Читать книгу Phönix Band 1 - Stefanie Worbs - Страница 10
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„Mhh“, brummt er und schaut dann mich an. „Weißt du, du könntest den Wall senken, dann hole ich ihn einfach.“
„Und mich dazu? Vergiss es.“
Er lacht. „Ich verspreche dir, dich zu lassen wo du bist.“
Jetzt muss ich lachen, allerdings unecht. „Ja, nee, ist klar. Du glaubst auch, ich bin so blöd und vertraue einem von euch?“
Sein Ausdruck wechselt von erheitert zu verwirrt, zu getroffen, zu wissend, dann seufzt er. „Ich brauche meinen Wolf wieder.“
„Warum denn? Such dir doch einen Neuen.“
Kurz schweigt er, während er mich ungläubig ansieht. „Ich brauche diesen Wolf.“
„Er will aber nicht. Und was ist an ihm so besonders?“
„Er ist meiner.“
„Das erklärt alles. Danke für die informative Auskunft.“
„Hör zu. Ich will nur den Wolf wiederhaben. Binde ihn dort an, baue einen zweiten Wall weiter hinten und senke diesen hier. Dann hole ich ihn und verschwinde.“
„Selbst wenn ich so blöd wäre, das zu machen. Du würdest wiederkommen.“
Er zieht eine echt süße Schnute. „Vermutlich. Aber du hättest Zeit, abzuhauen.“ Damit hat er recht. Aber es nützt mir trotzdem nichts. Ich kann nicht von hier weg. Zumindest nicht weit.
„Lass uns einen Deal machen. Ich bringe Wölfchen dazu, zu dir zu gehen, und du gehst und kommst nicht wieder. Und du suchst auch nicht nach mir oder beauftragst jemanden.“
Er lacht. „So viele Forderungen, für eine Gegenleistung?“
„Offensichtlich ist Wölfchen wichtig für dich. Also ja. So viele Forderungen.“
„Ich könnte dich auf der Stelle erledigen, weißt du das?“
„Der Wall lässt deine Waffen nicht durch.“
Seine Brauen ziehen sich zusammen und er geht auf Abstand, dann greift er nach dem Bogen und legt ebenso blitzschnell einen Pfeil an. Für einen Moment setzt mein Herz aus, doch schon im nächsten Augenblick prallt der Pfeil von der Schutzgrenze ab.
„Siehst du? Keine Chance“, halte ich fest und muss tatsächlich grinsen, bei seinem erstaunten Blick.
„Wie hast du das gemacht?“, will er wissen und kommt wieder an die Mauer.
„Das werde ich dir sicher ganz genau erklären.“
„Gib mir meinen Wolf!“, knurrt er unvermittelt und Zorn schwingt deutlich in seiner Stimme mit.
„Nein. Ich will den Deal.“
Er starrt mich eine ganze Weile an und scheint wirklich darüber nachzudenken. „Gut.“
„Gut?“
„Ja“, knurrt er wieder. „Ich gehe und lasse dich in Frieden, aber ich will den Wolf haben!“
„Kein Ding. Hol ihn dir.“
Der Elf macht einen Schritt und stößt wie erwartet gegen den Schutz. „Senke den Wall!“
„Nein.“
„Wie soll ich den Wolf dann holen?“
Ich zucke mit den Schultern. „Erziehe ihn. Locke ihn zu dir oder was auch immer. Ich werde den Wall nicht senken.“ Ich muss ihm ja nicht sagen, dass es mich zwei Tage gekostet hat, ihn zu errichten. Ihn einfach senken, geht nicht. Er muss gebrochen werden und dann neu aufgebaut, was mich erneut zwei Tage kosten würde. In meinem Zustand ein Ding der Unmöglichkeit.
Der Elf grollt vor sich hin und wirft mir böse Blicke zu, dann geht er in die Knie und schaut den Wolf an. „Kleiner. Komm her“, lockt er ihn und streckt die Hand aus, ohne die Grenze zu berühren. Verblüfft stelle ich fest, wie sanft seine Stimme jetzt klingt. Mit wirklich liebevollem Ton versucht er unablässig, den Welpen zu sich zu locken, doch Wölfchen weicht keinen Schritt von meiner Seite.
