Читать книгу Immer Ärger mit den Männern - Susan Andersen - Страница 7

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Sekunden oder Stunden später – sie konnte es nicht sagen – hörte sie ein lautes Trommeln an der Tür. »Juliet!«, rief Roxanne gleichermaßen drängend wie verängstigt. »Ist alles in Ordnung? Lassen Sie mich rein.«

Juliet beeilte sich, der Bitte nachzukommen. Eilig stolperte sie durch die beiden Zimmer, riss die Tür auf und wäre von Roxannes erhobener Faust mitten im Gesicht getroffen worden, hätte ihre Assistentin nicht den Arm nach unten sinken lassen, als hätte man auf sie geschossen, und sie mit großen Augen reglos angestarrt.

»Mein Gott«, hauchte Roxanne tonlos. »Ihre Haare sind einfach fantastisch. Weshalb tragen Sie sie niemals offen?«

Juliet stand am ganzen Körper zitternd in dem winzig kleinen Flur und ihr Gesichtsausdruck war offenbar genauso leer wie ihr Gehirn, denn ihre Assistentin winkte ungeduldig ab und schob sich an ihr vorbei ins Innere der Suite.

»Alles in Ordnung? Heiliges Kanonenrohr, Mädchen, Sie sind ja praktisch nackt. Obwohl die Unterwäsche wirklich hübsch ist.« Sie schlang einen Arm um Juliets nackte Schultern und es war ein deutliches Zeichen für den Zustand, in dem Juliet sich befand, dass sie wegen der ungewohnten körperlichen Nähe nicht zusammenfuhr, sondern sich gehorsam von Roxanne ins Wohnzimmer geleiten ließ.

Als sie die Tür des Schlafzimmers erreichten, blieb sie allerdings wie angewurzelt stehen. Nie im Leben ginge sie noch einmal in den Raum zurück.

Roxanne bemerkte ihr entgeistertes Gesicht. »Was in aller Welt ist hier passiert? Okay, egal, warten Sie einen Augenblick.« Sie atmete tief ein, hörbar wieder aus, rannte in das Zimmer und kam eine Sekunde später mit einem braungoldenen Seidenkimono zurück. »Also gut«, befahl sie, während sie das Kleidungsstück um Juliets Schultern legte und den Gürtel ordentlich in Höhe ihrer Taille zuband. »Jetzt erzählen Sie mir, was Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt hat.«

»Verzeihung«, ertönte eine kultivierte Stimme mit Südstaatenakzent aus Richtung der Tür. »Ich habe einen Schrei gehört. Kann ich vielleicht irgendwie behilflich sein?«

»Oh, Mr Haynes«, sagte Roxanne erleichtert und wandte sich ihm zu.

»Für Sie Edward, meine Liebe«, verbesserte er sanft. »Erinnern Sie sich noch? Bitte nennen Sie mich Edward – ich bestehe darauf.«

»Ja, natürlich. Bitte kommen Sie herein.« Als der ältere Mann das Wohnzimmer betrat, legte Roxanne eine Hand auf Juliets Arm und sagte: »Das ist Edward Haynes, Juliet. Edward, das ist Juliet Astor Lowell. Sie war diejenige, die so geschrien hat, aber ich habe noch nicht herausgefunden aus welchem Grund.«

Bei der Ankunft des eleganten weißhaarigen Herren riss Juliet sich zusammen. »Da drin«, erklärte sie und wies zitternd auf die Tür des Schlafzimmers. »Es war in meinem Bett – groß, schwarz – Gott, es war so hässlich. Und es ist mir praktisch auf die Füße gefallen, als ich die Decke zurückgeworfen habe. So etwas habe ich nie zuvor gesehen. Es« – sie erschauderte und machte ein paar zappelige Bewegungen mit ihren Fingern – »ist unter das Bett gelaufen.«

»War es ein Tier, meine Liebe? Vielleicht eine Ratte?«

»Nein. Ein Käfer. Aber nicht klein und niedlich, sondern riesig. Regelrecht monströs.«

»Warten Sie hier«, wies Edward die beiden Frauen an. »Lassen Sie mich gucken, ob ich etwas finde.« Damit verschwand er durch die Tür.

