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Kapitel 3

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„Die neue Königin?“, schreie ich halb und springe auf. „Was für ein Quatsch! Sie brauchen nicht kommen, um mich zu sehen! Da gibt es nichts zu sehen!“

Elvira schüttelt langsam mit dem Kopf und blickt zu mir hoch. „Du hast keine Wahl, Kind. Das war schon immer deine Bestimmung.“

Ich balle die Hände zu Fäusten und spüre, wie mir schon wieder Tränen in die Augen steigen. „Das ist alles bloß deine Schuld!“, zische ich.

„Meine Schuld?“, wiederholt Elvira und fasst sich an den Hals. „Meine Schuld? Wohl eher die Schuld deiner Mutter! Hätte sie sich nicht mit dem schwarzen König eingelassen, dann...“

Sie bricht mitten im Satz ab und senkt den Blick.

„Dann wäre ich nicht geboren worden, oder was wolltest du sagen?“

„So wollte ich es nicht formulieren, Scarlett.“

Eine Träne kullert von meiner Wange und ich wische sie hastig weg. „Aber ich bin nun mal geboren worden! So ein Pech!“, keife ich und schüttle aufgebracht mit dem Kopf. „Hättest du mir nicht dieses Buch mit diesem Spruch hinterlassen, hätte ich niemals meine Macht aktiviert, und alles wäre wie immer! Deswegen ist es deine Schuld!“

Elvira steht auf und geht auf mich zu. Auch wenn ich mich abwende, umfasst sie meine Schulter und zieht mich zurück. „Kind, ich wollte, dass du deine Macht aktivierst.“

Mit aufgerissenen Augen blicke ich sie an. „Wieso?“

Sie seufzt und greift nach meinen Händen. „Scarlett, die Herrschaft des schwarzen Königs muss enden. Die magische Welt braucht eine neue Herrscherin, denn so wie es jetzt ist, kann es nicht mehr weitergehen.“

Mir wird schwindelig und ich muss mich setzen. Ich sacke förmlich auf dem kratzig grünen Sessel zusammen und starre gedankenverloren auf den Tisch. Plötzlich bekomme ich es mit der Angst zu tun. Horden von übernatürlichen Wesen sind auf den Weg hierher und selbst Elvira erwartet von mir, mein königliches Amt anzutreten! Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich sie alle bitterlich enttäuschen werde! Sicherlich rechnen sie mit einer mächtigen Hexe. Die Tochter des schwarzen Königs stellt sich wahrscheinlich kein Wesen als dickliche Endzwanzigerin vor, die von Magie keine Ahnung hat!

„Ich glaube, ich kann das nicht, Elvira“, sage ich und falte meine zitternden Hände.

Elvira kniet sich neben den Sessel, legt eine Hand auf meine und drückt sie. „Scarlett, du kannst das! Das ist deine Bestimmung. Es liegt dir im Blut“

„Oh mein Gott“, jammere ich und schlage die Hände vor mein Gesicht. In der Schule wollte ich noch nicht einmal Klassensprecherin werden, und nun soll ich über magische Wesen herrschen und meinen Vater vom Thron schubsen? Das kann doch alles nicht wahr sein!

Mein Handy klingelt in meiner Manteltasche, während Elvira mich für einen Moment allein gelassen hat, um Tee zu kochen. Ich blicke auf das Display und sehe die Nummer von Chris darauf. Seufzend und ein wenig zögerlich hebe ich ab.

„Ja?“

„Scarlett, na endlich! Ist alles in Ordnung mit dir?“

Ich presse das Handy an mein Ohr und lausche auf seine Hintergrundgeräusche. Aber dort wo er sich befindet ist es mucksmäuschenstill. „Ja, alles okay. Wieso?“, lüge ich und schlucke.

