Читать книгу FEUERPROBE (Retreat 5) - Stephen Knight - Страница 9
Kapitel 5
ОглавлениеLee war gerade auf dem Weg zum Aufzug, der ihn zur großen Panzertür und damit zum Hauptausgang der Basis bringen würde, als ein Soldat der 3rd Infantry auf ihn zugestapft kam.
»Colonel! Warten Sie!«
Lee wandte sich um. Er kannte den Mann nicht, aber dieser wirkte so jung und jugendlich frisch, wie man noch aussehen konnte, wenn man wochenlang gegen die Klowns gekämpft hatte. Dass die fraglichen Klowns Mitglieder des Kongresses und der Einsatztruppe der Präsidentin gewesen waren, war in dem Zusammenhang nicht relevant.
»Wo liegt das Problem, Sergeant?«
»General Reynolds will mit Ihnen in der Kommunikationszentrale sprechen«, antwortete ihm der große, schlaksige Soldat. Wie die meisten Mitglieder der Old Guard war er wegen seiner Größe angeworben worden. In der Vergangenheit war die 3rd eine Einheit gewesen, die überwiegend zeremonielle Aufgaben wahrgenommen hatte; so war sie die Division gewesen, die verstorbene Präsidenten zum Arlington National Cemetery begleitet hatte. Erst nachdem die Konflikte in Afghanistan und dem Irak hochgekocht waren, war sie wieder in einen eher aktiveren Dienststatus versetzt worden. Die Vergangenheit der 3rd hatte Lee nicht gestört. Er wusste, dass die Mitglieder dieser Einheit bereits einige ernstzunehmende Missionen erledigt hatten, und sie hatten ihm das persönlich bewiesen, als sie zu verhindern versuchten, dass die Basis überrannt wurde.
»Wann?«, fragte Lee.
»Jetzt, Sir«, antwortete der Soldat.
Lee schnaubte. »Meinen Sie, dass Reynolds auf mich wartet? Das muss ich mir im Kalender notieren.«
Wenn der Soldat den sarkastischen Humor mitbekam, ließ er sich das nicht anmerken. »Ja, Sir. Er wartet in diesem Moment auf Sie.«
»Okay. Dann sehen wir mal, was er will.«
Lee folgte dem großen Soldaten wieder den Flur hinunter und eine enge Treppe hinab. Die Kommandozentrale war ein sehr großer Raum, der von Bildschirmarbeitsplätzen und Videomonitoren dominiert wurde. Als er ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war der Raum weitestgehend verlassen gewesen. Nun waren Soldaten der 3rd und befreite Zivilisten aus den unteren Sicherheitszonen anwesend, die die verschiedenen Systeme von High Point am Laufen hielten. Die Kommandozentrale war Schauplatz mehrerer blutiger Kämpfe gewesen, und die pockennarbigen Wände legten stilles Zeugnis darüber ab, dass einige offene Gefechte innerhalb dieser Mauern stattgefunden hatten. Einige von Lees eigenen Männern waren bei dem Versuch gestorben, die Zentrale einzunehmen und danach zu halten, und er spürte ihren Verlust deutlich.
Es war nicht der Vorsitzende der Vereinigten Generalstabschefs, der auf ihn wartete, sondern sein Attaché, ein Colonel namens Stewart. Stewart war ein schlanker und hochgewachsener Offizier, die Art von Anführer, der sich in einer Büroumgebung wohler fühlte als im Tactical Operation Center einer Kampfbrigade. Lee gab sich große Mühe, den Mann nicht vorschnell zu beurteilen, aber als er Stewarts fahles Gesicht auf einem der großen Flachbildschirme betrachtete, war es schwer, ihn sich nicht in der Rolle des Kommandanten einer Nachhut vorzustellen.
