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Das Fernsehzimmer war ans Haus angegliedert worden, indem man die eine Hälfte der Doppelgarage umgebaut hatte. Über den ursprünglichen Beton war Estrich gekommen, und darüber hatte man Nut- und Federbretter aus Eiche verlegt. Trotz eines großen Teppichs roch der Raum nach Motorenöl und alten Autoteilen. Eine Bettcouch, ein Couchtisch, vier Stühle, ein Sofa und ein Rollwagen für den Fernseher waren im Zimmer verteilt. In einer Ecke standen ein Aktenschrank und ein Schreibtisch, auf dem sich Papiere stapelten. Das gesamte Mobiliar sah aus, als stammte es vom Flohmarkt: Stoffe, die nicht zusammenpaßten, und abgenutzte Polster – was andere wegwarfen, durfte hier sein Leben fristen.

Mace ließ sich auf einen abgewetzten, braunen Fernsehsessel sinken und betätigte den Mechanismus, der die Fußstütze freigab. Er griff nach der Fernbedienung, schaltete den Ton aus und zappte sich dann durch mehrere Kanäle, bis er einen fand, auf dem gerade ein Basketballspiel im Gange war. Lautlos hüpften die Jungs auf dem Spielfeld auf und ab, sprangen hoch, fielen hin und stießen einander in die Seite. Wäre der Ton aufgedreht gewesen, hätte ich mit Sicherheit das schrille Quietschen der Gummisohlen auf dem Hartholzboden gehört. Der Ball flog wie magnetisiert ins Netz und berührte nicht einmal bei jedem zweiten Korb den Rand.

Ohne gebeten worden zu sein, hockte ich mich auf das Sofa neben ihn und drehte mich so, daß ich mich in seinem Blickfeld befand. »Ich nehme an, Janice hat Ihnen von unserem Gespräch gestern abend erzählt.« Ich stellte mich darauf ein, beruhigende Phrasen über Lornas Mitwirken in dem Pornofilm von mir zu geben. Mace reagierte nicht. Eine Werbung für Fast Food unterbrach das Spiel, und ein Hamburger im Format 40 × 50 erschien in voller Farbenpracht auf dem Bildschirm. Die Sesamsamen waren so groß wie Reiskörner, und eine Scheibe leuchtendorangefarbener Käse tropfte einladend von den Seiten des Brötchens herunter. Ich sah, wie Mace gebannt auf das Bild starrte. Ich hatte ja schon immer gewußt, daß ich nicht so anziehend bin wie eine Scheibe auf offenem Feuer gegrilltes Rindersteak, aber es war dennoch ernüchternd zu sehen, wie wenig Aufmerksamkeit er mir widmete. Ich reckte den Kopf nach links und kam damit in sein Blickfeld.

»Sie hat mir gesagt, daß sie Sie engagieren will, damit Sie Lornas Tod untersuchen«, sagte er, als hätte ihm jemand aus den Kulissen ein Stichwort zugerufen.

»Was halten Sie davon?«

Er begann auf die Armlehne seines Sessels zu klopfen. »Ist Sache von Janice«, sagte er. »Ich möchte nicht ungehobelt klingen, aber in dieser Angelegenheit sind wir geteilter Meinung. Sie glaubt, Lorna sei ermordet worden, aber ich bin davon nicht überzeugt. Es hätte auch ausströmendes Gas sein können. Oder Kohlenmonoxidvergiftung von einem schadhaften Ofen.« Er hatte eine wuchtige Stimme und wuchtige Hände.

»Lorna hatte einen Ofen in ihrer Hütte? Ich dachte, ihre Behausung war ziemlich primitiv.«

Ein Anflug von Ungeduld huschte über sein Gesicht. »Das macht Janice auch. Sie nimmt alles wörtlich. Ich gebe ja bloß ein Beispiel. Jedes Stück in dieser Hütte war entweder alt oder kaputt. Wenn Sie einen defekten Heizkörper haben, können Sie eine Menge Schwierigkeiten kriegen. Das wollte ich damit sagen. Ich sehe so was andauernd. Mein Gott, schließlich lebe ich davon.«

»Ich nehme an, die Polizei hat die Möglichkeit, daß Gas ausströmte, überprüft.«

Er schüttelte diese Bemerkung ab und zog eine seiner fleischigen Schultern nach vorn, während er seinen steifen Hals nach allen Seiten reckte. »Ich habe mir den Rücken gestoßen, als ich versucht habe, ein Rohr aus einer Betonwand zu reißen«, erklärte er. »Ich weiß nicht, was die Polizei gemacht hat. Offen gestanden finde ich, daß man die ganze Sache ruhen lassen sollte. Es kommt mir so vor, als wäre diese ganze Grübelei von wegen Mord nur eine andere Methode, um die Angelegenheit weiter diskutieren zu können. Ich habe meine Tochter geliebt. Sie war beinahe so makellos, wie man es sich nur wünschen kann. Sie war ein schönes, liebes Mädchen, aber nun ist sie tot, und daran läßt sich nichts mehr ändern. Wir haben noch zwei lebende Töchter, und wir müssen zur Abwechslung mal ihnen unsere Aufmerksamkeit schenken. Wenn man anfängt, Anwälte und Detektive zu engagieren, bringt einem das zusätzlich zu dem Schmerz nur einen Haufen unnötige Kosten ein.«

