Читать книгу Phönix Band 1 - Stefanie Worbs - Страница 9

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Die Fahrt dauert wie immer lange, denn der Zug hält an jedem Bahnsteig. Zwar bin ich diesmal nicht an der Endstation eingestiegen, aber es war nah dran. Wölfchen liegt quer über den Sitzen und sein Kopf ruht auf meinem Schoß.

Er ist ein Elbwolf, geht es mir durch den Kopf. Aber er hätte nicht auf den Hof gekonnt, wenn er magisch wäre. Hilft der Schutz vielleicht nicht? Oh mein Gott! Was, wenn er wirklich unwirksam ist? Ich muss ihn prüfen und am besten gleich erneuern!

Ich spüre Müdigkeit in mir aufsteigen und meine Seite brennt und sticht, dann kommt die Ansage für die Endstation und ich werde unsanft aus meinen Gedanken geholt. Wölfchen springt auf und ist noch vor mir auf dem Bahnsteig. Diesmal fährt der Zug wieder ab, denn es war nicht Zeez’ letzte Fahrt für heute. Wie immer werfe ich erst einen Blick nach oben, bevor ich die Stufen erklimme.

Die Nacht bricht an, aber es ist noch immer relativ hell. Diese Stadtausflüge kosten mich sonst nur einen halben Tag. Diesmal ist fast der ganze vorbei, wegen der Sache mit Dekka und meinem Ausflug zu den Rosen. Dass ich noch immer klatschnass vom Regen und schon wieder nur knapp einem Elfen entkommen bin, macht den Tag noch perfekter.

Gewohnheitsmäßig zähle ich die Stufen und komme oben an. Einen Rundumblick später, laufe ich los. Wölfchen springt um mich herum, bleibt ab und zu stehen, um zu schnüffeln, und holt mich dann wieder ein. Mittlerweile brennen beide Seiten meiner Taille heftig. Rechts, wo die Infektion kleiner ist, ist es diesmal aber genauso schlimm wie links, wegen der Zaunaktion vorhin.

Kleine und große Stiche, als würde jemand tausend Nadeln gleichzeitig in mich pieksen, lassen mich langsamer als sonst gehen. Ich kann die Stellen nicht halten, denn das würde den Stoff meiner Kleidung darauf drücken, was das Brennen verschlimmern würde. Das Einzige was helfen würde, wäre ausziehen und die kühle Luft daran lassen. Ich werde mich allerdings hüten, das zu tun.

Die Jacke, wenigstens die. Also ziehe ich sie doch aus und stopfe sie in die Tasche. Den Riemen muss ich länger machen, weil sie sonst über meine Taille reibt. Langsam wird mir komisch und wie erwartet, dreht mein Kreislauf wegen der Schmerzen durch. Die Müdigkeit wird stärker und mein Kopf fängt an, wehzutun.

Wölfchen scheint zu merken, dass was nicht stimmt und bleibt jetzt bei mir. Immer wieder huscht sein Blick zu mir. Dann kommen die Ruinen endlich in Sicht und wieder mal atme ich erleichtert auf. Nicht mehr lange und ich kann die Salbe fertigstellen. Dann werde ich auch diese Schmerzen wieder los.

Ich betrete die Straße, die einst der Hauptweg vom Dorf gewesen sein muss und passiere die ersten Häuser, als Wölfchen die Ohren aufstellt und stehen bleibt. Alarmiert halte auch ich an und folge seinem Blick geradeaus. Um die Ecke eines alten Hauses kommt eine Person herum und lehnt sich dann mit der Schulter gegen die Hauswand. Sie steht mir zugewandt und hat die Arme vor der Brust verschränkt.

Wo sie steht, ist es dunkel, sodass ich nur die Umrisse erkenne. Was ich aber trotzdem ausmachen kann, sind die Waffen. Ein Elf. Und ich habe eine Ahnung, dass es der von vorhin ist. Ich schlucke und weiß für den Moment nicht, was ich jetzt tun kann, als Wölfchen den Kopf senkt und vor mich tritt.

Der Elf schubst sich lässig von der Wand ab und lässt die Arme sinken. „Das ist mein Wolf“, dringt seine Stimme zu mir. Überraschend ruhig.

Ich kann nichts erwidern, denn meine Gedanken rasen, genau wie mein Herz. Hinter ihm kann ich meinen Hof sehen, aber ich muss an ihm vorbeikommen, um ihn zu erreichen.

