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Backofenbau und Dauerfeilen

Dass das Wetter für mich zum Beruf wurde, hat auch etwas mit dem VEB Backofenbau Parchim zu tun sowie mit dem Parchimer Landwirtschaftlichen Instandsetzungswerk (LIW). In beiden Betrieben gab es während meiner Zeit an der Adolf-Diesterweg-Schule, natürlich die beste Bildungseinrichtung der Stadt, tageweise Arbeit zu verrichten, und zwar im Rahmen des Faches PA – Produktive Arbeit. Für diesen Unterricht rückte die gesamte Klasse jeweils an zwei Tagen im Monat in einen der Betriebe ein, zunächst ein Jahr im Backofenbau, danach bis zur 10. Klasse im Landwirtschaftlichen Instandsetzungswerk.

Im VEB Backofenbau erlernte ich als Schüler der 8. Klasse die hohe Kunst des Mülleimerhenkelbiegens, und zwar so ganz nebenbei – doch dazu gleich mehr. Hauptaufgabe war das stundenlange Feilen an Metallflanschen. Die Maße waren vorgegeben, die wir einzuhalten hatten, klar gekennzeichnet durch ins Metall geritzte Linien. Bis zu diesen war zu feilen, machte man alles richtig, passte so ein Teil in irgendein Loch – in was für eines, habe ich entweder nie gefragt oder dieses Wissen erfolgreich wieder verdrängt. Die Stunden, nein: die Tage vergingen, ich feilte und feilte, maß und feilte weiter.

Schließlich kam der Moment der Abgabe des Gefeilten, zu dem ich im Laufe der Zeit eine gewisse Abneigung entwickelt hatte. Der für unser Schaffen verantwortliche Meister, vermutlich staatlich geprüfter Metallflanschfeiler und Kenner sämtlicher dafür vorgesehener Löcher, legte sein Maßband an und widmete sich meinem Objekt, nahm ein Stück Kreide und malte ein großes A darauf. „Güteklasse A, nicht schlecht, hat sich die Mühe ja gelohnt!“, dachte ich. Doch ich irrte, mein Metallflansch landete in einem großen Behälter, der mit einem A gekennzeichnet war, A wie Ausschuss. Gut, das saß. „Feilen, das kannst Du schon mal nicht, zumindest nicht richtig.“

Anders beim Mülleimerhenkelbiegen. Darin war ich geschickt. Aber man konnte beim besten Willen auch wenig falsch machen. Ein schmaler Metallstab musste lediglich in eine Vorrichtung gelegt werden, die noch vier Hebel besaß. Zwei dieser Hebel, links und rechts gleichzeitig betätigt, sorgten dafür, dass aus dem geraden Stab ein gebogener wurde, die beiden anderen hatten die Aufgabe, noch zwei kleine Häkchen daran zu biegen. Diese wurden, wenn man den fertigen Henkel in den Gebrauch überführte, in die kleinen Löcher des Plastemülleimers gesteckt. Hunderte Mülleimerhenkel habe ich in meinem Leben gebogen, damit hat der VEB Backofenbau Parchim wahrscheinlich die halbe DDR versorgt. Es ist anzunehmen, dass auch heute noch derartige Werke existieren, denen ich einst im PA-Unterricht die richtige Krümmung beigebracht habe.


Das war mein Schulhof. Die dazugehörige Schule steht übrigens rechts, das ist die Diesterweg-Schule. Das linke Gebäude ist auch eine Schule, die Reuter-Schule. Deren Schulhof war auf der anderen Seite. Wir spielten hier Schlagball. Und „durften“ an Fahnenappellen teilnehmen.

Mein Vater konnte linke Fahrradspiegel so umbauen und wieder zusammenschweißen, dass ich zeitweise sogar einen rechten Spiegel am Lenker hatte – diese gab es so gut wie nie zu kaufen. Mit einem derart aufgedonnerten Rad der Marke „Mifa“ war man damals ganz vorne mit dabei, zwei Spiegel, Tacho – Vollausstattung. Und ging etwas kaputt, musste mein Vater ran, ich stellte mich ausgesprochen ungeschickt an.

So war es kein Wunder, dass ich an der Tätigkeit in unserem zweiten PA-Betrieb keine große Freude entwickelte. Im Instandsetzungswerk (LIW) arbeitete unsere Patenbrigade, daher kannten wir den Betrieb schon länger. Hier wurde gebohrt, gefräst, geschraubt – und wieder gefeilt. Es roch nach Metall und Öl, nach Fett und irgendwelchem Kühlmittel, das beim Metallbohren zum Einsatz kam. Ich drehte Gewinde in Traktorenachsen, oder sagen wir besser: Ich versuchte zu drehen. Dabei hoffte ich stets, dass es kein Traktorist mit den Teilen, die ich dort bearbeitet hatte, zu tun bekam. Er würde fluchen, dass die Ernte nicht eingefahren werden konnte, weil irgendeine Schraube nicht in „mein“ Gewinde passte. „Nein!“, dachte ich damals, „so etwas wie hier, das Arbeiten mit all den Maschinen, das Feilen – das willst du niemals im Leben mehr machen. Du musst einen Beruf wählen, bei dem du ein Büro hast, einen Schreibtisch, einen Stift – und versuchst, wenigstens wichtig zu gucken.“

Glücklicherweise deutete sich ziemlich schnell an, dass es zumindest in diese Richtung gehen würde, denn, wollte ich mir meinen vom Wetter geleiteten Berufswunsch erfüllen, musste ich mich schon mit dem Halbjahreszeugnis der 9. Klasse bewerben. Der Zensurenspiegel schien den Anforderungen zu entsprechen, bekam ich doch rasch die Zusage. Als einer der ersten meines Jahrganges hatte ich einen Lehrvertrag in der Tasche. Kein Lehrer konnte sich daran erinnern, dass jemals einer seiner Schüler „Technischer Assistent für Meteorologie“ werden wollte. Und es nun auch noch werden konnte mit seinem Lehrberuf beim Meteorologischen Dienst der DDR in Potsdam. Am 1. September 1986 sollte es losgehen. Ich freute mich darauf.

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