Ich merkte, wie sich mein inneres Ohr aufstellte. Keine Wut, kein Protest, überhaupt keine Bezugnahme auf das ganze Geschlecke und Gesauge? In meinen Augen war Lornas obszönes Benehmen alles andere als »beinahe makellos«, vielmehr rückte es sie eher in die Nähe von »zügellos«. Daß sie ungebärdig war, machte sie nicht zu einem schlechten Menschen, aber das Wort lieb wäre mir nicht gerade in den Sinn gekommen. Ich sagte: »Vielleicht müssen Sie und Janice noch einmal über das Ganze sprechen. Ich habe ihr gestern abend gesagt, daß Sie sich einig sein müßten.«

»Tja, wir sind uns jedenfalls nicht einig. Ich finde, daß meine Frau ein bißchen spinnt, aber wenn es das ist, was sie will, bin ich bereit mitzuziehen. Wir müssen alle auf unsere Art damit fertig werden. Wenn es sie froh macht, will ich ihr nicht im Weg stehen, aber das heißt nicht, daß ich mit ihr in dieser Sache einig bin.«

O weh. Wenn der Mann erst einmal die Rechnung für meine Dienste sah... Diese Auseinandersetzung wollte ich nicht miterleben. »Was ist mit Trinny und Berlyn? Haben Sie mit ihnen darüber gesprochen?«

»Das geht die beiden nichts an. Die Entscheidungen treffen Janice und ich. Die Mädchen wohnen zwar zu Hause, aber wir sind diejenigen, die die Rechnungen bezahlen.«

»Was ich eigentlich gemeint habe, ist, wie sie mit Lornas Tod zurechtkommen.«

»Oh. Darüber reden wir eigentlich kaum. Das müßten Sie sie selbst fragen. Ich versuche, über die Sache hinwegzukommen, anstatt alles immer wieder aufzuwühlen.«

»Manche Menschen finden es hilfreich, über so etwas zu sprechen. So verarbeiten sie das, was sie erlebt haben.«

»Ich hoffe, ich klinge nicht wie ein alter Muffel, was dieses Thema angeht, aber bei mir ist es genau umgekehrt. Ich möchte es lieber fallenlassen und mein Leben weiterleben.«

»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mit den beiden spreche?«

»Für mich ist das eine Angelegenheit zwischen Ihnen und den beiden. Sie sind erwachsen. Solange es ihnen recht ist, können Sie soviel reden, wie Sie wollen.«

»Vielleicht erwische ich sie noch, bevor ich gehe. Wir müssen ja nicht unbedingt heute sprechen, aber ich würde die beiden gern bald befragen. Es ist ja ohne weiteres möglich, daß Lorna ihnen etwas anvertraut hat, das sich als wichtig erweisen könnte.«

»Das bezweifle ich, aber Sie können ruhig fragen.«

»Wann arbeiten sie?«

»Berl sitzt zwischen acht und fünf Uhr hier am Telefon. Ich habe einen Piepser, und sie verständigt mich von Notfällen. Sie macht mir die Buchführung, begleicht die Rechnungen und verwaltet die Einnahmen. Trinny sucht gerade Arbeit. Sie hat letzten Monat ihre Stelle verloren, und so ist sie die meiste Zeit hier.«

»Was hat sie gearbeitet?«

Der Werbeblock war endlich vorüber, und seine Aufmerksamkeit wandte sich erneut dem Bildschirm zu. Zwei ehemalige Sportler in Anzügen diskutierten das Spiel. Ich ließ es auf sich beruhen, da ich mir dachte, daß ich sie das auch selbst fragen konnte.

Es klopfte an der Zimmertür, und Janice steckte den Kopf herein. »Oh, hallo. Trinny hat mir gesagt, daß Sie hier sind. Ich hoffe, ich störe nicht.« Sie kam herein und schloß die Tür hinter sich. Mit ihr kam ein Duft nach Duschgel, Deodorant und feuchten Haaren. Sie trug eine rot-weiß karierte Bluse und eine rote Stretchhose aus Polyester. »Ich habe eine richtige Uniform für die Arbeit«, sagte sie, während ihr Blick meinem folgte. Sie sah schicker aus als ich, Polyester hin oder her. »Hat Ihnen jemand etwas zu trinken angeboten?« Es wunderte mich, daß sie nicht Block und Bleistift hervorzog.

