Читать книгу Die Kiste Gottes - Stefan Gämperle - Страница 9
6.
ОглавлениеOberhofer schreckte hoch.
Hatte er sich getäuscht? Ohne das Licht anzumachen, setzte er sich in seinem Bett auf. Angestrengt horchte er in die Dunkelheit. Die roten, digitalen Lettern des Weckers verrieten ihm, dass es schon vier Uhr früh war.
Erst um zwei Uhr hatte er sich ins Bett gelegt. Alle seine Versuche die Kiste zu öffnen waren gescheitert. Er hatte sie von allen Seiten genau untersucht, ohne den geringsten Ansatz finden zu können, wie sich die Kiste öffnen lässt.
Wirklich alles hatte er versucht. Er war extra noch einmal in die Garage hinuntergestiegen, um dem Metall mit einem Bohrer zu Leibe zu rücken. Dieses Vorhaben scheiterte ebenso kläglich, wie der Versuch mit Hammer und Meissel. Das Metall war zu hart! Der Bohrer rutschte einfach ab, ohne auch nur den geringsten Kratzer auf der Oberfläche zu hinterlassen.
Enttäuscht und verwundert hatte Oberhofer die Kiste wieder in sein Arbeitszimmer hinaufgetragen und versuchte die Schriftzeichen zu entziffern. In keinem seiner Bücher fand er Zeichen, die mit jenen auf der Kiste vergleichbar waren. Da er nicht wusste aus welcher Zeit und woher die Kiste stammte, konnte er die Symbole nicht bestimmen und übersetzen.
Deprimiert legte er sich schliesslich ins Bett. Vielleicht fiel ihm was ein, wenn er ausgeschlafen war, aber an Schlaf war nicht zu denken. In seinem Kopf kreisten die Gedanken wie wild und verbanden sich zu Phantasien und wilden Theorien.
Augenscheinlich war er dann aber doch in einen unruhigen Schlaf gefallen, denn das Geräusch hatte ihn aus einem wirren Traum gerissen.
Wieder das Geräusch. Was war es bloss? Schlug ein Fensterladen vom Wind geschüttelt irgendwo gegen eine Wand?
Oberhofer lauschte angestrengt. Nein. Schritte! Es waren eindeutig Schritte. Jemand schlich unten durch das Haus.
Oberhofer war plötzlich hellwach. Sein Gehirn begann wieder auf Hochtouren zu arbeiten. Einbrecher in seinem Haus? Warum sind sie nicht eingebrochen, als er im Urlaub war? Plötzlich durchzuckte ihn die Erkenntnis wie ein Blitz.
Die Kiste!
Die Einbrecher wollten die Kiste. Er schlug die Decke beiseite und stieg behutsam aus dem Bett. Im Dunkeln tastete er sich durch das Zimmer zur Tür. Durch die schweren Vorhänge drang kein Mondlicht in das Schlafzimmer. Oberhofer öffnete vorsichtig die Tür einen Spalt breit.
Der Flur lag ruhig und verlassen da. Das Mondlicht fiel sanft durch die kleinen Fenster und warf weiche Schatten auf den Teppichboden.
Die Eindringlinge befanden sich noch immer im Parterre. Oberhofer überlegte fieberhaft, was er machen konnte. Er musste die Kiste in Sicherheit bringen. Zuerst musste er in das Arbeitszimmer hoch, um die Kiste zu holen, die immer noch auf dem Schreibtisch stand. Doch wo konnte er danach hin mit ihr? Im Turm sass er in der Falle.
Plötzlich fiel ihm eine Lösung ein.
Vorsichtig schob er sich aus der Tür und arbeitete sich langsam zur Wendeltreppe vor, die in sein Arbeitszimmer hinaufführte. Stets darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen, stieg er behutsam Stufe um Stufe höher. Er hatte das Gefühl nicht von der Stelle zu kommen. Er fühlte sich wie eine Schnecke, die einen Berg hinaufkroch.
Die Tür zum Arbeitszimmer stand offen und als Oberhofer im Raum war, schob er sie leise hinter sich zu. Er war versucht die Tür zu verriegeln, verwarf den Gedanken aber sogleich wieder. Eine von innen verschlossene Tür hätte den Eindringlingen verraten, dass sich hinter der Tür jemand verbarg. Er ging so schnell er konnte zum Schreibtisch, ohne dass er Gefahr lief, den ungebetenen Gästen seinen Aufenthaltsort zu offenbaren. Er hob die Kiste vom Schreibtisch und trat mit ihr vor das Bücherregal, links hinter dem Schreibtisch.
