Читать книгу Schattenseiten - Stephanie Ahlen - Страница 9

Оглавление

Kapitel 4

Immer noch Mittwoch, 14. Februar

Kaihalulu Beach Resort, Hawaii

Kalei brauchte einen Moment, um wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Für eine Minute oder so war er völlig in seiner Erinnerung an seine Ex-Freundin Lauren versunken, der er den Kosenamen Lani gegeben hatte. Er hatte seit ihrer überstürzten Abreise aus Hawaii vor acht Jahren nicht mehr persönlich mit ihr gesprochen, aber er wusste, dass sie wieder in England lebte und dort für die Londoner Polizei arbeitete.

Ein seltsamer Zufall, dass ihr Mordopfer denselben Arbeitgeber wie Lauren hatte. Würde sie in England an dem Fall arbeiten? Würden sie vielleicht sogar EMails austauschen oder sich virtuell in einer Videokonferenz begegnen?

Chris Logan stieß ihn unsanft mit dem Ellenbogen an und holte seine Gedanken zum Tatort zurück. "Hey Partner", erinnerte er ihn an ihre Aufgabe vor Ort. "Wir haben leider die unschöne Aufgabe, uns mit der Witwe des Opfers zu unterhalten. Eine Beamtin von der Wahiawa Station ist bei ihr und leistet ihr Beistand." Chris deutete mit der Hand zu einer Tür, die offenbar zum Schlafzimmer der Villa führte.

Sie ließen die Gerichtsmedizinerin und Lieutenant Takahashi beim Jacuzzi zurück und durchquerten das elegante Wohnzimmer. Das Schlafzimmer war abgedunkelt und Kaleis Augen brauchten ein paar Sekunden, bis sie sich an die dämmerige Atmosphäre in dem Raum gewöhnt hatten. Vom Schlafzimmer aus hatte man ebenfalls Zugang zur Terrasse, und wenn die Lamellentüren aus dunklem Holz nicht geschlossen gewesen wären, hätte man auch von hier einen atemberaubenden Meerblick gehabt. Den Raum dominierte ein hölzernes Himmelbett, deren vier Pfosten mit filigranen Schnitzereien verziert waren. Auf der Matratze lag ein feiner naturfarbener Bettbezug. Sofas und Sessel waren in demselben cremefarbenen Farbton gehalten. Bordeauxrote Kissen mit polynesischen Mustern setzten farbige Akzente. Der Raum war vermutlich so groß wie sein gesamtes Häuschen in Manoa. Kalei fragte sich, wie ein Polizeibeamter sich eine solche Ferienunterkunft leisten konnte. Die Villa war unter anderthalbtausend Dollar am Tag sicherlich nicht zu haben.

In einem der hellen Sessel saß eine uniformierte Beamtin der Wahiawa Police Station und blickte Kalei und Chris betroffen an. In einem zweiten Sessel, im Neunzig-Grad-Winkel zu der Polizistin, saß mit gesenktem Kopf eine blonde Frau. Als Chris sich räusperte, sah sie auf und blickte ihnen entgegen. Trotz ihrer verweinten Augen und den roten Flecken im Gesicht war die Witwe des Polizeibeamten eine bemerkenswerte Schönheit. Ihr sehr blasser Teint, der entweder dem Schock oder ihrer britischen Herkunft geschuldet war, war makellos. Kalei musste daran denken, dass der altmodische Begriff 'Alabasterhaut' in ihrem Fall wohl eine zutreffende Bezeichnung war. Mit ihren rotblonden, schulterlangen Haaren erinnerte ihn die Frau ein wenig an die Schauspielerin Nicole Kidman. Sie passte optisch perfekt in diese luxuriöse Umgebung.

Die beiden Polizeibeamten stellten sich vor und fragten, ob sich Mrs. Hayward in der Lage sähe, ihnen einige Fragen zu beantworten. Diese nickte und sagte dann mit leiser, kultivierter Stimme: "Ich bin Julia Stevens. Ich habe meinen Namen bei meiner Heirat behalten. Fragen Sie, was Sie wissen müssen."

Kalei und Chris nahmen auf der Sofabank Platz, die die Sitzgruppe im Schlafzimmer vervollständigte. Kalei deutete auf sein Smartphone, um Julia Stevens anzudeuten, dass er das Gespräch aufzeichnen würde. Sie nickte ergeben. Die uniformierte Beamtin machte Anstalten aufzustehen, aber Kalei bedeutete ihr zu bleiben. Sie schien einen beruhigenden Einfluss auf die Engländerin zu haben.

