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Als Marissas Kinder und Lizzy ein paar Stunden später zur Hintertür hereinstürmten, hatte Veronica bereits einige wichtige Entscheidungen bezüglich des Wohls ihrer sechsjährigen Nichte getroffen. Sie musterte Lizzy prüfend und suchte nach Veränderungen, als das kleine Mädchen im Kielwasser des schlaksigen acht Jahre alten Riley hereinkam, der sich lautstark mit seiner Schwester Dessa zankte, deren statisch aufgeladene blonde Locken die Energie ihrer Persönlichkeit aufzunehmen schienen, während sie mit temperamentvoller Heftigkeit stritt. Lizzys goldbraunes Haar war wie immer ordentlich gekämmt, ihre Retro-Jacke und ihre Jeans makellos sauber, ihre Turnschuhe fest zugebunden. Sie war eine interessante Kombination beider Elternteile und hatte Crystals zierliche Statur und feinen Knochenbau geerbt. Veronica dachte, dass Lizzy dünner geworden war, als diese still und in sich gekehrt hinter den lärmenden Travits dreinzockelte. Doch in dem Moment, in dem ihr Blick auf Veronica fiel, hellte sich Lizzys Miene schlagartig auf.

»Tante Ronnie?« Sie blieb wie angewurzelt neben der Küchenanrichte stehen, ihr Rucksack, den sie gerade hatte abnehmen wollen, noch von einer Schulter herabbaumelnd. »Du bist hier!«

Riley und Dessa hörten schlagartig auf zu streiten und fuhren herum, um Veronica anzustarren, die bei ihrem Erscheinen vom Sofa aufgestanden war. Lizzy warf den Rucksack mit einem Plumps auf den Fußboden und rannte quer durch den Raum, hielt dann aber nur wenige Zentimeter vor Veronica plötzlich wieder inne, statt sich ihr in die ausgebreiteten Arme zu werfen. Sie senkte den Kopf und zog ihre schmalen Schultern hoch, während sie durch den seidigen Vorhang ihrer Ponyfransen einen scheuen, unschlüssigen Blick auf ihre Tante warf.

Ihre Unsicherheit tat Veronica in der Seele weh. »Nun komm schon her, du!« Sie riss das Kind in ihre Arme und drückte es fest an ihre Brust. »Ich habe dich so vermisst! Weißt du eigentlich, wie lange es schon her ist, seit wir das letzte Mal zusammen waren? Es sind genau zwei Monate, drei Wochen und –«

»Sechs lange Tage«, ergänzte Lizzy zusammen mit Veronica und legte den Kopf in den Nacken, um zu ihrer Tante aufzusehen, als sie die Litanei ihrer Trennungszeit vervollständigte. Sie entspannte sich in Veronicas Umarmung. »Ich hab’s gestern Abend auf meinem Kalender zusammengezählt.«

Crystal hatte die Angewohnheit gehabt, ihre Tochter über die Cascades zu fahren und bei Veronica abzusetzen, wann immer sie heiße Pläne für das Wochenende hatte. Und da sie ziemlich häufig heiße Pläne gehabt hatte und obendrein grimmig entschlossen war, zu verhindern, dass Eddie seine Tochter auch nur eine Minute länger in seiner Obhut hatte, als sie in ihrer ursprünglichen Besuchsregelung vereinbart hatten, hatte sich im vergangenen Jahr eine besonders enge Beziehung zwischen Veronica und ihrer Nichte entwickelt. Sie hatten eine Art Ritual daraus gemacht, die Tage und Wochen zu zählen, die seit ihrem letzten Zusammensein verstrichen waren, und sich dann gegenseitig mit diesem Wissen zu ergötzen, sobald sie sich wieder sahen.

»Tut mir Leid, dass ich nicht eher kommen konnte.« Veronica strich Lizzy die seidigen Haare aus der Stirn. »Aber jetzt bin ich ja hier, und wir beide, du und ich, sind eine Familie, also zweifle niemals daran, dass ich mich um dich kümmern werde. Wir werden gleich damit anfangen, indem wir dich heute Nachmittag wieder in dein eigenes Zimmer zurückverfrachten.«

Sie blickte gerade noch rechtzeitig auf, um Dessas tief enttäuschtes Gesicht zu sehen, und lächelte das kleine Mädchen beruhigend an. »Möchtest du nicht mitkommen und uns helfen?«, fragte sie. »Du weißt doch hoffentlich, dass du Lizzy jederzeit besuchen kannst. Und an den Wochenenden könnt ihr Mädchen abwechselnd bei uns oder bei euch übernachten, wenn deine Mama damit einverstanden ist.« Dann warf sie einen Blick auf Riley, der eine betont gelangweilte Miene aufgesetzt hatte, um alle Anwesenden wissen zu lassen, dass er viel zu cool war, um ein Interesse an den Vorgängen zu zeigen. »Du bist natürlich auch jederzeit willkommen, Riley«, fügte Veronica hinzu.