Er nahm zwei Bücher heraus und drückte gegen ein unscheinbares Astloch in der Maserung des Holzes. Das Astloch trat mit einem leisen Klicken hervor und Oberhofer drehte es nach links. Wieder erklang ein Klicken und das Regal schwang einige Zentimeter von der Wand weg.
Oberhofer hielt inne und lauschte. Er glaubte zu hören, wie jemand die Stufen zum Turm hochstieg. Die Eindringlinge schienen scheinbar genau zu wissen, wohin sie wollten.
Hastig drückte Oberhofer das Astloch wieder zurück und stellte die beiden Bücher zurück an ihren Platz. Mit der Kiste unter dem Arm trat er neben das Bücherregal und zog es auf. Dahinter erschien eine kleine Luke. Oberhofer öffnete die ungefähr einen Meter hohe Tür und kroch mit der Kiste hinein. Zwischen den Stapeln von Ordnern und Schnellheftern fand er gerade genug Platz um sich hinzusetzen.
Er zog an der Schnur, die am Bücherregal befestigt war und durch ein kleines Loch in der Tür zur Luke ins Innere des kleinen Raumes geführt wurde. Seine Tochter hatte die Konstruktion einmal angefertigt, um beim Versteckspielen unauffindbar zu sein. Sie hatte auch daran gedacht, einen Mechanismus zu entwickeln, damit man wieder aus dem Versteck herauskommt. Er dankte ihr für den Einfall und zog an der Schnur.
Das Regal schloss sich und rastete mit einem leisen Klicken wieder ein. Oberhofer sass mit eingezogenem Kopf in dem engen Raum, umgeben von völliger Dunkelheit. Er betete, dass die Einbrecher das Geräusch des Verschlusses nicht gehört hatten.
Es dauerte nicht lange und Oberhofer vernahm, wie die Tür zum Arbeitszimmer leise geöffnet wurde. Er drückte die Kiste an sich und wagte es kaum zu atmen.
Draussen hörte er Schritte im Zimmer. Schubladen wurden aufgezogen und nach kurzem wieder geschlossen. Wieder Schritte. Der Deckel der grossen Kiste unter dem Fenster, meldete Oberhofer mit einem Quietschen, dass auch deren Inhalt einer Inspektion unterzogen wurde.
Die Schritte wanderten durch das ganze Zimmer, dann kamen sie näher, wurden lauter. Plötzlich verstummten sie. Oberhofer hielt den Atem an. Sein Herz pochte wie wild. Jemand stand direkt vor dem Regal. Durch den Spalt unten an der Tür sah Oberhofer wie der Strahl einer Taschenlampe sich bewegte. Langsam wanderte der Stahl nach rechts, verschwand und kam dann wieder zurück. Wie in Zeitlupe fuhr der Lichtkegel an dem Regal entlang. Plötzlich war er weg und Oberhofer hörte, wie sich die Person wieder entfernte. Oberhofer begann wieder zu atmen.
Es kam ihm vor wie eine Ewigkeit, bis er schliesslich hörte, dass der Fremde das Zimmer wieder verliess und die Stufen des Turmes hinunterstieg. Oberhofer hatte keine Stimmen gehört und schloss daraus, dass es sich um eine Einzelperson handeln musste, die in sein Haus eingedrungen war.
Er widerstand dem Drang sofort aus seinem engen Versteck heraus zu kriechen. Da er keine Uhr bei sich hatte, konnte er nicht sagen wie viel Zeit vergangen war, als er schliesslich das Regal wieder entriegelte und vorsichtig aus seiner Zuflucht hinauskroch.
Die Kiste stelle er ganz nach hinten in den Raum und schob einige Ordner davor. Dann verschloss er die Kammer wieder und rastete das Bücherregal vorsichtig wieder ein.
Er schlich langsam zur Tür. Von unten drangen immer noch Geräusche zu ihm hinauf. Der Einbrecher hatte das Haus also noch nicht verlassen.
Oberhofer beschloss abzuwarten. Er fühlte sich im Turm jetzt sicher, da er nicht davon ausging, dass der Besucher noch einmal hier hochkommen würde. Er begab sich vorsichtig zu den Fenstern und platzierte sich so, dass er den gesamten Vorplatz des Hauses überblicken konnte.
Lange Zeit drangen ab und zu noch Geräusche von unten in den Turm hoch. Dann wurde es still. Oberhofer wartete gespannt. Auf dem Platz erschien ein Mann, der das Haus verliess und sich zielstrebig auf den Weg zurück zum Dorf begab. Er konnte sein Gesicht nicht erkennen, denn der Mann drehte ihm die ganze Zeit den Rücken zu.