»Danke, aber ich brauche nichts. Mace hat mir vorhin etwas angeboten.« Ich griff in meine Handtasche, holte den Vertrag heraus und legte ihn auf den Couchtisch. »Ich bin deswegen vorbeigekommen. Hoffentlich störe ich nicht bei den Vorbereitungen fürs Abendessen.«

Sie winkte ab. »Keine Sorge. Trinny kümmert sich darum. Seit sie ihren Job verloren hat, ist es, als hätte man eine Vollzeit-Haushaltshilfe. Wir essen erst um acht, und bis dahin sind es noch Stunden. Wie ist es Ihnen in der Zwischenzeit ergangen? Ich hoffe, Sie haben genug Schlaf bekommen. Sie sehen müde aus.«

»Das bin ich auch, aber ich kann es hoffentlich heute nacht nachholen. Ich weiß nicht, wie Sie diese Nachtschichten durchstehen. Mich würde das umbringen.«

»Man gewöhnt sich daran. Im Grunde ist es mir sogar lieber. Nachts kommen ganz andere Gäste herein. Übrigens steht meine Einladung auf einen Kaffee nach wie vor, falls Sie mal während meiner Schicht in der Gegend sind.« Sie nahm den Vertrag in die Hand, ein schlichtes Dokument, das auf einer Seite die Bedingungen unserer Vereinbarung enthielt. »Ich glaube, ich sollte das erst durchlesen, bevor ich es unterschreibe. Wie ist die Bezahlung geregelt? Bekommen Sie einen Stundensatz oder ein Pauschalhonorar?«

»Fünfzig Dollar die Stunde plus Spesen«, erklärte ich. »Einmal die Woche bekommen Sie einen schriftlichen Bericht. Telefonisch können wir uns absprechen, so oft Sie wollen. Der Vertrag berechtigt mich, meine Dienste und Spesen bis zu einer Summe von fünftausend Dollar in Rechnung zu stellen. Alles, was darüber hinausgeht, müssen wir gegebenenfalls besprechen. Vielleicht beschließen Sie dann, die Untersuchung einzustellen, und wenn ja, ist es damit erledigt.«

»Sie brauchen wahrscheinlich einen Vorschuß. Das ist doch üblich, oder?«

»Meistens«, antwortete ich. Wir sprachen noch ein Weilchen über Einzelheiten, während Mace das Spiel weiterverfolgte.

»Kommt mir alles ganz korrekt vor. Schatz, was meinst du?«

Sie hielt ihm den Vertrag hin, aber er ignorierte sie. Sie drehte sich wieder zu mir. »Ich bin gleich wieder da. Mein Scheckheft ist im anderen Zimmer. Sind Sie mit tausend Dollar einverstanden?«

»Selbstverständlich«, sagte ich. Sie verließ den Raum, und ich wandte mich wieder an ihn. »Es würde mir Zeit sparen, wenn Sie mir Namen und Adressen von Lornas Freunden nennen könnten.«

»Sie hatte keine Freunde. Sie hatte auch keine Feinde, zumindest nicht, soweit wir wissen.«

»Was ist mit ihrem Vermieter? Ich brauche wenigstens seine Adresse.«

»Mission Run Road sechsundzwanzig. Heißt J.D. Burke. Ihre Behausung war hinten auf seinem Grundstück. Er zeigt Ihnen bestimmt alles, wenn Sie ihn nett fragen.«

»Haben Sie irgendeine Vermutung, warum sie umgebracht worden sein könnte?«

»Meine Meinung kennen Sie bereits«, sagte er.

Janice kam wieder herein und hörte meine letzte Frage und seine Antwort. »Ignorieren Sie ihn einfach. Er ist ein Ekel«, meinte sie. Dann versetzte sie ihm einen Klaps auf den Kopf. »Benimm dich.«

Sie setzte sich mit dem Scheckbuch in der Hand aufs Sofa. Als ich einen Blick auf das Scheckverzeichnis warf, kam es mir so vor, als hätte sie seit geraumer Zeit nicht mehr abgerechnet. Sie schien am liebsten alles auf glatte Dollarbeträge zu runden, wodurch sämtliche Summen auf Null endeten. Sie schrieb den Scheck aus, nahm ihn heraus und gab ihn mir, bevor sie sich Schecknummer und Summe notierte. Dann kritzelte sie ihren Namen unten auf den Vertrag und reichte ihn Mace. Er nahm den Stift und setzte seine Unterschrift dazu, ohne sich die Bedingungen durchzulesen. Allein die Geste strahlte eine Einstellung aus, die an Gleichgültigkeit grenzte. Ich bin schon lange genug im Geschäft, um Schwierigkeiten vorauszuahnen, und beschloß, mich von Janice immer wieder zwischendurch bezahlen zu lassen. Wenn ich eine Gesamtrechnung stellte, würde Mace vermutlich seine Kröten zusammenhalten und die Bezahlung verweigern.

Ich sah auf die Uhr. »Ich muß jetzt gehen«, sagte ich. »Ich habe in einer Viertelstunde einen Termin am anderen Ende der Stadt.« Das war natürlich gelogen, aber diese Leute schlugen mir langsam auf den Magen. »Könnten Sie mich hinausbegleiten?« fragte ich.

Janice erhob sich mit mir. »Aber gern«, sagte sie.

»Nett, Sie kennengelernt zu haben«, murmelte ich beim Gehen Mace zu.