»Lee, ich bin froh, dass ich Sie erwischen konnte«, sagte Stewart, als Lee sich vor den Monitor und die daran installierte Kamera setzte. »Wie laufen die Dinge in High Point?«
»Wir sind hier bereit, Sir. Feindliche Kontakte erfolgen nur noch sporadisch und die Einrichtung untersteht weiterhin der Kontrolle der Nichtinfizierten.«
»Das sind ausgezeichnete Neuigkeiten, Lee. Ihr Lightfighter habt da unten wirklich einige gewaltige Kastanien aus dem Feuer geholt.«
»Danke, Sir. Ähm … mir wurde gesagt, dass General Reynolds mich sprechen will?«
»Das will er … er bekommt nur gerade in letzter Minute ein Briefing. Wir haben nicht erwartet, dass Sie so schnell in der Kommunikationszentrale auftauchen würden. Ich habe ihn im Blick, er wird jeden Moment bei Ihnen sein. Bevor sie beginnen … haben Sie Ihren aktuellen Lagerbestand parat?«
Lee runzelte die Stirn. »Jetzt hier, bei mir? Nein, Sir, das habe ich nicht.« Er hielt einen Moment inne. »Wollen Sie unsere Vorräte aufstocken?«
»Genau darüber wird der General gerade informiert. Wir haben im Moment einige Kapazitäten, und wir versuchen, etwas für das 55ste loszueisen. Wir brauchen allerdings eine Aufstellung. Nicht sofort, aber bald. Verstanden?«
»Habe verstanden, Sir.«
Stewart wandte sich für einen Moment von der Kamera ab und drehte sich dann wieder zu Lee um. »In Ordnung, der General ist auf dem Weg hierher. Viel Glück, Lee.«
»Danke, Sir.« Obwohl Lee keine Ahnung hatte, warum ihm Stewart Glück wünschte.
Stewart erhob sich aus dem Stuhl, in dem er gesessen hatte, und entfernte sich aus dem Sichtfeld des Flachbildschirms. Einen Moment später ließ sich General Armand Reynolds, Mitglied des United States Marine Corps und derzeitiger Vorsitzender der Vereinigten Generalstabschefs, in den engen Stuhl hineinsinken. Reynolds sah genau wie der typische Marine aus; zerfurcht, verwittert und unerbittlich. Der General betrachtete den Bildschirm vor sich, und Lee wünschte sich plötzlich, dass er sich etwas besser rasiert hätte, bevor er seinen Aufstieg zur Oberfläche begonnen hatte.
»Gut geschlafen, Harry?«, fragte Reynolds.
»So gut wie man das heutzutage kann, Sir. Und Sie?«
»Schlaf und ich sind nicht gut aufeinander zu sprechen, mein Junge. Ich habe mitbekommen, dass Stewart bereits mit der Beschreibung dessen, was hier unten vor sich geht, Ihren Puls in die Höhe getrieben hat. Die Sache ist die, ich kann zwei C-15er mit sechs Paletten von allem, was Sie benötigen, in Ihre Richtung schicken. Sie sind auf dem Weg nach DC, um die 82ste mit Nachschub zu versorgen, und wir haben gerade noch genug Platz, um dem 55sten ein kleines verfrühtes Weihnachtsgeschenk zu machen. Diese Flugzeuge heben in fünfunddreißig Minuten ab. Sie haben zehn, um mir Ihre Liste zu geben.«
»Sir, wir nehmen zwei Paletten der Klasse VIII a und b, eine Palette der Klasse I, und der Rest sollte alles Klasse V sein«, antwortete Lee sofort, obwohl er von dem plötzlichen Angebot verblüfft war. »Wir könnten auch etwas Treibstoff für die Fahrzeuge brauchen, also wenn Sie es schaffen sollten, uns etwas Klasse III abzuwerfen, plündere ich den nächsten Schnapsladen und schicke Ihnen, was immer Sie wollen.«
»Colonel Stewart schreibt das bereits auf, während Sie sprechen«, sagte Reynolds. »Definieren Sie die Klasse V.«
»Gewehrmunition, Pistolenmunition, HE-Granaten für das Mörser-Team«, antwortete Lee. »Uns hat sich eine MANPADS-Einheit angeschlossen, sie könnten ein paar neue Granaten gebrauchen. 40mm-Granaten wären neben der Kaliber-.50-Munition eine tolle Draufgabe.«
»Versuchen Sie nicht, einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen, Lee. Das ist keine Wohltätigkeitsmission und ich habe hier nur begrenzte Vorräte zum Verteilen. Wir werden unser Bestes geben, aber das wird für Sie vielleicht keine weiße Weihnacht werden.«
»Verstanden, Sir. Alles, was Sie entbehren können. Die Munition ist am wichtigsten, und dann die medizinischen Versorgungsgüter. Besonders die Blutprodukte. Essen kann bei Bedarf weggelassen werden; da können wir, was wir brauchen, hier im Umland auftreiben.«
»Lee, sagen Sie mir, was Sie mit den Zivilisten unter Ihrer Kontrolle machen werden?«, fragte Reynolds.