Juliet und Roxanne hörten ein paar raschelnde Geräusche, und nun, da der Schock allmählich etwas nachließ, stellte Juliet erleichtert fest, dass sie einen Teil ihrer Fassung wiederzuerlangen schien.

Zum ersten Mal, seit das Insekt von dem Laken geflattert war, nahm sie ihre Umgebung wirklich wahr und merkte, dass auch Roxanne ihre geschäftsmäßige Kleidung gegen einen Hausanzug aus senffarbenem Satin getauscht hatte und ihre weich gelockten, rötlich braunen Haare statt in einem ordentlichen, straffen Knoten mit einem zu einer großen Schleife gebundenen schwarzen Netzstrumpf in einem losen Pferdeschwanz zusammenhielt. Dieser extravagante Look erinnerte Juliet an den Tag, an dem die junge Frau zum Vorstellungsgespräch bei ihr erschienen war, und ihr kam der Gedanke, dass sowohl Roxannes Arbeitsgarderobe als auch ihr Benehmen eine deutliche Veränderung erfahren hatte, seit sie in den Diensten des Crown’schen Unternehmens stand.

Es war nicht so, dass ihr diese Veränderung nicht auch schon vorher aufgefallen wäre – ihr Einverständnis, ein bestimmtes äußeres Erscheinungsbild und auch Benehmen an den Tag zu legen, war eine Grundvoraussetzung für ihre Einstellung gewesen. Bis zu diesem Augenblick jedoch war ihr nicht bewusst gewesen, wie groß diese Veränderung tatsächlich war. Außerdem kam ihr urplötzlich der Gedanke, dass sich Roxanne nur dann von ihrer lässigeren Seite zeigte, wenn sie mit ihr allein war.

Bei dieser Überlegung wallte heiße Zuneigung in Juliet auf. »Danke, Roxanne«, sagte sie voller Inbrunst. »Wenn Sie nicht so schnell gekommen wären, wäre ich wahrscheinlich in meiner Unterwäsche in den Flur hinausgelaufen und hätte mir dabei obendrein die Lunge aus dem Hals geschrien.«

Obwohl sie es versuchte, konnte ihre Assistentin ein Grinsen nicht vollständig unterdrücken. Ihr verzweifeltes Bemühen machte Juliet deutlich, dass sie anscheinend gerade bildlich vor sich sah, wie ihre Chefin gleich einer spärlich bekleideten urzeitlichen Kriegerin den Gang hinunterstürzte, und sie schnaubte leise auf. Sofort hatte sie sich wieder unter Kontrolle, doch dann begegneten sich ihrer beider Blicke und sie brachen gleichzeitig in geradezu hysterisches Gelächter aus.

»Wirklich«, keuchte sie, als sie schließlich wieder zu Atem kam. »Vielen Dank.«

»War mir ein Vergnügen.« Roxanne wischte sich die Tränen aus den Augen. »Das muss wirklich ein doller Käfer gewesen sein. So schockiert habe ich Sie nie zuvor erlebt.«

Juliet konnte es kaum fassen, wie sehr es sie danach verlangte, sich mit Roxanne wie mit einer Freundin zu unterhalten und ihr vertraulich zu erzählen, dass der Anflug des Insekts anscheinend irgendeine Urangst in ihr wachgerufen hatte, durch die jeder halbwegs vernünftige Gedanke aus ihrem Hirn vertrieben worden war. Großmutter hatte sie in dem Glauben erzogen, dass eine Astor Lowell stets Distanz zu ihren Angestellten wahren musste, doch in diesem Augenblick empfand sie ihre Assistentin nicht als Untergebene, sondern als warme, mitfühlende Frau, die sie gerne näher kennen gelernt hätte. Sie öffnete den Mund ...

Und klappte ihn entschieden wieder zu, als Edward ein strahlend weißes Taschentuch um einen Gegenstand gewickelt in der Tür des Schlafzimmers erschien. Sie hatte keine Ahnung, was sie hatte sagen wollen, doch sie hatte das seltsame Gefühl, dass soeben eine große Chance ungenutzt verstrichen war.

