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III Islamismus, Salafismus und islamistischer Terrorismus › 1. Der Phänomenbereich Islamismus

1. Der Phänomenbereich Islamismus

Der islamistische Terrorismus, Islamismus und Salafismus sind wesentliche, existenzielle politisch motivierte Bedrohungen unserer Zeit und der nächsten Jahrzehnte. Nicht erst die zahlreichen geplanten und durchgeführten islamistisch-terroristischen Anschläge und Attentate innerhalb der letzten fünf Jahre in Europa und Deutschland verdeutlichen den Grad der Bedrohung, die aktuell und zukünftig von islamistischen Terroristen, Islamisten und Salafisten für demokratische, westlich-freiheitliche Staaten wie Deutschland ausgeht.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz definiert Islamismus wie folgt:

Der Begriff Islamismus bezeichnet eine Form des politischen Extremismus. Unter Berufung auf den Islam zielt der Islamismus auf die teilweise oder vollständige Abschaffung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab. Der Islamismus basiert auf der Überzeugung, dass Religion, hier: der Islam, nicht nur eine persönliche, private ‚Angelegenheit‘ ist, sondern auch das gesellschaftliche Leben und die politische Ordnung zumindest teilweise regelt. Der Islamismus postuliert die Existenz einer gottgewollten und daher ‚wahren‘ und absoluten Ordnung, die über von Menschen gemachten Ordnungen steht. [1]

Die deutschen Verfassungsschutzbehörden verstehen unter Islamismus eine vom Islam zu unterscheidende, sich auf die Religion Islam berufende Form von politischem Extremismus.[2] Daher betonen die Verfassungsschutzberichte verschiedener Landesämter für Verfassungsschutz sowie des Bundesamtes für Verfassungsschutz in jedem jährlichen Verfassungsschutzbericht und an anderen Orten, dass „der Islam als Religion und seine Ausübung nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden.“[3]

Kurz gesagt beschreiben die deutschen Verfassungsschutzbehörden Islamismus als eine religiös-politische Ideologie, deren Anhänger sich auf religiöse Normen des Islams berufen und diese politisch interpretieren.[4] Diese Definition von Islamismus durch die deutschen Verfassungsschutzbehörden ist quasi identisch mit den gängigen Definitionen von Islamwissenschaftlern:

Beim Islamismus handelt es sich um Bestrebungen zur Umgestaltung von Gesellschaft, Kultur, Staat oder Politik anhand von Werten und Normen, die als islamisch gesehen angesehen werden. […] Eine Verabsolutierung des Islams für die Gestaltung des individuellen, gesellschaftlichen und staatlichen Lebens, kombiniert mit dem Ziel der weitgehenden Durchdringung der Gesellschaft. […] Die Forderung, statt der westlichen Volkssouveränität die ‚Souveränität Gottes‘ ins Werk zu setzen. Das führt zu starker Ablehnung von ‚menschengemachten Gesetzen‘, als die alle von Parlamenten beschlossenen Gesetze angesehen werden. [5]

Die politisch-religiösen Ziele der Islamisten bestehen nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden darin, „mittelfristig die gesellschaftlichen Verhältnisse in Deutschland – in Teilen auch mit Gewalt – im Sinne ihrer Ideologie zu ändern“.[6] Besonders wichtig ist es hierbei, diese religiös-politische Ideologie des Islamismus von der durch das Grundgesetz geschützten Religion des Islam zu unterscheiden, weil Islamisten die Religion Islam nicht ausschließlich als Religion, sondern als rechtliches Rahmenprogramm für die Gestaltung aller Lebensbereiche interpretieren: Von der Staatsorganisation über die Beziehungen zwischen den Menschen bis ins Privatleben des Einzelnen.[7]

Aus dem islamisch-theologischen Verständnis von „Glaube an die Einheit und Einzigartigkeit Gottes“ (tauhid) ergibt sich für Islamisten, dass nur Allah der legitime Herrscher, Souverän und Gesetzgeber sein darf, was sich wiederum in der islamistisch angestrebten Einheit von Religion und Staat (din wa daula) ausdrückt.[8]

Zusammenfassend muss die islamistische religiös-politische Ideologie und ihre als für alle verbindlich angestrebte Religionspraxis als im eindeutigen Widerspruch zu demokratischen Verfassungsordnungen stehend beurteilt werden.[9] Entsprechend widerspricht das von Islamisten angestrebte Konzept eines Gottesstaates, in dem jegliche staatliche Legitimation unmittelbar von Gott hergeleitet werden soll, demokratischen Prinzipien von Volkssouveränität und Gewaltenteilung. Des Weiteren lehnt das Weltbild des Islamismus Pluralität, Säkularismus, Individualität und Gleichberechtigung von Mann und Frau als unzulässige Neuerungen und daher als unislamisch ab und schließt die universelle Geltung der Menschenrechte, wie zum Beispiel der Menschenwürde, aus. Die islamistische Forderung nach einer Durchsetzung der sog. „Hadd“-Strafen (Körperstrafen) wie das Abtrennen von Gliedmaßen für Diebstahl, die Todesstrafe für Ehebruch oder den Abfall vom Glauben sprechen in diesem Zusammenhang für sich.[10]

Politisch motivierte Kriminalität und Radikalisierung

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