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Einleitung

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„Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?“ „Keine!“ pflegt die bundesrepublikanische Prominenz bei der Bearbeitung des klassischen Fragekanons aus dem 19. Jh. entschieden zu antworten. Besonders regimetreue Zeitgenossen kennen sogar eine politisch noch opportun(istisch)- ere Erwiderung: „Die friedliche Aufbauarbeit der Bundeswehr in Afghanistan!“ („Kollateralschäden“ an der einheimischen Bevölkerung werden dabei großzügig übersehen).

Diese grundsätzliche Ablehnung des Militärischen ist freilich nur in Deutschland zu finden; noch heute verehrt die Grande Nation ihren Napoleon, Großbritannien den Seehelden Horatio Nelson. In den USA verherrlicht eine gewaltige Filmindustrie die Ausrottung nahezu aller Ureinwohner (und Wildtiere!) eines ganzen Kontinents; von anderen Weltgegenden ganz zu schweigen, wo kriegerische Konflikte bis in unsere Zeit allgegenwärtig sind.

Auch in Deutschland bewunderte man einst Soldatentum und Feldherrnkunst – beim militärischen Gegner ebenso wie auf der eigenen Seite. Aber nach dem furchtbaren Blutzoll des 2. Weltkrieges, dem totalen Zusammenbruch nicht nur von Reich und Wehrmacht, sondern nahezu aller bisher gültiger Werte, zudem infolge der „Umerziehung“ durch die Siegermächte ist diese Haltung einem moralisierenden Pazifismus gewichen, der die gesamte Weltgeschichte aus „moderner“ Sicht be- (oder besser: ver-) urteilt. Dieser paart sich mit einem geradezu ideologisch geprägten Hass auf den als „Feind des Friedens“ ausgemachten Kontrahenten in heutigen Kriegen und Konflikten, der einem Soldaten vergangener Jahrhunderte völlig fremd war - denn diesem galt der Gegner als gleichrangig! Man denke etwa an das von gegenseitiger Achtung getragene militärische Zeremoniell bei Verhandlungen und Kapitulationen (noch in den ersten Jahren des 2. Weltkrieges!) oder die ehrenvolle Behandlung gefangener Offiziere. Der Respekt vor dem tapferen Feind ist erst in unserer Zeit verlorengegangen, die besiegte Politiker und Militärs als „Kriegsverbrecher“ dem Henker überliefert (wie jüngst im Irak). Und das Ziel der Kampfhandlungen ist heute nicht mehr die Wiederherstellung des Friedenszustandes mit dem ehemaligen Rivalen, sondern seine Vernichtung; die Kunst der Aussöhnung mit dem Besiegten ist gleichfalls in Vergessenheit geraten.

Die ungeheure Zerstörungskraft des modernen Krieges hat zudem dessen einstige Definition als „Vater aller Dinge“ (Heraklit) aufgehoben. Heute erscheint es uns unvorstellbar, von militärischen Konflikten ein positives Ergebnis zu erwarten oder auch nur für möglich zu halten. In früheren Epochen konnte hingegen deren Ertrag größer sein als die Kosten und Verluste (zumindest in den Augen eines siegreichen Herrschers, der das Leiden und Sterben nicht selbst miterlebte). Aber auch aus historischer Distanz können kriegerische Auseinandersetzungen durch ihre Folgen und Nachwirkungen mitunter als segensreich gelten: Der Siegeszug Alexanders d. Gr. durch Asien brachte eben nicht nur Tod und Verwüstung über die besiegten Völker; er ermöglichte auch die Verschmelzung von Orient und Okzident in der Weltkultur des Hellenismus. Die römischen Eroberungen mit ihren blutigen Massakern, der Versklavung von Hunderttausenden, der Ausplünderung von Städten und Landschaften waren verheerend für die betroffenen Länder; aber im Zeitalter der Pax Augusta erlebten die einst gewaltsam unterworfenen Länder eine einzigartige wirtschaftliche und kulturelle Blüte. Die Sachsenkriege Karls d. Gr. waren von äußerster Brutalität geprägt – aber erst die Einbeziehung des letzten germanischen Stammes in das Frankenreich ermöglichte die spätere Entstehung eines gesamtdeutschen Staatswesens; und bereits 100 Jahre nach der Unterwerfung ihres Landes waren die sächsischen Herzöge die mächtigsten Fürsten in Deutschland und begründeten das Heilige Römische Reich (Deutscher Nation). Diese Aspekte angemessen zu würdigen, verbietet sich freilich bei einseitig „friedensbewegter“ Betrachtung der Vergangenheit.

In den letzten Jahren scheint jedoch das allgemeine Interesse an militärgeschichtlichen Fragestellungen wieder zu wachsen, vielleicht aufgrund der zunehmenden Historisierung des katastrophenreichen 20. Jhs. Daher will das vorliegende Buch zunächst die bedeutenden Feldherrngestalten der Antike wiederaufleben lassen; eine Fortführung in spätere Epochen ist denkbar. Ohne ideologisch-pazifistische Brille soll es – dem Wort Leopold von Rankes verpflichtet – lediglich zeigen, wie es eigentlich gewesen ist, und damit einen lange vernachlässigten Bereich der Geschichte wieder in das Bewusstsein zurückrufen: die Kunst, Krieg zu führen, als eine „Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ (Carl von Clausewitz).

Bei der Auswahl war eine gewisse Subjektivität nicht zu vermeiden; doch dürfte in den meisten Fällen unumstritten sein, wer zu den bedeutendsten Heerführern des Altertums zählt. Allgemeingültige Kriterien waren naturgemäß ihre militärischen Erfolge sowie deren historische Nachwirkungen, ferner wichtige Neuerungen und Reformen. Mancher Kriegsheld steht beispielhaft für eine ganze Epoche (etwa Seleukos für die Diadochenkriege). Hinzu kommen die spannungsreichen „Geschichten aus der Geschichte“ – etwa des Agathokles, der das erste europäische Heer nach Afrika führte, oder gar einer „Kriegsherrin“. Die grundlegende Entscheidung, eine größere Zahl von Feldherrngestalten zu berücksichtigen, erforderte zwar eine Beschränkung auf kürzere Texte, erweiterte aber die Vielfalt an Völkern und Persönlichkeiten1, zudem an höchst unterschiedlichen „Typen“ von Heerführern: Meister der Strategie und Taktik wie Caesar und Hannibal finden sich ebenso wie die Heldengestalt des Leonidas. Damit entspricht die Auswahl der griechischen Mythologie, die bekanntlich zwei Gottheiten des Krieges nennt: Den blutigen Würger Ares und die kluge Schlachtenlenkerin Pallas Athene. Unter ihrer Ägide soll ein Kaleidoskop der antiken Militärgeschichte entstehen – vom Alten Orient bis zum Ende des Weströmischen Reiches, vom heutigen Portugal bis nach Mesopotamien, von Ramses bis Ricimer.

Schwert und Geist

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