»War es das hier, was Sie gesehen haben?« Edward klappte eine Ecke des mit einem Monogramm bestickten Taschentuches auf und beide Frauen wichen angewidert vor dem riesengroßen toten Insekt zurück, das in dem faltenlosen Tuch versteckt gewesen war.

»Mein Gott«, keuchte Roxanne entgeistert. »Was zum Teufel ist denn das? So etwas Widerliches habe ich noch nie gesehen – das Ding ist fast zehn Zentimeter lang.«

»Das ist eine Kakerlake.«

»Iiihhh!« Dann sah sie sich das Tier, wenn auch mit leichtem Widerwillen, noch mal genauer an und meinte skeptisch: »Also bitte. So groß sind Kakerlaken nicht.«

»Oh, hier unten gibt es sie in allen Größen. Manche sind ganz klein, manche aber sogar noch größer als dieses Exemplar. Unglücklicherweise sind Kakerlaken hier in New Orleans, selbst in den exklusivsten Etablissements, ein ziemliches Problem.«

»Oh, mein Gott«, entfuhr es Juliet schwach.

»Allerdings haben wir hier noch nie Kakerlaken gehabt. Und vielleicht ist es für Sie ein kleiner Trost«, erklärte er mit einem mitfühlenden Lächeln, »dass ich nur dieses eine Tier gefunden habe, weshalb ich ziemlich sicher bin, dass das Ganze eine einmalige Sache war. Trotzdem würde ich Ihnen empfehlen, um ganz sicherzugehen, morgen früh den Kammerjäger zu bestellen, damit er das Gebäude gründlich inspiziert. Außerdem würde ich das Bett vielleicht noch frisch beziehen.«

»In dem Bett schlafe ich ganz bestimmt nicht«, erklärte Juliet ihm entschieden. In dieser Suite bekäme sie ganz sicher die ganze Nacht kein Auge zu.

»Trotzdem würde ich veranlassen, das Bettzeug möglichst heiß zu waschen, um ganz sicherzugehen, dass nicht irgendwo Eier versteckt sind.« Er streckte einen Arm aus und tätschelte ihr aufmunternd die Hand. »Es tut mir wirklich Leid, meine Liebe. Ich hätte Sie gern auf eine andere Art und Weise mit New Orleans bekannt gemacht.«

»Danke, Edward. Außerdem möchte ich Sie um Verzeihung bitten. Für gewöhnlich verliere ich nicht so leicht die Beherrschung, wie es heute Abend vielleicht den Anschein hat.«

»Unsinn, meine Liebe – natürlich haben Sie sich erschrocken. Denken Sie einfach nicht mehr darüber nach.«

»Kommen Sie, Juliet«, bat Roxanne mit sanfter Stimme. »Ich helfe Ihnen, in ein anderes Zimmer umzuziehen.«

Da Juliet ihre Kleider noch nicht in den Schränken verstaut hatte, dauerte der Umzug nicht lange. Sie trugen einfach das Gepäck in die gegenüber befindliche Suite, und Roxanne blieb bei ihr, während sie sorgfältig jeden Zentimeter ihrer neuen Bleibe auf ungebetene Gäste untersuchte. Als sie, nachdem die Suche nichts ergeben hatte, kurz darauf ins Bett stieg, war sie sich so gut wie sicher, dass die Kakerlake in dem anderen Zimmer wirklich nur ein unglückliches, einmaliges Vorkommnis gewesen war.

Trotzdem dauerte es Stunden, bis sie sich so weit entspannte, dass sie endlich die Augen schließen konnte.

Am nächsten Morgen machte sie sich auf die Suche nach dem guten Edward und fand ihn schließlich im blauen Salon, wo er, einen mit Krümeln übersäten Teller neben sich auf einem Tischchen, mit einer Gartenzeitschrift in einem tiefen Sessel saß.