»Wir haben sie hier unten einquartiert, Sir. Es ist sicherer, als sie an der Oberfläche unterzubringen, zumal es ja schlagartig jede Menge Platz in High Point gibt. Wir haben alle Klowns ausgemerzt, und das 3rd Infantry Regiment hält in High Point den Frieden aufrecht. Es wird hier keinen weiteren Ausbruch geben. Niemand geht dieses Risiko ein. Jeder, der Anzeichen einer Infektion zeigt, wird sofort unter Quarantäne gestellt, und wenn die Infektion offen ausbricht … werden die Infizierten getötet. Es werden keine Fragen gestellt.«
»Strenge Regel«, sagte Reynolds, »aber momentan der einzig sichere Weg. Wie verkraftet es die 3rd?«
»Es sind noch genug von ihnen übrig, um weiterhin effektiv sein zu können, Sir. Wir haben sie mit Mitgliedern der Pennsylvania-Guard aufgestockt. Tatsächlich haben wir ständig etwa siebzig Schützen in High Point vor Ort. Mehr als genug für eine schnelle Eingreiftruppe.«
»Das sind alles gute Nachrichten, Lee. Also haben Sie da unten alles im Griff? Was ist mit Major Scott?«
Lee zögerte einen Moment zu lange. »Sir?«
»Major Scott«, wiederholte Reynolds mit einem ungeduldigen Unterton in der Stimme. »Der ranghöchste Offizier des 3rd. Was haben Sie mit Scott gemacht? Wurde seine Bitte von Ihnen oder einem Ihrer Männer erfüllt?«
Lee wusste nicht, was er sagen sollte. Major Scott war der ranghöchste Offizier der 3rd Infantry Unit gewesen, die in High Point stationiert war, und er war während des ursprünglichen Ausbruchs infiziert worden. Der einzige Grund, der den Offizier davon abgehalten hatte, vollkommen den Verstand zu verlieren, waren die Rasierklingen, die man in den Stuhl eingebettet hatte, an den er gefesselt gewesen war. Dadurch rückte der Schmerz für den Mann so sehr in den Mittelpunkt, dass er konzentriert und zielorientiert bleiben konnte, aber auch die Rasierklingen waren immer weniger verlässlich geworden. In den wenigen Tagen, seit das 55ste High Point zurückerobert und mit der Herstellung von stabilen Verhältnissen begonnen hatte, hatte sich Scotts Fähigkeit, den Auswirkungen des Wahnsinnsvirus zu widerstehen, Stück für Stück verringert.
Und Scott wusste das. Der Wirkung des Virus zu widerstehen, hatte einen enormen Tribut gefordert, aber er war trotzdem so lange einsatzbereit geblieben, wie er konnte. Er hatte tagelang nach seiner endgültigen Erlösung gefragt und schließlich sogar darum gebettelt. Lee wollte damit nichts zu tun haben, aber die Wahrheit war, dass der Offizier ein Klown war. Es würde niemals wieder besser werden, es gab keinen Weg zur Genesung, kein Zwölf-Schritte-Programm.
»Ich habe mich selbst um ihn gekümmert, Sir«, antwortete Lee schließlich. »Es gab keinen anderen Ausweg für ihn. Er litt.«
Reynolds ließ das einen Moment sacken und nickte dann. »Ich kannte ihn nicht persönlich, aber es scheint mir, dass er sich in einem endlosen Kreislauf der Qual befand. Scott war trotz seines Zustandes ein Frontkämpfer, und er hätte von einem Mitglied seiner eigenen Truppe getötet werden sollen. Ich bin froh, dass Sie Ihren Mann gestanden und sich darum gekümmert haben, Lee. Es musste getan werden, nicht wegen einer unmittelbaren Gefahr, sondern weil es das einzig Humane war, was getan werden konnte.«
»Es war nicht ganz so einfach, Sir. Auch, wenn er ein Klown war.«
»Der einzig leichte Tag war der gestrige, Harry. Aber es ist erledigt, und ich danke Ihnen dafür. Nun. Ich muss Ihre Einheit mit einer Mission betrauen.«
Lee bewegte sich unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Verstehe, Sir. Fahren Sie fort.«
»Ich brauche die 55ste in Fort Stewart, und zwar so schnell, wie Sie die Einheit dort hinbringen können. Dringen Sie gewaltsam ein, lokalisieren Sie eine bestimmte Person und bringen Sie diese in Ihre Gewalt. Es wird blutig werden, Lightfighter. Ich weiß, das hatten Sie auch schon vorher, als Sie aus Boston ausgebrochen sind und oben in Drum. Das hier wird nicht anders werden, aber dort ist mehr Infanterie konzentriert.« Reynolds hielt für einen Moment inne. »Auf beiden Seiten.«
Nach außen hin versuchte Lee sich als ruhiger, cooler Militäroffizier zu präsentieren. Innerlich brachte ihn die plötzliche Aufgabe zum Kochen. Das First Bataillon war bereits zu Staub zermahlen worden. Der Auftrag, den Reynolds ihm erteilte, würde wahrscheinlich zu seinem endgültigen Untergang führen.