Er verdrehte die Augen, stopfte sich einen weiteren Keks aus der Plätzchendose in den Mund und grunzte nur. Hörbar schluckend zog er die Kühlschranktür auf und nahm eine Plastikkanne mit Milch heraus. »Als ob ich Lust hätte, mit ein paar blöden Mädchen zu spielen!« Er trank direkt aus der Kanne, dann setzte er sie ab und erklärte: »Aber Brad Marshall wohnt ganz bei euch in der Nähe. Ich schätze mal, ich könnt’ irgendwas mit ihm zusammen machen, während die Mädchen mit ihren bescheuerten Puppen spielen tun.«

Marissa stand auf und nahm ihrem Sohn energisch die Milchkanne aus der Hand. »Hol dir ein Glas«, sagte sie, dann schüttelte sie den Kopf. »Spielen tun! Wenn das jetzt ein Beispiel für die Effizienz unseres derzeitigen Schulsystems sein soll, dann sollte ich mir für die nächste Wahlperiode wohl noch einmal überlegen, wo ich mein Kreuzchen mache.«

Riley bedachte seine Mutter mit einem breiten, reuelosen Grinsen und sah dabei so verblüffend wie eine männliche Ausgabe von Marissa aus, als sie im gleichen Alter gewesen war, dass Veronica sich auf die Innenseite ihrer Wange beißen musste, um nicht laut loszulachen. Um ihre Lippen musste es aber doch belustigt gezuckt haben, denn Marissa warf ihr einen strengen Blick zu.

»Bestärke ihn nicht noch!«

»Tu ich doch gar nicht. Das würde ich niemals tun.« Veronica setzte eine ernste Miene auf und blickte auf Lizzy hinunter, die sie noch immer in den Armen hielt. »Soll ich dir helfen, deine Sachen zusammenzupacken?«

»Nee, brauchst du nicht. Das hab’ ich gestern Abend schon gemacht. Sie sind alle oben; soll ich sie jetzt holen? Geh aber nicht weg – es dauert nicht lange, ich bin gleich wieder da!«

Veronica hasste die Ängstlichkeit, die plötzlich in der Stimme ihrer Nichte mitschwang, doch sie lächelte nur und versicherte der Kleinen, dass sie nirgendwo hingehen würde. Lizzy löste sich aus ihrer Umarmung und drehte sich zu ihrer Freundin um. Sie schien wieder sichereren Boden unter den Füßen zu haben, als sie sagte: »Du kannst mitkommen und mir helfen, meine Sachen runterzutragen, Dessa.«

Alle drei Kinder stampften daraufhin aus der Küche, und Veronica wandte sich wieder Marissa zu. »O Mann, mir wird erst jetzt so richtig klar, dass ich von der Tante zur Mutter befördert worden bin. Es ist so eine ungeheuer große Verantwortung, und Lizzy erscheint mir so zerbrechlich. Was, wenn ich dem nicht gewachsen bin und alles verkorkse? O Gott, Rissa – was, wenn ich Lizzy verkorkse?«

»Jetzt hol erst mal tief Luft«, wies Marissa sie an und massierte beruhigend Veronicas Schultern. »So. Und jetzt atme wieder aus und hör mir zu. Du wirst überhaupt nichts verkorksen.«

»Woher willst du das so genau wissen?«

»Weil du gut mit Lizzy umgehen kannst. Weil du verrückt nach ihr bist und dein Bestes für sie tun wirst.«

»Ich habe aber bisher nie länger als eine Woche die alleinige Verantwortung für sie gehabt; was, wenn mein Bestes nicht genügt?«

»Es wird mehr als genügen. Du brauchst dir ja nur anzusehen, was du allein heute Nachmittag schon geschafft hast – du hast es fertig gebracht, ihr ihre Ängstlichkeit und Unsicherheit durch eine Umarmung zu nehmen und durch diese Wie-lange-das-schon-her-ist-Sache, die ihr beide teilt. Und du hast eine zuverlässige Hilfe engagiert, die sich um Lizzy kümmern wird, während du arbeitest. Und ziemlich genauso läuft der Hase, Schätzchen – du lässt die Dinge einfach auf dich zukommen und nimmst sie eins nach dem anderen in Angriff.«

Veronica beschloss, es auch den Rest des Tages über so zu halten. Sie würde ganz im Augenblick leben und eventuell auftretende Schwierigkeiten oder Probleme immer schön der Reihe nach angehen. Aber sie war doch froh, dass Coop nirgendwo zu sehen war, als sie wieder nach Hause zurückkehrten.

»Hey, seht euch bloß all dieses Zeug hier an!«, rief Riley bewundernd, als sie durch das Wohnzimmer gingen. Er sah sich mit weit offenem Mund um, während er versuchte, alles auf einmal in sich aufzunehmen. »Echt Wahnsinn! Meine Mom hat noch nicht mal annähernd so viele coole Sachen in unserem Haus!«

Lizzy zuckte leicht zusammen, sagte aber nichts. Veronica überließ es Riley, die untere Etage und den Garten zu erkunden, und folgte den beiden Mädchen nach oben, um zuzuschauen, wie Dessa Lizzys Koffer auspackte und ihre Nichte Fotos auf ihrer Kommode arrangierte. Es waren mehrere Aufnahmen von dem goldblonden, braun gebrannten Eddie, eine von Crystal und sogar ein gerahmter Schnappschuss von Veronica und Lizzy im Woodlawn Park Zoo, der bei einem von Lizzys Besuchen im letzten Herbst aufgenommen worden war.