Sie klopfte gegen den Türrahmen, streckte den Kopf ins Zimmer und fragte: »Guten Morgen. Darf ich hereinkommen?«

»Selbstverständlich, meine Liebe!« Er nahm seine dunkel gerahmte Lesebrille ab, legte sie zusammen mit der Zeitschrift an die Seite und stand höflich auf. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, dass ich mich hier häuslich eingerichtet habe. Das hier ist mein Lieblingsraum gewesen, seit ich ... nun, eigentlich seit ich denken kann.«

»Nein, natürlich nicht.« Ihr wurde bewusst, wie sehr der Raum ein Spiegel dieses Menschen war. Mit den weich schimmernden, abgewetzten Ledersesseln, den Regalen voller Zeitschriften und Bücher und der spektakulären Sammlung exotischer Karnevalsmasken war er hervorragend bestückt und verströmte gleichermaßen Wärme, Behaglichkeit und Eleganz. »Es muss schwer sein, wenn plötzlich Fremde im eigenen Heim bestimmen.«

»Eigentlich ist es sehr nett, Menschen hier zu haben und zu erleben, wie dieses alte Haus zu neuem Leben erwacht. Obwohl mir dieses Zimmer und der Garten fehlen werden, wenn wir gehen.« Er bedachte sie mit einem sanften Lächeln und erklärte voller Großmut: »Aber ich bin sicher, dass wir etwas finden werden, das hervorragend zu uns passt. Außerdem hoffe ich, Sie haben nichts dagegen, meine Liebe, dass ich noch immer ein, zwei meiner Schätze in diesem Raum verwahre.«

Juliet sah ihn voller Schuldbewusstsein an. »Natürlich nicht. Ich wüsste keinen Grund, weshalb Sie Ihre Gewohnheiten ändern sollten, solange es nicht nötig ist. Mit meinem Erscheinen wollte ich Sie ganz bestimmt nicht stören. Ich wollte mich nur noch einmal dafür bedanken, dass Sie mir gestern Abend freundlicherweise zu Hilfe gekommen sind.«

Er versicherte ihr, dass sie ihn nicht im Geringsten störte, und entschuldigte sich seinerseits dafür, dass einem Menschen und vor allem einer wunderbaren Frau wie ihr in seinem Heim ein solch traumatisches Erlebnis zuteil geworden war. Weshalb Juliet, als sie sich mit einer leichten Verbeugung zurückzog, nicht hätte sagen können, ob sie lachen oder lieber weinen sollte. Er war ein wirklich süßer Mensch.

Über all der Freude über dieses wunderbare Haus war sie nie auf die Idee gekommen, dass durch die Umwandlung des Anwesens in ein Hotel ein wunderbarer alter Herr sein Heim verlor.

»Tag, Miss Roxanne. Ist die Chefin schon bereit, auf Tour zu gehen?«

Roxanne hob den Kopf von den Papieren, die sie gerade durchsah, entdeckte Sergeant Dupree, der lässig durchs Foyer geschlendert kam, und konnte nichts dagegen tun, dass ihr Herz bei seinem Anblick etwas schneller schlug. Himmel, was für ein Bild von einem Mann. Trotzdem sah sie ihn mit zusammengekniffenen Augen an, denn sie hatte die Vermutung, dass er seine eigenen Pläne in Bezug auf Juliet Rose hatte. Was vielleicht nicht schlecht war, doch das würde sie erst beurteilen, wenn sie weitere Informationen über ihn bekam.

»Nehmen Sie Platz, Sergeant«, bat sie ihn in ihrem mühsam erworbenen geschäftsmäßigen Ton. »Ich werde Ms Astor Lowell wissen lassen, dass Sie da sind.« Sie drückte den Knopf der Gegensprechanlage und meldete ihn an.

Roxanne betete Juliet an. Ihr war durchaus bewusst, dass Juliets Vater es missbilligt hatte, dass nicht eine dieser schmalbrüstigen jungen Damen aus der so genannten besseren Gesellschaft von ihr als Assistentin angeheuert worden war. Thomas Lowell machte keinen Hehl daraus, dass Roxanne in seinen Augen minderwertig war – doch trotz ihres Verlangens, ihrem Vater zu gefallen, hatte Juliet sich seinen Wünschen widersetzt und nahm sie auch heute noch, wann immer sie zu dritt zusammentrafen, vor seinen Angriffen in Schutz.