»Ja, ganz meinerseits.«

Weder Berlyn noch Trinny waren zu sehen, als wir auf unserem Weg zur Haustür durchs Wohnzimmer gingen. An der vorderen Veranda angekommen, fragte ich: »Janice, was geht hier vor? Haben Sie ihm von dem Videoband erzählt? Er verhält sich nicht gerade so, als ob er davon wüßte, und Sie haben doch versprochen, es ihm zu sagen.«

»Ja, ich weiß, aber ich bin noch nicht dazu gekommen. Er war schon zur Arbeit gefahren, als ich heute morgen nach Hause gekommen bin. Ich habe erst jetzt Gelegenheit dazu. Ich wollte es nicht vor Berlyn oder Trinny erwähnen...«

»Warum nicht? Sie haben ein Recht darauf zu erfahren, was sie getrieben hat. Stellen Sie sich nur vor, die beiden wissen etwas Wichtiges. Vielleicht verschweigen sie etwas, weil sie Sie und Ihren Mann schützen wollen.«

»Oh, daran hatte ich gar nicht gedacht. Glauben Sie wirklich?«

»Möglich wäre es«, sagte ich.

»Ich könnte es ihnen schon sagen, aber ich möchte ihr Andenken nicht beschmutzen, wo es doch alles ist, was wir haben.«

»Meine Ermittlungen könnten noch Schlimmeres zutage fördern.«

»O Gott, das will ich nicht hoffen. Wie kommen Sie darauf?«

»Moment mal. Lassen wir das. Ich kann nicht effektiv arbeiten, wenn Sie Spielchen spielen.«

»Ich spiele keine Spielchen«, erwiderte sie indigniert.

»Doch, das tun Sie. Vor allem könnten Sie endlich aufhören, Märchen über Lorna zu erzählen. Der Polizist, mit dem ich gesprochen habe, sagt, Sie hätten gewußt, was sie getrieben hat, weil er es Ihnen selbst erzählt hat.«

»Das hat er nicht!«

»Ich lasse mich nicht auf dieses ›er hat, er hat nicht‹ ein. Ich erzähle Ihnen nur, was er gesagt hat.«

»Tja, er ist ein gemeiner Lügner, und Sie können ihm ruhig erzählen, daß ich das gesagt habe.«

»Ich werde Ihre Stellungnahme weiterleiten. Der Punkt ist allerdings, daß Sie versprochen haben, Mace von dem Video zu erzählen. Sie können von Glück sagen, daß ich den Mund gehalten habe und nicht ins Fettnäpfchen getreten bin. Ich war kurz davor, es zu erwähnen.«

»Das würde mir nichts ausmachen«, sagte sie vorsichtig und verwechselte meine Äußerung offenbar mit einem Angebot.

»Ich kann mir durchaus vorstellen, daß Ihnen das nichts ausmachen würde. Sie denken sich, da er ja ohnehin bereits eine Abneigung gegen mich hat, wäre es auch schon egal. Ich kann mir seine Reaktion lebhaft vorstellen. Nein, danke. Das ist Ihre Aufgabe, und Sie sollten sie lieber schnell erledigen.«

»Ich werde das Thema beim Abendessen anschneiden.«

»Je früher, desto besser. Aber lassen Sie mich bitte nicht weiterhin in der Position, daß ich mehr weiß als er. Er meint sowieso schon, man würde ihn lächerlich machen.«

»Ich habe doch gesagt, daß ich mich darum kümmern werde«, sagte sie. Sie gab sich eisig, aber das scherte mich nicht.

In leicht gereizter Stimmung verabschiedeten wir uns voneinander.

Auf dem Weg durch die Stadt hielt ich bei der Bank und reichte den Scheck ein. Ich war nicht restlos davon überzeugt, daß er gedeckt war, und es wäre im Grunde vernünftig gewesen, abzuwarten, bis das geklärt war, bevor ich den Fall weiterbearbeitete. Eigentlich wollte ich nach Hause fahren. Im Dämmerlicht des Februars sammelte sich der Schatten unter den Bäumen. Ich freute mich auf ein frühes Abendessen und ausreichenden Schlaf. Weil ich gerade in der Gegend war, machte ich einen Umweg über die Mission Run Road. Wenn Lornas ehemaliger Vermieter da war, wollte ich kurz mit ihm sprechen. Wenn nicht, würde ich meine Karte mit der Bitte hinterlassen, sich bei mir zu melden.

Das Haus war ein zweistöckiges viktorianisches Gebäude: weißes Mauerwerk mit grünen Fensterläden und einer Veranda ringsum. Wie viele solcher Wohnhäuser in Santa Teresa war es vermutlich früher das Haupthaus eines landwirtschaftlichen Anwesens von beträchtlichen Ausmaßen gewesen. Es gab einmal eine Zeit, da es am Stadtrand gelegen hatte und nicht nahe am Zentrum. Ich malte mir aus, wie die Obstplantagen und Felder aufgeteilt wurden und andere Häuser immer näher rückten, während ein Eigner nach dem anderen Geld auf die Bank trug. Was heute noch übrig war, belief sich vermutlich auf weniger als fünfundzwanzigtausend Quadratmeter Grund mit altem Baumbestand und Nebengebäuden.