Veronica beobachtete, wie ihre Nichte in den Karton griff, in den sie ihre Habseligkeiten gepackt hatte, und ein Fotoalbum herauszog, das sie auf die unterste Ablagefläche ihres Nachttisches legte, und dann ein struppiges, ziemlich abgenutztes Plüschpony hervorholte, das sie sorgsam auf ihr Kopfkissen setzte. Als Veronica sich prüfend im Zimmer umblickte, fühlte sie eine Aufwallung von Groll gegen ihre Schwester.

Der Raum war durchaus in Ordnung, soweit es Sauberkeit und Ordnung anbetraf. Aber er hätte praktisch jedem gehören können. Nirgendwo gab es spezielle Dinge, die ihm eine persönliche Note verliehen und erkennen ließen, dass dies das Zimmer eines kleinen Mädchens war, abgesehen von den wenigen Sachen, die Lizzy selbst beigesteuert hatte. Die Wände waren weiß getrichen, das Bett mit einer Tagesdecke aus weißem Chenille bedeckt, das Fenster von einer praktischen, aber sehr nüchtern wirkenden Jalousie verhüllt.

Veronica hatte den Verdacht, dass Crystal eine hübsche Stange Geld für all diesen geschmacklosen Plunder verpulvert hatte, der unten im Wohnzimmer als Dekoration diente, und ihr Schlafzimmer strotzte ebenfalls nur so von glitzernden, funkelnden Kinkerlitzchen und so genannten Kunstgegenständen. Hätte sie da nicht auch ein paar Dollar abzweigen können, um das Zimmer ihrer Tochter wenigstens ein klein bisschen persönlicher zu gestalten? Es nagte an einer Stelle tief in Veronicas Innerem, zugeben zu müssen, dass die mütterlichen Instinkte ihrer Schwester wahrscheinlich nicht sonderlich ausgeprägt gewesen waren.

Also, sieh die Sache lieber positiv, dachte Veronica leicht schuldbewusst angesichts der Tatsache, dass ihr die Erkenntnis über Crystals mangelnde Fürsorge neuen Mut gemacht hatte. Es besteht wohl kaum die Gefahr, dass du deine Sache als Mutter noch schlechter machst als Crystal.

»Es ist wirklich nicht verwunderlich, dass Eddie irgendwann ausgerastet ist«, hörte Coop jemanden in der Bar sagen. »Crystal hat ja öffentlich damit angegeben, wie sie ihn über den Tisch ziehen würde.«

Aus den Augenwinkeln sah Coop, dass es Sandy, die Kellnerin, war, die da gesprochen hatte, und er schnappte sich rasch ein Geschirrtuch und begann damit die Theke abzuwischen, während er sich Stück für Stück näher zu der Stelle vorarbeitete, wo Sandy stand und mit einer Frau tratschte, der er erst kürzlich einen Gin Tonic serviert hatte.

»Über den Tisch ziehen? Wie denn das?«, fragte die Frau skeptisch. »Crystal hat auf mich eigentlich nie den Eindruck gemacht, als ob sie so wahnsinnig helle wäre.«

Sandy lachte. »Komisch, dass Sie das sagen, denn ich glaube, meine erste Reaktion war: ›Na klar doch – ausgerechnet du, was?‹«

»Und was hat sie darauf gesagt?«

»Eigentlich nichts. Sie hat nur dieses klugscheißerische Lächeln aufgesetzt, das sie so an sich hatte. Und da habe ich sie rundheraus gefragt, was genau sie meinte, und da hat sie geantwortet –« Sandys vertraulicher Tonfall wurde plötzlich energisch und geschäftsmäßig. »Kann ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«

»Was?« Gin Tonic sah Sandy an, als ob diese den Verstand verloren hätte; als die Kellnerin mit einer verstohlenen Kopfbewegung auf Coop wies, der eindeutig in Hörweite war, setzte sie sich ein bisschen gerader hin. »Ach so! Nein, danke. Ich bin noch versorgt.«

»Okay, dann werd’ ich mich jetzt wohl besser wieder an die Arbeit machen.« Sandy eilte davon, um die Bestellung der beiden Männer aufzunehmen, die in der Ecke Billard spielten.

Der rationale Teil von Coop verstand, dass Sandy ihn noch immer als ihren derzeitigen Chef ansah und nicht beim Klatschen erwischt werden wollte, aber es kostete ihn doch echte Willensanstrengung, sich zusammenzunehmen und nicht vor Enttäuschung laut aufzustöhnen. Denn was er da gerade aufgeschnappt hatte, hörte sich nach einem ersten echten Hinweis an. Er hoffte sehr, dass das Thema noch einmal zur Sprache kommen würde, damit er sich diesmal an der Unterhaltung beteiligen und ein bisschen nachhaken könnte. Er hätte sich ohrfeigen können, dass er das nicht schon vorhin getan hatte, als er die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Herrgott nochmal, es wäre doch nur vollkommen normal gewesen, sich für den Tratsch zu interessieren! Crystals Ermordung war wahrscheinlich das heißeste Thema in der Stadt.

