Читать книгу Phönix Band 1 - Stefanie Worbs - Страница 8

Tyree

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Die Stadt ist heute relativ leer, was es mir einfacher macht. Denn selbst Elfen haben wohl eine Abneigung gegen schlechtes Wetter und bleiben da lieber drinnen. Trotzdem versuche ich, durch den Regen meine Umgebung im Auge zu behalten.

Die Schmerzen sind noch erträglich und der Wolf folgt mir auf dem Fuß, als hätte ich ihn dazu erzogen. Ich habe keine Ahnung, warum er das tut, aber irgendwie gibt es mir ein Gefühl von Sicherheit. Ob er mich auch verteidigen würde, ist eine andere Frage. Der kleine Laden in den ich will, kommt in Sicht und schon bin ich drin. Wölfchen, so habe ich den Welpen jetzt einfach mal getauft, folgt mir auch hier rein.

Hinter dem Tresen steht ein Mann, der zu den Zwergen gehört. Zu der menschengroßen Sorte. Er ist bullig und würde besser in eine Metzgerei passen, aber er ist relativ nett.

„Hallo Junis“, begrüße ich ihn und streiche mir die Haare aus der Stirn. Ich bin komplett durchnässt und tropfe auf den Boden vom Laden.

„Tyree? Schon wieder?“, fragt er und schaut mich verdutzt an.

„Ja“, seufze ich. „Ich blöde Kuh, hab den Rosensaft verloren“, gebe ich zu und senke den Blick. Ich weiß, dass er selbst nicht viel davon hat, denn die schwarzen Rosen wachsen einzig und sehr nah am Anwesen des Bürgermeisters, der natürlich ein Elf ist. Und nicht mal Zwerge wagen sich zu oft und so nah an sie heran, auch wenn diese beiden Völker kein Problem miteinander haben. Nur, dass die Zwerge kein Problem mit den Menschen haben, stört die Elfen. Und, dass sie eben auch den Umgang mit uns pflegen.

„Ty. Du weißt, dass ich fast keinen mehr hab.“

„Ja.“ Ich schaue auf. „Aber ich brauche ihn wirklich dringend.“

Junis seufzt ebenfalls. „Das wird aber teuer.“

„Was willst du denn?“, frage ich, weiß aber, dass es sicher nicht teuer, sondern eher gefährlich wird. Denn eigentlich bezahle ich immer mit Gegenleistungen wie dem Überbringen von Nachrichten oder Lieferungen.

Früher hatten die Menschen Funkmasten und Mobiltelefone für die Kommunikation. Heute gibt es auch noch feste Telefone, aber sie sind selten, denn vieles von damals, was als modern galt, finden die Elfen blöd. Dinge die mittels Strom laufen, der durch Kohle- oder Atomkraftwerke erzeugt wurde zum Beispiel, gibt es kaum noch. Und wenn doch, wurden sie umgebaut und laufen jetzt mit Solar-, Wind- oder Wasserkraft erzeugter Energie.

Es gibt auch noch Autos von früher, die mit Strom betrieben werden, doch das sind auch nicht viele.

Der Zug der meine Auszeit für den Tag ist, ist eines der wenigen Dinge, die überlebt haben. Auch weil er unter der Erde ist, wo die Elfen sich nicht hintrauen. Die Zwerge halten ihn instand und helfen den Menschen damit, sicher von A nach B zu kommen. Natürlich läuft auch er ausschließlich auf Solarbasis.

Junis holt mich aus meinen Gedanken. „Dekka hat das hier bestellt.“ Er hält einen Beutel hoch. „Bring es ihr und ich gebe dir den Saft.“

Eigentlich muss ich nicht überlegen, denn ich brauche diesen blöden Saft wirklich dringend. Aber Dekka wohnt ziemlich nah Richtung Bürgermeisterhaus. Und damit eigentlich zu nah für einen Menschen wie mich. Mein Blick fliegt zwischen dem Beutel und Junis hin und her, dann stoße ich den Atem aus. „Okay.“

Junis lächelt wissend. Klar wusste er, dass ich nicht nein sage, denn er weiß, dass ich den Saft brauche, wenn auch nicht für was. „Dann hier.“ Unter dem Tisch holt er eine Phiole hervor, die meiner von gestern ähnelt. „Das ist meine Letzte. Pass diesmal auf, dass du sie nicht wieder verlierst.“

„Mach ich schon, keine Sorge.“ Ich greife danach und lasse sie in meiner Tasche sorgfältig verschwinden, dann nehme ich den kleinen Beutel. „Bis wann will Dekka das haben?“

„Am besten noch heute. Ich hätte es ihr heute Abend gebracht. So muss ich den Laden nun doch nicht eher schließen.“ Er grinst ein wenig gemein, was ich mit einem genervten, schiefen Lächeln erwidere, dann wende ich mich ab und gehe. Wölfchen hat neben der Tür auf mich gewartet und folgt mir geräuschlos.

