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Als Juliane zu sich kam, schreckte sie auf, stieß sich ihren Kopf und sackte wieder in sich zusammen. Es war um sie herum dunkel, aber sie spürte aber einen feinen Stoff um ihre Schläfen. Ihre Augen waren verbunden! Das Herz begann sofort zu rasen, der Herzschlag, ein lautes Dröhnen, war bis in die Ohren zu spüren. Schnappatmung setzte ein und Panik brach aus. Hektisch versuchte sie ihre Arme und Beine zu bewegen, aber sie musste sich schnell eingestehen, dass die Füße zusammengebunden und die Bewegungsräume eingeschränkt waren. Die schnellen, unkontrollierten Bewegungen ließen die Kabelbinder ins Fleisch schneiden und es fing an zu brennen. Sie konnte alle Finger bewegen, nur die beiden Daumen waren hinter ihrem Rücken, ebenfalls mit einem Kabelbinder, zusammengeschnürt.

So lag sie da, hilflos auf dem Bauch im Dunklen. Ihr Atem hatte sich ein wenig beruhigt, die hektischen Bewegungen nachgelassen. So langsam dämmerte Juliane, in welch gefährlicher Situation sie sich befand. Sie brach in Tränen aus. Ein langes und wehleidiges Wimmern. Die ersten Tränen rollten über ihre Wangen. Dieses Häufchen Elend hatte nichts mehr mit der Person gemeinsam, die noch heute Morgen so gemütlich auf dem Sofa gesessen und Dinkelbrot mit Serrano-Schinken und Krabbensalat gegessen hatte.

Mit einem Ruck wurde sie nach oben geschleudert. Sie stieß sich erneut heftig den Kopf und fiel danach unsanft auf den Boden. Ihr Kinn schlug zuerst auf, sie biss sich schmerzhaft auf ihre Zunge. Sie versuchte zu schreien, aber die Kraft ihrer Stimme klang sehr gedämpft. Der Geschmack von Blut breitete sich im Mundraum aus, Juliane begann zu würgen. Vibrationen begannen sie hin und her zu schütteln und sie fühlte sich wie ein kleines Boot bei starkem Seegang. Hilflos der rauen Naturgewalt ausgeliefert.

Sie versuchte sich trotz der verbundenen Augen zu orientieren. Sie nahm den Geruch von abgestandener Luft und altem Öl wahr und das dumpfe Surren eines Motors und das Kratzen von Reifen auf Schotter und Sand. Sie war in einem Kofferraum gefangen.

Das Auto bog von der Landstraße auf einen langen, unebenen Schotterweg ab. Das Terrain wurde ungleichmäßiger und sie wurde immer heftiger hin und her geworfen. Um sich dagegen einigermaßen zu schützen, versuchte Juliane sich in Embryonalstellung zu begeben, so gut es eben mit gefesselten Armen hinter den Rücken ging. Ihr Schweiß hatte bereits ihre Klamotten durchweicht, ihr wurde schlagartig sehr kalt. Sie begann zu zittern. Was passiert hier? Wo bin ich? Wo fahren wir hin? Wer fährt den Wagen? All diese Fragen spukten in ihrem Kopf umher. Keine konnte sie mit Sicherheit beantworten und jede Sekunde kamen etliche neue hinzu. Reflexartig schossen ihre Beine nach vorne, wurden aber von den Wänden des Kofferraums abgefangen und als Strafe schnitt der Kabelbinder noch tiefer ins Fleisch. Sie versuchte das Blut aus dem Mund zu spucken, verschluckte sich dabei und begann zu husten und zu würgen. Da war sie wieder, die gnadenlose Panik. Erneut setzte die Schnappatmung ein. Sie hatte das Gefühl, schon ewig in diesem Kofferraum zu liegen, aber in Wirklichkeit waren erst zwei Minuten vergangen, seitdem das Auto auf den Schotterweg eingebogen war.

Sie schloss ihre Augen und betete, dass dieser Alptraum schnell zu Ende gehen und sie in ihrem Bett aufwachen würde. Ein kleiner Ruck ging durch den Kofferraum und der Wagen wurde langsamer, rollte ein Stück und blieb schließlich stehen. Schnell drückte sie ihren Kopf fest gegen die Wand und rieb den Kopf mit Gewalt hoch und runter. Die ersten Male passierte nichts, doch beim vierten Anlauf lockerte sich die Augenbinde und Juliane konnte sie über ihren Kopf abstreifen. Ihr Herz raste immer schneller. Was passiert mit mir? Was ist das hier? Sie hörte eine Autotür mit Wucht zuknallen und zuckte zusammen. Die Klappe des Kofferraums wurde mit Gewalt aufgerissen und Juliane versuchte, sich mit Kraft hochzustemmen und zu schreien. Über die Schwelle des Kofferraums hinweg sah sie – nichts. Es war dunkel, mitten in der Nacht. Sie waren irgendwo auf das Land gefahren, fernab von jeglicher Zivilisation. Gras und Einöde soweit das Auge reichte. Ein Stückchen weiter links waren einzelne Bäume zu erkennen – vielleicht der Rand eines Waldes? Der Himmel war mit Wolken bedeckt, Mond und Sterne waren nicht sichtbar. Sie drehte ihren Kopf und sah einen dunkel gekleideten Mann mit Maske und Kapuze vor ihr aufragen. Mit der einen Hand hielt er noch den Griff des Kofferraums. Er trug schwarze Lederhandschuhe. Ihr Atmen stockte. Sie brachte kein Wort, keinen einzigen Ton heraus. Sein Kopf drehte sich in ihre Richtung. Schweißperlen liefen ihr kalt den Rücken herunter. Auch wenn die Maske sein Gesicht verdeckte, spürte sie, dass seine Augen sie in diesem Moment durchbohrten. Mit der anderen Hand griff der Mann in seine Jackentasche und holte einen hellblauen, mit Chloroform getränkten Lappen hervor. Juliane wusste, was passieren würde, und wollte sich an ihm vorbei aus dem Wagen winden, doch der Mann nahm die Hand vom Griff und drückte sie erbarmungslos zurück auf den Boden des Kofferraum. Sie versuchte Luft zu holen, doch bevor sie ihre nächste Aktion überdenken konnte, presste er ihr den Lappen auf Mund und Nase. Sie wehrte sich mit allen Kräften, versuchte ihn zu beißen, ihm weh zu tun, erwischte aber nur den Stoff und etwas Süßliches breitete sich in ihrem Mund aus. Sie zappelte heftig, wild, wie von Sinnen – die Welt begann jedoch bereits an den Rändern zu verschwimmen, ihre Bewegungen wurden langsamer, letztendlich wurde ihr schwarz vor Augen und sie sackte kraftlos auf den Boden des Kofferraums.

Der Dozent

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