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Gefärbt wie Beckham
ОглавлениеDas eigene „wahre Selbst“ kennenzulernen kann kompliziert sein.
Vor Jahren versprach mir ein Friseur, dass er mir einen „Beckham-Look“ verpassen könne, und schon allein dieser Vorschlag – so unrealistisch es auch sein mochte, dass ich dem großen Fußballgott auch nur entfernt ähneln würde – schmeichelte mir genug, um den Friseursalon tatsächlich zu betreten.
Es war das erste Mal seit zehn Jahren, dass ich mich frisurtechnisch in die Hände eines Profis begab, denn bis dahin hatte eine alte Haarschneidemaschine aus dem Nachlass des Friseur-Salons meines Vaters mir immer gute Dienste geleistet. Und eigentlich war ich bis jetzt auch immer gut allein zurechtgekommen, wenn ich mir in der Garage einen Igelschnitt verpasste.
Aber ein Beckham-Look? Bei mir? Ich war bereit, es mich einiges kosten zu lassen.
Als ich schließlich im Stuhl saß, hätte der qualvolle Prozess, mein pechschwarzes Haar platinblond zu bleichen, beinah dazu geführt, dass ich meine Entscheidung bereute. Offenbar habe ich nur eine sehr begrenzte Schmerztoleranz, denn ich fragte mich zwischendurch schon ein paar Mal, ob es wohl auch Salons gibt, in denen die Bleichprozedur mit Narkose angeboten wird.
Als die Typveränderung vollendet war, sah ich dann allerdings kein bisschen aus wie David Beckham, und mein Haar war auch nicht wirklich blond, sondern eher orangefarben.
Doch die Veränderung war wirklich radikal, und ich gewöhnte mich daran.
Ein paar Jahre lang habe ich die neue Farbe so getragen, aber eines Tages bin ich dann wieder zu Schwarz zurückgekehrt. Eine der ersten Personen, die mich nach der Verwandlung sah, sagte ungefragt etwas, worüber ich laut lachen musste: „Ich finde, du solltest lieber wieder zum Blond zurückgehen. Bei dir sieht Schwarz nicht besonders … natürlich aus.“
Manchmal frage ich mich, ob unser Image und unsere Identität so oft bearbeitet und verändert werden, so oft gebleicht und gefärbt, dass die ursprüngliche Farbe nicht mehr zu erkennen ist und nicht einmal wir selbst mehr wissen, wie sie einmal war.
Zur Enttäuschung kommt noch Desillusionierung hinzu, die sich in Schichten auf unser Scheitern und Versagen legt, und am Ende ist unser wahres Selbst so tief vergraben, dass wir gar nicht mehr wissen, wer wir sind.
Das dritte Wort für uns selbst nach dem „Ich bin …“ einzusetzen wird kompliziert, weil wir durch die Brüche in unserer Vergangenheit wandelnde Widersprüche geworden sind. Sind wir die Person, die wir uns immer erträumt haben oder die Person, die wir gerade spielen?
Einerseits denken wir immer noch groß, denn wir wissen, dass Gott uns für größere und kühnere Dinge bestimmt hat, und ganz tief in unserem Inneren flackert diese Berufung auch immer noch hin und wieder ein ganz klein wenig auf.
Es gibt Tage, da geht unsere Phantasie mit uns durch, wenn es um unsere Möglichkeiten für die Zukunft geht und um den Beitrag, den wir auf dieser Welt leisten können. Wir nehmen uns alles Mögliche vor, z. B. mehr schöne Erinnerungen mit den Kindern zu schaffen oder endlich den Garten zu Ende zu gestalten; mehr ehrenamtlich in der Gemeinde mitzuarbeiten, das Klo zu putzen, uns für einen bestimmten Kurs anzumelden, unsere Bauchmuskeln zu trainieren, ein Waisenkind zu unterstützen, ein Buch zu schreiben, eine Fußballmannschaft zu trainieren, die Welt zu verändern …
Aber andererseits werden wir auch realistischer – und zynischer. Manchmal ist das schwer zu unterscheiden.
Unsere Ziele zu erreichen ist schwieriger, als wir gedacht haben. Wir haben es versucht und sind gescheitert, haben es noch einmal versucht … und sind wieder gescheitert. Jetzt sind wir nicht einmal mehr sicher, ob wir überhaupt in der Lage sind, Kinder großzuziehen oder verantwortungsvoll mit unserer Kreditkarte umzugehen, geschweige denn, mit den Veränderungen dieser Welt fertig zu werden.
Vielleicht war es ja nie so gedacht, dass unsere Träume in Erfüllung gehen, oder wir sind einfach nicht stark genug oder nicht mutig genug oder irgendein anderes nicht genug, um sie wahr werden zu lassen.
Vielleicht sind wir ja wirklich unqualifiziert.