Unvermittelt schlägt der Schmerz wieder zu und ein heftiger Stich durchzuckt mich. Ich knicke ein, kann mich aber gerade noch oben halten. Der Elf hält in seinen Versuchen inne und mustert mich. Ich atme tief durch und richte mich wieder auf. Ich muss die Salbe nutzen, auch wenn sie nicht fertig ist. Sie wird helfen, wenigsten etwas.
Ohne ein Wort drehe ich mich zum Haus und laufe los. Kurz darauf läuft Wölfchen neben mir. Ich halte an und wende mich zum Elf. Er steht wieder und schaut mir nach. Seine Züge kann ich in der Dunkelheit und auf die Ferne aber nicht mehr ausmachen.
Zurück im Haus ziehe ich mein Oberteil aus und stöhne auf, als der Stoff über meine Seiten gleitet. Mit der Dose in der Hand stelle ich mich vor den angelaufenen Spiegel und begutachte kurz die Misere.
Links und rechts um meine Mitte befinden sich große rote Flecken. Rechts gehen sie hinten schon von der Hüfte bis zum Schulterblatt und vorn bis kurz unter den Rippenbogen. Seitlich ist die Infektion nicht so ganz so hoch. Ein bisschen sieht es aus, wie ein großes unförmiges U. Wobei in dessen Schwänzchen, die Narbe hineinläuft, die mir der Schwerthieb des anderen Elfen eingebracht hat.
Links ist die Krankheit nicht so weit ausgebreitet. Zwar ist auch dieser Fleck sehr groß, aber er zieht sich eher um die Taille in die Länge und wandert nicht nach oben. Noch nicht. Erschrocken stelle ich fest, dass sich die beiden Flecken annähern. Etwa eine Handbreit über meinem Bauchnabel, ist die engste Stelle. Ich drehe mich um und schaue auf dem Rücken nach. Dort ist die engste Stelle links der Wirbelsäule, aber dieses Stück Haut, ist definitiv größer als das vorn.
Ich drehe mich zurück und seufze. Ich weiß, wenn die Flecken sich berühren und zu einem Gürtel schließen, ist es vorbei. Dabei habe ich noch Glück mit den Stellen, wo die Brandrose bei mir ist. Bei meinen Brüdern ging es viel schneller. Sie saß bei einem am Oberarm, beim anderen an der Wade und hatte sich binnen eines halben Jahres bei beiden zu einem Gürtel geschlossen. Bei meinem Dad ging sie um den Hals und die Schulter. Er hatte noch knapp ein Jahr gehabt.
Wenn sich das Band schließt, ist die Infektion zu groß und der Körper wird unfähig, Krankheiten zu bekämpfen. Das Immunsystem ist zu geschwächt und letztlich kann man auch an einer Erkältung sterben. Es ist also nicht nur die Brandrose selbst, sondern auch das, was sie mit einem macht. Außerdem zerstört sie am Ende die Nerven und befällt das Gehirn, das ja bekanntlich lebenswichtig ist.
Als mich wieder ein Stich erfasst, presse ich die Lippen aufeinander und beginne sachte, die Flecken mit der Salbe abzudecken. Jede Berührung brennt wie die Hölle. Normalerweise wird es nicht so schlimm, doch ich bin jetzt zwei Tage drüber, mit der letzten Behandlung. Zu Anfang meiner Suche nach Heilung, habe ich länger durchgehalten, aber da waren die Flecken auch winzig im Vergleich zu heute. Auch wenn die Salbe hilft, ganz aufhalten wird sie die Krankheit nicht.
Die Creme braucht etwas, um einzuziehen, deshalb beschließe ich, mir etwas milde Minze zum Kühlen zu holen. Ich lege mir eine Decke um die Schultern und trete wieder aus dem Haus. Mein Blick fliegt zur Grenze, der Elf ist noch immer da. Er lehnt wieder an der Mauer und dreht einen Pfeil in der Hand, wie andere einen Stift. Obwohl ich leise gehe, muss er mich gehört haben, denn sein Blick richtet sich auf mich.