„Wir haben jetzt ein kleines Abenteuer vor uns. Machst du mit?“

Er schaut mich an und seine Rute wedelt leicht.

„Na dann los.“

Dekkas Straßenzug liegt direkt an der Hauptstraße, die zum Bürgermeisteranwesen führt. Ich muss Seitenstraßen benutzen, um nicht Gefahr zu laufen, von jemandem gesehen zu werden. Tagsüber sind so gut wie keine Menschen unterwegs. Nur ab und zu sieht man welche, die offensichtlich Dienste verrichten. Ein paar haben sich den Elfen unterworfen und dienen ihnen als Sklaven.

Sie verraten andere, deshalb hält sich auch jeder von ihnen fern. Im Grunde reden Menschen nicht mit Menschen, denn jeder könnte dich an den Galgen oder vor einen gespannten Bogen bringen. Das ist andernorts nicht ganz so schlimm. Hier ist aber nicht andernorts. Hier ist die Großstadt und hier regieren die Elfen.

Der Regen hat diesen Teil der Stadt noch nicht erreicht, was mir mehr Sicherheit gibt, denn so habe ich bessere Sicht. Meine Schritte werden trotzdem automatisch vorsichtiger, je näher ich Dekkas Haus komme. Dann hab ich es endlich erreicht und klettere über den kleinen Zaun am hinteren Garten. Ein paar Schritte, dann klopfe ich sachte an die Tür zu ihrer Küche.

Sie öffnet und schaut mich verwundert an. „Was willst du denn hier?“, will sie neugierig wissen. Zurecht, denn ich sollte mich nicht so weit vorwagen. Das letzte Mal als ich hier gewesen war, hatte mich ein Elf bis zur U-Bahn verfolgt und halb mit einem Schwert aufgeschlitzt.

„Ich hab was für dich, von Junis“, antworte ich und halte ihr den Beutel hin.

„Oh. Ich dachte, er kommt selbst“, entgegnet sie mir und wirkt enttäuscht. Ich weiß auch warum. Sie steht auf ihn, aber er kapiert es nicht. Hornochse. Dekka ist eine wirklich hübsche Zwergenfrau, doch er rafft es nicht.

„Ja, es war ein Tauschgeschäft.“

„Muss ja was Wichtiges sein, wenn du dich hierher wagst.“

„Ja schon. Egal. Ich hau auch gleich wieder ab.“

„Alles klar. Pass auch dich auf, Ty.“

„Mach ich, danke.“

Sie streicht mir sachte über den Arm, dann schließt sie die Tür. Ich wende mich um und laufe zum Zaun zurück. Wölfchen hat diesmal draußen gewartet und steht auf, als er mich kommen sieht.

„Kleiner, wir müssen einen Umweg machen.“ Ich habe eine Idee und hoffe, sie wird mich nicht das Leben kosten.

Zehn Minuten später stehe ich an einer Hausecke und spähe um sie herum. Vor mir liegt die Zufahrt zum Bürgermeisterhaus und auf der anderen Straßenseite führt ein Weg dahin, wo ich hin will. Zu den Rosengärten.

Wenn ich es schaffe und mir den Trieb einer schwarzen Rose holen kann, könnte ich versuchen, sie selbst zu ziehen. Auch die anderen Kräuter stehen bereits in einem kleinen Garten neben meinem Bauernhaus. Einige sind schon groß und ich nutze sie bereits für die Salbe, andere müssen noch wachsen, aber die Rose fehlt ganz. Wenn ich die hätte, müsste ich bald gar nicht mehr in die Stadt.