Seine Laune wurde nicht unbedingt durch die Tatsache verbessert, dass es schon weit nach neun Uhr war, als Veronica endlich durch den Vordereingang des Tonk hereinspazierte. Coop warf sich das Handtuch, das er zum Abtrocknen von Gläsern benutzt hatte, über die Schulter und beobachtete, wie sie näher kam. Es wurde aber auch höchste Zeit, dass sie endlich auftauchte.

Eigentlich war in der Bar heute Abend relativ wenig los, wie an den meisten Mittwochabenden, und eigentlich war es weder für ihn noch für Sandy übermäßig stressig gewesen, ohne Veronicas Hilfe zurechtzukommen. Aber darum ging es hier nicht. Er hatte Veronica gesagt, dass sie um acht Uhr da sein sollte, und da hätte sie gefälligst pünktlich erscheinen sollen! Coop war dreizehn Jahre lang bei den Marines gewesen, und er war es nicht gewöhnt, dass seine Befehle einfach ignoriert wurden. Schon gar nicht von so einer halben Portion, von einer Frau mit derart feinen Knochen, dass er sie in zwei Hälften zerbrechen könnte, ohne dabei auch nur eine Schweißperle zu vergießen.

»Guten Abend, Cooper«, sagte sie, als sie hinter die Theke schlenderte, um ihre Schürze und ein Tablett zu holen.

Coop fuhr herum und sah ihr zu, wie sie sich die weiße Schürze um die Taille band. Sie zog einen zarten, schwer definierbaren Duft hinter sich her, und Coop wusste nicht so recht, ob er von ihrem glatten, schwungvollen Haar ausströmte oder von dem eleganten langärmligen Top, das sie über einer schmal geschnittenen schwarzen Hose trug. Oder vielleicht von diesem seidenglatten weißen Dreieck am Ansatz ihres Halses, wo eine feine blaue Ader pulsierte.

»Sie sind verdammt spät dran«, knurrte er und schüttelte die unwillkommene Vorstellung ab, wie er ihren Körper Zentimeter für Zentimeter erforschte, auf der Suche nach der Quelle dieses Dufts. »Wenn ich Ihnen sage, Sie sollen um acht hier sein, dann meine ich Punkt acht Uhr!«

Sie erstarrte mitten in der Bewegung, ihre Hände noch immer hinter ihrem Rücken, während sich ihre kleinen, wohlgeformten Brüste gegen den anschmiegsamen weinroten Samt ihres Tops drückten. Ein paar Herzschläge lang hörte man nur Collin Raye von der Jukebox her, der sich laut darüber wunderte, wie schnell doch aus einem Menschen, den man liebte, jemand werden konnte, den man früher einmal gekannt hatte. Dann ließ Veronica ihre Hände sinken und ballte sie zu Fäusten, während sie langsam auf Cooper zukam. Sie reckte energisch das Kinn vor.

»Eins wollen wir doch mal klarstellen«, sagte sie, als sie nur wenige Zentimeter von ihm entfernt stehen blieb und den Kopf in den Nacken legte, um ihn mit einem eisigen Blick zu messen. »Sie sind nicht mein Vater – Sie haben also nicht das geringste Recht, mir zu sagen, wann ich hier sein soll. Wenn Sie Vorschläge haben, wie man den Service hier in der Bar verbessern könnte, oder wenn Sie sich wie ein vernünftiger Erwachsener mit mir zusammensetzen möchten, um einen Dienstplan auszuarbeiten, dann bin ich selbstverständlich gerne bereit, Ihnen zuzuhören. Aber wagen Sie es nicht noch einmal, mich herumzukommandieren, mir Vorschriften zu machen oder mit mir zu reden, als ob ich irgendein auf Abwege geratener Lakai wäre! Sie vergessen anscheinend, dass ich hier die Inhaberin bin und nicht Sie.«

Scheiße. Das hatte er tatsächlich irgendwie vergessen. Und weil sie es geschafft hatte, ihn mit ihrer kleinen Ermahnung auf die Palme zu bringen, hätte er eine Menge dafür gegeben, um ihr geradewegs in diese hochmütigen grünen Augen zu sehen und einfach zu sagen: In Ordnung – ich kündige.

Er schwelgte ein paar Sekunden lang in dieser äußerst erfreulichen Vorstellung und wärmte sich innerlich an dem Gedanken, einfach hinauszumarschieren und es ihr zu überlassen, sich allein mit allem herumzuschlagen: mit dem Personalproblem, der Arbeit in der Bar, dem Saubermachen, mit dem Bürokram und den Rechnungen und mit den Vorräten, die regelmäßig aufgefüllt werden mussten. Wäre doch mal interessant zu sehen, wie weit es dann mit ihrer Aufgeblasenheit noch her wäre.

Aber da er sich damit nur ins eigene Fleisch schneiden würde, weil es sein Vorhaben, dessentwegen er diesen Job überhaupt erst angenommen hatte, beträchtlich erschweren würde, ließ er den Gedanken wieder fallen. Stattdessen machte er einen Schritt vorwärts, und seine gute Laune war augenblicklich wiederhergestellt, als Veronica unwillkürlich einen Schritt zurückwich und dabei hart gegen die beleuchteten Glasborde prallte, auf denen eine stattliche Reihe von Schnapsflaschen stand. Sie griff mit beiden Händen hinter sich, um das Bord in Hüfthöhe festzuhalten, und er fühlte, wie sich seine Mundwinkel zu einem wilden Lächeln verzogen. Gut. Sie war also doch nicht so unerschütterlich, wie sie gerne erscheinen wollte.

