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Der Weg zum Golden Horse Sporthotel führte für Fußgänger direkt durch den Gloomy Forest. An diesem Tag zeigte sich die Natur am Rande von London von einer ihrer schönen Seiten. Das Wetter hatte sich ausnahmsweise gegen den Regen entschieden und bot sogar der Sonne einen kurzen Gastauftritt am Wolkenhimmel. Eleonora genoss das besinnliche Singen der Vögel und die weichen Moosflechten unter ihren Schuhsohlen, die in einem satten Grün auf dem Gehweg erstrahlten.

Schon von weitem erkannte sie den großen Parkplatz des Hotels wieder, ehe sich das riesige Gebäude in seiner vollen Pracht unter den glänzenden Sonnenstrahlen vor ihr erstreckte. Es war der kultigste Ort in der Umgebung, ein Ort voller Trubel, voller unterschiedlicher Menschen. Vor dem großen Eingangstor standen einige protzige Autos, die von ihren Besitzern oder vom Personal des Hotels ordentlich in einer Reihe geparkt worden waren. Das Gebäude wirkte mit seinen weißen Mauern, dem Stuck an den Balkonen und den großen Säulen besonders glamourös. Rund um das Anwesen gab es einen Golfplatz, denn das Hotel bot seinen Gästen ein umfangreiches Freizeitangebot. An das Gebäude grenzte außerdem ein Pferdestall, welcher von edlen Pferden bewohnt wurde. Die Gäste des Hauses und Freizeitreiter aus der Umgebung nutzten das Reitangebot gut aus. Auf dem Dach des Hotels prangte außerdem ein vergoldeter Pferdekopf.

Eleonora schlenderte über den Parkplatz, hinein in die schöne Lobby des Hotels. Im Restaurant des Hotels wurde gerade das Mittagessen angerichtete und einige Hotelgäste standen mit knurrenden Mägen am Buffet und schaufelten sich ihre edlen Teller mit den Köstlichkeiten voll. Die Gäste waren bunt gemischt, reiche Personen, die hier Urlaub machten und die Seele baumeln ließen, es gab aber auch Passanten wie Eleonora, die einfach zum Kaffee trinken oder zum Essen hergekommen waren.

Eleonora bestellte zunächst einen Kaffee Latte und setzte sich an einen kleinen, runden Tisch mitten im Speisesaal. Hier hatte sie so viel zu beobachten, so viel Inspiration. Sie klappte ihren Laptop auf und begann, die Einleitung ihres Buches zu tippen. Es sollte von ihrem eigenen Leben handeln, von ihrem neuen Leben in London. Sie verfasste ihre eigenen Gefühle und Gedanken in Worte, sie sprossen geradezu aus ihr heraus. Der Umzug, den sie in Kauf genommen hatte, nur damit Lorenzo seinem neuen Traumjob nachgehen konnte. Die neue Wohnung, in der sie so billig mit ihrem Verlobten wohnen durfte. Und natürlich die neuen Menschen, die sie kennen gelernt hatte.

„Spionierst du mir nach?“, fragte plötzlich eine bekannte Stimme. Eleonora unterbrach ihre Finger, die wie wild in die Tasten hauten, und sah von ihrem Laptop auf.

„Darf ich mich setzen?“, fragte Richard Walker, der grinsend vor ihr stand.

„Natürlich“, stotterte Eleonora verdutzt, sie war gerade so in ihrer Arbeit vertieft gewesen, und hatte keine Ahnung, wie lange Richard schon vor ihr gestanden und ihr zugesehen hatte.

„Richard, schön dich zu sehen. Was machst du hier?“, lächelte Eleonora. Sie freute sich über die zufällige Begegnung. Richard strahlte so viel Vertrauen und Selbstlosigkeit aus, sie fühlte sich wohl in seiner Gegenwart.

„Ich hole meine Frau ab“, antwortete er und setzte sich auf den Stuhl gegenüber. „Was schreibst du da?“

„Ich versuche, ein Buch zu schreiben. Normalerweise schreibe ich Artikel über Mode und Diäten, aber momentan bin ich noch arbeitslos und habe mich an ein neues Experiment gewagt“, Eleonora zuckte mit den Schultern.

„Klingt toll, schick mir gerne was per Mail, ich lese sehr viel in meiner Freizeit“, zwinkerte er.

„Ich schreibe über mein Leben hier in London und über die Leute, die ich kennen lernen durfte“, erzählte Eleonora weiter. „Dann hoffe ich, dass ich auch vorkomme?“, Richard schnappte sich Eleonoras Tasse und schlürfte einen Schluck Kaffee.

„Du nicht, aber ich hatte vor, über deine Mutter zu schreiben“, beichtete Eleonora.

Richard verzog das Gesicht. „Schreib, worüber du schreiben möchtest, künstlerische Freiheit“, er zuckte mit den Schultern. Das Gespräch wurde unterbrochen von einem energischen Klingeln. Das Handy von Eleonora verkündete, dass Lorenzo versuchte, sie zu erreichen. Eleonora nahm das Gespräch an.