»Verstanden, Sir«, sagte er trotzdem. »Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun? Wer ist das Ziel?«
»Das Ziel ist eine der Personen, die das Virus erschaffen haben. Sie wurde vor fast sechs Wochen von Bundesbehörden in Georgia festgenommen. Sie sollte nur vorübergehend in Stewart festgehalten werden, aber dann überschlugen sich die Ereignisse. Um ehrlich zu sein, wurde sie bis vor kurzem fast vollständig vergessen, weshalb wir beide diese Unterhaltung führen«, antwortete Reynolds. »Hier fällt eine Menge durch das Raster, Lee. Wirklich eine Menge.«
»Daran zweifle ich nicht, Sir. Können Sie mir den Namen und den Standort der Person nennen?« Während er sprach, griff Lee in eine seiner Taschen und zog einen kleinen Notizblock heraus, an dem ein Stift befestigt war. Er öffnete den Block und begann zu schreiben.
»Courtney Moreau. Anscheinend das jüngste Mitglied des Teams, das den Virus erschaffen hat, aber nach allem, was ich gehört habe, so verrückt wie ein Hutmacher. Wir brauchen sie dort, wo wir auf sie zugreifen können, Lee. Und das ist im Moment in Stewart nicht der Fall, da dieser Standort kurz davor steht, überrannt zu werden. Haben Sie eine der Übertragungen gehört?«
»Übertragungen?«
»Die Präsidentin sendet über jede Radiostation, die noch in Betrieb ist. Sie fordert die Infizierten dazu auf, nach Stewart zu marschieren und Moreau zurückzubringen. Wie auch immer ihre Verfassung ist, Doktor Moreau ist jetzt von nationaler Wichtigkeit, und wir müssen als Erste zu ihr gelangen. Stewart liegt zwar näher an uns als an Ihnen dran, aber momentan können wir keine Einsatzkräfte entbehren. Meine gesamten Bodentruppen halten die Stellung gegen einen sehr entschlossenen Feind, und ich kann dort im Moment keine einzige Einheit herausziehen. Alle Spezialeinheiten befinden sich anderswo in Einsätzen, sodass es nicht infrage kommt, sie für eine Befreiungsaktion abzuziehen. Wir gehen davon aus, dass es das Bataillon in maximal zwölf Stunden nach Stewart schaffen kann. Sie müssen den Abzug planen und sich so schnell wie möglich auf den Weg machen.«
Lee fühlte einen scharfen Schmerz in seinem Bauch, sowohl angesichts der Tatsache, dass Präsidentin Marion Gray weiterhin versuchte, einen Pfahl durch das Herz des Bataillons zu treiben, als auch bei der unbewussten Ahnung, dass Reynolds ihr dabei behilflich sein könnte. »Ja, Sir.«
»Ich lasse die Einsatzbefehle an ein sicheres Fax bei Ihnen vor Ort senden, sodass Sie nichts aufschreiben müssen. Sparen Sie sich die Mühe. Ich schicke Ihnen auch noch die wichtigsten Informationen mit, die wir vom United States Special Operations Command erhalten haben, das von General Stanton geleitet wird. Unsere Luftaufklärung hat das Gebiet von Fort Stewart überflogen, und es ist dort im Moment nicht angenehm. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, Junge, aber solange ihr Lightfighter dort nicht angekommen seid, wird es auch nicht wieder besser werden. Wir werden veranlassen, was wir können, aber momentan ist zeitweilige Luftunterstützung das Beste, was wir anbieten können.«
»Ich schätze, das würde ich begrüßen, Sir.«
Reynolds starrte Lee für einen Moment über die Videokonferenzausrüstung hinweg an. »Ich weiß, das ist eine Riesenscheiße und Ihr Bataillon ist ziemlich erschöpft, Lee. Aber Sie tragen immer noch eine Uniform und sind immer noch einsatzfähig. Also halten Sie sich an den Plan. Benehmen Sie sich wie ein Stabsoffizier und führen Sie Ihre Befehle aus.«
Lee fühlte, wie sein Gesicht vor Verlegenheit errötete. »Es tut mir leid, falls ich Sie verärgert haben sollte, Sir. Das First wird tun, was immer Sie vom First verlangen.«
»Die Einsatzbefehle werden gerade übertragen. Schicken Sie Ihre Einkaufsliste an die Absenderadresse. Es gibt in High Point SATCOM-Ausrüstungen – nehmen Sie einige davon mit, damit wir während Ihres Vormarsches in Kontakt bleiben können. Das Rufzeichen hier in der Operationszentrale ist Rock. Out.«
Damit wurde der Bildschirm so schwarz wie Lees Stimmung.