„Ich will ihn wiederhaben“, meint er und macht einen Schritt auf mich zu, den ich spiegele, allerdings rückwärts.

Ohne den Elfen aus den Augen zu lassen, suche ich einen Fluchtweg und sehe im Augenwinkel eine Gasse zwischen zwei Häusern zu meiner Linken. Ich weiß, dass dieser Weg eng ist, aber wenn ich den Elf noch ein Stück zu mir bekomme, ist sein Weg zum Hof in jedem Fall länger als meiner. Wenn ich Glück habe und sich er in dem kleinen Gewirr von Wegen hinter den Häusern nicht auskennt, bin ich hoffentlich auch schneller in meinem Schutz. Und hoffentlich ist der doch noch aktiv. Langsam mache ich einen weiteren Schritt zurück und Wölfchen tut es ebenso. Der Elf folgt, wie am Faden gezogen.

Wenigstens das klappt. Dann habe ich die Gasse genau so neben mir, dass ich schnell darin verschwinden kann. Ohne weiter abzuwarten, renne ich los. Wölfchen folgt mir natürlich. Ich höre den Elf fluchen und dann seine Schritte, als er mir ebenfalls nachjagt.

Ohne weiter auf ihn zu achten, renne ich, so schnell es die Enge ermöglicht, das winzige Labyrinth von Wegen entlang. Der Vorteil der Enge ist, dass der Elf keine seiner Waffen gegen mich nutzen kann. Trotzdem höre ich, wie er schnell näherkommt.

Die Schmerzen um meine Taille machen meine Flucht nicht einfacher und schließlich lässt mich ein Stich heftig zusammenfahren und in die Knie gehen. Ein Keuchen dringt mir aus der Kehle und Wölfchen prallt rutschend in meinen Rücken.

Ich muss weiter, denn die Schritte des Elfen kommen stetig näher. Am Zaun neben mir ziehe ich mich hoch und schleppe mich vorwärts. Kurz drauf folgt ein zweiter Stich und lässt mich abermals in die Knie gehen. Diesmal hält mich keine Wand und ich falle in eine Abzweigung. Hastig ziehe ich meine Beine hinterher und lausche auf meinen Verfolger. Dann höre ich, wie der Elf auf den Weg einbiegt, den ich gerade verlassen habe.

Mein panischer Blick fällt auf Wölfchen, der noch auf dem Weg steht. Doch statt mir in die Abzweigung zu folgen, dreht er ab und rennt vor dem Elf weg. Wieder flucht dieser laut und schon höre ich ihn rennen. Ich halte den Atem an und drücke mich gegen die Wand, mache mich so klein wie möglich und hoffe, sein Gehör ist nicht so gut, dass er meinen rasenden Herzschlag hören kann.

Ein Schatten fliegt an der Abzweigung vorbei und die Schritte entfernen sich schnell. Dem Himmel sei Dank. Ich atme vorsichtig aus und kneife Augen und Lippen zusammen, als ein dritter Stich durch mich fährt. Ein leises Keuchen später zwinge ich mich, aufzustehen.

Mit der Hoffnung, dass Wölfchen den Elf weiter weggelockt hat, schleppe ich mich Richtung Hof. Eine große, freie Wiese liegt als letzte Hürde zwischen mir und meiner Sicherheit. Wenn sie denn noch sicher ist. Doch selbst wenn nicht, muss ich rein und wenigstens die Mixtur holen. Denn ohne die Salbe brauche ich auch bald keinen Schutz mehr.

Ich habe die halbe Strecke geschafft, als Wölfchen auftaucht und an meine Seite kommt. So froh ich bin, den Welpen heil zu sehen, so sehr erschreckt es mich. Denn der Elf will ihn fangen und er wird ihn sicher weiter verfolgen. Mein Blick fliegt über meine Umgebung und tatsächlich kommt auch der Elf aus dem Dunkel. Als er mich sieht, verfällt er vom Rennen ins Laufen und bleibt dann stehen.

Den Kopf leicht gesenkt, schaut er mich von unten her an, die Hände in die Hüften gestemmt, als will er sagen, du ungezogenes Mädchen schon wieder. Ich schlucke, doch mein Hals ist trocken und brennt. Bis zum Hof sind es nur noch wenige Schritte, aber der Elf ist schneller als ich und ich bin geschwächt.

Trotzdem muss ich da rein, also setze ich mich so vorsichtig in Bewegung, als würde ich einem wilden Tier gegenüberstehen. Der Elf hebt den Kopf und lässt die Arme sinken. Auch er setzt sich in Bewegung und jetzt renne ich. So klein meine Chance ist, schneller als er zu sein, ich muss es versuchen.

