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Waffenstillstand

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Am Vormittag des 6. November traf die Lansing-NoteLansing, Robert ein und bot einen Anknüpfungspunkt für die Waffenstillstandsverhandlungen. Am Morgen des 8. November erreichte ErzbergerErzberger, Matthias den Wald von CompiègneCompiègne. Dort, in der Gemeinde RethondesRethondes, hatte bis zum Frühjahr 1918 das Alliierte Oberkommando seinen Sitz gehabt. Für die Alliierten waren Marschall FochFoch, Ferdinand, seit April 1918 Oberbefehlshaber der alliierten Streitkräfte, und Generalstabschef General WeygandWeygand, Maxime anwesend, außerdem zwei britische Admiräle. Die deutschen Delegierten sagten, sie seien gekommen, um den Vorschlägen für einen Waffenstillstand entgegenzusehen. FochFoch, Ferdinand entgegnete: »Ich habe keine Vorschläge zu machen.« Dann forderte er seinen Generalstabschef auf, die Bedingungen des Waffenstillstandes zu verlesen.34 Vom ersten Augenblick an zeichnete sich ab, dass die Deutschen nur wenig würden verändern können. Diese Haltung der Alliierten war nachvollziehbar, denn für sie stand fest, dass die Mittelmächte besiegt waren; auch die Rechtmäßigkeit der eigenen Forderungen stellten sie nicht infrage. Aus diesem Grund waren auch die zentralen Kriegsziele, nämlich die Rückgabe Elsass-LothringensElsass-Lothringen an FrankreichFrankreich und die Wiederherstellung BelgiensBelgien, nicht verhandelbar.

ErzbergerErzberger, Matthias, der bei seiner Ankunft im Wald von CompiègneCompiègne nicht wusste, ob er noch für die Monarchie oder schon für die Republik verhandelte, kabelte die zentralen Bedingungen für einen Waffenstillstand an die Regierung und erkundigte sich, ob er die Vollmacht habe, zu unterschreiben. Aus BerlinBerlin erhielt ErzbergerErzberger, Matthias ein Telegramm, ohne Namensnennung unterzeichnet vom »Reichskanzler«, in dem er ermächtigt wurde, zu unterzeichnen.35 Auch HindenburgHindenburg, Paul von schickte ein Telegramm an ErzbergerErzberger, Matthias und legte dar, in welchen Punkten nachverhandelt werden solle: Eine neutrale Zone wollte HindenburgHindenburg, Paul von unbedingt vermeiden; auch bei den Räumungsfristen sowie der Anzahl der zu übergebenden Lastwagen und Eisenbahnwaggons versuchte er Änderungen zu erwirken. Zumindest für Lebensmittel sollte die Blockade geöffnet werden. »Gelingt Durchsetzung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen«, hieß es in dem Telegramm. Sollte sich FochFoch, Ferdinand nicht darauf einlassen, den genannten Erleichterungen zuzustimmen, wäre »flammender Protest unter Berufung auf WilsonWilson, Woodrow zu erheben«.36 Das stützt die These des deutschen Historikers Eberhard KolbKolb, Eberhard, dass die OHL sich in die Verhandlungen einmischte, obwohl sie politisch nicht legitimiert war und die Verantwortung für die militärische Niederlage nicht übernehmen wollte.37 Die deutschen Delegierten konnten in der Tat einige kleine Änderungen erreichen:38

1 Inkrafttreten sechs Stunden nach Unterzeichnung.

2 Sofortige Räumung von BelgienBelgien, FrankreichFrankreich, Elsass-LothringenElsass-Lothringen innerhalb von 14 Tagen. Was an Truppen übrigbleibt, interniert oder kriegsgefangen. [LuxemburgLuxemburg: 15 Tage.]

3 Abzugeben 5000 Kanonen, zunächst schwere, 30 000 Maschinengewehre, 3000 Minenwerfer, 2000 Flugzeuge. [25 000 Maschinengewehre, 1700 Flugzeuge.]