Kurz erwidere ich ihn ausdruckslos, dann gehe ich in meinen kleinen Garten und rüber zur Minze. Sie ist nicht sehr groß, also muss ich auch damit sparsam umgehen. Ich weiß, dass Cècilia mehr hat, aber bei mir wächst sie irgendwie nicht so gut. Mit einer Handvoll Blätter kehre ich ins Haus zurück und mache daraus einen Brei.
Die Salbe ist mittlerweile gut eingezogen, also kann ich die Minze darüber verteilen. Sofort kühlt die Haut merklich ab. Wölfchen hat die ganze Zeit vor dem Sofa gelegen und mich beobachtet. Er denkt nicht dran, sich dem Elfen anzuschließen.
Ob er ihm was getan hat? So wie der Welpe sich vorhin gewehrt hat, könnte das gut sein. Ich beschließe den Elf zu fragen, warum Wölfchen nicht zu ihm will. Draußen ist es sowieso kühler und liegen kann ich eh nicht, also ist auch an Schlaf nicht zu denken. Vielleicht schläft ja der Elf ein und ich kann mich zum Fluss wagen und Wasser holen.
Wieder vor dem Haus laufe ich gemächlich Richtung Mauer. Diesmal steht der Elf nicht auf, sondern wirft mir nur kurz von der Seite her einen Blick zu. Ein paar Schritte entfernt bleibe ich stehen und mustere ihn. Ich habe natürlich schon Elfen gesehen. Aber nie so friedlich wie er da gerade sitzt. Weshalb ich sie auch nie näher anschauen konnte.
So nah wie ich jetzt bin, kann ich seine Züge im Dämmerlicht vom Mond sehen. Es sind feine, aber auch männlich, markante Züge. Hohe Wangenknochen und eine gerade Nase. Die Augen stehen minimal schräg und gleichmäßige und ebenso leicht, schräge Brauen sitzen darüber. Da er seitlich zu mir sitzt, kann ich die Form seiner Ohren sehen, die leicht spitz zulaufen. Aber eben nur leicht und nicht so übertrieben, wie in den Büchern.
Die dunklen Haare hat er ringsrum kurz, nur oben und etwas am Hinterkopf nicht. Eine einzelne helle Strähne im Pony ziert die leicht seitliche Welle, die seine Frisur ist. Würden seine Haare nicht so liegen, würde sie ihm sicher bis an die Spitzen seiner Ohren reichen.
Mein Blick rutscht tiefer über seinen Hals, die Schulter und den Arm hinab. Am Nacken lugt eine Tätowierung hervor, aber was es ist, kann ich nicht ausmachen. Der Elf ist schlank, aber auch muskulös. Sicher trainiert er jeden Tag. Überhaupt ist er vom Aussehen und Körperbau her ziemlich attraktiv. Wäre er kein menschenmordender Elf, könnte er mir glatt zusagen.
Himmel! Tyree, mahne ich mich selbst. Der will dich killen, verdammt noch mal. Aber ich komme nicht umhin, ihn als schön zu bezeichnen. Allerdings sind alle Elfen schön. Was eben einer der wenigen Fakten ist, die schon meine Vorfahren treffend festgehalten haben. Sehr wahrscheinlich haben sich die Geschichtenschreiber an genau solchen Männern wie ihm orientiert. Und sehr wahrscheinlich waren es auch damals schon echte Elfen. Die Menschen wussten es nur eben nicht.
„Du starrst“, meint er und schaut wieder zu mir. Ich schüttle den Kopf, um klar zu werden. Er hat recht. Ich habe ihn angestarrt.
Dann zucke ich mit den Schultern. „Bist du das Angucken nicht wert?“, frage ich und denke mir, genau genommen nicht, du scheinheiliger Mörder. Aber du siehst verflucht heiß aus.