Für Roxanne war Juliet eine echte Dame, und, wenn auch nur, damit die Chefin es niemals bereute, dass sie ihr eine Chance gegeben hatte, eiferte sie ihr in sehr vielen Dingen nach. Trotzdem hätte sie ganz sicher nichts dagegen, wenn irgendjemand Juliet mal nicht wie eine Dame, sondern ganz einfach wie eine Frau behandelte.

Soweit Roxanne bisher gesehen hatte, wurde Juliet nie von irgendwem wirklich berührt – weder von ihrem stocksteifen Vater noch von ihrer schmerzlich anständigen Oma noch von einem der Ultra-WASPs, einem der superwohlerzogenen, gebildeten, jungen weißen Männer, von denen sie sich auf irgendwelche Empfänge begleiten ließ. Natürlich war es möglich, dass ein paar dieser Begleiter privat nicht ganz so wohlerzogen waren, doch Roxanne ging nicht davon aus.

Heimlich verfolgte sie, wie Beau ungeduldig in einer Zeitschrift blätterte. Tja, er war ein echter Kerl, und es sah bestimmt nicht aus, als würde es besonders lange dauern, bis er seine gute Erziehung im Zusammensein mit einer Frau vergaß. Es hatte ihr durchaus gefallen, wie nahe er der guten Juliet bereits am Vortag ein ums andere Mal gekommen war. Nur hoffte sie, verdammt noch mal, dass er dies in guter Absicht tat.

In ihrem Büro atmete die arme Juliet so tief wie möglich ein und langsam wieder aus, klopfte eine nicht existente Fluse vom Rock ihres weit schwingenden Kleides und strich sich unnötigerweise ihren tadellosen Knoten glatt. Dann setzte sie eine höfliche, doch möglichst kühle Miene auf und öffnete die Tür.

Wie bereits am Vortag wurde ihr Herzschlag deutlich schneller, als sie Beau Dupree auf einem der zerbrechlichen, antiken Stühle des Empfangsraums fläzen sah. Als er bei ihrem Eintreten den Kopf hob, hatte sie plötzlich einen völlig ausgedörrten Mund, weshalb sie sich verstohlen mit der Zunge die Lippen befeuchtete, als sie ihn seine Zeitschrift auf das kleine Beistelltischchen werfen sah.

Er stand auf, sah sie herablassend von oben bis unten an und bedachte sie mit einem knappen Nicken: »Miss Juliet.«

»Sergeant Dupree.«

Er zog einen seiner Mundwinkel nach oben. »Nenn mich einfach Beau, Schätzchen. Schließlich werden wir beide jede Menge Zeit miteinander verbringen.«

»Also gut, Beau.« Sie entschied sich dagegen, sich erneut gegen den Kosenamen zu verwahren. Wogegen sie eindeutig hätte protestieren sollen, war die Tatsache, dass er sie einfach durch die Gegend schleppen wollte, während es noch Tausende von Dingen vor der Eröffnung des Hotels zu erledigen gab.

Doch sie sagte nichts. Der Sergeant musste seine eigentliche Arbeit liegen lassen, um den Leibwächter für sie zu spielen, obgleich das, wie sie beide wussten, überhaupt nicht nötig war. Also war sie es ihm schuldig, ihn dorthin zu begleiten, wohin seine eigentliche Tätigkeit ihn rief. Sie würde einfach später nachholen, wozu sie jetzt nicht kam.

