Читать книгу Scarlett Taylor - Wendy - Stefanie Purle - Страница 5
Kapitel 3
Оглавление„Hallo, kommt doch herein“, sage ich noch etwas außer Atem und streiche mein feuchtes Haar glatt.
Carmen umarmt mich und drückt mir einen Kuss auf die Wange. Sie riecht so gut wie sie aussieht, nach süßem Karamell mit einem Hauch Rosenduft im Nachklang. Ihr langes, blondes Haar ist heute glatt und fällt in einem seidigen Strang über ihren Rücken. Sie trägt ein schulterfreies, weißes Sommerkleid mit winzigen rosa Blüten darauf, was ihre Sommerbräune gut zur Geltung bringt. Ihre hochhackigen Riemchensandalen und ihr Lippenstift greifen den rosa Farbton der Blüten wieder auf. Sie strahlt mich freudig an und präsentiert dabei ihre perfekten, perlweißen Zähne, die mit ihrer zarten Perlenkette an ihrem schlanken Hals um die Wette schimmern.
„Scarlett, mein Schatz, ich bin ja so froh, dass wir uns endlich mal zu viert treffen können. Super, dass ihr es einrichten konntet. Das ist so ein richtiger Pärchen-Abend, nicht wahr?“, plappert sie kichernd drauf los und ich spüre einen Hauch Unsicherheit in ihrer Stimme. Sie wirkt aufgeregt und ein wenig nervös. Ihre Wimpern flattern wie Schmetterlingsflügel und sie schüttelt mit dem Kopf. „Ach, ich Dummerchen“, sagt sie und dreht sich zu ihrer Begleitung um. Sie streckt die Hand aus und ergreift ihn an seinem Jackettärmel. „Das ist Bill“, stellt sie ihn vor und ich setze ein freundliches Lächeln auf. „Bill, das ist meine beste und älteste Freundin Scarlett.“
Bill tritt über die Türschwelle, legt einen Arm um Carmens schmale Taille und den streckt mir den anderen zum Gruß entgegen. Sein Haar ist aschgrau, an den Seiten kurz und oben etwas länger, wo er es mit Gel zurückgekämmt hat. Das Gesicht ist oval und teigig, mit spärlichen Bartstoppeln am Kinn. Seine Augen haben einen schmutzigen Grauton, der mich spontan an dreckiges Wischwasser erinnert. Er trägt ein dunkelblaues, teuer aussehendes Jackett und darunter ein hellblaues Hemd, bei dem er einen Knopf zu viel am Kragen offengelassen hat, sodass man seine glattrasierte, mit Sommersprossen übersäte Brust erahnen kann. Sein Hemd steckt in einer ausgewaschenen Jeans, die an den Knien weiße Abnutzungen hat und so gar nicht zum Rest seiner Erscheinung und den auf Hochglanz polierten schwarzen Lederschuhen passt.
Ich ergreife seine Hand und drücke sie, wobei ich bemerke, dass er auch mich von oben bis unten mustert. Sein Händedruck ist schwach, die Handflächen viel zu glatt und warm.
Sein Mundwinkel zuckt und er zieht eine Augenbraue hoch. „Deine älteste, beste und dickste Freundin, wie ich sehe“, bemerkt er und zwinkert mir zu.
Ich lasse seine viel zu kleine Hand los und ziehe die Augenbrauen hoch, doch Carmens gespieltes Lachen verwirrt mich. Mir liegen ein dutzend bissiger Erwiderungen auf der Zunge, doch ich bringe keine davon über die Lippen. Carmen drückt meine Schulter und sieht mich mit flehendem Blick an, während sie noch immer künstlich lacht. Ich atme tief ein und lasse es gut sein. Stattdessen führe ich meine Gäste ins Wohnzimmer.
„Wo ist Chris denn?“, will Carmen wissen, nachdem sie auf dem Zweiersofa neben dem Kamin dicht an Bill gedrückt Platz genommen hat.
Ich setze mich ihnen gegenüber auf das große Sofa und schlage die Beine übereinander. „Er ist oben und zieht sich an. Er kam erst vor wenigen Minuten von einem Auftrag zurück.“
Carmen nickt und zieht Bills Arm auf ihren Schoß. Seine kleine Hand schiebt ihren Rock hoch und umfasst ihren nackten Schenkel ein Stück zu weit oben, aber es scheint sie nicht zu stören.