„Ich habe schon ein paar Mal versucht dich zu erreichen.“

„Mein Handy war im Auto, als ich Elvira abgeholt habe.“

Er lacht kurz auf. „Ach so, ich dachte schon, es sei etwas passiert“, sagt er erleichtert. „Du, weswegen ich anrufe … Habe ich meinen Schlüssel bei dir im Wagen vergessen?“

Mein Herz setzt für ein paar Schläge aus und kommt stolpernd wieder in Gang. „Ja, kann sein. Ich glaube schon“, stammle ich und schlage mir vor die Stirn. „Brauchst du ihn? Soll ich ihn bringen?“

„Nein, nein. Mach dir nicht die Mühe. Ich habe noch ein paar Ersatzschlüssel hier, und den Transporter habe ich ja im Moment eh nicht.“

Aha, ich soll also nicht vorbeikommen und ihm den Schlüssel bringen. Sehr verdächtig. „Okay.“

„Ist wirklich alles in Ordnung?“, hakt er nach und ich höre einen zweifelnden Unterton in seiner Stimme.

„Ja, ja, alles okay“, lüge ich erneut. „Elvira hat mir nur gerade erzählt, dass Horden übernatürlicher Wesen auf dem Weg zu uns sind, um mich zu sehen. Mich, ihre neue Königin.“

Kurz Stille am anderen Ende. „Das habe ich auch gehört. Aber mach dir keine Sorgen, Scarlett. Ich habe schon mit Fletcher gesprochen. Wenn es dir passt, bringe ich dich heute Nachmittag zu ihm.“

„Und dann?“

„Dann weist er dich in die weiße Magie ein. Vielleicht kann er dir auch schon einen Schutzzauber beibringen, dann wärst du für die magischen Wesen theoretisch unsichtbar und sie können dich erst mal nicht belästigen. Aber darüber weiß Fletcher mehr.“

„Okay“, sage ich und spüre, wie mein Brustbein sich bei Chris Worten und seiner rauen Stimme erwärmt. Auch wenn ich in diesem Moment nicht genau weiß, woran ich bei ihm bin, fühlt es sich gut an, mit ihm zu sprechen.

„Komm so gegen drei Uhr zu mir, in Ordnung? Dann fahren wir zu Fletcher. Er erwartet uns.“

„Ja, ist okay“, sage ich, als Elvira mit zwei klappernden Teetassen hineinkommt.

„Und grüß´ Elvira von mir, ja?“

„Ja, mach ich. Bis später dann“, sage ich und lege auf.

„War das Chris?“, will Elvira wissen. Sie stellt die dampfenden Tassen auf dem Couchtisch ab und öffnet ein Fach ihres Wohnzimmerschranks, aus dem sie eine Packung Kekse holt.

Ich stecke das Handy zurück in meine Manteltasche und hole die heiße Tasse heran. „Ja. Ich soll schön grüßen.“

Sie nickt und reißt die Keksverpackung auf. „Und mit euch ist alles in Ordnung?“

Ich seufze und rolle mit den Augen. „Eigentlich kennen wir uns kaum“, gebe ich zu und rühre in meinem Tee.

„Ist das nicht immer so, wenn man sich erst kurz kennt?“, meint Elvira. „Das Wichtigste weißt du ja schon, und das ist etwas, was er normalerweise nie jemandem erzählt.“

„Dass er ein Mannwolf ist, oder was meinst du?“

„Genau“, sagt sie und nickt. Sie setzt sich wieder auf ihr Sofa, nimmt einen Keks und tunkt ihn in ihren Tee.

In meinem Kopf formuliere ich eine Frage immer wieder um und suche mir dann die Version, die am wenigsten eifersüchtig und misstrauisch klingt. „Hat er Familie?“

Elvira lehnt sich an, beißt von ihrem Keks ab und kaut, während sie mich ausdruckslos betrachtet. Nachdem sie geschluckt hat, antwortet sie endlich. „Einen Bruder, eine Schwester und eine Nichte, soweit ich weiß. Seine Eltern sind schon verstorben.“

Der Stein, der sich langsam von meinem zersplittertem Herzen löst, kullert sanft zu Boden, während ich mich selbst für meine Eifersucht ohrfeigen könnte. „Wie alt ist seine Nichte?“, hake ich so beiläufig wie möglich nach.

„Keine Ahnung, vielleicht vier oder fünf Jahre alt. Ich habe sie noch nicht kennengelernt, aber er erzählt manchmal von ihr.“

„Und seine Schwester? Wie sieht die aus?“

Elvira blickt von ihrer Teetasse auf und zieht die Augenbrauen hoch. Sie denkt nach, nimmt einen Schluck Tee und setzt die Tasse bedächtig wieder ab. „Sie ist groß, schlank und hat langes blondes Haar.“

Ich nicke erleichtert, da Elviras Beschreibung auf die Frau passt, die Chris so überschwänglich und freudig begrüßt hat.