Er kichert leise. „Nur zu. Wenn es dich glücklich macht.“
„Glücklich würde mich machen, wenn du gehst und nicht wiederkommst.“
„Nicht ohne meinen Wolf.“
„Er will aber nicht. Warum? Hast du ihm was getan?“
Ich sehe, wie der Elf die Brauen zusammenzieht. „Nein! Warum sollte ich? Wir haben trainiert und er ist weggelaufen. Jetzt will ich ihn wiederhaben. Mehr nicht.“
Ich drehe mich zum Haus und pfeife nach dem Welpen. Es war mehr im Scherz geschehen, denn warum sollte der Wolf auf mich hören, wenn er nicht mal auf seinen Herren hört. Doch Wölfchen kommt tatsächlich aus dem Haus und zu mir. Verblüfft fliegt mein Blick von ihm zum Elf. Ich muss lachen, als ich sein Gesicht sehe. Er versteht offensichtlich die Welt nicht und schaut ungläubig und mit offenem Mund von Wölfchen zu mir und zurück.
„Guck mal. So geht das“, necke ich ihn und lache wieder, als sein ungläubiger Blick bei mir bleibt. Dann klappt er den Mund zu und presst die Lippen aufeinander. Schöne Lippen. Die man küssen könnte. Wäre er nicht ein menschenmordender Elf.
„Bring ihn her!“, fordert er.
„Bitte heißt das“, entgegne ich kühl.
„Bring mir den Wolf!“, knurrt er.
„Was hast du gesagt?“ Ich verziehe das Gesicht, als hätte ich ihn nicht verstanden.
Er grollt hörbar und stößt die Luft dann aus. „Bring mir meinen Wolf. Bitte.“
Ich nicke anerkennend und vergrabe wieder die Hand in Wölfchens Fell. „Komm Kleiner. Du bist mein Ticket“, flüstere ich und ziehe leicht, doch wieder sträubt er sich sofort. Da ich ihn nur mit einer Hand ziehen kann - mit der anderen muss ich die Decke halten - habe ich noch weniger Kraft als vorhin.
„Wie wär’s mit beiden Händen“, seufzt der Elf genervt.
„Wie wär’s mit Klappe halten“, gifte ich zurück, gebe den Versuch am Wolf zu ziehen aber auf. Der Elf hat recht. Ich drehe den Rücken zu ihm und löse die Decke von den Schultern, um sie mir gleich unter den Armen wieder umzulegen.
„Warum hast du dich ausgezogen?“, fragt er und grinst, als ich ihn ansehe. „Und warum nicht ganz?“ Sein Grinsen wird frech.
Flirtet der etwa? Jetzt klappt mir der Mund.
„Was denn?“, will er wissen und hebt unschuldig die Schultern. Ich schüttle wieder den Kopf und mache den Mund zu.
Dann bücke ich mich nach Wölfchen und beginne wieder mit dem Versuch, ihn in Richtung Elf zu bekommen. „Blöder Elf. Blöder Wolf“, grummle ich vor mich hin und ein Stich durchzuckt mich. Abrupt lasse ich den Welpen los und geh in die Knie. „Verfluchter Dreck!“, entfährt es mir leise, als ich mich krümme, weil der Schmerz nicht nachlässt.
„Alles klar, da drüben?“, kommt es von hinter mir.
„Halt die Klappe! Sei einfach still!“, fahre ich den Elfen an, obwohl seine Frage eigentlich ganz neutral gestellt war.
„Ich würde dir ja meine Hilfe anbieten, aber ...“
„Kannst du bitte einfach still sein?“, flehe ich mehr, als dass ich ihn noch angehe. Ein weiterer Stich lässt mir Tränen in die Augen steigen. Der Elf schweigt. Zum Glück. „Scheiß auf den Wolf“, fluche ich und zwinge mich auf die Beine. Ich muss mich hinsetzen und irgendwo anlehnen, sonst verbringe ich die Nacht auf dem Hof im Schlamm.
Am Haus angekommen, lasse ich mich neben der Tür nieder und lehne mich an den Rahmen. Er verläuft genau auf meiner Wirbelsäule und berührt somit keine Seite der Entzündung. Zwar ist diese Position auch nicht sehr bequem, aber ich habe mich über die Jahre daran gewöhnt. Innerlich stelle ich mich auf eine lange Nacht ein.