Vielleicht könnte ich sie sogar so weit kultivieren, dass ich sie irgendwann mitnehmen und zurück zu meiner Mum gehen kann. Außerdem würde ich damit einigen Leuten helfen. Denn die Infektion, die ich habe, haben und bekommen auch andere in meiner Heimat. Und früher oder später sterben sie daran.

Ein Auto kommt Richtung Anwesen gefahren. Ich drücke mich in die Schatten und lasse den Wagen vorbeiziehen. Er macht fast keine Geräusche und so muss ich doch wieder um die Ecke spähen, um zu sehen, ob die Luft rein ist. Das Auto hat die Zufahrt erreicht und wird langsamer, denn dort staubt der Weg.

„Wie praktisch.“ Als ich sicher sein kann, nicht gesehen zu werden, renne ich los. Über die Straße und rein in die Staubwolke. Viel Zeit habe ich nicht und zumindest für den Hinweg verbirgt der Dreck in der Luft mich ein wenig. Ich muss husten und meine Augen brennen, weil Körner hineinfliegen, aber ich schaffe es trotzdem bis zum ersten Rosengarten.

Der Staub legt sich schnell und so stehe ich nun ziemlich ungeschützt, an dem Tor, das mir den Weg versperrt. Leicht rüttle ich daran, doch es geht nicht auf. Ein zweiter Blick zeigt mir ein Vorhängeschloss. Ich stöhne auf. Wie klar das war. Der Zaun ist zu hoch, als dass ich darüber klettern könnte. Außerdem hat er fiese Spitzen oben dran, die mich aufspießen würden, würde ich eine Kletteraktion wagen. Ich lehne die Stirn an das kühle Metall und seufze.

Vor mir breitet sich ein riesiger Garten aus und ich kann sogar einzelne schon blühende Rosen ausmachen, doch sie stehen allesamt zu weit entfernt, als dass ich mir welche durch den Zaun greifen kann. „Diese blöden Elfen“, entfährt es mir. Wölfchen murrt, als will er mir zustimmen. „Findest du auch, stimmts? Verflucht auch.“

Ich lasse den Blick schweifen. Kein rankommen, nirgends. Doch dann sehe ich sie. Eine Rosenpflanze hat einen langen Trieb gebildet und der ragt Richtung Zaun. Ohne Zögern gehe ich an die Stelle, an der der Trieb am nächsten ist. Ein Kontrollblick und ich bin mir sicher, wenn jetzt einer aus einem Fenster vom Anwesen guckt, sieht er mich. Zumindest wenn derjenige ein Elf ist. Die können eben alles besser. Sehen, hören, riechen, laufen.

Mir wird ein bisschen warm, als ich daran denke, dass sie sicher auch besser im Bett sind als Menschen. Mein letzter Freund ist eindeutig zu lange her.

Ich schüttle den Kopf und hocke mich hin. Vorsichtig stecke ich einen Arm durch den Zaun und drücke mich dagegen. Mit gestreckten Fingern versuche ich, den Trieb zu fassen zu bekommen, meine Fingerspitzen streifen die letzten Blätter. Ich dränge mich noch ein bisschen mehr an den Zaun und spüre, wie sich das Metall auf meine Entzündung drückt.

Ein stechender Schmerz lässt mich zurückzucken. „Verfluchte Rose! Blödes Mistding!“, fluche ich leise vor mich hin, während ich sachte meine Seite halte, wo der Zaun gegen mich gedrückt hat.

„Ich krieg dich“, drohe ich der Pflanze und wage einen zweiten Versuch. Wieder streifen meine Fingerspitzen die Blätter und wieder drücke ich mich enger an den Zaun. Diesmal reicht es und ich bekomme zwei Blätter mit den Fingerkuppen zu fassen. „Geht doch.“

Doch meine Freude währt nicht lang, denn als ich daran ziehe, um den Trieb näher zu mir zu holen, reißen die Blätter ab und die Pflanze schnellt zurück. Mit so viel Schwung, dass der Trieb sich an einem anderen verfängt und in für mich unerreichbarer Ferne hängenbleibt. Von mir selbst enttäuscht, lasse ich mich auf den Hintern fallen und vergrabe das Gesicht in den Händen. Wölfchen stupst mich an und ich schaue auf.