„In welcher Branche ist Ihr Gatte tätig?“, will Bill wissen, während sein Blick über die Gemälde im Raum schweift.
Carmen lacht wieder. „Bill, du kannst Scarlett natürlich duzen“, korrigiert sie ihn und stupst ihm mit dem Ellenbogen scherzhaft in die Seite. „Er ist immer so überhöflich, weißt du?“, bemerkt sie an mich gerichtet.
Ich lache kurz auf. „Ha! Ja, das ist mir gleich aufgefallen“, gebe ich ironisch zurück und ernte einen mahnenden Blick von Carmen.
„Und die beiden sind noch nicht verheiratet, Bill“, antwortet Carmen weiter für mich, bevor ich wieder etwas Falsches sagen kann. „Und Chris arbeitet als Privatdetektiv.“
Mein Unbehagen wächst und ich ziehe unbeabsichtigt die Augenbrauen hoch und räuspere mich. Ungeduldig gleitet mein Blick zur Treppe, in der Hoffnung, Chris würde daraufhin erscheinen. Als mein Brustbein beim Gedanken an ihn warm wird, höre ich ein leises Poltern von oben und ich weiß, dass Chris sich beeilen wird.
„Aha“, sagt Bill und lehnt den Kopf in den Nacken um auch noch die Decke zu betrachten. „Und in dieser Branche verdient man so viel, dass man sich dieses Anwesen leisten kann?“ Es ist eigentlich keine Frage, das ist mir klar.
Bevor Carmen wieder ihre gekünstelte Lachtirade starten kann, antworte ich. „Sieht wohl so aus, nicht wahr?“, sage ich mit einem süffisanten Lächeln und falte die Hände über dem Knie.
Bills Blick begegnet meinem und ich bin mir ziemlich sicher, dass er darin erkennen kann, dass ich dieses Spielchen nicht mehr lange mitspiele. Ich weiß nicht, welches Ziel er mit seinen Bemerkungen verfolgt und ob er überhaupt eines verfolgt. Vielleicht ist er auch einfach nur von Natur aus unhöflich, arrogant und überheblich.
„Und diese Narbe, Scarlett-“, beginnt er, lässt Carmen los und lehnt sich vor. Er stemmt die Ellenbogen auf die Oberschenkel und legt sein Kinn auf die gefalteten Hände. „Was hat es mit dieser Narbe auf sich?“, fragt er und spiegelt mit seiner Fingerspitze meine Narbe auf seiner Wange.
„Bill!“, zischt Carmen empört und zieht so kräftig an seiner Schulter, dass sein Ellenbogen vom Oberschenkel rutscht. „Darüber hatten wir doch gesprochen!“
Mein Lächeln bleibt standhaft und ich winke ab. „Schon gut, Carmen, das bin ich doch gewohnt.“ Ich ahme seine Haltung nach und beuge mich ebenfalls vor. Im Augenwinkel sehe ich Carmens angsterfülltes Gesicht. „Es war ein Autounfall, Bill“, lüge ich und spucke seinen Namen aus, als würde er einen bitteren Geschmack verursachen.
Carmen lässt erleichtert die Schultern sacken. Hat sie etwa wirklich gedacht, ich würde diesem Bill die Wahrheit über meine Narbe erzählen?
Er spitzt die Lippen, legt den Kopf schief und macht ein mitleidiges Gesicht. „Ich kenne ein paar gute Chirurgen, Scarlett. Sicherlich belastet dich diese Entstellung.“ Er verzieht angewidert das Gesicht und schluckt, als hätte ihn wahrhaftig ein übelkeitserregender Ekel bei meinem Anblick gepackt. „Ich kann dir ein paar Nummern dalassen, wenn du möchtest.“
„Nein, danke“, entgegne ich, ohne das falsche Lächeln fallenzulassen. Dann erhebe ich mich. „Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet, ich muss mich um das Essen kümmern.“
Und mit diesen Worten lasse ich sie alleine im Wohnzimmer zurück.
In der Küche angekommen balle ich die Hände zu Fäusten und laufe wie ein Tiger im Käfig auf und ab. Was sieht Carmen nur in diesem Mann? Er betrügt seine Frau mit ihr, ist überheblich, beleidigend, arrogant und ganz offensichtlich ein riesiges Arschloch! Wieso, um Himmels Willen, ist Carmen schon seit etlichen Jahren an seiner Seite? Wie hält sie diesen Kerl nur aus?