„Principessa, ich komme heute Abend spät nach Hause. Warte nicht mit dem Essen auf mich, ja?“, sprach ihr Verlobter.

„Lorenzo, du kannst mich nicht schon wieder alleine zu Hause lassen“, grummelte Eleonora. Sie musste sich zurückhalten, um nicht laut oder beleidigend zu werden. Sie hatte es satt. Sie würde sicher nicht schon wieder den ganzen Abend alleine in der dunklen, spärlich eingerichteten Wohnung hocken und abends im Bett darauf hoffen, dass Lorenzo hereinkommen würde, noch bevor sie eingeschlafen wäre. Sie war eine stolze italienische junge Frau, sie brauchte Liebe, Leidenschaft und ab und zu auch ein wenig Romantik. Zeit für Zweisamkeit gab es seit dem Umzug in London immer seltener.

„Eleonora, es tut mir leid. Unser Makler Steve Brown, der uns die Wohnung hier in London verkauft hat, möchte sich mit mir treffen. Da kann ich doch nicht nein sagen, nur weil meine Freundin nicht alleine daheim sein möchte.“ In Lorenzos Stimme konnte man deutlich eine Spur Mitleid heraushören, doch Eleonora störte seine ruppige Wortwahl.

„Dann möchte ich mitkommen“, meinte sie schnippisch. Innerlich kochte sie vor Wut, ihre Lippen formten sich zu einem schmalen Strich.

„Das geht nicht, Liebling. Ich fahre direkt nach der Arbeit los.“

Eleonora schwieg eisern, sie hätte sonst nur etwas gesagt, dass sie später garantiert bereuen würde.

Richard saß die ganze Zeit aufmerksam vor ihr und beobachtete das Telefonat. Als Eleonora mürrisch auflegte, ohne sich verabschiedet zu haben, meinte er: „Er kommt also später nach Hause?“, Er hob eine Augenbraue.

„Er geht früher und kommt später.“ Eleonora verschränkte die Arme.

„So hat es bei mir und meiner Frau auch begonnen. Erst waren es nur die Dienstage, an denen sie später nach Hause gekommen ist. Dann die Freitage. Und irgendwann musste sie ständig auf eine Konferenz oder eine Schulung und ist über das gesamte Wochenende weggefahren.“

„Was willst du damit sagen?“ Eleonora verstand nicht.

„Meine Frau hat mich vor zwei Jahren mit einem anderen Mann betrogen“, er sah betreten in die gefalteten Hände.

Eleonora schauderte. „Wenn du damit andeuten willst, dass mein Lorenzo mich betrügt, dann irrst du dich gewaltig!“, verteidigte sie ihren Verlobten und ihr Blick wanderte instinktiv auf den Ring an ihrem Finger.

„Ich meine es ja nur gut!“, Richard hob ertappt die Hände.

„Wieso bist du bei ihr geblieben?“, bohrte Eleonora nach.

„Zuerst nur wegen den Kindern. Aber irgendwann habe ich ihr verziehen. Und seitdem ist unsere Ehe sogar besser als zuvor. Keine Katastrophe könnte uns mehr auseinanderbringen.“ Über sein Gesicht huschte ein Lächeln.

Da kam eine Angestellte des Sporthotels auf die beiden zu. Sie hatte blonde Locken, gemachte Nägel, war hübsch geschminkt. Richard erhob sich, umarmte sie. „Ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr“, begrüßte er sie.

„Tut mir leid, Dakota Jones hat mich mal wieder Überstunden machen lassen“, sie verdrehte die Augen.

„Eleonora, das ist meine Frau Courtney“, meinte Richard zu Eleonora.

„Freut mich, dich kennen zu lernen“, Courtney Black streckte Eleonora die Hand hin. Dann gab sie ihrem Mann einen Kuss auf die Wange.

„Eleonora, wir müssen jetzt leider los. Unsere Tochter hat heute ein Vorspiel in der Schule, das wir nicht verpassen dürfen“, meinte Richard und sah entsetzt auf seine Armbanduhr.

„Kein Problem“, antwortete Eleonora und reichte der hübschen Courtney und Richard zum Abschied die Hand.

Die beiden verließen Arm in Arm das Golden Horse Sporthotel. Eleonora sah dem Paar wehmütig hinterher. Egal, was die beiden schon durchgemacht hatten, jetzt schienen sie wirklich glücklich zu sein. Sie wirkten so vertraut miteinander, richtig verliebt.

Seufzend klappte Eleonora ihren Laptop auf und schrieb an ihrem Buch weiter. Sie merkte gar nicht, dass es draußen schon dunkel wurde und ihr war auch nicht bewusst, dass manche Menschen in diesem Hotel düstere Gedanken hatten, als sie an ihr im Speisesaal vorbeiliefen.

Herbstverwesung

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