Coop beugte sich vor und legte seine sehr viel größeren Hände rechts und links von den ihren auf das Bord, wobei die Knöchel seiner Daumen ihre kleinen Finger streiften. »Ich will Ihnen mal was sagen, Prinzessin«, murmelte er. Als er den Duft ihres Shampoos einatmete, kam er zu dem Schluss, dass es nicht der zarte, schwer fassbare Wohlgeruch war, von dem er vorhin eine Nase voll geschnuppert hatte, und beäugte nachdenklich die verführerisch glatte, weiche Haut ihrer Halsgrube. Dann zwang er seine auf Irrwege geratenen Gedanken wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. »Sie mögen zwar die Inhaberin der Bar sein, aber mit diesem Laden wird es sehr bald den Bach runtergehen, wenn Sie sich nicht die Mühe machen, rechtzeitig zu erscheinen, um mit anzufassen. Sandy und ich mussten für Sie einspringen, als Sie nicht aufgekreuzt sind.«

»Und ich bin überzeugt, Sie beide haben hervorragende Arbeit geleistet.«

»Verdammt richtig, das haben wir. Aber Sie begreifen nicht, worum es hier geht, Ronnie.«

Ihr Kinn vollbrachte das Unmögliche und reckte sich noch ein Stückchen höher. »Ich habe Ihnen nicht erlaubt, mich so zu nennen. Sie können mich Veronica nennen.«

Er biss die Zähne zusammen. »In Ordnung, wie Sie meinen. Sie begreifen nicht, worum es hier geht, Veronica. In dieser Bar ist zu viel los, als dass Sie Ihre Arbeitszeit ganz nach Lust und Laune selbst bestimmen und sich um Ihre Verpflichtungen herumdrücken könnten. Und um es mit den so äußerst treffenden und unvergänglichen Worten von Rosetta auszudrücken: Sie zahlen mir nicht genug dafür, dass ich zusätzlich zu meiner eigenen Arbeit auch noch Ihre mache.«

Sie drückte ihm beide Hände gegen die Brust und versetzte ihm einen für eine so zart gebaute Frau überraschend kräftigen Schubs. Coop, aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte einen Schritt rückwärts.

»Sie sind ein ausgezeichneter Geschichtenerzähler, Blackstock. Ganz ehrlich, das war sehr ergreifend. Es enthielt alle notwendigen Elemente: Humor und Pathos, die üble Schurkin, den tapferen Helden, der brav und unbeirrbar seine Pflicht tut, aber auch bereit ist, energisch zu werden und ein Machtwort zu sprechen, um die Bar der Schurkin zu retten, obwohl sie es eigentlich nicht verdient hat.« Zu Coops Überraschung schenkte sie ihm ein Lächeln, das von echter Bewunderung und Humor erfüllt war. »Es gibt nur einen winzig kleinen Fehler in Ihrer Geschichte. Ich bin nicht irgendeine blutige Anfängerin, die gerade von der Straße hereingetanzt ist; ich bin praktisch in dieser Bar groß geworden. Und mittwochs ist in Fossil Bowling-Liga-Abend – was bedeutet, dass sich der Laden hier erst nach halb zehn allmählich zu füllen beginnt. Von Hochbetrieb kann also zur Zeit noch keine Rede sein. Daher bezweifle ich doch stark, dass Sie sich abschuften mussten, um die –« Sie spähte an ihm vorbei und zählte die Gäste, die verstreut in der Bar saßen, »- die sieben, acht, neun Kunden zu bedienen, die heute Abend hier sind.« Dann verblasste ihr Lächeln schlagartig, und sie blickte ihm wieder in die Augen. »Und selbst wenn Sie vor lauter Arbeit nicht mehr gewusst hätten, wo Ihnen der Kopf steht ... nun ja, das würde mir zwar sehr Leid tun, aber ich hatte heute Abend trotzdem etwas Wichtigeres zu tun.«

»Ach ja? Sie hatten wohl ein heißes Date mit Ihrer Maniküre oder so was?«

»Nein, Cooper, das war der wichtige Termin, den ich eigentlich für gestern eingeplant hatte. Heute war ich damit beschäftigt, mit der Lehrerin und dem Schulleiter meiner Nichte zu sprechen und Lizzy nach Hause zu holen und sie wieder in ihrem eigenen Zimmer unterzubringen. Sie ist in letzter Zeit so viel herumgeschubst worden, dass es für ein ganzes Bataillon kleiner Mädchen reichen würde, und ich wollte nicht aus dem Haus gehen und sie allein lassen, kaum dass wir ihre Sachen eingeräumt hatten. Und deshalb bin ich noch dageblieben und habe etwas Zeit mit ihr verbracht. Und als Mrs. Martelucchi gekommen ist, habe ich noch mehr Zeit damit verbracht, dafür zu sorgen, dass Lizzy sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlt, weil sie nämlich die Frau ist, die sich um sie kümmern wird, wenn ich arbeiten muss.«