Nachdem Kalei ihr sein aufrichtiges Beileid versichert hatte, bat er sie zu erzählen, was vorgefallen sei. Er könne sich vorstellen, dass die Gedanken an den Tod ihres Mannes sehr schmerzhaft seien, aber es sei wichtig, so schnell wie möglich mit den Ermittlungen zu beginnen. Und ihre Aussage sei von entscheidender Wichtigkeit.

Julia Stevens begann zu sprechen, aber immer noch so leise, dass die drei Polizeibeamten sich allesamt vorbeugen mussten, um sie zu verstehen. Sie sprach mit einem ausgeprägt klaren englischen Akzent, der auf den britischen Inseln vermutlich als 'Queens English' bezeichnet wurde. Das hawaiische Pidgin-English, das hier von den meisten Einheimischen mit polynesischen Wurzeln gesprochen wurde, musste sich in ihren Ohren fremd und grobschlächtig anhören.

"Mein Mann Jamie und ich sind vor zwei Tagen hier angekommen", berichtete Julia Stevens. Chris hakte an dieser Stelle kurz nach, um sich das genaue Datum und die Uhrzeit aufzuschreiben. Sie würden bei der Fluggesellschaft nachfragen und sich die Ankunft bestätigen lassen. Heute war Mittwoch und nach Aussage der Ehefrau waren sie und ihr Mann am Montagnachmittag mit einem Flug aus San Francisco hier eingetroffen.

"Ich hatte von Anfang an mit einem heftigen Jetlag zu kämpfen", fuhr sie fort. "Ich habe die meiste Zeit auf der Terrasse gedöst oder bin am Strand spazieren gegangen. Es hatte sich für mich noch keine Gelegenheit ergeben, das Hotel zu verlassen. Jamie hingegen war viel aktiver. Er war viel allein unterwegs, ich glaube mich daran zu erinnern, dass er auch schon eine Runde Golf gespielt hat."

Kalei fand es seltsam, dass das Ehepaar in dieser romantischen Umgebung offenbar viel Zeit getrennt voneinander verbracht hatte. Dieses Hotel war eine beliebte Destination für Hochzeitsgesellschaften und Honeymooner, zumindest für diejenigen, die sich die gesalzenen Zimmerpreise leisten konnten.

"Was war der Grund ihres Aufenthaltes hier im Kaihalulu Resort?", fragte Chris nach. "Machen Sie Urlaub hier, oder sind Sie geschäftlich in Hawaii?"

"Sowohl als auch", antwortete Julia. "Jamie und ich sind in erster Linie hergekommen, um etwas mehr Zeit füreinander zu haben."

Dann blickte sie ein paar Sekunden traurig ins Leere, bevor sie antwortete. Sie schien abzuwägen, ob sie etwas Bestimmtes erzählen sollte oder nicht. Schließlich sagte sie: "Wir wollten versuchen, einige Meinungsverschiedenheiten, die sich in den letzten Monaten zwischen uns ergeben haben, zu klären. Wir hatten in der Vergangenheit ein paar Probleme in unserer Ehe und hatten gehofft, diese hier im schönen Hawaii beilegen zu können."

Etwas trotzig schaute sie die Beamten an. "Aber nein, diese Probleme waren nicht so drastisch, dass ich meinem Mann irgendetwas Böses wollte."

"Haben wir nicht behauptet", wehrte Chris ab, aber natürlich mussten sie darauf noch näher eingehen. Trotzdem interessierte Kalei sich zunächst für den anderen Grund ihres Aufenthaltes, der offensichtlich geschäftlicher Natur war.

"Meine Familie ist hier auf der Insel an einem großen Hotelprojekt beteiligt", erklärte Julia. "Es geht um den Bau eines neuen Fünf-Sterne-Resorts hier an der Windward Side von Oahu. Mein Vater hat mich gebeten, einige Termine mit Leuten hier vor Ort wahrzunehmen."

Von einem neuen Hotel auf der Nordostseite der Insel hatte Kalei noch nichts gehört. Die meisten Hotelanlagen, die die Bezeichnung Luxus Resort verdienten, befanden sich entweder direkt in Waikiki oder in unmittelbarer Nähe von Honolulu. Dann gab es noch das Disney Resort & Spa auf der Westseite der Insel. Das Kaihalulu Resort, in dem sie sich gerade befanden, war eine der wenigen Hotelanlagen an der Nordseite der Insel und hatte eine ziemliche Monopolstellung hier. Brauchte es wirklich noch ein weiteres Resort dieser Größe auf der windzugewandten Seite der Insel?