Was nun? Oberhofer überlegte verzweifelt, was er jetzt machen sollte. Er wollte nicht im Haus bleiben. Irgendetwas sagte ihm, dass er überwacht worden war und der Einbrecher nur darauf gewartete hatte, bis er am Schlafen war. Sicher würde er weiter beschattet werden.
Oberhofer beobachtete wie der Mann den Weg zum Dorf zurückging. Plötzlich begann der Mann zu rennen. Er hechtete hinter eine Schneewehe und blieb dort liegen.
Verwundert schaute sich Oberhofer um. Jetzt erkannte er den Wagen, der auf die Strasse zu seinem Haus eingebogen war. Was sollte das bedeuten? Das Auto gehörte offensichtlich nicht zu dem Mann, der eben hier eingebrochen war, überlegte Oberhofer. Waren es andere Einbrecher? Suchten sie auch die Kiste?
Es blieb ihm keine Zeit zum Überlegen. Er musste hier weg.
Oberhofer wollte schon die Kiste aus dem Versteck holen, als er es sich anders überlegte. Er konnte es nicht wagen mit ihr durch die Gegend zu spazieren. Dass er seinen Wagen für die Flucht nicht benutzen konnte, war ihm klar. Nein, er musste zu Fuss das Haus durch den Wald dahinter verlassen und hoffen, dass ihn dort niemand erwartete. Die Kiste war im Moment in ihrem Versteck am sichersten, sagte er zu sich selber, als er die Treppe hinunterstieg.
In seinem Schlafzimmer erwartete ihn ein Chaos. Im spärlichen Licht seiner Taschenlampe, die er aus dem Nachtisch geholt hatte, betrachtete er die Unordnung. Alles Schränke und Kommoden waren durchwühlt worden. Alle seine Kleider lagen auf dem Boden verstreut. Er griff sich das Nächstbeste und zog es sich über.
Im Dunklen ging er so schnell er konnte durch sein Haus und fand in allen Zimmern dasselbe Bild vor. Alles war durchsucht worden.
Oberhofer rannte durch die Küche und verliess sein Anwesen durch die Hintertür, nachdem er die Gegend hinter dem Haus so gut es ging, abgesucht hatte. Er schlug den Mantelkragen hoch und hastete zu dem kleinen Weg, der direkt in den Wald hineinführte.
Oberhofer arbeitete sich schnell die Anhöhe hinauf und gelangte durch die Büsche nach rechts auf zu der Holzhütte neben seinem Haus. Er versuchte immer im Schatten der Bäume zu bleiben und gleichzeitig die Zufahrt zu seinem Haus zu überblicken.
Das schwarze Fahrzeug fuhr weiter unbeirrt auf sein Haus zu und bog gerade auf den Vorplatz ein, als Oberhofer seine Position erreicht hatte. Sobald der Wagen hinter der Hausecke verschwunden war, rannte Oberhofer einige Meter weiter nach vorne, um den Platz besser überblicken zu können. Als er eine günstige Position erreicht hatte, konnte er gerade noch erkennen, wie ein Mann die Haustür aufbrach und hineinging.
Verblüfft verfolgte der Besitzer, was in seinem Haus vorging. Er konnte anhand des Taschenlampenlichts des Einbrechers erkennen, dass er ebenfalls das gesamte Haus durchsuchte. Im Arbeitszimmer verweilte der Mann länger. Oberhofer hoffte, dass auch dieser Einbrecher sein gut getarntes Versteck nicht entdecken würde. Gebannt schaute er auf die Fenster des Turmzimmers. Er konnte nichts Anderes tun als abzuwarten.
Oberhofer versuchte den ersten Eindringling wieder zu finden, der sich hinter der Schneewehe versteckt hatte. Er späte angestrengt über das gesamte Gelände, das er einsehen konnte, aber den ersten Einbrecher konnte er nicht mehr entdecken.
Die Zeit schien still zu stehen. Immer und immer wieder glitt der Strahl der Taschenlampe durch das Arbeitszimmer. Dann endlich verliess der Mann das Zimmer. Es dauerte nicht lange und der Unbekannte trat durch die Vordertüre ins Freie, stieg in den schwarzen Chrysler und setzte zurück. Verzweifelt versuchte Oberhofer zu erkennen, ob der Fremde die Kiste bei sich trug. Alles ging zu schnell. Er vermochte nicht zu erkennen, ob der Mann gefunden hatte, wonach er suchte.