»Können wir?« Die Frage war eindeutig rhetorisch, denn ohne eine Antwort abzuwarten, nahm er sie am Arm und steuerte bereits entschieden Richtung Tür. »Bis später, Miss Roxanne.«

»Ich erwarte Juliet – spätestens um drei zurück, Sergeant. Dann hat sie einen Termin.«

»Sehr wohl, Ma’am.«

Sobald Juliet aus der Tür trat, ging die raue Wärme von Beaus Hand, die immer noch auf ihrem Arm lag, in der schwülen Mittagshitze unter. Der allgegenwärtige leicht sumpfige Geruch, den sie allmählich mit New Orleans verband, und die schweren, süßlichen Aromen ihr unbekannter Blumen hingen schwer in der drückend heißen Luft. Sofort klebte ihr Seidenkleid an ihrem Körper, und während sie zwei Finger gegen ihr Steißbein drückte, atmete sie so tief wie möglich ein. Himmel, es war, als hielte jemand ihr ein Stückchen nasser Wolle vor den Mund.

»Zu Anfang ist die Hitze ziemlich überwältigend, nicht wahr?«

Als Beau neben seinem Wagen stehen blieb, um ihr die Tür zu öffnen, sah sie ihn fragend an. »Wie lange dauert es, bis man damit zurechtkommt?«

»Ich bin mir nicht sicher, ob einem das jemals wirklich gelingt. Ich zum Beispiel wurde hier geboren und habe mich noch immer nicht vollkommen an das Sommerwetter hier gewöhnt. Passen Sie auf Ihren Kopf auf.«

Juliet schob sich auf den butterweichen Schalensitz, legte den Stoff ihres Kleides über ihre Knie, als Beau die Tür hinter ihr schloss, und strich bewundernd mit den Fingern über den schimmernd dunkelgrünen Lack unterhalb des heruntergekurbelten Fensters. Sie hatte sich schon immer einen solchen Sportwagen gewünscht. Stattdessen fuhr sie in einer eleganten, von ihrem Vater für sie ausgesuchten Mercedes-Limousine durch die Gegend, die für ihre Großmutter passend gewesen wäre, dachte sie erbost. Am Vortag war sie zu erregt gewesen, um Einzelheiten zu bemerken, nun jedoch, während Beau um die lang gezogene Kühlerhaube seines Fahrzeugs ging, sah sie sich in dem tadellos gepflegten Innenraum des Wagens mit seinem kleinen Holzlenkrad und dem dicken weichen Teppichboden, in dem ihre Sandalen beinahe versanken, um. Nur schade, dass sich das Dach nicht runterklappen ließ.

Bei diesem wehmütigen Gedanken setzte sie sich kerzengerade auf. Gütiger Himmel, saß sie tatsächlich wie ein schwärmerisches Schulmädchen in freudiger Erwartung einer Spritztour in einem schnellen Auto hier auf ihrem Platz? Sie war zweiunddreißig Jahre alt, hatte sich in teuren Luxus-Limousinen herumchauffieren lassen und mit der Concorde in Rekordzeit den Atlantik überquert. Um Gottes willen, schließlich war dies nicht das Batmobil, sondern einfach ein tiefer gelegter, gut erhaltener alter Wagen. Was ja wohl keine allzu große Sache war.

Sie spürte, wie ihr Rückgrat unter der Kraft des Fahrzeuges vibrierte, als Beau den Motor anließ. »Nettes Auto«, sagte sie, sprach dieses Kompliment jedoch mit möglichst kühler Stimme aus, um sich ja nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihr das Gefühl von Kraft und Energie gefiel, das sich von dem Fahrzeug auf sie übertrug.

»Das ist kein Auto, Süße, sondern ein Pontiac GTO Royal Bobcat, Baujahr 1969.« Beau strich zärtlich über das Armaturenbrett des Wagens. »Dieses Baby ist ein echter Klassiker; es zeugt von dem Genie, mit dem in Detroit Fahrzeuge entwickelt werden.«

»Tja, nun, verzeihen Sie mir meine Ignoranz«, antwortete Juliet und murmelte ohne nachzudenken: »Himmel. Jungs und ihre Spielzeuge.«

Er wandte sich ihr zu, und sie hatte das Gefühl, dass sie von seinen schwerlidrigen dunklen Augen regelrecht an ihrem Platz festgenagelt wurde. »Ich habe auch noch anderes Spielzeug, das ich dir zeigen könnte, Schätzchen. Wenn du artig darum bittest, lasse ich dich vielleicht sogar mit ein paar der Sachen spielen.«

Es war ihr peinlich, dass sie ihre Überlegungen tatsächlich hörbar ausgesprochen hatte, zugleich jedoch hätte es sie wirklich interessiert, ob er mit seiner Antwort das hatte zum Ausdruck bringen wollen, was sie dachte. Aber ... das war vollkommen unmöglich. Für den Fall jedoch, dass sie sich irrte, reckte sie das Kinn und sah ihn möglichst kühl über ihre hübsche Nase hinweg an.

