Читать книгу Keks-Mord. Ein Hanseaten-Krimi - Stella Michels - Страница 11
ОглавлениеFünf
Auf Christian Meier aus Husum konnte Frieder sich verlassen. Zumindest im Job. Das musste Frieder seinem Mitarbeiter zugestehen. Und im Grunde ging es ihn ja nichts an, wie es der Meier mit der Treue hielt. Am Dienstag lieferte Kriminalkommissar Meier ihm die Auswertungen des Notebooks und des Handys des Opfers.
„Der hat nichts anbrennen lassen, Herr Westermann. Hier ist die Liste mit den letzten Telefongesprächen und die Ausdrucke von seinem E-Mail-Postfach. Ganz oben habe ich eine Mail gelegt, die interessant ist. Er hat versucht, seine Ex-Frau unter Druck zu setzen. Es ging wohl um Ausgleichszahlungen nach der Trennung.“
Frieder las die E-Mail an Brigitte Burmester-Roggen:
Hallo Brigitte,
heute habe ich wieder Post von deinen Anwälten bekommen. Sag mal, reicht einer nicht aus? Warum fährst du so schweres Geschütz auf? Ich habe dir doch gesagt, du bekommst dein Geld früher oder später. Ich kann dir auch monatlich eine Summe überweisen, wenn du willst? Aber hundertfünfzigtausend Euro habe ich nicht in der Schublade liegen. Und solange nicht geklärt ist, ob hinter unserem Wohngebiet in Taby eine Putenfarm gebaut wird, kann ich nicht daran denken, das Haus zu verkaufen. Ich bitte dich also um Verständnis.
Übrigens habe ich mit viel Geduld die alten Kisten auf dem Dachboden entrümpelt. Du erinnerst dich? Wir haben unsere Arbeiten aus der Studienzeit darin aufbewahrt. In deiner Kiste fand ich den Entwurf deiner Diplomarbeit und die Tabellen, die ich für dich mit Fremd-Zitaten anfertigte. Die Frage ist, Brigitte, ob du die Kiste abholen möchtest. Ich denke, es wäre fatal – insbesondere vor dem Hintergrund deiner beruflichen Position in Bremen – wenn jemand den Inhalt deiner Arbeiten und die Basisdaten dafür richtig interpretierte.
Also, was meinst du?
Deine Antwort erwartend verbleibe ich,
Dein Ex Gerth
Frieder legte die E-Mail kommentarlos auf seinen Schreibtisch.
„So etwas wie eine feste Beziehung“, fuhr Meier fort, „hatte er mit einer Hiltrud Schenker in Taby. Die wohnt bei ihm in der Nachbarschaft. Scheint mir aber eher harmlos zu sein. Die Frau unterrichtet an der Grundschule in Taby Musik und Kunst und sonntags spielt sie die Orgel in der Dorfkirche.“ Er versuchte ein frommes Gesicht zu machen, was ihm allerdings misslang. „Und jetzt, Chef, halten Sie sich fest! Der hat wirklich nichts anbrennen lassen. Gerth Roggen hatte in Flensburg Kontakt zu Caroline Wittenberg. Das ist die Inhaberin und Betreiberin des Hotels ‚Zum Fördeschwan‘ in Schausende.“
„Geben Sie mir die Ausdrucke, Herr Meier. Und: Danke!“
Frieder nickte Christian Meier zu und entließ ihn. Er musste schmunzeln. Es war richtig gewesen, Christian Meier auf die Fährte eines gleichgesinnten Don Juans zu schicken. Wenn die Kekse von einer Frau stammten, dann vermutlich von der Hotel-Inhaberin. Die hat am leichtesten Zugang zu Gebäck. Er würde zunächst Caroline Wittenberg und danach Hiltrud Schenker vernehmen und die Alibis überprüfen. Vielleicht konnte er sich dann die Fahrt nach Bremen sparen, um die Ex-Gattin von Gerth Roggen zu verhören.
Das Hotel ‚Zum Fördeschwan‘ lag im kleinen Ort Schausende direkt an der Förde mit einem fantastischen Blick bis zur dänischen Küste auf der Halbinsel Holnis, die die Flensburger Förde nach Osten begrenzt. Wer in Flensburg etwas auf sich hielt, veranstaltete dort seine Familienfeiern. Die Küche war hervorragend und der Service erstklassig. Trotzdem hatte Frieder gehört, dass sich das Hotel in finanziellen Schwierigkeiten befand. Die Konkurrenz der großen Hotels, insbesondere der Ferienanlagen in der Region Flensburg-Schleswig, war immens. Nicht zu unterschätzen waren auch die Angebote der großen Reiseveranstalter mit Pauschalurlaub im Süden von Europa. Für eine vierköpfige Familie konnte ein Pauschalurlaub aus dem Katalog mit Sonnengarantie im Süden günstiger sein, als ein individueller Hotelurlaub mit eigener Anreise in Deutschland. Einige Stammgäste hielten dem Hotel jedoch die Treue. Inhabergeführte Hotels mit persönlichem Service waren bei einer bestimmten Gruppe von Gästen gefragt.