4 Räumung des linken RheinufersRhein, MainzMainz, KoblenzKoblenz, KölnKöln besetzt vom Feind auf Radius von 30 Kilometern.

5 Auf rechtem RheinuferRhein 30 bis 40 Kilometer tiefe neutrale Zone. Räumung in 11 Tagen. [10 Kilometer Breite.]

6 Aus linkem RheinuferRhein nichts wegführen, alle Fabriken, Eisenbahnen usw. intakt belassen.

7 5000 Lokomotiven, 10 000 Waggons [muss heißen 150 000 Waggons], 10 000 Kraftwagen abzugeben. [5000 Lastkraftwagen.]

8 Unterhalt der feindlichen Besatzungstruppen durch Deutschland.

9 Im Osten alle Truppen hinter Grenze vom 1. August 1914 zurückzunehmen; Termin dafür nicht angegeben.

10 Verzicht auf Verträge von Brest-LitowskBrest-Litowsk und BukarestBukarest.

11 Bedingungslose Kapitulation von Ost-Afrika. [Abzug aller deutschen, in OstafrikaOstafrika kämpfenden Truppen.]

12 Rückgabe des Standes der belgischen Bank, des russischen und rumänischen Goldes.

13 Rückgabe der Kriegsgefangenen ohne Gegenseitigkeit.

14 Abgabe von 100 U-Booten, 8 leichten Kreuzern, 6 Dreadnoughts; die übrigen Schiffe desarmiert und überwacht von Alliierten in neutralen oder alliierten Häfen. [Alle zur Zeit vorhandenen Unterseeboote mit vollständiger Bewaffnung und Ausrüstung.]

15 Alle Forts und Batterien im KattegattKattegatt zu besetzen von Alliierten.

16 Blockade bleibt bestehen. Deutsche Schiffe dürfen weiter gekapert werden. [Die Alliierten und die Vereinigten StaatenUSA stellen in Aussicht, während der Dauer des Waffenstillstandes, Deutschland in dem als notwendig anerkannten Maße mit Lebensmitteln zu versorgen.]

17 Alle von Deutschland für Neutrale verhängten Beschränkungen der Schiffahrt werden aufgehoben.

18 Waffenstillstand dauert 30 Tage.39

Am frühen Morgen des 11. November unterzeichnete ErzbergerErzberger, Matthias den Waffenstillstand, sechs Stunden später, um 11 Uhr, nach 1560 Tagen, schwiegen die Waffen. Doch damit war der Krieg noch nicht endgültig beendet. Dreimal wurde in den folgenden Monaten der Waffenstillstand verlängert, erst am 16. Februar 1919 auf unbegrenzte Frist.40 Einen Tag später, am 17. Februar 1919, war die vereinbarte Rückführung der rund 190 Divisionen des deutschen Westheeres abgeschlossen. Die Waffenstillstandsvereinbarungen nahmen in vielerlei Hinsicht den Friedensvertrag vorweg. Bereits am 11. November hatten die Alliierten ihre wichtigsten Kriegsziele festgeschrieben: die Rückgabe Elsass-LothringensElsass-Lothringen an FrankreichFrankreich, der RheinRhein als strategische Grenze und die Internierung der deutschen Hochseeflotte bei Scapa FlowScapa Flow. Letzteres war für GroßbritannienGroßbritannien ein zentrales Ziel, denn mit dem Ausbau der eigenen Schlachtflotte hatte Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts die Seemacht gezielt provoziert. Alle Kriegsgefangenen der Siegermächte wurden sofort freigelassen. Ihre genaue Zahl ist sowohl anhand der zeitgenössischen Quellen als auch in aktuellen Darstellungen nur ungefähr zu ermitteln, oft ist nicht eindeutig, auf welches Datum sich die Zahlen beziehen. Eine deutsche Quelle aus dem Jahr 1939 gibt an, dass sich während des Krieges unter anderem 535 411 Franzosen in deutscher Kriegsgefangenschaft befanden, 185 329 Engländer, 2457 Amerikaner, 1 434 529 Russen, 133 283 ItalienerItalien.41 Die deutschen Kriegsgefangenen, 424 157 in FrankreichFrankreich und BelgienBelgien, 328 020 in EnglandGroßbritannien, 49 560 in den Vereinigten StaatenUSA und rund 24 000 in anderen Ländern, verblieben bis zum Abschluss eines Friedensvertrages in den Händen der Alliierten.42