Als er darauf fröhlich grinste, hoben sich seine strahlend weißen Zähne deutlich von der dunklen Haut seines Gesichtes ab. Dann beugte er sich plötzlich über sie, seine Lippen waren nur noch Zentimeter von ihrem Mund entfernt, seine Brust berührte ihren Körper, seine linke Hand glitt langsam an ihrem rechten Arm herunter und ... Juliet fuhr mit wild pochendem Herzen auf ihrem Sitz zurück. »Was machen Sie da?«

»Ich suche deinen Gurt.« Er schien nur mit ihrem Mund zu sprechen, doch als sie sich nervös die Lippen leckte, schüttelte er lediglich den Kopf, runzelte die Stirn, zog den Gurt entschieden über ihre Taille, setzte sich zurück auf seinen Sitz und sah sie fragend an. »Tja, Miss Juliet, was glaubst du, was ich hier mache?«

»Ich habe keine Ahnung.« Um Himmels willen, wenn sie noch etwas steifer würde, könnten sie auf ihr bis nach Havanna surfen, dachte sie. Dieser blöde Kerl hatte einfach das Talent, sie ohne jede Mühe derart aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass ihr nur noch lauter Schwachsinn über die Lippen kam.

»Ich bin ein Vertreter des Rechts, Rosenknospe – du willst doch wohl nicht, dass ich vorsätzlich eines unserer Gesetze übertrete, indem ich dich ohne Gurt mitfahren lasse, oder?«

»Oh, nein, Beauregard, das möchte ich natürlich nicht.« Sie konnte es kaum glauben, zu welchem Sarkasmus sie in der Lage war, doch er drückte irgendwelche Knöpfe bei ihr, deren Existenz ihr bisher nicht bewusst gewesen war, und selbst wenn es um ihr Leben gegangen wäre, hätte sie ihm gegenüber nicht die Souveränität beweisen können, die ihr sonst zu eigen war.

»Das hatte ich auch nicht erwartet. Und jetzt entspann dich, Schätzchen, und genieß die Fahrt.« Er legte den ersten Gang ein, schoss brausend aus der Einfahrt und lenkte den Wagen ohne abzubremsen auf die Straße.

Heißer, feuchter Wind wehte durch die offenen Fenster, und als Beau den Knopf der Stereoanlage drückte, drang aus den Lautsprecherboxen sinnlich kühler Jazz. An jeder roten Ampel, die sie zum Stehenbleiben zwang, jaulte der Motor seines Wagens ungeduldig auf, und Juliet merkte, dass sie wirklich tat, wie ihr von ihm geheißen, nämlich dass sie die Fahrt genoss.

Sie strich sich ein paar vom Wind gelöste Strähnen mit der Hand aus dem Gesicht, blickte auf die Reihe immergrüner Eichen, die miteinander verschwammen, als sie den Boulevard hinunterschossen, und wandte sich an Beau: »Sind die Bäume auf dem Mittelstreifen so alt, wie sie aussehen?«

»Wir sind hier in New Orleans, Schätzchen«, erklärte er mit einem Grinsen, das eine Reihe kleiner Fältchen in seine Wangen grub. »Hier gibt es keine Mittelstreifen, sondern höchstens neutrales Terrain. Aber, um deine Frage zu beantworten: ja, wahrscheinlich, kommt allerdings auf deine Definition von alt an. Diese Bäume sind nicht die ältesten, die wir hier haben, aber sie wurden immerhin vor über hundert Jahren angepflanzt.«

Bald wichen die breiten Boulevards den schmaleren Straßen des französischen Bezirks, des so genannten French Quarter. Während Beau nach einem Parkplatz suchte, sah Juliet interessiert hinaus.