Eigentlich hatte Frieder heute pünktlich Feierabend machen wollen. Jetzt quälte er sich allerdings in der frühen Dämmerung durch zähen Nachmittagsverkehr Richtung Schausende auf Holnis. Der Schnee, der letzte Woche unerwartet gefallen war und von Kindern bejubelt wurde, lag nur noch in dunklen, unförmigen Klecksen auf den Gehsteigen. Schade, dachte Frieder. Er hätte sich für sein erstes Weihnachtsfest mit Familie viel Schnee gewünscht. Als er von der Nordstraße Richtung Glücksburg abbog, rief er Anna an: „Liebling. Es ist wie verhext! Ich komme später. Bin jetzt fast zu Hause. Ich fahre aber weiter nach Schausende, um die Inhaberin vom Hotel ‚Zum Fördeschwan‘ zu verhören.“
Frieder war sich bewusst, dass er eigentlich Hiltrud Schenker zuerst verhören musste. Es war jedoch schon spät und der Weg nach Schausende und wieder zurück nach Hause war einfach kürzer als die Strecke bis nach Taby. Außerdem gab es an der B199 in Richtung Taby seit Neuestem eine Baustellenampel, vor der sich der Verkehr zur Feierabendzeit aufstaute.
„Ist gut, Frieder. Fahr vorsichtig! Bis gleich.“
Anna legte enttäuscht auf. Sie sahen sich nur noch am Wochenende und abends spät, wenn Frieder heimkam. Dann aßen sie gemeinsam und Frieder versuchte Zeit mit seinen Kindern zu verbringen. Ein paar Mal war er schon auf dem Teppich im Kinderzimmer eingeschlafen, das Buch, aus dem er vorlesen wollte, war ihm aus der Hand gefallen. Anna konnte das verstehen. Sie war ständig müde und sie hatte das Gefühl, sie tat tagsüber kaum etwas Richtiges oder Sinnvolles. Im Winter mit den Kindern nach draußen zu gehen, kam ihr vor, als räumte und packte sie für einen Wohnungsumzug. Und bis die Kinder angezogen waren, der Kinderwagen und die Kinder-Zubehörtasche gepackt waren, hatte sie manchmal vergessen, wohin sie mit den Mädchen wollte.
Eine hohe, weihnachtlich beleuchtete Tanne stand neben dem Treppenaufgang des Hotels ‚Zum Fördeschwan‘. Frieder betrat das Foyer und fragte nach Frau Wittenberg. Während er wartete, sah er sich um. Er kannte das Haus. Seine Eltern hatten im Hotel-Restaurant ihre runden Geburtstage und Hochzeitstage gefeiert. Zuletzt war er allerdings vor vier Jahren nach der Beerdigung seines Vaters hier gewesen. Caroline Wittenberg hatte er als gepflegte und attraktive Frau in Erinnerung.
„Sie wollten mich sprechen, Herr Kriminalhauptkommissar?“
Sehr sicher und selbstbewusst bat Caroline Wittenberg ihn in ihr Büro, das hinter dem Empfangstresen lag. Frieder fiel auf, dass auf dem Tresen und auf dem Tisch bei der Sitzecke im Foyer Schalen mit Gebäck standen. Es sah selbstgebacken aus.
Das Büro von Caroline Westermann war eher klein und zugestellt mit Aktenordnern und Prospektstapeln. Frieder zwängte sich an einem Karton voller Kopierpapier vorbei und nahm vor dem Schreibtisch von Caroline Wittenberg Platz.
„Sie haben es sicher schon aus der Zeitung erfahren, dass Gerth Roggen letzten Donnerstag verstorben ist?“
„Ja, ich habe es gelesen. Es stand auch geschrieben, dass Fremdverschulden nicht ausgeschlossen werden kann. Ich nehme an, deshalb sind Sie hier?“
„Ja. Wir müssen jeder Spur – in Ihrem Fall jedem Kontakt, den Gerth Roggen hatte – nachgehen. Wie gut kannten Sie Gerth Roggen?“
„Wir waren befreundet.“
„Wie eng?“
„Nicht sehr eng. Wir hatten auch beruflich miteinander zu tun. Mein Vater war früher Mitglied im VFFF und ich habe die Mitgliedschaft fortgeführt, obwohl wir nur wenige Buchungen über den VFFF erhielten. Die Anzeigenpreise im Katalog des VFFF sind hoch. Herr Roggen gewährte mir aufgrund der langen Zugehörigkeit einen Rabatt auf die Insertion in seinem Hotelverzeichnis.“
„Wann haben Sie Gerth Roggen das letzte Mal gesehen?“
„Lassen Sie mich nachschauen.“ Caroline Winterberg zog einen Kalender aus dem Aktenstapel auf ihrem Schreibtisch. „Mein Mann war in Hamburg. Dann muss es Montag gewesen sein. Ja, genau. Montag nach dem ersten Advent, war ich im VFFF bei Gerth … äh, bei Herrn Roggen.“
„Was taten Sie da und wie lange waren Sie im Büro?“
„Ich besprach unser Anzeigenmotiv für den nächsten Katalog mit ihm. Es hat nicht lange gedauert. Seine Sekretärin war nicht da und ich wollte nicht, dass Herr Roggen für mich Kaffee kocht. Der schmeckt nämlich scheußlich.“
„Sie sprechen von Frau Kehlenbeck als seiner Sekretärin?“
„Ja.“
„Wo war sie denn, wenn nicht im Büro?“
„Ich nehme an, sie war in der Mittagspause. Es war ja Mittag, als ich dort war.“
„Brachten Sie ihm etwas mit? Ein Adventsgesteck oder Süßigkeiten?“
„Nein, warum sollte ich das tun?“
„Wer hat die Kekse, die bei Ihnen im Foyer stehen, gebacken?“
„Sie sind von unserem Bäcker im Ort. Wir bekommen sie günstiger, weil es zweite Wahl ist. Wir müssen sparen.“