Die deutsche Öffentlichkeit konnte bald der Presse die Waffenstillstandsbedingungen entnehmen. Mit zweitägiger Verzögerung erschienen das Telegramm, in dem Matthias ErzbergerErzberger, Matthias die Bedingungen nannte, zum Beispiel im Vorwärts. Doch die Deutschen waren mit den Unruhen und dem Sturz der Monarchie so beschäftigt, dass das Ende des Krieges in den Hintergrund trat. Zwar wurden die heimkehrenden Soldaten jubelnd begrüßt, in BerlinBerlin von Friedrich EbertEbert, Friedrich mit den Worten »Euch hat kein Feind besiegt«.43 Aber die große Begeisterung über das Ende des Blutbades brandete an anderen Orten auf: In ganz FrankreichFrankreich verkündeten Glocken und Kanonenschüsse um 11 Uhr das Ende der Kämpfe. Schulkinder, Arbeiter und Beamte strömten in ParisParis jubelnd auf die Straßen. Eine Statue, die StraßburgStraßburg personifizierte, war mit Blumen und französischen Fahnen geschmückt. In LondonLondon zogen die Menschen vor den Buckingham Palast, und auch in WashingtonWashington sowie New YorkNew York wogten die Menschen lachend und Fähnchen schwenkend durch die Straßen. In ParisParis trug die Menge eine Strohpuppe, deren struppiger Bart Kaiser Wilhelm II.Wilhelm II. erkennen ließ. Um den Hals trug sie ein Schild mit der Aufschrift: »Mörder!«, bald darauf brannte die Puppe. Die Wut auf den deutschen Kaiser, den formellen Oberbefehlshaber, der in einem amerikanischen Propagandafilm »The Beast of BerlinBerlin« genannt wurde, war so groß, dass seine Auslieferung und Anklage als Kriegsverbrecher eine Forderung der Siegermächte werden sollte. In WashingtonWashington trugen die Menschen einen rasch aus Tüchern gefertigten Sarg: »Kaisers coffin«. Die britische Wochenschau zeigt Premierminister David Lloyd GeorgeLloyd George, David unter dem Zwischentitel: »Er brachte uns einen ehrenvollen Frieden.«44 In New YorkNew York reckten jubelnde Menschen Zeitungen in die Höhe: »Germany surrenders«, ›Deutschland kapituliert‹ war auf den Titelseiten zu lesen.45 Die Feiern zogen sich bis in den Abend. In ParisParis wurde die Ausgangssperre gelockert, bis 23 Uhr sangen und tranken die Menschen in den Bars.

Bereits ein paar Tage später hatten die Franzosen einen weiteren Grund zum Feiern: Am 17. November kehrte Elsass-LothringenElsass-Lothringen offiziell zurück. Französische Truppen drangen direkt nach dem Waffenstillstand bis zum linken RheinuferRhein vor. Mit ihrer Ankunft wurde das gesamte deutsche System weggefegt. Arbeiter- und Soldatenräte wurden aufgelöst, Kaiserstandbilder umgestürzt, alte französische Namen wiedereingeführt: Die Regionen hießen nun wieder Bas-Rhin, Haut-Rhin und Moselle. Zwar konnte die deutsche Sprache nicht abgeschafft werden, doch ihr Gebrauch wurde eingeschränkt. Ab Dezember 1918 durfte nach 22 Uhr auf den Straßen nicht mehr deutsch gesprochen werden. Im Verlauf einiger Wochen wurden Wege und Orte umbenannt: FochFoch, Ferdinand, JoffreJoffre, Joseph, PoincaréPoincaré, Raymond und ClemenceauClemenceau, Georges ersetzten BismarckBismarck, Otto von, Kaiser Wilhelm II.Wilhelm II. und HindenburgHindenburg, Paul von.46 Deutsche Bürgermeister und die Elsass-LothringerElsass-Lothringen, die für die Deutschen gearbeitet hatten, wurden unverzüglich durch Personen mit einer unbestritten profranzösischen Haltung ersetzt. Somit bestätigte der Versailler Vertrag Monate später lediglich einen Zustand, der seit dem Waffenstillstand bereits eingeleitet worden war.

