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Seikgyi, ein Dorf bei Rangun, Myanmar

Hla verließ das Dorf, in dem sie geboren wurde. Denn alle im Ort machten kehrt, wenn sie sie sahen. Keiner wollte mehr von dem essen, was sie gekocht hatte. Ihre Geschwister versteckten ihre Kinder vor ihr. Ihre Eltern ließen sie nicht mehr neben ihrem Sohn schlafen. Sie hielt dieses Leben nicht mehr aus.

Sie drehte sich ein letztes Mal um. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Schemenhaft erkannte sie die Silhouetten ihrer Angehörigen.

Sie rief: „Dies ist ein Land Buddhas!“ Dann schrie sie: „Aber ihr wisst nicht, was Mitleid ist.“

Hla zwang sich, weiterzugehen und sich nicht mehr umzudrehen. Sie konnte den Anblick ihres jammernden Sohnes Ye auf den Armen seiner Großmutter nicht ertragen.

Hla war HIV-positiv. Sie hatte den Virus von ihrem Mann, der im berüchtigten Insein-Gefängnis für politische Gefangene gestorben war. Er hatte für die Opposition Briefe zur thailändischen Grenze geschmuggelt und sich auf der Straße angesteckt. In einem der kleinen Dörfer, wo es keine Kondome gab. Eigentlich gab es nirgendwo Kondome in Myanmar. Und wer Kondome verteilte, wurde verhaftet.

Und jetzt – wohin? In die Stadt. Aber nicht ins Bordell. Werde mir Arbeit suchen, dachte Hla. Ja, ich werde Arbeit finden und dann Ye zu mir holen. Ich werde mich um ihn kümmern, solange es geht. Der Tod kommt früh genug. Doch Ye soll wissen, was Liebe ist.

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