Ich halte mich am Rand der Kücheninsel fest und zwinge mich langsam und tief einzuatmen, um mich zu beruhigen. Meine Hände kribbeln und ich weiß, dass das Adrenalin in meinen Adern sich zu Blitzen in meinen Handflächen formen will. Rasch taste ich in meiner Hosentasche nach den zwei Bergkristallen, die ich eigentlich immer mit mir herumschleppe. Sie dienen mir im wahrsten Sinne des Wortes als Blitzableiter und nehmen die magische Energie auf, die sich impulsartig und ohne meine Kontrolle aus meinen Handflächen entleert. Doch ich habe sie nicht bei mir! Ich muss mich wirklich beruhigen, um nicht zu explodieren!
Zum Glück höre ich kurze Zeit später schon Chris´ Schritte auf der Treppe. Ich nehme die Weinkaraffe, atme noch einmal tief ein und treffe im Flur auf ihn. Er sieht mich fragend an.
„Dieser Bill ist ein Riesenarschloch!“, forme ich lautlos mit meinen Lippen.
Chris´ Augenbrauen ziehen sich zusammen und seine Augen formen sich zu bedrohlichen Schlitzen. „Was hat er getan?“, will er wissen, doch ich schüttle mit dem Kopf und gehe zurück ins Wohnzimmer.
Würde ich meinem Gefährten sagen, wie Bill sich bislang verhalten hat, würde er ihn am Kragen packen und aus dem Haus werfen. Diese Vorstellung gefällt mir zwar, aber es wäre für meine beste Freundin ein absoluter Albtraum.
Chris folgt mir in geringem Abstand. Ich sehe, dass Carmen Bill offenbar zur Rede gestellt hat, denn als wir reinkommen, sieht er sie mit großen Augen unschuldig an, während sie mit dem Zeigefinger vor seinem Gesicht herumfuchtelt. Als hätte ich nichts bemerkt, spaziere ich fröhlich lächelnd zurück zu meinem Platz und beginne Carmens Weinglas zu füllen.
Chris geht auf Carmen und Bill zu. Seine Erscheinung und seine Aura durchfluten den Raum, was auch Bill nicht zu entgehen scheint. Noch immer lächelnd schaue ich ihn an, während er Chris mit leicht erschrockener Miene mustert, als dieser Carmen die Hand schüttelt.
„Hallo Carmen“, sagt er mit seiner tiefen Stimme und ich spüre diesen Bariton im Glas der Karaffe vibrieren.
Carmen wirkt noch zierlicher und kleiner in seiner Gegenwart. Selbst als Bill sich erhebt, um auch Chris´ Hand zu schütteln, wirkt er schmächtig und sein Ego um einiges kleiner als zuvor.
„Hallo Bill, ich bin Chris´, Scarletts Gefährte. Entschuldigt bitte, dass ich zu spät bin.“
Bill nickt bloß und setzt sich wieder hin. Er reibt seine Hand in seinem Schoß und ich stelle mir vor, wie Chris sie in seinen großen Pranken zerquetschen könnte. Schon geht es mir besser und die Wut verraucht ein wenig.
Wir trinken zusammen Wein und Carmen erzählt in ihrer lockeren Art von ihrem Urlaub in Spanien und den drei Tagen, in denen Bill ihr hinterhergereist ist, was natürlich die drei besten Tage waren. Chris und ich hören ihr zu, lachen über ihre gefälschte Chanel Handtasche, die sie am Strand gekauft hatte und für echt hielt, bis sie zuhause erkannte, dass nicht zwei gekreuzte C´s auf dem Logo waren, sondern zwei ineinander verschlungene O´s. Sie zeigt uns Fotos davon und Chris kann sich vor Lachen kaum halten, bei der Vorstellung, dass ihr diese offensichtliche Fälschung nicht sofort ins Auge gefallen war.
„Allein der Preis hätte dich stutzig machen müssen“, lacht Chris.