Kalei wollte von Julia Stevens wissen, welche Rolle sie im Familienunternehmen spielte, und sie erklärte, dass sie Anwältin und in der Firma ihres Vaters als Rechtsberaterin tätig sei. Zudem sei sie mit einem gewissen Prozentsatz an dem Unternehmen beteiligt.

Nun, dieser Umstand erklärte, warum sich zumindest Julia Stevens einen Aufenthalt in diesem Hotel leisten konnte. Ihr Mann Jamie hatte davon offensichtlich profitiert, wenn auch nicht allzu lang.

Als Nächstes wollte sich Kalei auf kritisches Terrain wagen. Er kam auf die Nacht zu sprechen, in der Jamie Hayward zu Tode gekommen war.

Solange Julia Stevens über den geschäftlichen Teil gesprochen hatte, war sie gefasst und sachlich gewesen, nun aber traten ihr wieder Tränen in die Augen und ihre Stimme begann zu zittern. Sie erklärte, dass sie am vergangenen Abend eine Schlaftablette genommen hatte, da sie in der Nacht davor größtenteils wach gelegen habe. Ihr Körper kam mit den zehn Stunden Zeitverschiebung nicht so gut zurecht und sie hatte befürchtet, eine weitere Nacht schlaflos verbringen zu müssen.

"Ich habe nichts bemerkt", schluchzte sie. "Wenn es einen Kampf gegeben oder Jamie um Hilfe gerufen hätte, dann hätte ich es nicht gehört", stellte sie verzweifelt fest und vergrub das schöne Gesicht in den schlanken Händen. Die uniformierte Beamtin legte ihr voller Mitgefühl eine Hand auf die Schultern und schaute traurig zu den beiden Ermittlern hinüber.

Kalei fühlte Mitleid mit der jungen Frau, trotzdem überlegte er, ob es sich lohne, einen Bluttest bei ihr zu machen, der die Einnahme eines Schlafmittels bestätigen würde.

Während er Julia Stevens einige Momente ungestörten Weinens zugestand, ließ er seinen Blick in dem perfekt aufeinander abgestimmten Zimmer umherschweifen und empfand plötzlich die Vorstellung, die Julia gab, als ein klein wenig inszeniert. Sie antwortete brav auf alle Fragen und ihre Tränen wirkten echt, aber sie schien die ganze Zeit auf der Hut zu sein. Es kam ihm fast so vor, als ob sie genauso reagierte, wie man es von ihr erwartete: professionelle Angaben, wenn es um Beschreibungen und Zeitpunkte ging, Tränen, wenn es darauf ankam, um ihren Ehemann zu trauern.

Es war noch früh am Tag, aber sie war perfekt angezogen und dezent geschminkt, das Haar ordentlich frisiert. Selbst ihre Kleidung passte zum Farbkonzept des Schlafzimmers und fügte sich in nahtlos in den gediegenen Stil der Strandvilla ein.

Eine Hälfte des King-Size-Bettes war unberührt und die Enden des Bettzeugs waren noch unter der Matratze festgeklemmt, so wie die Zimmermädchen das Bett üblicherweise herrichten. Die andere Seite war zwar benutzt, die Decken und Kissen aber ordentlich zurechtgelegt worden. Augenscheinlich hatte Jamie Hayward in der gestrigen Nacht nicht in seinem Bett geschlafen. Aber anstatt sich morgens gleich auf die Suche nach ihm zu machen, hatte seine Ehefrau sich offensichtlich im En-Suite-Bad zunächst für den Tag zurechtgemacht. Sie hatte keine Strandkleidung oder Sportsachen angezogen, sondern trug eine helle Leinenhose und eine schimmernde, korallenrote Seidenbluse, so als wäre sie auf dem Weg zu einem der von ihr erwähnten Business-Meetings gewesen. Vielleicht hatte sie ihren Ehemann bereits auf dem Weg zum Golfplatz oder zum Tennis vermutet und nur zufällig auf dem Weg zur Haustür noch schnell einen Blick auf den Jacuzzi auf der Terrasse geworfen.

Schattenseiten

Подняться наверх