Читать книгу Jakob - Stephan - Страница 11
Wenn Jakob reden würde, käme die Erlebnisgier manch Weibsbilds zur Sprache
ОглавлениеDenn die gab es.
Das war etwas, was Jakob schmeichelte. Obwohl er nicht immer genau wusste, wie er dazu kam.
Das lag wohl so an seiner Art. Er vermochte Frauen fürwahr um den kleinen Finger zu wickeln, ohne auch nur einen einzigen Mucks oder allerhöchstens „Guten Tag“ zu sagen. An jenem besagten Tag traf sein Blick auf eine hübsche Brünette, zwischen 25 und 30 und schön schlank. Dieses, ihr Augenspiel: erwartungsvoll. Bei ihnen beiden war sofort alles klar. Und unwichtig alles andere, da sie wussten: das wird ihr Wochenende werden.
Aber seltsam.
Vielleicht lag es irgendwie an Jakob, vielleicht an der Übermüdung, vielleicht an ihrem Blick, wer weiß, keiner weiß – mit einem Mal jedoch wurden ihm die Knie weich. So, dass er es im letzten Augenblick noch auf den Stuhl, der da vor ihm stand, schaffte. Etwas tollpatschig zwar, doch erreicht. Aber statt den Sitz vollflächig zu nutzen, erwischte er nur den Rand.
Plötzlich: Ein Knarren. Ein lautes Krachen! Der Stuhl unter Jakob brach zusammen, zerstückelte, zerfiel in sämtliche Einzelteile. Jakob ganz unten. ‚Klar, das war wieder typisch’, ging ihm durch den Kopf, als er sich aufraffte und alle Unglücksteile beiseite schaffte. Überall musste er gleich auffallen und prompt alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Irgendwie war es aber wohl gerade jener kleine Unfall, der auch das Eis zwischen den übrigen Frauen und Jakobs Truppe brach.
Ausgelöst vom tobenden Gelächter verteilte sich die Reisegesellschaft nunmehr zwangloser und besetzte sämtliche freie Plätze in dem Restaurant. Die Brünette allerdings stand auf und befahl dem erstbesten jungen Mann neben ihr in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete, er solle ihren freigewordenen Platz einnehmen. Sie selber setzte sich dafür neben Jakob. Fingerte fürsorglich an ihm herum und begutachtete die entstehende Beule an seinem Kopf. Ließ sich ein Messer aus der Küche bringen und presste die flache Seite der Schneide darauf. Das kühle Metall tat gut und das Beulenausmaß konnte verhindert werden.
Das war der erste handfeste Kontakt, fortan waren sie beide zusammen. Keiner hätte glauben mögen, dass sie sich eben erst getroffen hatten. Er schätzte sie zwar fünf bis zehn Jahre älter ein, was sie aber nicht davon abhielt, sich in seiner Gegenwart wie ein junger Hüpfer aufzuführen, dem die erste große Liebe begegnet war. Ohnehin sah man ihr das Alter nicht an. Ständig tätschelte sie an Jakob herum, ob denn auch sonst alles in Ordnung sei. In einem unauffälligen Moment ergriff sie Jakobs Hand und führte sie zu ihrem Bauch. So lange, bis es die Schlüssel für die Zimmer gab. Jakob sollte seins mit noch zwei Kollegen teilen.
Aber das letzte Wort war doch hier noch nicht gesprochen! Nein, sie persönlich sorgte für die Umquartierung. Dass Jakob bald ein Zimmer für sich alleine hatte. Wie selbstverständlich nahm Frauke, so hieß sie, den Schlüssel an sich und bat ihn, doch schon mal seine Sachen hinaufzubringen. Sie käme gleich nach. Sein Protest, er wolle eigentlich noch zwei Stunden bis Mittag schlafen, prallte an ihr ab.
Es ließ sich an wie immer.
Kurz nachdem Jakob auf sein Bett lag, drehte sich der Schlüssel im Schloss und ein Koffer schob sich schlurfend den Boden entlang ins Zimmer. Ein zweiter und ein Rucksack folgten. Die Tür schloss sich wieder und zwischen all dem Gepäck im Raum – stand sie. Schob die Koffer beiseite, trat an das Fußende des Bettes und krabbelte Jakobs Füße. Als sei es schon immer so gewesen, zog sie sich Jacke, Pullover und Stiefel aus, öffnete den oberen Blusenknopf und setzte sich neben den sich bereits im Halbschlaf befindlichen Jakob. Der unversehens seinen Kopf auf ihren Schoß legte und mit einem Arm die Hüfte umfasste. Als sei es schon immer so gewesen. Langsam, ohne den bereits Schlafenden zu stören, schob sich ihr Körper der Länge lang neben ihn auf das Doppelbett. Ein Bett, auf dem locker drei hätten schlafen können. Und sie platzierte seinen Kopf wieder auf ihren Bauch.
