Читать книгу Warrior & Peace - Stella A. Tack - Страница 16
ОглавлениеSechs
Ich wollte viel lieber von Lollipops und regenbogenpupsenden Einhörnern träumen!
»Du hast es verkackt!«
»Ich weiß …«
»Ich bin mir nicht sicher, ob du die Tragweite verstehst, Junge. Du hast versagt! Du hast deinen Arsch in verdammte Schwierigkeiten gebracht und uns damit beinahe alle verraten.«
»Noch mal: Ich weiß es, verfluchte Scheiße!« Die Stimme klang dumpf und gepresst. Schmerzerfüllt und doch samtweich – Ein Klang, bei dem sich auf meinem Körper Gänsehaut ausbreitete.
Verwirrt blinzelte ich. Wo zum Teufel war ich? Gerade hatte ich noch gemütlich in meinem Bett gelegen und jetzt …
Kritisch musterte ich meine Umgebung. Ein Zimmer mit niedriger Decke, das streng nach Desinfektionsmittel und künstlicher Zitrone roch. Operationstische, die normalerweise in Krankenhäusern standen, stapelten sich mitsamt schimmerndem Operationsbesteck in jeder freien Ecke. Am Boden lag ein fürchterliches Chaos aus wild verstreuten Zetteln und halb leeren Reagenzgläsern mit undefinierbarem Inhalt. Scherben knirschten unter meinen Füßen, als ich leicht angeekelt einen klebrigen Zettel von meinem rechten Schuh pflückte.
»Weißt du überhaupt, was für ein unverschämtes Glück du hattest? Die Zähne der Höllenhunde hätten bei deiner Dummheit noch viel tiefer in deinem Hintern stecken sollen!«
»Aua! Sie stecken … aua, in meinem Rück… auuaa! Pass doch auf! Sie stecken in meinem Rücken … nicht in meinem Arsch! Und stundenlange Folter nenne ich nicht unbedingt Glück.«
»Du bist am Leben, also hattest du Glück!«
Ein ungutes Gefühl überkam mich. Verunsichert musterte ich meine Umgebung erneut. Wo war ich? Mein Umfeld ähnelte einem von einem Tornado zerstörten Krankenhaus oder durchgeknallten Experimentierlabor für Menschenversuche. Angefangen bei den grün blinkenden LED-Lichtern bis zu den schmutzigen zersprungenen Fliesen an den Wänden. Langsam wurde mir bewusst, dass ich träumen musste. Misstrauisch musterte ich ein großes Glas, in dem etwas, das verdächtig nach Hirn aussah, herumschwamm. Steif stand ich im Raum und versuchte, so leise wie möglich zu sein. Die Stimmen jagten mir eine Heidenangst ein. Trotzdem konnte ich nicht ewig wie ein Trottel herumstehen und darauf warten, dass man mich entdeckte. Ich sollte zumindest den Ursprung der Stimmen herausfinden. Danach konnte ich mich immer noch verstecken oder panisch schreiend davonlaufen. Glasscherben knirschten unter meinen Füßen, als ich an der Wand entlangschlich. Ein großes rostiges Regal versperrte mir den Weg. Vorsichtig lugte ich um die Ecke, dabei fiel eine lange Locke aus meiner Kapuze und kitzelte meine Wange. Hinter dem Regal erspähte ich einen Operationstisch, auf dem ein großer und vor allem muskulöser Körper lag, der seinerseits von einem schmaleren Mann abgeschirmt wurde. Beide wurden von einer grellen Operationslampe beschienen. Sie beleuchtete das blaue Haar des Mannes, der sich unter offensichtlichen Schmerzen auf dem blanken Stahltisch krümmte. Erschrocken hielt ich die Luft an und starrte auf die unverkennbare Haarfarbe meines Beinahe-Mörders. Das war dieser Hornochse, der mich in Abaddon den Hunden zum Fraß vorgeworfen hatte! Scheiße! Was machte der denn in meinem Traum? Besser gesagt, was hatte ich hier zu suchen? Ich wollte viel lieber von Lollipops und regenbogenpupsenden Einhörnern träumen!
Ich zog mich weiter hinter das Regal und lauschte ihrer Unterhaltung.
»Hast du sie wenigstens gefunden?«, fragte der hagere Mann – offenbar ein Arzt – meinen just zum Erzfeind erklärten Blauhaarigen. Dieser stieß einen saftigen Fluch aus, als der Arzt etwas mit einem Schmatzen aus seiner rechten Schulter zog.
»Nein, habe ich nicht! Ich war nahe dran, aber dann kam dieses Mädchen und …«
»Was? Du hast wegen eines Mädchens die gesamte Mission in den Sand gesetzt? Bist du noch ganz bei Trost?«, brummte der Mediziner und bohrte mit einer langen Zange in dem Fleisch des anderen herum.