Die Regierung beschloss eine radikale Entfernung der deutschstämmigen Bevölkerung sowie die Beseitigung des deutschen wirtschaftlichen Einflusses und setzte die Maßnahmen ebenso schnell wie schonungslos um. Deutsche erhielten als Personalausweis die »Karte D«. Ihre Ausweisung begann im Dezember 1918, jeder durfte 30 Kilogramm Gepäck, Proviant für zwei Tage und 200 Mark mitnehmen. Viele verließen das Land schon vor der Ausweisung. Sie gaben Häuser und Besitz ohne Hoffnung auf Rückkehr auf. Einige Franzosen versuchten, manchmal mit Erfolg, ihre deutschen Freunde zu schützen, doch von November 1918 bis Anfang 1920 wurden rund 100 000 Menschen ausgewiesen. Die Wiedereingliederung in das französische Verwaltungs- und Rechtssystem war 1925 im Wesentlichen abgeschlossen, der Weg dorthin erfolgte allerdings nicht ohne Krisen, etwa bei der Wiedereinführung des Francs, der Übernahme der Departementstruktur und der Einführung der französischen Gesetzgebung.47 Für die »Entflechtung« der Wirtschaft des Reichslandes mit Deutschland (die lothringische Stahlindustrie benötigte beispielsweise Koks aus dem RuhrgebietRuhrgebiet) wurde eine Übergangszeit von fünf Jahren vereinbart, danach wurden die drei Departements in das französische Zollsystem eingegliedert.

Viele Bürger, nicht nur die Ausgewiesenen, erlebten sich als Verlierer. Elsass-LothringenElsass-Lothringen war keineswegs eine homogene Einheit, zwischen Elsässern und Lothringern bestanden viele Unterschiede in der Lebensweise, Religion und Sprache. Gemeinsam war ihnen, dass sich in den Jahren der Zugehörigkeit zu Deutschland spezifische soziale und kulturelle Verhaltensweisen herausgebildet hatten. Einige als positiv wahrgenommene Errungenschaften der deutschen Periode sollten daher bewahrt bleiben, zum Beispiel die Sozialgesetzgebung sowie die Schul- und Religionspraxis. Die Franzosen empfanden die Rückführung von Elsass-LothringenElsass-Lothringen als Wiedergutmachung für das Unrecht des FrankfurterFrankfurt am Main Vertrages von 1871 und als Sieg des Rechts. Für die Deutschen schien der Verlust aber nie so schmerzhaft wie die Gebietsverluste im Osten. Nach wenigen Jahren hatte die große Mehrheit der Bevölkerung in den wiedererlangten Provinzen die Rückkehr zu FrankreichFrankreich akzeptiert, selbst diejenigen, die in den vorangegangenen Jahrzehnten vollkommen deutschsprachig geworden waren.48

Am 4. Dezember verließ der amerikanische PräsidentWilson, Woodrow auf der George Washington mit seiner Frau, seinem Arzt Dr. Grayson, dem italienischen und französischen Botschafter, Leibwächtern vom Secret Service und einem großen Stab an Mitarbeitern die Vereinigten StaatenUSA. Seine Überzeugung, dass er persönlich an der PariserParis Friedenskonferenz teilnehmen müsse, hatte nicht nur Außenminister LansingLansing, Robert verärgert. Auch in der Heimat regte sich Widerstand, vor allem bei den Republikanern, die seit den Kongresswahlen im November 1918 über eine Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus verfügten. Der Republikaner Theodore RooseveltRoosevelt, Theodore attackierte WilsonWilson, Woodrow scharf und warf ihm vor, er habe die 14 Punkte weder mit dem Kongress diskutiert noch der Öffentlichkeit erläutert.49 Doch WilsonWilson, Woodrow, als Demokrat nun in der Opposition, ignorierte die Kritik. Am 2. Dezember 1918 erklärte er dem Kongress:

»Wir sind dabei, diesem Frieden eine Ordnung und eine Organisation zu geben, nicht nur für uns, sondern auch für alle Völker der Erde, sofern sie uns gestatten, ihnen zu dienen. Wir streben nach internationaler Gerechtigkeit und nicht nur nach heimischer Sicherheit.«50

Am 13. Dezember 1918 traf er in der französischen Hafenstadt BrestBrest ein. Zum ersten Mal besuchte ein amerikanischer Präsident während seiner Amtszeit Europa. Er wurde begeistert von den Bürgern begrüßt, viele hatten sich in traditioneller bretonischer Tracht im Hafen eingefunden und jubelten ihm zu. Auch in der Nacht standen Menschen bei Kälte entlang der Bahngleise, als der Zug WilsonWilson, Woodrow nach ParisParis brachte.51 In den kommenden Wochen reiste WilsonWilson, Woodrow nach EnglandGroßbritannien (Ende Dezember 1918) und im Anschluss daran nach ItalienItalien. Überall bereiteten ihm die Menschen einen jubelnden Empfang. In ParisParis schmückten beleuchtete Schriftzüge »Vive Wilson«Wilson, Woodrow die Straßen, und am 16. Dezember wurde der Präsident zum Ehrenbürger der Stadt ernannt.52 Das Bad in der Menge genoss der Präsident, denn der jubelnde Beifall bewies, wie begeistert die Menschen seine Vision eines gerechten Friedens unterstützten. Hundertausende kamen auf die Straße, als WilsonWilson, Woodrow RomRom, MailandMailand und TurinTurin besuchte. Er wurde wie ein Friedensgott empfangen, berichteten seine Begleiter.53 WilsonWilson, Woodrow hatte sich selbst hohe Ziele gesteckt, aber auch die Menschen erwarteten Großes von ihm. Dem Präsidenten schmeichelte die Zustimmung sehr. Zugleich hoffte er, dass seine Beliebtheit die Kritiker verstummen ließe. Sein Arzt Grayson notierte nach der Ankunft in ParisParis in sein Tagebuch: »Armer WilsonWilson, Woodrow. Ein Mann, der so viel Verantwortung trägt, ist zu bedauern. Die Franzosen glauben, dass er geradezu mit Zauberhand politische und industrielle Gerechtigkeit bringen wird. Wird er? Kann er?«54

WilsonsWilson, Woodrow Gesprächspartner hatten zu diesem Zeitpunkt andere Prioritäten. David Lloyd GeorgeLloyd George, David hielt sich noch in EnglandGroßbritannien auf, da die bevorstehenden Wahlen am 14. Dezember 1918 seine ganze Aufmerksamkeit erforderten. Erst nach Weihnachten waren alle Stimmen ausgezählt, so dass der alte und neue Premierminister nun endlich WilsonWilson, Woodrow in LondonLondon treffen konnte. In ParisParis kam WilsonWilson, Woodrow sowohl mit Präsident PoincaréPoincaré, Raymond als auch mit dem Ministerpräsidenten zusammen. ClemenceauClemenceau, Georges gewann einen guten Eindruck von WilsonWilson, Woodrow, den er für freundlich hielt, aber auch für schockierend unwissend über die Lage in Europa.55 Lloyd GeorgeLloyd George, David und ClemenceauClemenceau, Georges merkten rasch, dass für WilsonWilson, Woodrow der Völkerbund und die zukünftige Friedenssicherung das überragende Konferenzziel war.56 Die Ausarbeitung der Satzung des Völkerbundes hatte in ParisParis dann auch absoluten Vorrang. Allerdings hatte WilsonWilson, Woodrow keineswegs ein ausformuliertes Konzept im Gepäck; der südafrikanischeSüdafrika Präsident SmutsSmuts, Jan Christiaan, aber auch WilsonsWilson, Woodrow Mitarbeiter David Hunter MillerMiller, David Hunter feilte an einem Entwurf. Das war kein Zeichen von Nachlässigkeit oder gar Faulheit. Vielmehr setzte WilsonWilson, Woodrow so viel Vertrauen in den Völkerbund, dass er annahm, er werde nach seiner Gründung nicht nur selbst seine Aufgaben und Wege finden, sondern im Zweifelsfall auch alle Schwächen des Friedensvertrages revidieren. Er rechnete fest mit dem Beitritt und dem positiven Einfluss neutraler Staaten, die an der PariserParis Friedenskonferenz nicht teilnahmen.57