Als ich auf das Haus zuging, hörte ich eine männliche und eine weibliche Stimme erbost streiten, verstand jedoch nicht, worüber. Eine Tür knallte. Der Mann schrie noch etwas hinterher, aber ich verstand nicht, was. Ich stieg hölzerne Stufen hinauf, die von abblätternder, grauer Farbe ganz rauh waren. Die Vordertür stand offen, nur die Fliegentür war eingeklinkt. Ich klingelte. Im Flur war Linoleum verlegt, und zur Rechten konnte ich eine Treppe sehen, die zum Obergeschoß führte. Ein Teil des Flurs war mit zwei Scherengittern abgetrennt, eines in der Nähe der Treppe und ein zweites auf halbem Weg zur Küche. Burke mußte entweder einen jungen Hund oder ein Kleinkind haben. Hinten im Haus brannte Licht. Ich klingelte erneut. Ein Mann rief etwas aus der Küche, trat schließlich hervor und kam mit einem Geschirrtuch im Gürtel auf mich zu. Er schaltete das Licht auf der Veranda an und musterte mich.

»Sind Sie J.D. Burke?« fragte ich.

»Genau.« Er lächelte zögerlich. Er war Mitte bis Ende Vierzig, hatte ein schmales Gesicht und gute Zähne, obwohl an einem vorn ein Stück abgebrochen war. Auf beiden Seiten seines Mundes zogen sich tiefe Furchen nach unten, und in den Augenwinkeln hatte er einen ganzen Fächer von Falten.

»Mein Name ist Kinsey Millhone. Ich bin Privatdetektivin. Lorna Keplers Mütter hat mich engagiert, um ihren Tod zu untersuchen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«

Er warf einen Blick über die Schulter und zuckte dann mit den Achseln. »Klar, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mir beim Kochen zuzusehen.« Er öffnete die Fliegentür und hielt sie mir auf. »Die Küche ist dort hinten. Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, sagte er. Er wich einer Ansammlung von Plastikklötzen aus und ging den Flur entlang. »Meine Frau findet, Laufställe seien zu einengend für Kinder, und deshalb läßt sie Jack hier spielen, wo er alles beobachten kann, was vor sich geht.« Ich sah, daß Jack Erdnußbutter auf sämtliche Sprossen des Treppengeländers geschmiert hatte, die in seiner Reichweite waren.

Ich folgte J. D. einen zugigen Flur entlang, der durch die Mahagonitäfelung und die vom Alter dunkel gewordene Tapete noch düsterer wirkte. Ich fragte mich, ob Restaurateure die Oberfläche wieder aufhellen könnten, wenn sie den ganzen Ruß entfernten, und ob sie all die Farben wie bei einem alten Meister wieder wie früher zum Leuchten bringen könnten. Andererseits – wie farbenprächtig konnten blaßbraune Rosenranken schon werden?

Die Küche entpuppte sich als der deprimierende Versuch, einen Raum zu »modernisieren«, der ursprünglich wohl ein Abstellraum gewesen war. Die Arbeitsflächen waren mit Linoleum bedeckt und mit einem Metallband eingefaßt, vor dem sich ein dunkelbrauner Schmutzstreifen gebildet hatte. Die hölzernen Wandschränke waren dick mit limonengrüner Farbe gestrichen. Herd und Kühlschrank schienen neu zu sein, überdimensionierte, weiße Geräte, die in den Raum ragten. Einen Eichentisch mit zwei Stühlen hatte man in eine Nische gezwängt, in der unter den Erkerfenstern, die auf einen unordentlichen Hof hinausgingen, in die Wand eingelassene Bänke verliefen. Wenigstens war es hier wärmer als im Flur.

»Setzen Sie sich.«

»Danke, nicht nötig. Ich kann sowieso nicht lange bleiben«, sagte ich. Ehrlich gesagt widerstrebte es mir, mich auf einen Stuhl zu setzen, der mit klebrigen Fingerabdrücken übersät war. Ein kleiner Mensch, aller Wahrscheinlichkeit nach Jack, hatte in der Küche eine Runde gedreht und bis zur Hintertür, die auf eine kleine verglaste Veranda hinausging, auf Sitzhöhe eine Traubengeleeverzierung hinterlassen.

J.D. beugte sich über den Herd und entzündete die Flamme unter seiner Kasserolle. Sein Haar war hellbraun, wurde oben etwas schütter und sah um die Ohren ein wenig struppig aus. Er trug ein Arbeitshemd aus blauem Drillich, ausgebleichte Blue Jeans und staubige Stiefel. Auf der Arbeitsfläche lag ein weißes Päckchen, auf dem der Metzger etwas vermerkt hatte, und daneben ein Häufchen gewürfelte Zwiebeln und Knoblauch. Er goß Olivenöl in die Pfanne. Ich liebe es, Männern beim Kochen zuzusehen.