„Nun verstehe ich was los ist!“, sagt sie und schüttelt lächelnd mit dem Kopf. „Du hast sie gesehen und gleich befürchtet, Chris würde zweigleisig fahren!“

„Nein, was für´n Quatsch!“, sage ich und wedle mit der Hand, doch Elviras Lachen macht deutlich, dass sie mich durchschaut hat.

„Oh, Kind! Du hast eindeutig zu viele schlechte Erfahrungen gemacht“, sagt sie während ihr Lachen langsam verebbt.

Ich zucke mit den Schultern. „Kann sein.“

„Chris ist anders, als alle Männer, die du jemals gehabt hast, Scarlett.“

Meine Wangen werden warm als ich lächelnd nicke. „Ja, das stimmt wohl.“

„Wenn er seine Gefährtin gefunden hat, dann gibt es für den Mannwolf keine andere Frau mehr. Er kann mit ihr die nächsten Jahrhunderte zusammen sein, ohne ihrer jemals überdrüssig zu werden.“

„Jahrhunderte?“, wiederhole ich lachend, doch Elvira stimmt nicht in mein Lachen ein.

„Ja, Jahrhunderte“, sagt sie erneut. „Hat er es dir noch nicht erzählt?“

„Mir was erzählt?“

„Wie alt er ist?“

Ich setze klirrend meine Teetasse ab und beuge mich zu Elvira vor. „Was meinst du damit? Er ist so um die fünfunddreißig, würde ich schätzen.“

„Da leg´ noch mal fünfunddreißig Jahre drauf, Kind.“

Ich schüttle ungläubig mit dem Kopf. „Unsinn! Du willst mich doch verarschen, oder? Chris ist doch niemals siebzig Jahre alt!“

Elvira nickt bedächtig. „Doch, so ungefähr. Mannwölfe werden zweihundert Jahre alt.“

„Ach, Quatsch! Niemals!“, sage ich erneut und denke nach. Könnte es wirklich sein, dass Elvira mir die Wahrheit erzählt? Wenn das so wäre, dann könnten Chris und ich niemals zusammen alt werden. Ich habe im Durschnitt noch fünfzig Jahre, Chris hingegen könnte aber noch einhundertdreißig Jahre leben. „Dann sterbe ich, bevor er alt ist“, erkenne ich und schlucke.

Elvira lacht auf. „Nein, Kind! Die Gefährtin eines Mannwolfes zu sein, bedeutet auch, mit ihm alt zu werden. Du wirst so lange leben wie er. Da du aber die Tochter des schwarzen Königs bist, und deine Macht aktiviert wurde, wirst du noch länger leben.“

Ich sacke im Sessel zusammen und kann kaum glauben, was meine Tante mir da erzählt. „Wie alt ist der schwarze König?“

Elvira presst die Lippen zusammen und nippt an ihrem Tee. „Keiner weiß es so genau. Die ersten Aufzeichnungen von ihm gab es vor circa vierhundert Jahren.“

„Ach Quatsch!“, protestiere ich, doch Elvira sieht mich missmutig an.

„Das musst du dir echt abgewöhnen, Kind. Du kannst nicht jedes Mal -Ach Quatsch- rufen, wenn man dir etwas von der paranormalen Welt erzählt.“

Ich senke den Blick und schlürfe meinen Tee. „Ich kann es aber wirklich kaum glauben“, gebe ich zu bedenken. „Du sagst, normales Altern, wie es alle um mich herum tun, fällt für mich flach. Mein Freund wird zweihundert Jahre alt und ich angeblich noch älter. So etwas verdaut man nicht so leicht.“

Elvira nickt und stellt ihre Tasse ab. „Da hast du recht. Wenn man dies alles zum ersten Mal hört, dann muss es wirklich unglaublich sein“, stimmt sie mir zu und legt eine Hand auf mein Knie. „Ich habe mit solchen Dingen seit deiner Geburt zu tun, für mich ist es Alltag.“

„So lange bist du schon als Parapsychologin tätig?“, hake ich nach und beuge mich interessiert vor.