Schon bevor die Friedenskonferenz im Januar eröffnet wurde, zeichneten sich Meinungsverschiedenheiten im Lager der Siegermächte ab. Zwar waren sie rasch übereingekommen, dass in vielen Angelegenheiten lediglich die fünf großen Mächte entscheiden sollten (also FrankreichFrankreich, GroßbritannienGroßbritannien, ItalienItalien, JapanJapan und die Vereinigten StaatenUSA), und zwar in nichtöffentlichen Sitzungen. Man verständigte sich auf Englisch sowie Französisch als Konferenzsprachen und ernannte ClemenceauClemenceau, Georges zum Vorsitzenden. Doch in der Frage etwa, wie bedeutend die Rolle der USAUSA für den Sieg der Alliierten war, gelangten sie zu ganz unterschiedlichen Antworten. Für WilsonWilson, Woodrow hatten die USAUSA den entscheidenden Beitrag geleistet, da seit Dezember 1917 und bis November 1918 2 096 431 amerikanische Soldaten in Europa eingetroffen waren.58 In den Kämpfen im Sommer 1918, die mit dem Rückzug der Deutschen Armee endeten, seien es PershingPershing, John und die amerikanischen Truppen gewesen, die die Welt gerettet hätten. Er habe nicht vor, diese Tatsache in Vergessenheit geraten zu lassen.59 Das Gefühl der Überlegenheit resultierte sicherlich auch daher, dass der Präsident wusste, in welcher Höhe die Vereinigten StaatenUSA den westlichen Alliierten in den vergangenen Jahren Kredite gewährt hatten: Fast vier Milliarden Dollar betrugen die britischen Schulden, FrankreichFrankreich hatte Verpflichtungen gegenüber den USAUSA von mehr als drei Milliarden Dollar, ItalienItalien 1,2 Milliarden und BelgienBelgien 192 Millionen.60

An der Frage, wer welche Opfer erbracht habe und welche höher zu bewerten seien, entzündeten sich in ParisParis, vor allem bezüglich der Reparationen, heftige Debatten.61 Die Sieger hatten den Krieg ganz unterschiedlich erlebt und gerieten darüber in Streit. WilsonWilson, Woodrow verärgerte ClemenceauClemenceau, Georges mit seiner Weigerung, direkt nach seiner Ankunft in FrankreichFrankreich die zerstörten Gebiete zu besuchen.62 Der französische Ministerpräsident war der Meinung, jeder könne bei einem Besuch der Departements, in denen der Krieg und die deutsche Besatzung getobt hatten, das Ausmaß der Leiden erkennen und dann die Forderungen FrankreichsFrankreich nachvollziehen. Bereits im Jahr 1920 legte ein Gesetz fest, welche Orte in FrankreichFrankreich als ewige Mahnmale an den Ersten Weltkrieg erhalten werden sollten. Darunter waren Schützengräben, besondere Anhöhen, Unterstände und große Minenkrater, also jene Orte, die auch zukünftigen Generationen die Narben FrankreichsFrankreich zeigen und vom Heldenmut künden sollten, wie der Gesetzestext erklärte.63 Doch WilsonWilson, Woodrow ließ sich nicht drängen. Erst einige Wochen später, Ende Januar, besuchte er amerikanische Truppen in Château ThierryChâteau-Thierry und auch die Kathedrale von ReimsReims, nach Ansicht der Alliierten das Sinnbild der systematischen Zerstörung durch die Deutschen.64

