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Wie Sie souverän erzählen »Wer erzählen kann, gewinnt Souveränität«

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»Wer erzählen kann, gewinnt Souveränität«, sagt der durch humorvolle Kurzgeschichten bekannt gewordene ehemalige Journalist Axel Hacke (»Das war meine Rettung«, ZEITmagazin Nr. 52 vom 16.12.2010). Das Gleiche gilt umgekehrt: Zum Erzählen gehört eine souveräne Erzählstimme. Es ist ein sich selbst verstärkender Prozess.

Nur ein souveräner Erzähler zieht den Leser in seine Erzählung. Erinnern Sie sich an die Märchenonkels und -tanten Ihrer Kindheit. Am liebsten hörte man denen zu, die selbstbewusst auftraten und ihre Geschichte überzeugend vortrugen. Sie mussten nicht einmal freundlich sein – waren sie unheimlich, strahlten sie etwas Düsteres aus, umso besser. Zuhören (oder Lesen) heißt auch, sich dem Erzähler anzuvertrauen. Ein zögerlicher, ein stotternder, ein unglaubwürdiger Erzähler – jeder von ihnen ist das Ende jeder noch so guten Geschichte.

Arbeiten Sie an Ihrer Erzählstimme, bis Sie in Ihrem Roman die Souveränität ausstrahlen, die man von einem Erzähler erwartet.

Was gehört dazu?

Ein sicheres, selbstbewusstes Auftreten. Beim Schreiben heißt das: Schreiben Sie aktiv. Und vielleicht verzichten Sie doch lieber auf solche Wörter, die den ganzen Text tendenziell eher verlangsamen oder ihn gewissermaßen ins Stolpern bringen.

Klingt das souverän? Nein? Wie wäre es hiermit:

Verzichten Sie auf Wörter, die den Text verlangsamen oder ihn zum Stolpern bringen.

Geht es noch souveräner? Ja:

Lassen Sie weg, was den Text bremst.

Was aber, wenn der Erzähler in Ihrer Geschichte oder die Figur, aus deren Perspektive Sie erzählen, ein schüchterner Mensch ist? Dann schreiben Sie auf souveräne Weise unsouverän. Indem Sie zu der Figur werden (die Sie übrigens, als ihr Schöpfer, sowieso schon sind), indem Sie die Dinge auf glaubhafte, mehr noch: auf überzeugende Weise mit den Augen der Figur sehen, mit ihrem Körper, ihrem Herzen fühlen und das alles dem Leser mitteilen.

Zeigen Sie dem Leser, dass er Ihnen vertrauen darf.

Vertrauen ist ein Gefühl, ein Wohlgefühl. Lassen Sie den Leser spüren, dass er bei Ihnen gut aufgehoben ist. Enttäuschen Sie ihn nicht.

Zu Anfang Ihres Romans machen Sie Versprechungen darüber, was den Leser erwartet. Erzeugen Sie auf den ersten Seiten eine düstere Atmosphäre voller unguter Vorahnungen, erwartet der Leser im Verlauf der Geschichte angenehm Schreckliches. Überraschen Sie ihn dann mit einer lockeren Schmonzette, fühlt er sich zurecht verraten.

Gelegenheit, Vertrauen aufzubauen, haben Sie während des ganzen Romans, mit jeder Seite, jedem Absatz, jedem Wort. Doch Vorsicht: Sie können dieses Vertrauen jederzeit verspielen.

Das Vertrauen Ihres Lesers zu Ihnen wird umso mehr wachsen, je häufiger Sie ihn durch überzeugende und emotional starke Momente hindurchführen: Da, denkt er, wieder eine Szene, die mich zum Heulen oder Zähneknirschen bringt, eine fiese Überraschung, eine unerwartete Wendung – und Sie als Erzähler bleiben in der Spur und behalten alle Zügel des Plots im Griff. Das schafft Vertrauen.

Erhalten tun Sie sich dieses Vertrauen mit wissenswerten Informationen, klugen Bemerkungen und ironischen oder humorvollen Einsprengseln an den richtigen Stellen und im richtigen Maß.

Zu einem souveränen Erzähler gehört Authentizität. Überzeugen Sie den Leser, dass die Geschichte aus Ihrem Inneren kommt und nicht bloß, sagen wir, für Geld und Ruhm geschrieben wurde – egal, was Ihre wahren Gründe sind.

Zur Authentizität gehört, dass der Leser bei Ihnen als Autor eine starke emotionale Beteiligung am Geschehen spürt – ohne dass diese Ihre Fähigkeiten als Erzähler trübt. Wenn Sie als Autor, allem Anschein nach, der eigene Text nicht interessiert, wie wollen Sie dieses Engagement dann von Ihrem Leser erwarten!

Souveränität ist auch eine Charakterfrage. Wenn Sie eher ein zurückhaltender Mensch sind, werden Ihre Texte das in einem gewissen Maße spiegeln. Kein Problem. Als Autorin sind Sie der Märchentante gegenüber im Vorteil: Sie können überarbeiten.

Achten Sie beim Überarbeiten gezielt auf die Souveränität Ihrer Erzählstimme – und ändern Sie die weniger souverän klingenden Stellen.

Da die Souveränität von Erzählerin und Erzähler – Märchentante, Märchenonkel – ein sich selbst verstärkender Prozess ist, gewinnen Sie durchs Schreiben auch persönlich an Souveränität.

Wenn das mal kein Ansporn ist.

Bessere! Romane! Schreiben!

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