Seine schlanken Finger verkrallten sich in die Kanten des Tisches. Knisternde Blitze zuckten über seinen vor Schmerz angespannten Körper. Unbeeindruckt schnalzte der Arzt mit der Zunge und bohrte kraftvoll tiefer. Fasziniert musterte ich das Gesicht meines Beinahe-Mörders. Seine makellose Schönheit war durchbrochen von Blutergüssen und Quetschungen, die sich quer über seinen Körper zogen. Seine Nase saß seltsam schief im blassen Gesicht, während sein Brustkorb aussah, als hätte ein Rudel räudiger Katzen ihn als Kratzbaum missbraucht. Jeder seiner Fingernägel war entweder ausgerissen oder zersplittert. Er sah aus, als wäre er gefoltert worden.
»Himmel! Es war nicht nur das Mädchen, ich habe Hades unterschätzt«, unterbrach der Blauhaarige mein fasziniertes Starren. »Die Höllenhunde saßen mir bereits im Nacken. Ich hätte es mit großer Wahrscheinlichkeit sowieso nicht mehr weiter geschafft. Aber die Kleine rannte wie ein Rammbock in mich hinein.«
»Hast du ihr wenigstens den Garaus gemacht? Sie könnte dich erkannt haben.« Mein Erzfeind schnaubte abfällig, was mich wütend mit den Zähnen knirschen ließ. Mistkerl. Seine Arroganz ging mir jetzt schon auf die Nerven.
»Natürlich. Ich bin doch kein Vollidiot!« Mhm, über das mit dem Idioten ließ sich meiner Meinung nach noch streiten. »Sie tat mir fast leid. Die Kleine hatte unübersehbar Todesangst vor mir. Es hat mich tatsächlich Überwindung gekostet, sie aus dem Weg zu räumen. Sie hatte verflucht noch mal die schönste Stimme, die ich jemals gehört habe!«
»Hört, hört! Der große Peace Tantalos zeigt tatsächlich Interesse an einem Mädchen!«, höhnte der Arzt. Geschickt fuhr er mit den Fingern in eine der klaffenden Wunden an seinem Rücken.
Mein Erzfeind, der offensichtlich Peace hieß – was für ein beschissener Name war das denn?! – stieß dabei ein bellendes Knurren aus. Seine Kieferknochen spannten sich an, während ihm eine schweißnasse Locke ins Gesicht fiel.
»Einem toten Mädchen! Der Höllenhund hat sie zerfetzt, aber wenigstens hatte ich dadurch genug Zeit, um … sag mal! Riechst du das auch?«
»Riechen? Was denn?«
»Es riecht nach Rosen.«
Peace’ Nasenflügel bebten. Die einzige Vorwarnung, die ich bekam, bevor er kraftvoll und geschmeidig wie eine Raubkatze vom Tisch aufsprang. Blut spritze in alle Richtungen. Einige Tropfen blieben eine Handbreit von meinem Versteck am Boden kleben. Mein Atem stockte, als ich nach unten starrte. Das Blut war nicht rot, sondern … silbern.
»Peace, was machst du?«
Die Frage des Arztes riss mich aus meiner Erstarrung. Schnell sah ich auf und blickte in zwei leuchtend silbergraue Augen. Mit blutverschmiertem Oberkörper und zornig verzogenem Gesicht ragte Peace wie ein geballter Berg aus Muskeln und Macht vor mir auf. Ein Knurren, das die Wände wackeln ließ, gellte durch den Raum. Einige bereits zerbrochene Fliesen fielen zu Boden.
»Ich kann dich riechen. Ich kann dich fühlen! Zeig dich!«, brüllte er mir direkt ins Gesicht. Schreiend stolperte ich zurück. Mein Herz pochte erschrocken, als ich den Halt verlor und ins Straucheln geriet. Ich stürzte. Doch anstatt hart auf dem Boden aufzuschlagen, durchbrach ich ihn und die Oberfläche zerbarst wie Glas. Splitter und Fragmente flogen mir um die Ohren. Die Zeit schien sich zu verlangsamen. Wie durch zähen Honig sah ich mich selbst fallen. Peace stand über mir und für einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Seine Augen weiteten sich. Erkennen durchzuckte die silbrig glänzenden Spiegel. Brüllend schnellte er nach vorne und streckte die Arme nach mir aus, als wollte er mich auffangen. Die Zeit beschleunigte sich wieder. Wurde rasend schnell, als seine Finger wie Rauch durch meinen Körper fuhren. Ich fiel. Fiel in bodenlose Schwärze – mit dem Geruch nach Ozon und Eis in der Nase.