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Kapitel 2

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Mein Herz zieht sich zusammen, zersplittert und fällt klirrend in Scherben zu Boden. Ich lasse den Arm sacken, in dessen Hand ich noch immer Chris´ Schlüsselbund halte und starre weiter auf die nun geschlossene Eingangstür, während die aufkommenden Tränen langsam meine Sicht trüben.

Hör auf, Scarlett, du weißt ja noch nicht einmal, wer die Frau und das Kind sind, meldet sich mein Unterbewusstsein. Es ist der Versuch mich selbst zu beruhigen, doch es will nicht so recht funktionieren. Chris hatte vor ein paar Tagen noch gesagt, dass es eine Menge Dinge gäbe, die ich über ihn nicht wüsste. Waren diese Frau und das Kind eines davon?

Mit einem dicken Kloß im Hals und den Schlüssel, der sich in meine zur Faust geballte Hand bohrt, gehe ich zurück zu meinem Wagen. Ich steige ein, werfe den Schlüssel in den Fußraum des Beifahrersitzes, starte den Motor und fahre mit heulendem Motor los. Vielleicht hört Chris den fauchenden Panther und befürchtet, ich könnte ihn mit seiner Frau, Freundin, oder was auch immer, gesehen habe. Würde ihm recht geschehen. Ich hoffe, ihm sackt das Herz genauso in die Hose, wie meines, dass nun in Scherben auf dem Waldboden liegt.

Ich befinde mich auf dem Feldweg hinter dem Wald, als mein Handy klingelt. Mit zitternden Fingern hole ich es aus meiner Manteltasche und blicke rasch darauf. Es ist Chris. Doch anstatt abzunehmen, werfe ich es in den Fußraum zum Schlüssel, wo es unaufhörlich weiterklingelt. Der fröhliche Klingelton passt rein gar nicht zu meiner momentanen Stimmung, weswegen ich das Radio laut stelle, bis mir die Ohren dröhnen und das lustige Gedudel komplett übertönt wird. Ich trete das Gaspedal durch und lasse den schwarzen Panther aufheulen. Er schreit meine Wut und Enttäuschung in die Welt hinaus, damit ich es nicht tun muss.

Als ich auf dem Krankenhausparkplatz zum Stehen komme, wische ich mir die Tränen von den Wangen und besehe mein Gesicht im Rückspiegel. Mein Lidstrich ist ein wenig verlaufen, aber das kriege ich mit einem Taschentuch wieder hin. Ich atme tief ein und aus, studiere ein Lächeln für Elvira ein und sage mir selbst, dass ich mich um Chris später kümmern kann. Jetzt ist erst mal nur meine Tante wichtig, mit der ich noch einiges zu besprechen habe und die kein weinerliches Häufchen Elend vorfinden soll, wenn sie mich gleich sieht.

Ich steige aus, straffe die Schultern und laufe zwischen umherwehendem Herbstlaub zur Eingangstür.

„Scarlett, da bist du ja!“, ruft Elvira erleichtert, als ich ihr Zimmer betrete. Sie sitzt auf der Bettkante, einen Briefumschlag in der Hand, und springt auf, sobald ich auf sie zugehe. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr.“

„Hallo Elvira, freut mich auch dich zu sehen. Danke, mir geht’s gut, und dir?“, antworte ich sarkastisch.

Elvira geht ein paar Schritte auf mich zu, die Stirn nachdenklich in Falten gelegt. „Was ist los, Kind?“

Ich schüttle mit dem Kopf und weiche ihrem Blick aus, da ich befürchte, die Tränen würden zurückkommen, wenn ich sie ansehe.

„Wo ist Chris, hatte er keine Zeit?“, will sie wissen und blickt über meine Schulter zur offenstehenden Zimmertür.

„Nein“, sage ich und lache kalt. „Er ist anderweitig beschäftigt.“

Elvira umfasst meinen Oberarm und zwingt mich, sie anzusehen. „Ist alles in Ordnung mit euch?“

Ich seufze, winde mich aus ihrem Griff und setze ein falsches Lächeln auf. „Natürlich, alles in Ordnung. Wollen wir dann los?“

„Mir machst du nichts vor, Kind. Ich kenne dich besser, als du dich selbst. Aber gut, wir reden später“, sagt sie, faltet ihren Entlassungsbrief, steckt ihn in die hintere Hosentasche und stapft an mir vorbei.

