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Tiere und Pflanzen lernen
durch Erfahrung

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Ich habe mich schon immer für die Intelligenz der Pflanzen interessiert und darum zwangsläufig auch für ihr Gedächtnis. Im ersten Moment klingt das vielleicht seltsam: ihr Gedächtnis. Aber schauen wir doch einmal genauer hin. Man kann sich ja durchaus vorstellen, dass Intelligenz nicht einem einzelnen Organ zuzuordnen ist, gehört sie doch zum Leben selbst. Wie die Pflanzen zeigen, ist das Großhirn lediglich ein evolutionärer «Zufall», der nur bei den Tieren, also einem winzigen Teil der Lebewesen, auftritt. Bei der überwiegenden Mehrheit, den Pflanzen, hat sich die Intelligenz ohne Gehirn entwickelt. Andererseits kann ich mir beim besten Willen keine Form von Intelligenz – und sei sie auch noch so speziell – vorstellen, die ohne Gedächtnis auskommt.

Gedächtnis ist also nicht dasselbe wie Intelligenz. Ohne Gedächtnis können wir nichts lernen, und ohne Lernen ist Intelligenz unmöglich. Steht ein Lebewesen mehrfach vor demselben Problem, werden wir es nur dann als intelligent bezeichnen, wenn es auf das Problem mit der Zeit besser reagiert. Sicher haben wir alle manchmal das Gefühl, immer wieder dasselbe Verhalten zu zeigen, obwohl wir es eigentlich besser wissen müssten. Und jedem fallen wohl Freunde oder Verwandte ein, die in bestimmten Situationen immer gleich, also niemals auch nur einen Deut klüger reagieren. Doch das ist nur unser Eindruck. Von Ausnahmen oder Sonderfällen abgesehen, die oft mit kleineren pathologischen Störungen zusammenhängen, lernen alle Lebewesen durch Erfahrung. Und diese goldene Regel gilt auch für Pflanzen. Wenn sich Probleme wiederholen, reagieren sie immer angemessener. Und das wäre nicht möglich, wenn sie die Informationen zur Problemlösung nicht irgendwo abspeichern würden. Wenn sie also kein Gedächtnis besäßen.

Aber glauben Sie bloß nicht, dass man deshalb schon offen von einem pflanzlichen Gedächtnis spricht. Weil die Pflanzen kein Gehirn besitzen, hat man sich zur Erklärung der zahlreichen Aktivitäten, für die Tiere analog das Gehirn benutzen, nämlich die verschiedensten Fachbegriffe ausgedacht: Akklimatisierung, Abhärtung, Priming, Konditionierung … Die Wissenschaft hat also linguistische Drahtseilakte vollführt, um in Bezug auf Pflanzen den alten, bequemen und einfachen Begriff «Gedächtnis» zu umgehen.

Doch ebenso wie die Tiere lernen Pflanzen aus Erfahrung und müssen folglich ein Erinnerungsvermögen besitzen. Nehmen wir ein Beispiel: Ein Olivenbaum kann Stresssituationen wie trockene oder salzige Böden überleben, weil er Anatomie und Stoffwechsel entsprechend verändert. Das wäre an sich noch nichts Besonderes. Aber wenn wir dieselbe Pflanze nach einer gewissen Zeit derselben Stresssituation, vielleicht sogar noch in verstärkter Form, aussetzen, fällt ihre Reaktion scheinbar überraschend aus, nämlich besser. Sie hat ihre Lektion gelernt! Irgendwie hat sie die angewandte Lösung gespeichert, umgehend abgerufen und so diesmal effizienter und präziser reagiert. Um ihre Überlebenschancen zu erhöhen, hat sie aus Erfahrung gelernt und sich die optimale Reaktion gemerkt.

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