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Warum ausgerechnet die Pflanzen?

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Nun denken Sie vielleicht: «Das meint der doch nicht ernst? Roboter, die sich Pflanzen zum Vorbild nehmen? Wozu das denn?» Fassen wir noch mal zusammen: Pflanzen sind mehrzellige, eukaryotische Organismen, die Fotosynthese betreiben und, von wenigen Ausnahmen abgesehen, aus einem oberirdischen Teil und einem Wurzelapparat bestehen. Weil sie ortsgebunden sind und sich notgedrungen an die wechselhaften Umweltbedingungen vor Ort anpassen müssen, haben sie die Fähigkeit entwickelt, sich wachsend in eine geeignete Richtung zu bewegen, sind also außergewöhnlich flexibel.

Bekanntlich fasst man die pflanzlichen Bewegungen unter dem Begriff Tropismus zusammen: Das deutliche Richtungswachstum der pflanzlichen Organe, insbesondere der Wurzeln, ist eine Reaktion auf Umweltreize wie Licht (Fototropismus), Schwerkraft (Gravitropismus), Berührung (Thigmotropismus), Feuchtigkeitsdifferenzen (Hydrotropismus), Sauerstoff (Aerotropismus) oder elektrische Felder (Elektrotropismus).

Neben diesen allgemein bekannten Tropismen kennen wir dank der Forschung an meinem Institut seit Kurzem auch den Phonotropismus, das von einer Lautquelle gesteuerte Pflanzenwachstum. Die Pflanze kann mithilfe der verschiedenen Tropismen in einer feindlichen Umgebung überleben und mit ihren Wurzeln, die für Nahrung und Stabilität sorgen, den Boden besiedeln. Häufig übertrifft der Wurzelstock hinsichtlich Masse und Länge sogar die Baumkrone, und manchmal erreicht er geradezu unvorstellbare Ausmaße.

Und um die Absorptionsfläche der Wurzeln noch erheblich zu erhöhen, bedient sich die Pflanze desselben Tricks wie Dido, die mythische Gründerin von Karthago. Wie die Sage zu berichten weiß, versprach der Numidierherrscher Iarbas der Königin nach ihrer Flucht aus Tyros so viel Land, wie sie mit einer Kuhhaut bedecken konnte. Offenbar wollte er sie hereinlegen. Doch Dido wusste sich zu helfen: Sie schnitt die Kuhhaut in sehr schmale Streifen, legte diese aneinander und steckte so den Hügel ab, auf dem dann Karthago entstehen sollte. Analog dazu kommt eine Weizenpflanze durch die Gesamtlänge ihrer Wurzelhaare auf ein Längenwachstum von über 20 Kilometer – obwohl sämtliche Wurzelhaare in ein einziges Würfelchen von 1,5 Zentimeter Kantenlänge passen würden.

Doch die Wurzelspitzen besitzen noch eine andere grundlegende Eigenschaft: Sie können sich durch extrem festes Material bohren. Obwohl sie so zart und zerbrechlich wirken, entfalten sie außergewöhnliche Druckkräfte und bringen durch Zellteilung und Zellvergrößerung selbst hartes Gestein zum Bersten. Die Wurzel kann nämlich nur wachsen, wenn Poren oder Risse im Boden größer sind als die Wurzelspitze. Ihre Kraft verdankt die Wurzelspitze dem Wasser, das ihre Zellen von innen her anschwellen lässt: Weil durch das osmotische Potenzial der Wurzel eine Potenzialdifferenz entsteht, dringt Wasser in die Zellen ein. Die Zellen schwellen an, und die Zellmembran drückt gegen die feste Zellwand. Je nach Pflanzenart können dabei Druckkräfte von einem bis drei Megapascal entstehen. Und so können sich Wurzeln selbst durch hartes Material wie Asphalt, Beton oder sogar Granit bohren.

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