»Mrs. Martelucchi? Die ältere Dame, die ein Stück weiter die Straße hinunter wohnt? Die mit den vielen Katzen?«

»Ja. Sie ist keineswegs unfähig, nur weil sie ein Haus voller Katzen hat, wissen Sie. Sie ist einfach nur einsam. Ihr Sohn ist im Golfkrieg ums Leben gekommen, er war der letzte Familienangehörige, den sie noch hatte. Marissa hatte sie mir empfohlen, und sie hatte Recht. Mrs. Martelucchi ist freundlich und nett, so zuverlässig wie eine Schweizer Uhr, und sie wird Lizzy liebevoll bemuttern. Und, offen gesagt, Cooper, Lizzy könnte es gut vertragen, mal ein bisschen bemuttert zu werden. Sie könnte auch ein bisschen mehr Fleisch auf den Rippen vertragen, und Mrs. Martelucchi macht ganz zufällig das beste Chicken Parmesan der Welt.« Sie schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr, die ihr über die Wange gerutscht war. »Alles das stand heute bei mir auf dem Plan.«

»Hey!«, rief ein Mann an einem Tisch neben der Jukebox. »Kann uns hier wohl endlich mal jemand bedienen?«

Veronica schnappte sich ihre Geldkassette, zählte rasch das Wechselgeld im Inneren, legte sie auf ihr Tablett, zog es vom Tresen und stützte es an der Hüfte ab. »Wir unterhalten uns später weiter darüber.« Sie schob sich an Coop vorbei, ging um das Ende der Theke herum und eilte quer durch den Raum.

Er beobachtete ihren leichten Hüftschwung, während sie sich einen Weg zwischen den größtenteils leeren Tischen hindurch bahnte und auf den ungeduldigen Mann und seine Kumpane zusteuerte. Als sie sich über den Tisch beugte, um die leeren Gläser einzusammeln und den vollen Aschenbecher gegen einen sauberen von ihrem Tablett auszutauschen, musste Coop sich widerwillig eingestehen, dass er noch immer nicht so recht wusste, was er eigentlich von ihr halten sollte. Jedes Mal, wenn er glaubte, er hätte sie sauber eingeordnet, sagte oder tat sie etwas, was seine Einschätzung von ihr völlig über den Haufen warf. Er erwartete immer wieder eine Kopie ihrer Schwester, stattdessen schien sie eine ganz eigenständige und vollkommen andere Persönlichkeit zu sein.

Die Art, wie sie mit den Männern an dem Ecktisch umging, bestätigte seine Vermutung. Nach allem, was man so hörte, hatte Crystal ein aufreizendes Verhalten Marke »Kommt doch her und packt mich, Jungs!« an den Tag gelegt, wenn sie in der Bar gearbeitet hatte. Veronicas Benehmen dagegen war eher von der Sorte »Lass deine Pfoten von mir, Sportsfreund, sonst geb ich dir eins zwischen die Hörner!«

Coop hoffte nur, dass sie nicht mit ihrem Trinkgeld rechnete, wenn es darum ging, die Pacht für den Laden zu bezahlen.

Und er hätte zu gerne gewusst, was zum Teufel sie eigentlich beruflich machte. Sie hatte ihre Besorgnis um Lizzy so überzeugend vorgebracht, dass er ihr beinahe geglaubt hätte. Wahrscheinlich hätte er ihr das sogar voll und ganz abgekauft, wenn sie sich dazu herabgelassen hätte, nicht erst gestern in der Stadt aufzukreuzen. Wahrscheinlich war die Frau in ihrem außerfossilischen Leben Verkäuferin, und zwar eine mit beachtlicher Überzeugungskunst.

Er war sich jedoch nicht bewusst, wie groß seine Neugier tatsächlich war, bis Veronica mit der Bestellung zum Tresen zurückkehrte und er sich fragen hörte: »Was machen Sie eigentlich so draußen in der Welt? Beruflich, meine ich.«

Sie blinzelte überrascht, dann erklärte sie: »Ich bin Restauratorin, was mehr oder weniger eine Innenausstatterin mit einem akademischen Abschluss in Geschichte ist.« Über ihr Gesicht huschte ein Lächeln, das ebenso schnell wieder verschwand. »Ich bin gerade erst mit der Arbeit an einem Schloss in Schottland fertig geworden, das so stark modernisiert worden war, dass man seine Ursprünge kaum noch erkennen konnte. Die Fassade stammte noch aus dem dreizehnten Jahrhundert, aber das Innere war ganz im Stil der Fünfzigerjähre umgebaut worden.«

»Dann nehme ich mal an, Sie sind nicht verheiratet?« Coop trat einen Schritt zurück, während sich sein Rückgrat mit einem Ruck militärisch gerade aufrichtete. Verdammt noch mal, wo war das denn hergekommen?