Carmen zuckt mit den Schultern. „Ich dachte, die wäre aus einer älteren Kollektion und sei deshalb so billig.“
„Die Kollektion, wo die C´s noch O´s waren?“
Bill hält sich im Hintergrund und ist sehr still. Er lacht, wenn wir lachen, doch er ist offensichtlich eingeschüchtert, was meine Stimmung um einiges hebt. Ich überlege sogar, ihm seine dummen Kommentare zu verzeihen, sollte er sich von nun an benehmen. Er muss mich nicht mögen oder gar respektieren, es reicht mir völlig aus, wenn er aus Angst vor Chris freundlich zu mir ist.
Nach einer etwas mehr als einer halben Stunde entschuldige ich mich und verschwinde in der Küche. Der Wein auf leeren Magen hat mich ein wenig beschwipst gemacht, wie ich nach dem Aufstehen feststelle. Mein Bauch knurrt und ich sehne mich nach der Lasagne, die mittlerweile fertig sein müsste. Doch als ich in der Küche ankomme, bemerke ich direkt, dass der erhoffte Lasagnegeruch fehlt. Erschrocken bücke ich mich zum dunklen Backofen und stoße einen Fluch aus. Ich habe vergessen, den Ofen anzustellen!
Ich öffne die Ofentür und halte die Hand hinein. Kalt. „Oh nein“, jammere ich und schlage die Hände vors Gesicht. Wie konnte ich das nur vergessen? Doch als ich darüber nachdenke, fällt es mir wieder ein: Bill! Ich war so außer mir, wegen seinen dummen Kommentaren über meine Figur, meine Narbe und überhaupt allem, dass ich es schlicht und einfach vergessen habe.
Grübelnd hocke ich vor der kalten Lasagne. Wenn ich den Backofen jetzt noch anstelle, müssen wir weitere fünfundvierzig Minuten totschlagen. Und bis wir dann gegessen haben, ist es so spät, dass Bianca und Bill morgen früh kaum aus dem Bett kommen werden. Außerdem haben wir jetzt Hunger!
Dann kommt mir schließlich eine wahrhaft zündende Idee! Ich bin eine Hexe! Das Element Feuer ist mir untertan! Es sollte also kein Problem sein, eine kalte Lasagne in Windeseile zu backen!
Ich stelle mich also aufrecht hin, schließe die Augen und konzentriere mich auf das Element Feuer. Sofort kommt es zu mir, fließt in meinen Adern und wärmt mein Blut. Ich strecke die Hand aus, bücke mich zum Ofen und lasse eine Feuerfontäne aus meiner Handfläche schießen, die den ganzen Innenraum im Ofen erhellt. Das Feuer ist so heiß, dass meine Wangen zu glühen beginnen. Zwischen den Flammen sehe ich die rote Soße köcheln. Zufrieden schwenke ich meinen Arm hin und her, lasse die Hitze gleichmäßig über die Auflaufform gleiten, während der köstliche Geruch das Wasser in meinem Mund zusammenlaufen lässt.
„Oh mein Gott!“, stöhnt eine Stimme hinter mir und ich drehe mich erschrocken um.
Der Feuerstrahl aus meiner Hand gleitet auf die Fliesen und hinterlässt einen schwarzen, verkohlten Fleck.
Bill steht im Türrahmen. Seine Augen sind weit aufgerissen und alle Farbe ist aus seinem Gesicht gewichen. „Oh mein Gott, oh mein Gott“, sagt er immer wieder und weicht zurück.
„Bill, bitte rege dich nicht auf“, versuche ich ihn zu beruhigen und hebe die Hände, was ein Fehler war, wie ich direkt bemerke. Bill duckt sich und rennt schreiend vor mir weg. „Bill! Lass es mich bitte erklären!“, rufe ich ihm hinterher.
Ich will ihm folgen, doch im Flur sehe ich schon, dass er durch die Haustür verschwunden ist. Sie steht noch offen und ich kann die Scheinwerfer seines Autos sehen, wie sie über die in der Dämmerung liegenden Rasenfläche vor unserem Haus gleiten.
„Was ist passiert? Wo ist Bill?“ Carmen kommt aus dem Wohnzimmer und schaut fragend zur Haustür. „Bill?“
„Er ist abgehauen“, sage ich und fühle mich plötzlich schuldig.
„Was meinst du? Wieso ist er abgehauen?“ Sie rennt zur Haustür und schaut den roten Lichtern seines wegfahrenden Autos hinterher, während wir alle den Motor aufheulen hören.