Weiß der Geier, was sie sich dachte. Jedenfalls öffneten ihre unsicheren schmalen Finger den unteren Teil der Bluse. Und nachdem sie noch das Seidenunterhemd aus der Hose und über den Kopf gezogen, gab sich ihr Oberkörper enthüllt. Geweckt von einem seltsamen Gemisch aus dem Parfüm, das sie verwendete und ihrem Eigenduft, begann Jakob die ihm wunderbar hautnahen Formen und Flächen zu streicheln. Und sie sanft zu küssen, bis sie beide darüber einschliefen.
Irgendwann klopfte es leise. Der FDJ-Sekretär, für sie immer der „Ober-FD-Jodler“, trat kurz ein und weckte sie halblaut: „He, Jakob, gibt gleich Essen da unten. Geht’s, bist du munter genug, um dir ein paar Happen reinzupfeifen?“
Jakob erhob sich verschlafen. Staunte über den Anblick der jungen Frau, die allerdings weiter zu schlummern gedachte. Den Fragenden schickte Jakob mit einem: „Wir kommen gleich runter“, weg.
Nachdem die Tür wieder ins Schloss gefallen war, setzte sich Jakob auf die Bettseite der Halbnackten. Hm, er betrachtete sie. Weckte sie dann sanft mit einem Kuss auf den Mund, einem auf das Dekolleté und einem auf dem Bauchnabel. Aber das half alles nichts.
Also umfasste er ihren Arm und zog sie aus dem Bett. Und zerrte und schliff sie – nicht derb, aber bestimmt – in das angrenzende Bad. Immer über den Boden entlang.
„Lass mich, ich will nicht ins Restaurant!“
„Nein? Aber ich, ich schon. Da unten warten meine Kumpels, die kann und werde ich auf keinen Fall warten lassen! Jetzt reden wir mal Klartext! Entweder du kommst mit mir mit, oder du bleibst hier solange alleine, bis ich wieder zurückkomme.“
Seine Entschlossenheit brachte beide zum Lachen. Sie umarmten sich, machten sich frisch und Jakob schloss seine Jeans. Nanu? Doch jetzt war nicht der Moment, darüber nachzudenken.
War ihm auch völlig schnurz. Er setzte sich auf den Badewannenrand, zog Frauke an sich heran und knöpfte ihr die Bluse sehr langsam – zu. Heiter wurde jeder Knopf von einem Kuss begleitet, für den sie sich tief zu ihm hinunterbeugte. Sichtlich gern und beiden gefiel, wie alles lief.
Arm in Arm stiegen sie bald die schmale Treppe zum Aufenthaltsraum hinab. Im Restaurant war mittlerweile eingedeckt worden.
Eine einzige lange Tafel durchzog den Raum. ‚Aha, schau. Also hatte sogar das Personal mitbekommen, dass aus den zwei Reisegruppen eine geworden war. So ist gleich viel mehr Platz im Raum.’ Im Nu stellten sie die ersten mitgebrachten Flaschen auf den Tisch. Schnaps, Wein und Sekt. Fehlten nur noch die Gläser. Die nach einem rasch geklärten Gespräch von der Restaurantleiterin persönlich, die dazu jedoch eine mürrische Miene machte, auf dem Tablett hereingetragen wurden. In der Tat, ein Riesenhaufen war das!
Eigentlich hätte die Frauenbrigade gar nicht mehr da sein sollen, weil für die Folgezeit das Baukombinat schon die gesamten Räumlichkeiten gebucht und auch bezahlt hatte. Doch das Interesse am jeweils anderen Geschlecht war stärker.
Ein angemessener Gastronomie-Zuschlag konnte denn auch das Personal über den mitgebrachten Alkohol hinwegsehen lassen. Ehrlich, wen interessieren da die Umgebung und der Ort, wenn für die zusammengewürfelte Gesellschaft im Anschluss eine Party folgt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat? Wo Wein, Weib, Tanz und Gesang alles Erdenkliche könnten entstehen lassen.
Als der Bus mit den jungen Männern wieder heimfuhr, hatte Jakob noch einen mächtig schweren Kopf und wollte sowieso nicht erzählen, was da alles gelaufen war mit Frauke.
In der Sache war er eigen.
Da war er anders als andere Männer. Er sprach nur ungern über Frauen, und wenn sie nicht mit waren, gleich gar nicht. Natürlich ließen auch die Kerle neben Jakob nicht locker, zogen ihn auf, lockten ihn heraus, fragten ihn aus.
Aber Jakob redet nicht.
Genießt und schweigt.