Veronica musste sich die gleiche Frage gestellt haben, denn sie verspannte sich leicht. »Und Sie nehmen das an, weil ...?«

Er zuckte die Achseln. »Na ja, es klingt doch ganz so, als hätten Sie einen Job, bei dem Sie immer wieder für längere Zeit ins Ausland gehen müssten.«

»Und Sie kommen im Traum nicht auf den Gedanken, dass ich jemanden haben könnte, der versteht, wie wichtig mir meine Karriere ist, und mich dabei unterstützt?«

»Doch, klar, natürlich – das war mein erster Gedanke. Aber dann habe ich mich gefragt, wieso Mr. Verständnisvoll nicht hier ist, um Ihnen zu helfen. Und ich habe außerdem die Tatsache berücksichtigt, dass Sie keine Ringe tragen.«

Sie blickte auf ihre schmucklosen Hände hinunter, dann sah sie wieder zu Cooper auf. »Was für eine unglaublich scharfe Beobachtungsgabe Sie doch haben! Aber eins muss ich Ihnen lassen – wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. Der Mann, der mich dazu bringen wird, meine Freiheit gegen die Gelegenheit einzutauschen, seine schmutzigen Socken zu waschen, der muss mir erst noch über den Weg laufen. Obwohl Sie sich sicher vorstellen können, wie ungeheuer verlockend der Gedanke für mich ist, meinen Beruf an den Nagel zu hängen und mich ausschließlich als Hausmütterchen zu betätigen.« Sie musterte ihn rasch von oben bis unten. »Und was ist mit Ihnen? Sind Sie verheiratet?«

»Um Gottes willen, nein.«

Um ihre Mundwinkel zuckte es belustigt, als sie nach dem Tablett mit Getränken griff, die er zusammengestellt hatte. »Das klingt ja ziemlich entschieden.«

Du hast ja keine Ahnung, Prinzessin. Soweit er das beurteilen konnte, war die Ehe nichts weiter als ein einziges großes Leiden, das nur darauf wartete, über einen hereinzubrechen.

Er beobachtete, wie Veronica die Getränke zu dem Tisch neben der Jukebox brachte. Von Rechts wegen sollte er sich noch nicht einmal genug aus Eddie machen, um nach dem Beweis zu suchen, der es ihm ermöglichen würde, den Namen seines Halbbruders reinzuwaschen. Denn damals, als Coop acht Jahre alt gewesen war, hatte sich seine Mutter von seinem Dad scheiden lassen, um Eddies Vater zu heiraten.

Mary Cooper Blackstock war ein eingefleischter Snob gewesen, was einer gewissen Ironie nicht entbehrte, wenn man bedachte, aus welchen Verhältnissen sie ursprünglich stammte. Aber vielleicht war genau das der springende Punkt – sie hatte sich aus äußerst bescheidenen Verhältnissen emporgearbeitet und war fest entschlossen, noch höher auf der gesellschaftlichen Leiter hinaufzuklettern. Nur ein einziges Mal in ihrem Leben war sie bei ihrem Aufstieg zu der bedeutenden gesellschaftlichen Stellung, die ihr ihrer Ansicht nach zustand, aus dem Tritt gekommen, und das war, als sie in der Hitze des Augenblicks Coops Vater geheiratet hatte. Als diese Hitze wieder erlosch, hatte sie ihre Anstrengungen darauf konzentriert, einen Mann, der vollkommen glücklich und zufrieden damit gewesen war, Steinmetz zu sein, nach ihrer Vorstellung von einem passenderen Gatten umzumodeln.

Coop wollte verdammt sein, wenn er das jemals mit sich machen ließe.

Eines musste er seiner Mutter allerdings lassen: Sie hatte es tatsächlich mehrere Jahre mit ihm und seinem Vater ausgehalten, bevor sie erneut der Ehrgeiz gepackt hatte. Und als sie dann Thomas Chapman gefunden hatte, einen Mann, der sehr viel besser in ihr persönliches Weltbild passte, hatte sie Coop und seinen Dad kurzerhand verlassen, ohne auch nur einen Blick zurückzuwerfen. Ein Jahr danach hatte sie Eddie zur Welt gebracht, ein Goldkind, das ebenfalls weitaus mehr mit ihrer Vorstellung von Perfektion übereinstimmte als ihr ältester Sohn.

Coop hätte seinen Halbbruder während seiner seltenen Besuche bei seiner Mutter wahrscheinlich nie wirklich kennen gelernt, wenn Eddie nicht ein so lieber, sonniger kleiner Kerl gewesen wäre, der ihm ständig und überallhin folgte und ihn offen anbetete. Und was, zum Teufel, sollte man angesichts solch unverhohlener Zuneigung schon groß machen?

Nachdem Coops Vater kurz nach Coops fünfzehntem Geburtstag gestorben war und Coop daraufhin bei seiner Mutter und ihrem zweiten Ehemann hatte leben müssen, war Eddie tatsächlich der einzige Lichtblick in seinem Leben. Erfüllt von Schmerz und Trauer über den Verlust seines Vaters und aggressiv, weil er wusste, dass er es niemals schaffen würde, den hoch gesteckten Erwartungen seiner Mutter zu entsprechen, geriet er ständig mit ihr aneinander. Und daher hatte er, als die Familie in dem Sommer nach seinem High-School-AbSchluss nach Fossil zog, Mary und ihrem Erziehungsstil Marke »Der äußere Schein ist alles« endgültig den Rücken gekehrt und war von zu Hause fortgegangen.

