekamen eine Chance und durften dem ersten Flop auch weitere Versuche folgen lassen. Einer dieser Glücklichen stammte aus Wheat Ridge, Colorado – Dean Reed.

Im Lokalradio war er inzwischen als »Denver Kid« bekannt. Bereits mit 16 hatte sich ihm ein Mann namens Roy Eberhard vorgestellt, der mit bürgerlichem Namen Leroy Eberharder hieß. Eberhard wollte Reed unbedingt managen und drängte ihn, das College zu verlassen.

Der rote Elvis

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