Überall lag irgendwelcher Unrat und aus allen Häusern drang Musik. Dies war eine alte Gegend, und die engen Gassen wurden beinahe ausnahmslos von niedrigen, mit filigranem Schmiedeeisenkunstwerk verzierten Backsteinhäusern gesäumt. Alles wirkte ziemlich europäisch, und da es keine Wolkenkratzer gab, hätte man sich beinahe fühlen können wie im neunzehnten Jahrhundert ... nur, dass es in den Häusern jede Menge Striplokale, Horoskopgeschäfte sowie Sexshops gab.

Beau fand einen Parkplatz, half ihr einen Moment später aus dem Wagen, packte abermals ihr Handgelenk und zog sie gnadenlos hinter sich her.

Juliet hatte sich immer als weltgewandte Frau betrachtet, nie zuvor in ihrem Leben hatte sie jedoch Schaufenster voll penisförmig zusammengedrehter Halstücher, voll getrockneten Getiers, wie man es für irgendwelche Voodoo-Zauber brauchte, und voll erotischer Utensilien, deren Verwendungszweck sie nicht einmal erahnte, aus der Nähe betrachten können. Sie wäre gerne stehen geblieben und hätte sich die Waren genauer angesehen. Beinahe wäre ihr vor lauter Staunen die Kinnlade heruntergeklappt.

Aufgrund der mittäglichen Hitze waren nicht allzu viele Menschen auf der Straße, die ihr unverhohlenes Erstaunen hätten mitbekommen können, und Beauregard marschierte derart fest entschlossen in Richtung eines ihr unbekannten Zieles, dass sie es schließlich wagte, sich, wenn auch möglichst verstohlen, umzusehen. Durch die offenen Türen der Lokale und Geschäfte drangen Zigarettenrauch und fröhliche Musik zu ihr heraus. Über ihrem Kopf pries eine Werbetafel in unmissverständlichen Worten die Vorzüge der Sexshow im Inneren des Ladens an. Nie hätte sie sich auch nur träumen lassen, dass es solche Dinge gab, und als sie die Tür des Etablissements passierten, ging sie etwas langsamer als vorher, um, wenn möglich, einen kurzen Blick auf das zu werfen, was in dem Haus vor sich ging.

Während sie noch über ihre Schulter blickte, zog er sie durch die Tür des nebenan befindlichen Lokals. Im plötzlichen Dämmerlicht des Ladens sah sie nur noch verschwommen, und der rauchige Nebel, der in dichten Wogen von der Decke wehte, brachte sie zum Niesen. »Entschuldigung«, murmelte sie und zog, während sie nochmals nieste, ein frisch gestärktes Taschentuch aus ihrer Handtasche hervor. Vage hörte sie einen überwiegend von Blasinstrumenten intonierten, sanften Blues, der aus diversen Lautsprechern drang.

Beau führte sie zu einem Barhocker, und während sich ihre Augen langsam an das schummerige Licht gewöhnten, nahm sie darauf Platz.

Direkt vor ihr hockte eine Frau mit unglaublich großen, nackten Brüsten auf hochhackigen Schuhen auf dem lang gezogenen Tisch, und als sie mit einem Mal die Knie spreizte und dadurch den Blick zwischen ihre Beine freigab, riss Juliet ruckartig den Kopf zurück. Die drei schlaffen, gefalteten Dollarnoten, die aus ihrem goldenen Tanga ragten, verdeckten tatsächlich mehr als das paillettierte Höschen. Dann stützte die Frau die Hände auf die Knie, reckte leicht den Hintern in die Höhe und ließ die Hüften langsam in einer Weise kreisen, die im besten Fall als lüstern zu bezeichnen war.

Großer Gott, dies war ein Striplokal.

Wie faszinierend, dachte Juliet und legte durchaus zufrieden die Hände in den Schoß.

Immer Ärger mit den Männern

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