Veronica kehrte mit der Bestellung einer Gruppe, die neu hereingekommen war, an den Tresen zurück. Sie kletterte auf einen Barhocker, während Coop die Drinks mixte, und saß einen Moment lang schweigend da. Ihr Kinn in die Hand gestützt, schaute sie ihm bei der Arbeit zu. »Und was ist mit Ihnen?«, fragte sie schließlich. »Was haben Sie so gemacht, bevor Sie nach Fossil gekommen sind?«

Coop spannte unwillkürlich alle Muskeln an, zwang sich dann jedoch wieder zur Entspannung. Man brauchte kein Psychiater zu sein, um zu erkennen, dass die Indoktrination seiner Mutter, der er von klein auf ausgesetzt gewesen war, ihn leicht paranoid gemacht hatte, wenn es darum ging, Leuten zu erlauben, sich danach, wie er seinen Lebensunterhalt verdiente, eine Meinung über ihn zu bilden. Zugegeben, es war bei ihm schon fast zur Manie geworden – aber er konnte es nun mal nicht ausstehen, nur nach seinem sozialen Status beurteilt zu werden, sondern legte großen Wert darauf, als der Mensch akzeptiert zu werden, der er war. »Ich bin in der Gegend herumgezogen, mal hier, mal dort gewesen.«

»Aha. Und was genau heißt das? Was zum Beispiel tut jemand, der in der Gegend herumzieht, genau?«

Er machte die Bestellung fertig, schob das Tablett beiseite und beugte sich über die Theke, um Veronica mit seinen Unterarmen einzuklammern. »Ein bisschen was von allem, Schätzchen.« Sie hatte etwas an sich, was ihn aufregte, und wenn es ihm auch als eine ziemlich infantile Art von Vergeltungsmaßnahme für seine unfreiwillige Faszination erschien, Veronica zu bedrängen, so machte es ihm doch Spaß, das leichte Aufflackern von Unruhe in ihren Augen zu beobachten und die Art, wie sie sich stocksteif aufrichtete, als sein Gesicht plötzlich zu nahe an ihrem war.

Sie ließ sich jedoch nicht so leicht einschüchtern, denn sie sah ihn so kühl und gelassen an, wie sie überhaupt nur konnte. »Sie wollen also sagen, dass Sie im Grunde ein Herumtreiber sind, der es in keinem Job lange aushält?«

»Hey, ich hatte einen Job, in dem ich es länger als zwölf Jahre ausgehalten habe!«

»Und was war das?«

»Wandervogel.« Mit freundlicher Genehmigung der U. S. Marines.

Sie blickte ihn entnervt und verärgert an. »Und was qualifiziert Sie für diesen Job?«

»Die Tatsache, dass ich Drinks mixen und Betrunkene zur Räson bringen kann, bevor sie anfangen zu randalieren.« Er stieß sich von der Theke ab. »Wieso? Gibt es noch einen anderen Bewerber um diese Position?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Was spielt es dann für eine Rolle, wo ich vorher gearbeitet habe? Das Einzige, worauf es ankommen sollte, ist doch, ob ich in dem Job, den ich für Sie machen soll, kompetent bin. Und, Schätzchen, kompetent ist ein Ausdruck, der noch nicht einmal annähernd ausreicht, um meine Fähigkeiten zu beschreiben. Ich bin verdammt gut in allem, was ich anpacke, ganz gleich, was das ist.« Er lehnte sich erneut über die Theke und streckte die Hand aus, um mit einer Fingerspitze die Kurve zwischen ihrem Daumen und ihrem Zeigefinger nachzuzeichnen. »Sie brauchen sich aber nicht auf mein Wort zu verlassen – Sie können mich gerne testen und sich persönlich von meinem Können überzeugen. Jederzeit. Überall.« Er schob seine Nase dicht an ihre Schläfe und atmete einen Hauch jenes zarten, schwer definierbaren Dufts ein, der sie umhüllte. Dann – verärgert darüber, dass ihm der verführerische Duft prompt zu Kopf stieg – schob er Veronica eine Haarsträhne hinter das Ohr und legte den Kopf schief, um ihr anzüglich ins Ohr zu flüstern: »Auf jedem Gebiet.«

Sie erhob sich abrupt von ihrem Hocker. Ihr Gesicht war gerötet, und ihre Augen schauten leicht nervös, als sie nach dem Tablett griff. Aber sie musterte Coop eisig von oben bis unten und erwiderte: »Tun Sie mir einen Gefallen, ja? Halten Sie die Luft an.« Damit marschierte sie davon.

Coop blickte ihr nach, als sie davonging, und dachte, dass er sich eigentlich dazu gratulieren sollte, wie erfolgreich er sie abgelenkt hatte. Also, warum hatte er stattdessen dieses alte, nur allzu vertraute elende Gefühl im Magen, das er früher immer verspürt hatte, wenn seine Mutter ihn so angesehen hatte, als genügte er ihren Ansprüchen nicht?

Und wenn er wusste, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um den Beweis dafür zu liefern, dass sie zu Recht von ihm enttäuscht war?

Nicht schon wieder Liebe

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