Читать книгу Phönix Band 1 - Stefanie Worbs - Страница 11

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Enyo

Mein Blick hängt an dem Mädchen. Sie hat Schmerzen, ohne Zweifel. Mein Wolf liegt mitten auf dem Hof, zusammengerollt und rührt sich nicht. Ich kann ihn locken, wie ich will, er kommt mir kein Stück entgegen. Allerdings sind meine Versuche auch ziemlich mies.

Ich sehe die Tränenspuren auf dem Gesicht der Kleinen und weiß, dass sie versucht, es vor mir zu verbergen. Was immer sie hat, es quält sie sichtlich.

Unwillkürlich gleitet mein Blick an ihr hoch und runter. Die Decke verhüllt ihren Körper, doch die Schultern liegen frei. Immer wenn eine Schmerzwelle kommt, kann ich sehen, wie sie sich anspannen und auch ihre Hände zittern.

Was sie wohl hat? Die Nacht zieht sich und mein Wolf rührt sich weiterhin nicht. Aber auch das Mädchen tut nichts. Sie sitzt einfach da, an die Tür gelehnt und hat die Augen geschlossen.

Sie hat sich ausgezogen? Warum? Vorhin, als sie sich gebückt hat, um den Wolf mit einer Hand zu ziehen, war die Decke um ihre Mitte auseinander geschwungen. Ihr flacher Bauch war zu sehen gewesen, wenn auch nur ein kleiner Teil davon.

Sie ist so dünn. Nicht, dass das schlecht wäre. Aber ihre Figur hat fast etwas Mageres. Noch ein oder zwei Kilo weniger und ich bin mir sicher, man kann ihre Rippen zählen. Wenn man das nicht jetzt schon kann.

Menschen haben es gar nicht so leicht, zu überleben. Sie sind aber auch selbst schuld an ihrer Lage. Sie hätten die Erde zerstört, wenn wir sie nicht aufgehalten hätten. Sicher haben sie sich im Laufe der Zeit vielleicht geändert, doch es ändert die Vergangenheit nicht. Eine Vergangenheit, an der mein Volk festhält und die den Menschen, das Überleben schwer macht.

Ob sie wirklich glaubt, ich würde sie töten? Gut, ich habe es ja gesagt und dann auch einen Pfeil geschossen. Allerdings nur in ihre Richtung, nicht auf sie. Ich habe keinen Grund, sie umzubringen. Sie hat mir nichts getan und außerdem ist sie viel zu hübsch, als dass sie erschossen werden sollte. Das ist eine Aufgabe für Ristan und seine Leute. Menschen jagen, meine ich.

Ob sie glaubt, ich würde das tun? Ich würde nie einen Menschen töten, weil ich weiß, dass sie auch nur leben wollen. So viele gibt es schon gar nicht mehr, wenn man bedenkt, dass sie einmal die Erde fast überschwemmt haben mit ihrer Anzahl.

Das Mädchen ist eine der wenigen Nachfahren. Genaugenommen könnte man sie als wertvoll bezeichnen. Tiere, die vom Aussterben bedroht sind, sind auch wertvoll und werden sogar geschützt. Der Mensch dagegen wird gejagt. Er soll ausgerottet werden, damit er nie wieder so ein Unheil anrichten kann. Aber sie hier ist krank. Sie kann niemandem etwas tun. Sie ist mager und sicher nicht sehr kräftig.

Welche Gefahr geht denn von ihr aus? Keine. Ich werde sie nicht ausliefern. Ich werde mir meinen Wolf wiederholen, gehen und sie vergessen. Ihre Augen. Ihr Lachen. Wenn es echt ist, wenn ich es als echtes Lachen hören könnte. Es würde sicher wunderbar klingen.

En! Bei allen Göttern! Sie ist ein Mensch! Aber sie ist schön und trotz ihrer Schwäche auch anmutig.

Und verdammt schnell. Das muss ich ihr lassen. Laufen kann sie. Wie der Wind. Ich muss grinsen, bei der Erinnerung daran, wie sie die Treppen runtergesprungen ist. Hätte sie Flügel, sie hätte sie nur ausbreiten müssen und wäre geflogen. Aber da war auch Angst in ihren Augen gewesen. Große Angst. Angst vor mir, weil ich bin was ich bin. Wer weiß, was sie über mein Volk gehört hat. Sicher nur die schlechten Dinge. Sicher werden wir bei ihnen, als die Dämonen schlechthin dargestellt. So ganz unrecht haben sie damit ja nicht.

Aber wie sie, sind auch wir nicht alle gleich. Nicht alle von uns jagen Menschen. Nicht alle von uns sind ihre Feinde. Vielleicht kann ich ihr das klarmachen. Vielleicht hat sie dann keine Angst mehr vor mir. Ich sehe ihre Angst, auch wenn sie sie gut überspielt mit ihrem Sarkasmus und ihrer Frechheit.

Ich muss mir eingestehen, dass ich wirklich will, dass sie keine Angst vor mir hat. Sie soll mich nicht fürchten, nur weil ich ein Elf bin. Nur meinen Leuten darf ich nichts von ihr erzählen. Sie würden sie sich holen und ich will lieber nicht daran denken, was sie mit ihr tun würden, bevor sie sie hinrichten.

So mager sie ist, Ristan fände dennoch Gefallen an ihr. Als Spielzeug in seinen Händen. Wieder spüre ich Wut in mir aufsteigen, weil ich ungewollte Bilder im Kopf habe, was er ihr antun könnte.

Wo kommt das her? Mache ich mir gerade Sorgen um ein Menschenmädchen? Ich muss diese Gedanken aus dem Kopf bekommen! Aber mein Wolf ist bei ihr. Er ist nicht ohne Grund da. Er hat gespürt, dass es ihr schlecht geht. Meine Erziehung fruchtet also. Zwar nicht ganz so, wie ich es will, denn er sollte keine Menschen auf diese Weise finden, aber immerhin funktioniert es.

Es ist spät und ich beschließe, mich ebenfalls hinzulegen. Sie wird nicht weglaufen und wenn doch, wird sie nicht weit kommen. Ich kann also gefahrlos ein paar Stunden schlafen. Kurz bevor mich die Müdigkeit übermannt, kommt mir noch eine Idee.

Ob die Kleine zustimmen würde?

Phönix Band 1

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