»J.D.?« Aus dem vorderen Teil des Hauses drang eine Frauenstimme zu uns herein.

»Ja?«

»Wer war das?«

Er blickte in den Flur hinter mir, und ich drehte mich um, während sie näher kam. »Die Dame ist Privatdetektivin und untersucht Lornas Tod. Das ist meine Frau Leda. Es tut mir leid, aber ich habe Ihren Namen wieder vergessen.« Als das Öl heiß war, gab er die Zwiebeln und den zerdrückten Knoblauch in die Pfanne.

Ich streckte ihr die Hand entgegen. »Kinsey Millhone. Erfreut, Sie kennenzulernen.«

Wir schüttelten uns die Hände. Leda war eine außergewöhnliche Erscheinung, eine Kindfrau, die nicht einmal halb so groß und wahrscheinlich halb so alt war wie Burke. Sie konnte kaum älter sein als zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig und wirkte mit ihrer dunklen Koboldfrisur zart und zerbrechlich. Die Finger, die sie mir reichte, waren kalt und ihr Händedruck teilnahmslos.

Burke sagte: »Vielleicht kennen Sie ja Ledas Vater. Er ist auch Privatdetektiv.«

»Wirklich? Wie heißt er denn?«

»Kurt Selkirk. Er ist schon halb im Ruhestand, aber er war jahrelang aktiv. Leda ist seine Jüngste. Er hat noch fünf von ihrer Sorte, einen ganzen Stall voller Mädchen.«

»Natürlich kenne ich Kurt«, sagte ich. »Wenn Sie ihn das nächste Mal sprechen, grüßen Sie ihn schön von mir.« Kurt Selkirk hatte jahrelang von elektronischen Abhöraktionen gelebt und genoß einen ziemlich schlechten Ruf. Seit der Verabschiedung von Gesetz 90-351 im Juni 1968 wurde »jeder, der absichtlich irgendeine elektronische, mechanische oder anders geartete Apparatur zum Abhören von Gesprächen verwendet, zu verwenden plant oder einen anderen zur Verwendung oder geplanten Verwendung einer solchen verleitet«, mit einer Geldstrafe von nicht mehr als 10 000 Dollar oder Haft nicht über fünf Jahren bestraft. Ich wußte genau, daß Selkirk mit schöner Regelmäßigkeit beide Strafen riskiert hatte. Die meisten Privatdetektive seiner Generation hatten sich in grauer Vorzeit ihren Lebensunterhalt damit verdient, untreuen Ehegatten nachzuspionieren. Nun hatten die neuen Scheidungsgesetze ohne Schuldzuweisung andere Grundlagen geschaffen. Wahrscheinlich war die Entscheidung, in den Ruhestand zu gehen, in seinem Fall die Folge von Prozessen und Drohungen von seiten der Bundesregierung gewesen. Ich war froh, daß er der Branche nicht mehr angehörte, behielt das aber für mich. »Was sind Sie von Beruf?« fragte ich J. D.

»Elektriker«, sagte er.

Unterdessen schwebte Leda mit einem zarten Lächeln in einer Wolke von Moschusparfüm an mir vorüber. Jedes Rind in nächster Umgebung wäre für sie entbrannt. Ihr Augen-Make-up war äußerst gekonnt: rauchgrauer Lidschatten, schwarzer Eyeliner und zu anmutigen Bögen zurechtgezupfte Brauen. Ihre Haut war auffallend blaß und ihre Knochen so zart wie die eines Vogels. Sie trug einen langen, weißen Kasack ohne Ärmel mit weitem Ausschnitt, der viel von ihrem knochigen Brustkorb zeigte, und durchscheinende weiße Pumphosen, durch die man ihre dünnen Beine deutlich sehen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, daß sie nicht fror. Ihre Sandalen gehörten zu der Sorte, die mich mit ihren dünnen Lederriemchen zwischen den Zehen regelmäßig zum Wahnsinn trieb.

Sie ging auf die verglaste Veranda hinaus, wo sie sich an einem Säugling zu schaffen machte, den sie aus einer Korbwiege nahm. Sie brachte das Kind zum Küchentisch und setzte sich auf die Fensterbank. Dort entblößte sie ihre winzige Brust und legte das Kind so geschickt an wie an eine Art Melkmaschine. Soweit ich mitbekommen hatte, hatte das Kind keinen Laut von sich gegeben, aber vielleicht hatte es ja ein Zeichen gemacht, das nur seine Mutter wahrnehmen konnte. Jack, das Kleinkind, war vermutlich irgendwo auf Achse und benutzte den Inhalt seiner Windeln als Fingerfarben.

»Ich wollte eigentlich gern Lornas Hütte sehen, aber ich wußte nicht, ob Sie sie momentan vermietet haben.« Mir fiel auf, daß Leda mich aufmerksam musterte, während ich mit ihm sprach.