„Da gibt es nichts zu bereden“, protestiere ich und folge ihr.

Sie geht schnurstracks in Richtung Fahrstuhl, wobei sie den Krankenschwestern winkt und sich bedankt.

„Tschüss Elvira!“, und „Komm bloß nicht so schnell wieder, okay?“, oder „Bis bald, Elvira!“, wird ihr zugerufen und mir wird klar, dass sie nicht zum ersten Mal in diesem Krankenhaus ist. In den zwölf Stunden in denen sie hier lag, kann sie nicht mit allen Schwestern Freundschaft geschlossen haben.

Ich steige zu meiner Tante in den Fahrstuhl und warte, bis die Tür sich schließt. „Das war nicht dein erster Aufenthalt in diesem Krankenhaus, oder?“, frage ich und blicke auf die matt silberne Fahrstuhltür.

„Nein“, antwortet Elvira knapp.

„Wie oft schon?“

Elvira seufzt und steckt die Hände in die Taschen ihrer dreckigen Jeans. Getrocknetes Blut färbt den Stoff rotbraun „Ich habe nicht mitgezählt.“

Entsetzt sehe ich sie an, während der Fahrstuhl ins Erdgeschoss fährt und dann mit einem Ruck zum Stehen kommt. „Wie oft, Elvira? Wie oft hast du hier gelegen, ohne dass ich es wusste?“, herrsche ich sie an, wobei sie Ausschau nach meinem Wagen hält.

Als sie ihn erblickt, geht sie auf ihn zu und ich trabe neben ihr her. „Sag mir, was mit dir los ist, und ich sage dir, wie oft ich schon hier war.“

Verärgert schnaube ich und schüttle mit dem Kopf. Das hat sie schon immer gemacht.! Wenn ich mal nicht mit der Sprache rausrückte, hat sie solange nicht mehr mit mir gesprochen, bis ich ihr sagte, was mein Problem war. Aber diesmal wird sie keinen Erfolg mit dieser Masche haben, da ich kein kleines Kind mehr bin. Ich bin erwachsen und muss nicht jedes meiner Probleme mit ihr besprechen. Außerdem wurmt es mich, dass ich so eifersüchtig bin und mich offenbar innerhalb weniger Tage unsterblich in einen Mann verliebt habe, von dem ich so gut wie nichts weiß. Und sollte diese blonde Frau von vorhin wirklich zu Chris gehören, dann will ich lieber gar nicht mehr daran denken. Ich werde ihn vergessen und auf den Stapel der Ex-Akten legen, so wie alle anderen auch. Irgendwie werde ich schon über ihn hinwegkommen, auch wenn ich es mir im Moment beim besten Willen nicht vorstellen kann.

Ich fasse an mein Brustbein, auf dem sich ein warmer, drückender Schmerz ausbreitet. Chris hatte gesagt, dass dies es ein Zeichen dafür ist, dass wir Seelenverwandte, sogenannte Gefährten sind, wenn es an dieser Stelle beim Gedanken an den anderen warm wird. Seufzend lasse ich meine Hand sinken und schließe meinen Wagen auf.

„Gefällt er dir?“, will Elvira wissen und deutet auf meinen schwarzen Panther.

Schlagartig fällt mir ein, dass ich mich noch gar nicht bei ihr bedankt habe. Ich verdränge all meine finsteren Gedanken und setze ein Lächeln auf. „Oh, ja, Elvira.“ Ich gehe um den Wagen herum auf sie zu. „Vielen Dank!“, sage ich und nehme sie in den Arm.

Sie klopft mir auf den Rücken. „Keine Ursache. Ich habe ihn von einem Kunden bekommen“, erzählt sie und klopft nun auf das Dach des Wagens. „Aber für mich sind diese schnellen Dinger nichts, deswegen habe ich ihn für dich aufgehoben.“

„Ich liebe diesen Wagen! Er ist der Wahnsinn!“, gebe ich zu und meine Augen strahlen, was auch ein Lächeln auf Elviras Lippen zaubert.