„Bleib stehen!“, ruft er, aber ich denke wieder nicht dran, dieser Aufforderung nachzukommen. Stattdessen hole ich alles aus mir raus, was noch möglich ist. So kurz der Weg für mich ist, der Elf ist auf seinem langen Weg schneller und ich kann ihn dicht hinter mir hören. Dann ein Fluch, gefolgt von einem dumpfen Aufprall. Wenig später überholt Wölfchen mich und ich ahne, dass er den Elfen zu Fall gebracht hat, denn dessen Schritte folgen mir nicht mehr.

Zumindest habe ich so einen winzigen Vorsprung bekommen, doch schon höre ich ihn wieder und meine sogar, seine Hand gespürt zu haben, da übertrete ich die Grenze und ein Stöhnen entfährt ihm. Entgegen all meiner Vorsätze drehe ich mich doch um, gerate ins Straucheln und falle. Sofort schießt mein Blick zum Elf, doch er steht vor der Mauer und funkelt mich böse an.

Wölfchen steht neben mir und hechelt laut. Mein Herz kann er aber nicht übertönen. Es pocht so heftig gegen meine Brust, dass ich sicher bin, selbst der Elf hört es jetzt. Sein Blick fliegt zwischen Wölfchen und mir hin und her, dann flucht er leise, fährt sich durch die Haare und wendet sich für einen Moment ab.

Fast glaube ich, er will gehen, doch da dreht er sich zurück und holt aus. Mit flachen Händen schlägt er wütend nach vorn und ein dumpfes Geräusch, als würde jemand von außen gegen ein Fenster schlagen ertönt, als seine Hände den Schutzwall treffen.

Mir entfährt ein Keuchen. Der Schutz hält ihn draußen. Dann fliegt mein Blick zu Wölfchen. Wenn er zu dem Elf gehört, hätte er ebenso nicht über die Grenze gehen können. Doch er sitzt hier neben mir, den Kopf leicht schräg gelegt und beobachtet seinen vermeintlichen Herren neugierig.

Meine Taille sticht erneut und diesmal muss ich dem Schmerz mit einem Stöhnen nachgeben. Ohne weiter auf meinen Verfolger zu achten, stehe ich mühsam auf und schleiche zum Haus. Sobald ich die Schmerzen los bin, kümmere ich mich um meine weitere Flucht. Wölfchen bleibt draußen und hält ein Auge auf den Feind. Ein bisschen hoffe ich, der Elf geht vielleicht doch, aber da sein Wolf auf meinem Grundstück hockt, wird er wohl nicht so schnell abrücken.

Drinnen hole ich die Dose mit der Salbe und verschütte die Hälfte, weil eine neue Schmerzwelle mich trifft, genau als ich die Dose öffne. Ich stelle sie auf den Boden und hocke mich davor. Die Jacke fliegt aus der Tasche und wieder krame ich in den wenigen Habseligkeiten, die ich immer mitschleppe, nach der kleinen Phiole. Wieder beginnt mein Herz zu rasen, denn ich wieder kann ich sie nicht finden.

Das kann doch nicht wahr sein! Der komplette Inhalt fliegt einzeln aus der Tasche, bis ich sie schließlich auf links drehe, doch das Fläschchen ist nicht da. Tränen brennen in meinen Augen, nicht nur weil der Schmerz immer schlimmer wird.

Ich habe sie wieder verloren und diesmal weiß ich auch warum. Am Boden der Tasche ist genau in der Ecke ein Loch. Und sehr wahrscheinlich sind beide Phiolen genau da durchgerutscht. Eine Träne löst sich, als ich mich auf den Hintern sinken lasse und ein Schmerzenskeuchen unterdrücke.

Jetzt sitze ich hier in Sicherheit und bin trotzdem am Arsch. Weil da draußen ein Elf wartet, dessen Wolf auf meinem Hof ist. Und selbst wenn Wölfchen nicht wäre, bleibt die Tatsache, dass ich ein Mensch bin und er ein Elf ist.

Er wird mich umbringen. Und wenn er es nicht tut, dann diese scheiß Brandrose! Mit einem Schlag überkommt mich Verzweiflung und die Tränen strömen mir über die Wangen. Mit dem Bisschen an unfertiger Salbe kann ich allerhöchstens eine Woche hinkommen. Ich werde mehr brauchen, weil die Wirkung schwächer ist.