»Die Hütte steht leer. Sie können ruhig reingehen, wenn Sie wollen. Es war unmöglich, sie wieder zu vermieten, seit die Leiche gefunden wurde. Es spricht sich herum, und kein Mensch will auch nur einen Fuß hineinsetzen, von dem Zustand, in dem sie war, ganz zu schweigen.« Burke hielt sich mit übertriebenem Ekel die Nase zu.

Peinlich berührt rief Leda: »J.D.!«, als wäre ihm ein obszönes Geräusch entfahren.

»Stimmt doch«, sagte er. Er machte das Fleischpäckchen auf und entnahm ihm ein Kissen rohes Rinderhack, das er auf die angebratenen Zwiebeln in der Kasserolle legte. Dann begann er, die kompakte Masse mit dem Pfannenheber zu zerteilen. Nach wie vor konnte ich die dicht gepackten Stränge erkennen, so wie sie aus dem Fleischwolf hervorgequollen waren. Für mich sahen sie aus wie Würmer. Die heiße Kasserolle ließ das Fleisch an der Unterseite von Rot zu Grau übergehen. Ich werde kein Fleisch mehr essen, ich schwöre es bei Gott.

»Können Sie die Hütte nicht renovieren?«

»Im Moment fehlt mir das Geld dazu, und vermutlich würde es auch nichts nützen. Es ist ja doch bloß ein Schuppen.«

»Wieviel hat sie gezahlt?«

»Dreihundert im Monat. Das kommt Ihnen vielleicht viel vor, wenn Sie es nicht mit den anderen Mietpreisen hier in der Gegend vergleichen. Im Grunde ist es eine Zweizimmerwohnung mit einem Holzofen, den ich inzwischen herausgeholt habe. Wenn die Leute wissen, daß ein Haus leersteht, klauen sie alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Die nehmen noch die Glühbirnen, wenn sonst nichts zu holen ist.«

Ich registrierte, daß der »Schuppen« in typischer Vermietermanier zu einer »Zweizimmerwohnung« aufgewertet worden war. »Hat vor ihr schon einmal jemand dort gewohnt?«

»Nein. Das Anwesen hat früher meinen Eltern gehört, und ich habe es nach Mutters Tod zusammen mit einigen anderen Mietshäusern am anderen Ende der Stadt geerbt. Lorna habe ich über ein paar Leute aus der Anlage, wo sie gearbeitet hat, kennengelernt. Eines Nachmittags sind wir miteinander ins Gespräch gekommen, und sie hat mir erzählt, daß sie eine Wohnung suche, in der sie ganz ungestört wäre. Sie hatte von der Hütte gehört und fragte mich, ob sie sie sehen dürfe. Dann hat sie sich in den Schuppen verliebt. Ich habe zu ihr gesagt: ›Sieh mal, es sieht verheerend aus, aber wenn du es dir herrichten willst, soll es mir recht sein.‹ Zwei Wochen später ist sie eingezogen, ohne eigentlich viel daran gemacht zu haben.«

»Gab sie gern Partys?«

»Nicht, daß ich wüßte.«

»Wie steht’s mit Freunden? Hatte sie eine Menge Besuch?«

»Das weiß ich wirklich nicht. Es liegt ganz schön weit hinten. Es gibt auch eine Art privaten Zufahrtsweg, der von der Seitenstraße abgeht. Wenn Sie die Hütte sehen wollen, müssen Sie wahrscheinlich mit Ihrem Wagen um das Grundstück herumfahren und von dort aus hineingehen. Früher gab es einmal einen Weg zwischen den beiden Häusern, aber den benutzen wir nicht mehr, und mittlerweile ist er zugewachsen. Meistens habe ich gar nicht gesehen, ob sie Besuch hatte oder nicht, weil das Blattwerk so dicht ist. Im Winter habe ich hin und wieder Licht gesehen, aber ich habe im Grunde nie darauf geachtet.«

»Haben Sie gewußt, daß sie anschaffen ging?«

Er sah mich verständnislos an.

»Auf den Strich«, erklärte Leda.

J.D. blickte von ihr zu mir. »Was sie gemacht hat, war ihre Angelegenheit. Ich habe mich nie darum gekümmert.« Falls ihn die Enthüllung verblüfft hatte, so zeigte er das zumindest nicht. Seine Mundwinkel zogen sich skeptisch nach unten, während er in dem köchelnden Rindfleisch herumstocherte. »Wo haben Sie denn das gehört?«

»Von einem Detective der Sittenpolizei. Offenbar arbeiten eine Menge Huren in den Nobelhotels, wo sich die dicken Brieftaschen herumtreiben. Lorna hat zuerst als Callgirl gearbeitet, aber sie hat es geschafft, sich unabhängig zu machen.«

»Das muß ich Ihnen wohl glauben.«

»Soweit Sie wissen, brachte sie also keine Kunden hierher?«

»Warum sollte sie das denn tun? Wenn man einen Kerl beeindrucken will, schleppt man ihn wohl kaum in einen kleinen Schuppen im Wald. Da bleibt man besser im Hotel. Da muß er auch für die Drinks und alles aufkommen.«

