Читать книгу Mitarbeitervergütung im Mittelstand - Stefan Fritz - Страница 6
1.1 Gesetz und Tarifbindung
ОглавлениеIm Rahmen arbeitsrechtlicher Fragestellung ist zunächst zu klären, welche Rechtsvorschriften auf den Einzelfall anzuwenden sind. Entscheidend sind dabei die folgenden Grundsätze:
höherrangiges Recht (z.B. Bundesrecht) bricht niederrangiges Recht (z.B. Landesrecht)
spätes (neueres) Recht ersetzt frühes Recht, und
zugunsten des Arbeitnehmers sind Abweichungen von gesetzlichen Vorschriften jederzeit möglich (sog. Günstigkeitsprinzip).
Das Europäische Gemeinschaftsrecht ist vorrangig gegenüber dem Recht der Mitgliedsstaaten. Auf dem Gebiet des Arbeitsrechts besitzen die EG-Richtlinien die größte Bedeutung, die von den Staaten in nationale Gesetze umgesetzt werden. Selbst dann, wenn die Umsetzung unterbleibt, können Arbeitnehmer bereits auf Grundlage der EG-Richtlinie ihre Ansprüche herleiten.
Die zweitwichtigste Ebene aus deutscher Sicht ist das Grundgesetz. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive sind Art. 3 (Gleichheit vor dem Gesetz), Art. 5 (Recht auf freie Meinungsäußerung), Art. 9 (Gewerkschaften), Art. 12 (Recht der Berufsfreiheit) und Art. 14 (Eigentum) von Relevanz.
Auf dritter Stufe sind diverse Gesetze und Verordnungen zu sehen, die die Gebiete Arbeitsvertragsrecht, Arbeitsschutzrecht, Tarifrecht, Betriebsverfassungsrecht und Verfahrensrecht umfassen.
Tarifverträge sind Gesetzen und Verordnungen im Rang nachgestellt. Hier handelt es sich um schriftliche Verträge zwischen einem Arbeitgeberverband bzw. einem einzelnen Arbeitgeber auf der einen und einer Gewerkschaft auf der anderen Seite. Tarifverträge regeln die Rechte und Pflichten der Parteien und damit die Mindestbedingungen für die betroffenen Arbeitsverhältnisse. Ein Tarifvertrag ist dann auf das jeweilige Beschäftigungsverhältnis anzuwenden, wenn der Arbeitgeber Mitglied des Arbeitgeberverbandes und der Mitarbeiter Mitglied der Gewerkschaft ist. Im Regelfall wendet der Arbeitgeber die Bestimmungen des Tarifvertrages aber auf alle (und damit auch auf die nicht gewerkschaftlich organisierten) Beschäftigten des Unternehmens an.
Tarifverträge können aber auch dann bindend für das eigene Unternehmen sein, wenn esnicht Mitglied eines Arbeitgeberverbandes ist. Dies setzt jedoch voraus, dass der Tarifvertrag der betreffenden Branche vom Bundesministerium für Arbeit als allgemeinverbindlich erklärt wurde (siehe hierzu www.bmas.de). Dies ist z.B. im Baugewerbe oder im Hotel- und Gaststättengewerbe der Fall.
Tritt der Arbeitgeber während der Laufzeit eines Tarifvertrages aus dem Arbeitgeberverband aus, besitzt der Vertrag unabhängig seines Austritts auch weiterhin Gültigkeit. Dies ändert sich erst dann, wenn auch der Tarifvertrag gekündigt und durch eine neue Regelung ersetzt wird, die dann nicht mehr auf das ausgetretene Unternehmen anzuwenden ist.
Nicht selten enthalten Tarifverträge zu einzelnen Bereichen, für die nach Ansicht der Tarifvertragsparteien auf individueller Ebene Regelungen vereinbart werden sollen, sogenannte Öffnungsklauseln. Öffnungsklauseln sind im Bereich der Vergütung häufig anzutreffen, wenn es z.B. um eine variable Gestaltung des Weihnachtsgeldes oder eine leistungsorientierte Vergütung geht. In diesen Fällen besteht die Möglichkeit zur Konkretisierung der Ausgestaltung auf Unternehmensebene über Betriebsvereinbarungen. Hierbei handelt es sich um Verträge, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat des Unternehmens abgeschlossen werden. Betriebsvereinbarungen sind aber auch dort abzuschließen, wo eine erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrates besteht und Aspekte geregelt werden, die im Tarifvertrag nicht geregelt sind und üblicherweise nicht geregelt werden. Darüber hinaus besteht aber auch die Möglichkeit zum Abschluss von freiwilligen Betriebsvereinbarungen dort, wo die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung nicht greift, der Betriebsrat dessen ungeachtet aber Vertragspartner des Arbeitgebers sein soll (z.B. die Gewährung einer Gewinnbeteiligung).
Auf der untersten Ebene der arbeitsrechtlichen Hierarchie steht der Arbeitsvertrag zwischen Unternehmen und Mitarbeiter. Er regelt insbesondere die aus dem Arbeitsverhältnis geschuldeten Pflichten der Parteien. Arbeitsverträge können auch mündlich abgeschlossen werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch die Schriftform. Rechtsgrundlage des Arbeitsvertrages sind in erster Linie die §§ 611, 612 und 615 BGB.