Oberhofer versuchte das Nummernschild zu entziffern. Der Wagen fuhr rückwärts vom Platz und kam seinem Versteck näher. Angestrengt blickte er auf das Schild, doch der Fahrer wendete und das Heck des Wagens verschwand aus Oberhofers Blickfeld. In der Deckung des Waldes bewegte er sich so schnell wie möglich in Richtung des Hauses. Er lief nur im Schatten der Bäume und wollte nicht riskieren, entdeckt zu werden. Wenn er doch nur das Nummernschild hätte erkennen können! Dann gäbe es ihm vielleicht einen Hinweis auf einen seiner nächtlichen Besucher.
Oberhofer beeilte sich, so gut es auf dem verschneiten Waldweg ging, den Hang hinunter zu gelangen. Die Rückfahrlampen des Wagens erloschen und kurz darauf setzte sich das Auto erneut vorwärts in Bewegung, weg von Oberhofer.
Verzweifelt begann Oberhofer, alle Vorsicht vergessend, die letzten Meter zu rennen. Sein Fuss verfing sich in einer Wurzel und er schlug der Länge nach auf dem Waldboden auf. Er rappelte sich wieder hoch und konnte nur einen flüchtigen Blick auf die Autonummer werfen, bevor die Zahlen auf dem sich entfernenden Nummernschild zu undeutlich für seine Augen wurden.
Oberhofer stand auf. Ungläubig starrte er dem Auto nach.
Kopfschüttelnd machte er sich zurück auf den Weg zum Haus und klopfte sich den Schnee von Kleidern. Er konnte immer noch nicht fassen, was sich alles in dieser Nacht abgespielt hatte. Zwei Einbrüche waren passiert und offensichtlich suchten beide Einbrecher auch noch dasselbe.
Die Kiste!
Oberhofer beschleunigte seine Schritte. Er hatte nicht sehen können, ob der zweite Eindringling eine Kiste ins Auto geladen hatte. Oberhofer betrat sein Haus wieder durch die Küche und arbeitete sich so schnell es ging durch die Unordnung nach oben. Vor seinem Zimmer hielt er inne.
Hörte er schon wieder Schritte? Spielte sein strapazierter Geist ihm einen Streich?
Aus der Küche konnte er das Klappern der Töpfe hören, die auf dem Boden lagen. Jemand hatte das Haus ebenfalls durch den Hintereingang betreten.
Wohin jetzt? überlegte sich Oberhofer. Sollte er es wagen ins Zimmer hochzugehen und die Kiste aus dem Versteck zu holen? Doch was dann? Wohin konnte er gehen? Sollte er sich nochmals auf das Versteck verlassen?
Die Schritte kamen näher, begannen bereits die Stufen in den ersten Stock hochzusteigen.
Oberhofer blieb keine Zeit. Er rannte ins Turmzimmer hinauf. Er musste einfach wissen, ob die Kiste noch in ihrem Versteck stand. Heftig atmend erreichte er sein Arbeitszimmer. Das Regal war noch immer eingerastet. Oberhofer atmete erleichtert auf. Er hastete auf das Regal zu, um die Kiste aus dem Versteck zu holen, da hörte er schon dein Eindringling die Stufen zum Turm hoch rennen.
Es war zu spät. Er musste auf das Versteck vertrauen. Doch er musste hier raus. Allerdings kam ihm auf dem einzigen Fluchtweg sein Feind entgegen. Oberhofer sah sich verzweifelt im Zimmer um. Es gab keinen anderen Ausweg.
Die Schritte seines Verfolgers hallten durch das Arbeitszimmer und schienen ihn zu verhöhnen. Er nahm sich die schwere Messinglampe vom Schreibtisch und sprang entschlossen hinter die Eingangstür und zog lautlos den Schlüssel aus dem Schloss.
Es war nur eine kleine Chance, aber besser, als in die Hände seines Feindes zu geraten.
Die Schritte verstummten.
Oberhofer drückte sich gegen die Wand und hielt den Atem an.
Der Strahl der Taschenlampe kroch über den Boden.
Plötzlich sprang der Mann in den Raum und suchte die Umgebung mit seiner Lampe ab.
Oberhofer schleuderte mit aller Kraft, die er aufwenden konnte, die Messinglampe auf den Eindringling. Dieser fuhr erschrocken herum und hob schützend die Hände vor das Gesicht. Die Lampe hätte ihn sonst direkt am Kopf getroffen. Die Wucht des Wurfgeschosses und die Überraschung liessen ihn das Gleichgewicht verlieren.
Oberhofer nutzte die Gunst des Augenblicks und rannte um die Tür herum und zog sie hinter sich zu. Nervös versuchte er den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Drinnen hörte er, wie sich der Mann wieder erhob. Endlich steckte der Schlüssel und Oberhofer drehte ihn schnell zweimal. Die Klinke wurde von innen heruntergedrückt und der Gefangene rüttelte wild an der Tür.