»Klingt logisch«, meinte ich. »Erzählen Sie mir von dem Tag, als Sie sie gefunden haben.«

»Das war nicht ich. Das war jemand anders«, sagte er. »Ich war verreist gewesen, zwei Wochen oben am Lake Nacimiento. Die genauen Daten weiß ich nicht mehr auswendig. Ich kam nach Hause und ging die Rechnungen durch, die während meiner Abwesenheit eingetroffen waren, als mir auffiel, daß der Scheck für ihre Miete fehlte. Ich habe ein paarmal anzurufen versucht, aber es hat nie jemand abgenommen. Jedenfalls kam ein paar Tage später diese Frau vorbei. Sie hatte ihrerseits versucht, Lorna zu erreichen, und ging hinüber, um ihr eine Nachricht zu hinterlassen. Als sie sich der Hütte näherte, nahm sie den Gestank wahr. Sie kam, klopfte und bat uns, die Polizei zu rufen. Sie sagte, sie sei sich ziemlich sicher, daß da eine Leiche sei, aber ich dachte, ich müsse erst nachsehen.«

»Zuvor haben Sie nichts gemerkt?«

»Mir war aufgefallen, daß irgend etwas stank, aber ich habe mir keine weiteren Gedanken gemacht. Ich weiß noch, daß sich der Typ von gegenüber beschwert hat, aber eigentlich hat niemand von uns gedacht, daß es sich um einen toten Menschen handelte. Eine Beutelratte vielleicht. Hätte auch ein Hund oder ein Reh sein können. Hier in der Gegend leben erstaunlich viele Tiere.«

»Haben Sie die Leiche gesehen?«

»Nein, Madam. Ich nicht. Ich bin bis zur Veranda gekommen und habe mich stehenden Fußes umgedreht und bin zurückgegangen. Ich habe nicht einmal geklopft. Mann, ich wußte, daß etwas nicht stimmte, aber ich wollte nicht derjenige sein, der feststellte, was es war. Ich rief 911, und dann kam die Polizei. Sogar für den Polizeibeamten war es hart. Er mußte sich ein Taschentuch über den Mund halten.« J.D. ging quer durch die Küche zur Speisekammer und holte zwei Dosen Tomatensoße heraus. Dann nahm er einen verbogenen Dosenöffner aus einer Schublade und fing an, den Deckel der ersten Dose zu entfernen.

»Glauben Sie, daß sie ermordet wurde?«

»Sie war zu jung, um zu sterben, ohne daß jemand nachgeholfen hat«, meinte er. Er goß den Inhalt der ersten Dose in die Kasserolle und machte die zweite auf. Der warme, knoblauchgeschwängerte Duft der Tomatensoße stieg vom Herd auf, und ich fing an, darüber nachzudenken, daß Fleisch vielleicht doch nicht so übel war. Wenn andere Leute kochen, falle ich vor Hunger regelmäßig fast in Ohnmacht. Muß etwas mit dem Verlust der Mutter zu tun haben. »Irgendwelche Theorien?«

»Keine einzige.«

Ich wandte mich an Leda. »Und Sie?«

»Ich kannte sie nicht besonders gut. Wir haben den Gemüsegarten in den hinteren Teil des Grundstücks zurückverlegt, dadurch habe ich sie manchmal gesehen, wenn ich Bohnen gepflückt habe.«

»Keine gemeinsamen Freunde?«

»Eigentlich nicht. J.D. kannte Lornas Chef in der Wasseraufbereitungsanlage. So hat sie ja überhaupt erst erfahren, daß wir die Hütte haben. Darüber hinaus hatten wir nichts miteinander zu tun. J.D. möchte mit den Mietern nicht zu vertraulich werden.«

»Genau. Ehe man sich’s versieht, kommen sie einem mit Ausflüchten statt mit dem Scheck für die Miete«, sagte er.

»Und Lorna? Hat sie immer pünktlich bezahlt?«

»Da war sie ganz zuverlässig. Zumindest bis zur letzten Monatsmiete. Sonst hätte ich es auch nicht so lange schleifen lassen«, meinte er. »Ich habe immer gedacht, sie bringt den Scheck schon noch.«

»Haben Sie je irgend jemanden von ihren Freunden kennengelernt?«

»Nicht, daß ich wüßte.« Er drehte sich um und sah Leda an, die verneinend den Kopf schüttelte.

»Fällt Ihnen sonst irgend etwas ein, das mir weiterhelfen könnte?«

Von beiden kam ein gemurmeltes Nein.

Ich holte eine Visitenkarte heraus und schrieb meine Privatnummer auf die Rückseite. »Wenn Ihnen irgend etwas einfällt, würden Sie mich dann verständigen? Sie können unter beiden Nummern anrufen. Ich habe an beiden Apparaten einen Anrufbeantworter. Ich werfe noch einen Blick in die Hütte und melde mich wieder bei Ihnen, wenn weitere Fragen auftauchen.«

»Passen Sie auf die Mücken auf«, sagte er. »Da draußen gibt’s ganz schön dicke Brummer.«

Frau in der Nacht

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