„Ich dachte mir, dass er dir gefällt. Aber nun bring mich nach Hause.“

Ich parke hinter dem Reisebüro und stelle meinen Panther an den Platz, auf dem wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Die ganze Fahrt über haben Elvira und ich kein Wort gesprochen, ich glaube, wir waren beide in unsere eigenen Gedanken vertieft. Ich dachte über Chris, die blonde Frau und das kleine Mädchen nach und welche Beziehung sie wohl zueinander haben. Außerdem sortierte ich all die Fragen, die ich meiner Tante stellen wollten. Von „Wieso bist du Parapsychologin?“, bis hin zu „Wie kriegen wir meine Mutter aus dem Wachkoma?“, und „Hast du nun Angst vor mir, weil meine Kräfte aktiviert wurden?“, war alles dabei.

Elvira steigt aus, knallt die Tür zu und rennt beinahe auf die Hintertür des Reisebüros zu. Davon, dass sie vergangene Nacht noch von einem Dämon geschunden im Krankenhaus lag, ist jetzt nichts mehr zu sehen. Ich habe so meine Mühe, mit ihr Schritt zu halten.

Sie schließt die Tür auf und rennt die Treppen nach oben zu ihrer Wohnung empor. Ich folge ihr, in gemäßigtem Tempo. Als ich ihre Wohnungstür hinter mir schließe, beugt sich Elvira über den kleinen Telefontisch im Flur. Sie steckt ihr Handy an ein Ladekabel und hört sich die Nachrichten vom Anrufbeantworter an. Ich gehe währenddessen in jedes Zimmer und öffne die Fenster. Die Luft wirkt staubig und abgestanden hier drinnen, als wäre seit Wochen niemand mehr hier gewesen, was ja auch der Fall ist.

Als ich wieder zu Elvira zurück in den Flur komme, höre ich Sprachfetzen vom Anrufbeantworter. Hektische, beinahe hysterische Stimmen klagen dem Aufnahmegerät ihr Leid. Worte wie, „Werwölfe“, „Feendiebe“ oder „Horden von Vampiren“ dringen zu mir durch.

Plötzlich stoppt Elvira die Nachrichten und legt den Kopf in den Nacken. Sie schließt ihre Augen und seufzt tief. „Oh man, da kommt eine Menge Arbeit auf uns zu. Und dabei wollte ich mich doch zur Ruhe setzen.“

„Zur Ruhe setzen?“, wiederhole ich und lache. „Du bist doch erst fünfzig Jahre alt, oder so?“

Elviras Kopf schnellt nach vorne und sie sieht mich finster an. „Ich bin siebenundvierzig, Kind!“

Ich hebe abwehrend die Hände und entschuldige mich, während Elvira an mir vorbei in ihr kleines Wohnzimmer läuft. Ich gehe ihr nach und stolpere, wie fast jedes Mal, über den dicken knallbunten Teppich, den sie über den Perser gelegt hat, der den gesamten Boden des Wohnzimmers bedeckt. Elvira setzt sich auf ihre Couch, ich nehme in dem grünen Sessel mit dem kratzigen Bezug Platz und schaue ihr zu. Sie holt aus einem Zeitungsständer ein Tablet hervor und tippt wild darauf herum, wobei sich ihre Stirn sorgenvoll in Falten legt.

„Es sind auch dutzende E-Mails eingegangen“, murmelt sie.

Ich zucke mit den Schultern. „Nun ja, du warst ja auch schließlich knapp zwei Wochen weg. Da sammelt sich schon was an.“

Elvira legt das Tablet auf ihre Knie und sieht mich streng an. „Ich bekomme als Parapsychologin in der Regel einen Auftrag pro Woche. Nun sind es jedoch vierzehn Nachrichten auf dem Anrufbeantworter und zwölf E-Mails!“

„Ist doch super, das Geschäft boomt!“, sage ich und versuche zu lächeln, was unter Elviras strengen Blicken jedoch sofort wieder erlischt.

„Du verstehst es nicht, Scarlett. Der ganze Aufruhr passiert deinetwegen!“

Ich stutze und räuspere mich. „Meinetwegen? Was habe ich damit zu tun?“, hake ich nach und schüttle ungläubig mit dem Kopf.

„Die neue Königin ist auferstanden und hat ihre Macht aktiviert. Sie versammeln sich und kommen, um dich zu sehen!“, sagt Elvira.

„Wer kommt?“

„Alle Wesen, die guten und die bösen.“

Scarlett Taylor

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