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Einleitung

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Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass mehrsprachige Kinder und Jugendliche im Laufe der Schulzeit nicht immer den Sprachstand in der Zweitsprache Deutsch erreichen, der notwendig wäre, um ohne zusätzliche Sprachförderung gemeinsam mit deutschen Kindern nach einheitlichen Bildungsstandards beschult zu werden. Mehrsprachige Schüler*innen weisen signifikant häufiger einen sonderpädagogischen Förderbedarf auf oder besuchen eine Schulform, die nicht zum Abitur führt, als einsprachig deutsche Schüler*innen, dafür besuchen vergleichsweise weniger mehrsprachige Jugendliche ein Gymnasium. Die Gründe für die Bildungsbenachteiligung sind nicht immer auf individuelle Lernschwierigkeiten zurückzuführen, sondern auch auf Defizite auf Seiten der Bildungseinrichtungen. Ein Aspekt hiervon ist, dass es an einsprachig (= monolingual) verfassten Schulen nur wenige konzeptionelle Überlegungen gibt, wie mit Mehrsprachigkeit umzugehen sei. Häufig wird davon ausgegangen, dass der Erwerb zweier Sprachen im Prinzip kein Problem sei und dass es im Vorschulalter gelingen müsse, Deutsch als Zweitsprache so zu erwerben, dass eine Beschulung gemeinsam mit einsprachig deutschen Kindern problemlos möglich sei.

Schwierigkeiten und Defizite beim Erwerb der Zweitsprache Deutsch führen im Lauf der Schulzeit unter Umständen zu immer größeren Lernschwierigkeiten, die sich auch auf die Sachfächer auswirken. Die Kompetenzen in den Herkunftssprachen der Kinder spielen hingegen in der deutschen Schule kaum eine Rolle. So werden mehrsprachige Kinder häufig als Defizitträger wahrgenommen, da sie von Beginn der Schulzeit an mit einsprachig deutschen Kindern verglichen werden, die nur in einer Sprache kommunizieren müssen und die zum Zeitpunkt der Einschulung in der Regel, soweit es sich nicht um Kinder aus gravierend soziokulturell benachteiligenden Verhältnissen oder um sprachbehinderte Kinder handelt, die Unterrichtssprache altersgemäß beherrschen.

Ein anderer Zusammenhang wird bei der Interpretation der Ergebnisse internationaler Studien deutlich: Schüler*innen mit einem sogenannten Migrationshintergrund sind im deutschen Schulsystem erfolgreicher, wenn man sie mit denjenigen deutschen Kindern und Jugendlichen vergleicht, die unter denselben benachteiligenden sozialen Umständen leben. Die starke Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft trifft diese Schüler*innen in besonderem Maße. Im schulischen Alltag vermischen sich in der Wahrnehmung häufig soziale und migrationsbedingte Aspekte. Es kann davon ausgegangen werden, dass vieles, was in den Augen der Lehrkräfte migrationsbedingte oder kulturelle Differenzen sind, auf sozioökonomische Differenzen zurückzuführen bzw. ein Ergebnis komplexer soziokultureller Wechselwirkungen ist.

In den sozialen Bedingungen ist nur ein Grund für die Bildungsbenachteiligung zu sehen. Ein anderer liegt darin, dass viele mehrsprachige Kinder in Kindergarten und Grundschule nicht ausreichend gute Gelegenheiten haben, sich die deutsche Sprache angemessen anzueignen. Mehrsprachige Kinder, die viele Kontakte zur Zweitsprache Deutsch haben, haben auch wenig Probleme, die deutsche Sprache zu erwerben. Darüber hinaus scheint die Qualität der vorschulischen und schulischen Sprachförderung eine entscheidende Rolle zu spielen. Erst in den letzten Jahren wurde deutlich, dass sprachliche Fähigkeiten, die vielfach als Voraussetzung für schulische Bildung gesehen werden, im Kindergarten und in der Schule erst noch vermittelt werden müssen.

Aus dem Gesagten ergibt sich zweierlei: Zum einen ist die Förderung der Zweitsprache Deutsch bei mehrsprachigen Kindern genuine Aufgabe von Kindertageseinrichtungen und Schulen. Eine zentrale Aufgabe kommt hier dem Deutschunterricht zu, da im Verlauf des Schriftspracherwerbs und des weiterführenden Lese- und Schreibunterrichts bestimmte sprachliche Formen, die eben für die Schriftlichkeit kennzeichnend sind, erst vermittelt werden. Zum anderen ist die Unterstützung des Zweitspracherwerbs in allen Fächern über die gesamte Schulzeit hinweg eine zentrale Aufgabe, da in allen Fächern Verknüpfungen zu Weltwissen und somit zum Wortschatz- und Bedeutungserwerb gelegt werden.

Mit diesem Band sollen Lehrkräften aller Schularten Hilfen an die Hand gegeben werden, wie Kinder mit Deutsch als Zweitsprache unterstützt werden können. Hierzu wird zunächst die Lebens- und Bildungssituation mehrsprachiger Kinder in Deutschland dargestellt. Die Kenntnis der lebensweltlichen Mehrsprachigkeit ist eine wichtige Voraussetzung dafür, mehrsprachige Kinder in Deutschland besser zu verstehen ( Kap. 1). Im 2. Kapitel werden Ergebnisse der aktuellen Zweitspracherwerbsforschung vorgestellt, sofern sie für schulische Lernprozesse relevant sind; im 3. Kapitel geht es um die sprachlichen Bereiche, die für mehrsprachige Kinder besonders schwer zu erwerben sind. Das 4. Kapitel widmet sich der Sprachstandsfeststellung und der Sprachdiagnostik. Dies ist ein Thema, das in jüngerer Zeit zunehmend an Bedeutung gewann, wird doch von Lehrkräften erwartet, Förderung und Unterricht aufgrund von Lernstandsanalysen und individuellen Beobachtungen zu konzipieren. Auch im Rahmen von Zuweisungsentscheidungen (z. B. Zurückstellung vom Schulbesuch oder Zuweisung zusätzlicher Sprachförderangebote) werden diagnostische Vorgehensweisen immer wichtiger. Im 5. und 6. Kapitel stehen die Förderung und der Unterricht im Zentrum. Ausgehend von den Prämissen einer interkulturellen Pädagogik werden in Kapitel 5 didaktische Modelle vorgestellt und diskutiert, in Kapitel 6 werden die Überlegungen auf Fragen der Sprachförderung und des Sprachunterrichts übertragen.

Die Konzeption dieses Bandes wird von der Vorstellung geleitet, dass Deutsch als Zweitsprache eine Bildungsaufgabe ist, die mehrsprachige Schüler*innen über die ganze Kindergarten- und Schulzeit und noch darüber hinaus begleitet und dass dieser Bereich deshalb eine fächerübergreifende Aufgabe für alle Lehrer*innen in allen Schularten darstellt.

Deutsch als Zweitsprache in der Schule

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