„Ja, es fing alles an, nachdem deine Mutter sich mit dem schwarzen König einließ“, beginnt sie zu erzählen und die Vorstellung meiner Mutter zusammen mit diesem Mann lässt die Härchen auf meinen Armen zu Berge stehen. „Wir wussten natürlich nicht, was er war. Aber ich spürte von Anfang an, dass er nichts Gutes bedeutet. Ella und er waren Hals über Kopf ineinander verliebt. Innerhalb weniger Wochen gaben sie ihre Verlobung bekannt und Ella wurde mit dir schwanger. Ich erzählte ihr von meinen Bedenken und sagte ihr, dass ich ihn verfolgt hatte und sah, wie er nachts auf dem Grundstück eines alten Guts herumspazierte und sich dann in Luft auflöste! Aber natürlich glaubte sie mir nicht.“

„Er hat sich in Luft aufgelöst?“

Elvira nickt und starrt gedankenverloren auf den mit Kratzern übersäten Couchtisch. „Jede Nacht, wenn Ella schlief, verließ er sie und ging zu diesem Gut. Ein paar Mal habe ich ihn beobachtet und es war, als überschreite er eine unsichtbare Grenze und ward danach verschwunden. So als husche er in eine andere Dimension hinein.“

Ich denke über Elviras Worte nach, bis mir wieder dieser widerliche Anhänger, den der schwarze König mir mit der Einladung zusammen geschickt hat, einfällt. „Ich habe eine Einladung von ihm bekommen. Dabei war so ein Anhänger, total widerlich! Es ist ein Rattenherz im Zuckermantel. In der Einladung stand, dass ich nur so sein Schloss betreten kann. Hatte er vielleicht auch so einen Anhänger?“

„Er hat dich eingeladen?“, hakt Elvira aufgebracht nach und reißt die Augen auf.

„Ja. Darin steht, dass sein Medium ihm gesagt hat, ich würde bald weiße Magie erlernen. Da er sich aber Chancengleichheit erbittet, lädt er mich in sein Schloss ein, um mir die schwarze Magie näherzubringen. Es ist nicht wirklich eine Einladung. Wenn ich nicht freiwillig komme, dann wird er mich holen lassen.“

Elvira schlägt die Hände über den Kopf zusammen. „Oh mein Gott … Nun ja, damit hätten wir rechnen müssen. Wann sollst du zu ihm?“

„Heute in einer Woche.“

Elvira springt auf. „Und dann sitzt du hier noch rum? Du musst dringend mit Fletcher reden, Scarlett! Er muss dir die Grundlagen der weißen Magie erklären, und ...“, ruft sie fahrig, doch ich hebe meine Hand und unterbreche sie.

„Ganz ruhig, Elvira! Ich gehe heute Nachmittag zu Fletcher. Chris hat schon alles mit ihm besprochen, nun beruhige dich wieder!“

„Mich beruhigen? Scarlett, wenn der schwarze König dich erstmal unter seine Fittiche nimmt, dann wird er dich auf die schwarze Seite ziehen. Es liegt dir im Blut, Kind!“

Jetzt stehe ich auch auf und stemme die Hände in die Hüfte. „Du denkst also wirklich, dass dieser Bastard es schafft, mich auf seine Seite zu ziehen? Ich mag vielleicht von seinem Blut abstammen, Elvira, aber ich bin nicht wie er!“

„So meinte ich das nicht“, lenkt sie in ruhigerem Ton ein. „Ich meine nur, dass die dunkle Seite sehr verführerisch sein kann. Und der schwarze König wird sich womöglich von seiner besten Seite zeigen, damit du in Betracht ziehst, dich für die dunkle Seite zu entscheiden. Aber das darf nicht passieren!“

„Ich werde nicht auf die dunkle Seite wechseln, Elvira! Ich hätte am liebsten gar nichts mit diesem ganzen Hexenkram zu tun! Ich will einfach nur mein Leben leben, ohne schwarze oder weiße Magie. Ich will Parapsychologin sein, so wie du!“

Elvira seufzt. „Du wirst dich deinem Hexenblut nicht mehr verwehren können. Wenn du dich für die weiße Seite entscheidest, kannst du als Parapsychologin arbeiten. Entscheidest du dich aber für die schwarze Seite, so haben wir dich für immer verloren.“

Scarlett Taylor

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