Oberhofer drehte sich um und rannte so schnell er konnte die Treppe hinunter. Unten abgekommen hörte zwei Schüsse und wie kurz darauf die Tür aufgerissen wurde. Oberhofer rannte um sein Leben.
In der Küche fischte er den Autoschlüssel aus dem Schlüsselkasten und wollte sofort weiter rennen. Er glitt aber auf dem Besteck aus, das überall auf dem Boden verstreut lag. Alles lief plötzlich nur noch in Zeitlupe ab. Messer und Gabeln rutschten und stoben in alle Richtungen auseinander. Der Boden kam schoss ihm entgegen und er schlug hart auf dem Steinboden auf. Der Aufprall raubte ihm für einen Moment lang den Atem. Erneut hörte er Schritte auf der Treppe: Wie Kriegstrommeln im Urwald.
Oberhofer musste weiter. Er rappelte sich auf und schleppte sich zur Tür, die in die Garage führte. In der Garage angelangt, verschloss er die Tür und ging um seinen BMW herum. Er setzte sich in den Wagen und fuhr hastig auf den Platz.
Wieder hallten zwei Schüsse durch die Nacht. Oberhofer erschrak und blickte in den Rückspiegel. Mit einem lauten Knall schwang die Verbindungstür zur Wohnung auf und der Mann rannte in die Garage.
Oberhofer trat das Gaspedal durch und das Fahrzeug geriet auf dem glatten Untergrund ins Schleudern. Die kleine Mauer, die den Platz umrundete, stoppte die Bewegung abrupt. Oberhofer wurde im Wagen herumgeworfen, doch trat er sogleich wieder aufs Gas. Der BMW schoss nach vorn und schrammte funkensprühend an der Mauer entlang bis zur Strasse.
Wieder hörte er Schüsse.
Oberhofer riss den Wagen herum und bog in die Strasse ein.
Und wieder ein Schuss, Glas splitterte. Die Kugel hatte die Scheibe der hinteren Autotür durchschlagen. Geschockt starrte Oberhofer auf das kaputte Fenster, doch blieb ihm keine Zeit. Er beschleunigte und fuhr die Strasse zum Dorf hinunter.
Erst an der Bahnstation wagte er anzuhalten. Erschöpft liess er sich im Sitz zurückfallen und atmete durch.
Die Bahnhofsuhr zeigte bereits sechs Uhr. Es war noch dunkel, doch bald würde die Dämmerung einsetzen. Die ersten Menschen strömten durch die kalte Morgenluft zu dem wartenden Zug.
Er stieg aus den Wagen und setzte sich in das kleine Café, das den müden Menschen heisse Getränke aller Art anbot.
Oberhofer wählte einen schwarzen Kaffee an der Bar und überlegte sich, was er nun als Nächstes unternehmen sollte. Er setzte sich an einen silbernen Tisch. Sollte er die Polizei einschalten? Doch was, wenn die ihm zu viele Fragen stellen würden? Es wussten schon zu viele Leute von der Kiste, wie diese Nacht gezeigt hatte.
Draussen setzte sich der Zug quietschend in Bewegung. Ein Mann rannte verzweifelt über den Platz und blieb dann fluchend auf dem Bahnsteig stehen. Deprimiert flüchtete er sich in die Wärme des Cafés.
Nein, sagte sich Oberhofer. Er konnte nicht zur Polizei gehen. Es war einfach zu gefährlich, dass noch mehr durchsickern würde. Es fiel ihm nur eine Person ein, an die er sich jetzt wenden und der er vollkommen vertrauen konnte.
Danach würde er das Auto in seine Werkstatt bringen, um kein weiteres Aufsehen zu erregen Ins Haus konnte er jedenfalls nicht zurück, so sehr er sich auch wünschte, die Kiste zu holen. Er musste sich im Moment auf das Versteck verlassen, momentan gab es keine andere Möglichkeit. Er war zum Warten verdammt.
Während er im Café sass, liess er sich die ganze Geschichte noch einmal durch den Kopf gehen. Viel Merkwürdiges war diese Nacht passiert, einiges, was er nie für möglich gehalten hätte. Es gab hingegen noch ein Indiz, das dagegen sprach zur Polizei zu gehen. Denn wenn er richtig beobachtet hatte, dann konnte auch die Polizei, zumindest gegen einen der Einbrecher, nichts unternehmen.
War es tatsächlich wahr, was er auf dem Nummernschild des Chryslers gesehen hatte?