„Ein Satz mit X, oder was sagst du?“ Er murrt nur. Ich schaue zu der Pflanze und dann zum Himmel. „Es tut mir leid“, hauche ich und hoffe, mir wird vergeben, weil ich die Rose beschädigt habe, ohne einen Nutzen davon zu haben.

„Lass uns gehen, bevor uns noch so ein Freak sieht.“ Ich stehe auf und mache mich auf den Weg zurück zur Hauptstraße. Diesmal schützt mich keine Staubwolke, weshalb ich wachsamer sein muss. Der Schmerz in meiner Seite, lenkt mich aber immer wieder ab. Die Aktion hat mir nichts außer die fiesen, stechend-brennenden Schmerzen gebracht, die mit der Krankheit zusammenhängen.

Ich erreiche die Straße und muss einen Block lang auf ihr gehen, erst dann kommt eine Einbiegung zu einer Nebenstraße. Schnellen Schrittes gehe ich auf die Einbiegung zu, als ich jemanden rufen höre. Ich schaue mich um und sehe einen jungen Mann hinter mir. Mir wird heiß und kalt, denn der Bogen auf seinem Rücken und das Schwert an seiner Seite verraten mir, was er ist.

„Ach du ...“, rutscht es mir raus. Ich drehe mich zurück und setze gerade zur Flucht an, als er wieder ruft.

„Warte mal. Der Wolf ...“

Mehr verstehe ich nicht, denn ich renne los und mein Blut rauscht mit einem Schlag viel lauter durch meinen Körper. Hinter mir höre ich ihn ein drittes Mal rufen, dann hab ich die Einbiegung erreicht.

Bitte, bitte, bitte, lass mich schneller sein, flehe ich innerlich und renne wie schon lange nicht mehr. Ich kenne diese Gegend nicht allzu gut, weiß aber, ich welcher Richtung die U-Bahn liegt. Jetzt darf nur keine Sackgasse kommen.

Wölfchen rennt neben mir und scheint das Ganze lustig zu finden. Er hält locker mit mir Schritt und springt ab und zu an mir hoch, als würde er mich zum Spielen auffordern wollen.

„Lass das!“, fahre ich ihn an, als er mich fast umschubst. Er hört auf zu springen, folgt mir aber weiterhin mühelos. Ich habe keine Ahnung, ob der Elf mir folgt, drehe mich aber auch nicht um. Die U-Bahn ist nicht mehr weit, denn endlich habe ich den Teil der Stadt erreicht, in dem ich mich besser auskenne. Meine Lungen brennen und mein Herz rast, dann sehe ich die Treppe zur Haltestelle unter Tage.

„Bleib stehen!“, ruft eine Stimme und es ist die gleiche wie vorhin.

Ich denke nicht daran und renne weiter. Die Treppe kommt näher, doch ich höre Schritte hinter mir. Der Elf holt ebenfalls auf. Verflucht, verflucht, verflucht! Ich kann nur hoffen, dass er nicht auf mich schießt oder sein Schwert nach mir wirft. Dann endlich bin ich da und springe die ersten vier Stufen mit einem Satz hinunter. Noch fünf solche Sprünge und eine harte Landung später, drehe ich mich um und schaue atemlos nach oben.

Da steht er, am obersten Absatz und sieht mich an. Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, denn es liegt im Schatten, doch er scheint ebenso außer Atem zu sein wie ich. Wölfchen trabt an meine Seite und stupst mich an. Ich wende den Blick nicht vom Elf ab. Der steht einfach da und guckt mich an. Ich weiß, er wird mir nicht folgen, aber er hat auch keine seiner Waffen gezogen.

Da wird mir klar, dass ich noch immer in Schussweite seines Bogens bin. Hastig stehe ich auf und mache einen Schritt zurück, bis mich seine Stimme innehalten lässt.

„Mein Wolf“, kommt es leise bei mir an.

Mein Blick fällt auf Wölfchen, der mich ebenso anschaut. Sein Wolf? Wölfchen ist doch ein Elbwolf? Aber er konnte auf den Hof. Wieder fliegt mein Blick zu dem Elf nach oben. Er tut nichts außer dazustehen.

Dann höre ich den Zug kommen. Meine Fluchtmöglichkeit. Ich drehe mich um und renne zum Bahnsteig. Wenig später sitze ich auf meinem Platz, komme endlich zu Atem und kraule Wölfchen nachdenklich den Kopf.

Phönix Band 1

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