Wenn ich weniger nehme, breitet sich die Infektion schneller aus und ich könnte schon in ein paar Tagen tot sein. Andererseits, was würde es ändern?

Ich habe kaum Lebensmittel hier. Also würde ich irgendwann sicher verhungern. Auch der Fluss ist außerhalb der Schutzgrenze, was mich noch eher verdursten lassen würde. Der Elf wird nicht gehen. Allenfalls holt er sich Hilfe oder er wartet einfach, bis ich aufgebe und er mich erledigen kann.

Selbst wenn ich genug Vorräte hätte und die Salbe, er weiß jetzt, wo ich wohne. Er weiß, dass da ein Mensch ist, der oben lebt und er würde mich jagen, bis er mich hat. Da ich nicht aus der Stadt weg kann, würde er mich sicher schnell finden, wo auch immer ich mich verstecke. Ich bin tot. Egal wie, egal welches Szenario. Ich bin tot.

Über zweieinhalb Jahre habe ich überlebt, seit die Krankheit, die Brandrose, ausgebrochen ist. Nur, um hier zu sterben. Mit einem Mittel vor der Nase, dass mich an diesen unseligen Ort bindet. Ich hebe den Kopf. Nein!

So schnell gebe ich nicht auf. Vielleicht geht er ja doch, wenn er Wölfchen wiederhat. Aber der Welpe will offensichtlich nicht zu ihm. Sonst wäre er zu seinem Besitzer zurückgelaufen und nicht vor ihm davongerannt. Trotzdem. Ich stehe mühsam auf und trete aus dem Haus. Wölfchen sitzt noch immer, wo er vorhin schon saß, doch der Elf hockt halb sitzend auf den Mauerresten, seitlich gegen den Schutzwall gelehnt. Er bemerkt mich und schaut auf, als ich näherkomme.

Ich kann ihn kaum sehen, denn nur der Mond erhellt den Hof. „Das ist dein Wolf?“, frage ich, obwohl ich das ja schon weiß.

Kurz ist sein Blick argwöhnisch, dann antwortet er knapp: „Ja.“

„Wieso läuft er dann vor dir weg?“

„Das war nicht geplant.“

„Konnte ich mir denken. Er will wohl nicht bei dir sein.“ Ich muss aufpassen, den Elf nicht zu wütend zu machen. Andererseits ist das in meiner Lage wohl so ziemlich egal.

„Ich bin dabei, ihn zu erziehen.“

„Klappt nicht, wie mir scheint.“ Mittlerweile bin ich relativ nah bei ihm, so dass ich seine Züge erkennen kann.

Sein Blick wird finster. „Ich habe ihn noch nicht lange“, grollt er fast ein bisschen.

„Na ja. Wenn es nur er ist, den du haben willst, dann hol ihn dir.“

Jetzt grollt er wirklich, doch gleich drauf folgt ein listiges Grinsen, das fast schon sexy ist. Er steht auf und mustert mich mit einem Blick, bei dem mir warm wird.

Himmel, Ty!

„Gerne. Senke den Schutz und ich komme ihn holen“, meint er immer noch grinsend.

„Nur ihn?“

Sein Grinsen wird mit einem kleinen Lachen zu einem Lächeln. „Glaubst du das?“

Ich zucke mit den Schultern. „Nicht wirklich. Aber man kann ja mal fragen.“

Er lehnt den Kopf etwas zurück, behält den Blick aber bei mir, was seine Augen schmal werden lässt. „Bring ihn rüber“, befiehlt er und wippt auf den Fußballen.

Das könnte ich tun, bis genau an die Grenze. Der Schutz sollte weder den Elfen noch seine Waffen durchlassen. Er scheint das zu wissen, sonst hätte er sicher schon einen Pfeil auf mich geschossen. Einen Moment lang mustere ich ihn, dann lege ich Wölfchen eine Hand ins Fell und greife zu.

Zwei Schritte schaffe ich, dann bemerkt der Welpe, was ich vorhabe und beginnt, sich zu sträuben. Mit allen vier Pfoten gräbt er sich regelrecht in die Erde und ich habe keine Chance, ihn weiter Richtung Mauer zu bekommen.

Schließlich gebe ich auf, denn meine Taille brennt nur noch mehr, wenn ich erneut schwitze. Mein Blick geht zum Elf, der seinerseits den Wolf mit nachdenklicher Miene betrachtet.

Phönix Band 1

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