Vor Pressevertretern, die mit WilsonWilson, Woodrow an Bord der George Washington reisten, kritisierte er GroßbritannienGroßbritannien und ItalienItalien dafür, aus Deutschland alles herausholen zu wollen, was möglich sei. Aus seiner Sicht sei Deutschland »am Boden und am Ende«.65 Er wünsche sich ein faires Verfahren, in dem die Sieger zwar Ansprüche stellen sollten, sich aber damit arrangieren müssten, was Deutschland zu leisten in der Lage sei. Der Präsident kritisierte die Pläne seiner Partner, eine Kommission ins Leben zu rufen, die genau ermitteln sollte, was Deutschland zahlen könne. Ein anderer Ausschuss sollte eruieren, wie diese Gelder unter den Siegern zu verteilen seien. WilsonWilson, Woodrow dagegen lehnte ein solches Vorgehen ab. Für ihn gelte nach wie vor, dass ein Frieden ohne Sieg geschaffen werden müsse. »Der Frieden, den wir schaffen werden, muss alleine von der Gerechtigkeit bestimmt werden.«66 Die in der Presse genannte britische Reparationsforderung von 40 Milliarden Dollar hielt er für unrealistisch. Seiner Meinung nach konnte Deutschland diese Summe nicht innerhalb einer Generation zahlen.67 Auch deutlich geringere Summen verwarf WilsonWilson, Woodrow: Als die Sekretärin seiner Frau erwähnte, sie habe in einem Zeitungsartikel gelesen, dass die Briten acht Milliarden Wiedergutmachung fordern würden, antwortete WilsonWilson, Woodrow: »Nicht, wenn ich es verhindern kann.«68

WilsonWilson, Woodrow verstand es, seine Ziele überzeugend darzulegen: Diejenigen, die in ParisParis zusammenkämen, seien niemandes Herren, sondern die Vertreter einer neuen Welt, die zusammengekommen seien, um den größten Frieden aller Zeiten zu schaffen, erklärte der Präsident. Um dieses Ziel zu erreichen, werde er seinen ganzen Einfluss geltend machen. Wenn nötig, würde er gar abreisen und einen Separatfrieden schließen.69 In Zukunft werde Krieg nicht mehr die Sache einzelner Staaten sein, sondern jeder Krieg müsse als ein Ereignis aufgefasst werden, das die gesamte Welt betreffe.70 Allen war bewusst, dass eine enorme Aufgabe vor ihnen lag. General Tasker H. BlissBliss, Tasker H., Mitglied der amerikanischen Delegation, erklärte:

»Jeden Tag tauchen neue Probleme auf, die gelöst werden müssen. Und das Problem ist, dass, wenn sie nicht rasch gelöst werden, der Hunger Bolschewismus und Umstürze nach sich ziehen wird. Und vielleicht ist dann niemand mehr zur Lösung da.«71

WilsonWilson, Woodrow ahnte, dass es überaus schwierig sein würde, jedem Land das zu geben, was es verlangte. Falls es nicht gelänge, einen Frieden zu schaffen, der auf den höchsten Prinzipien der Gerechtigkeit beruhe, werde er innerhalb einer Generation von den Völkern der Welt hinweggefegt werden, prophezeite der Präsident.72 Auch sein Berater, Edward Mandell HouseHouse, Edward Mandell, war zu Beginn des neuen Jahres sorgenvoll:

»Ich sehe schwierige und gefährliche Zeiten voraus und ich glaube nicht, dass eine Partei die Menschen in der unmittelbaren Nachkriegszeit zufriedenstellen kann. Deshalb möchte ich, dass die Republikaner, nach ihrem Wahlsieg, einen großen Teil der Verantwortung mittragen, die zweifellos den Machthabern angelastet werden wird. Theoretisch scheint der Präsident meinen Vorschlägen zuzustimmen, aber wird er sie in die Praxis umsetzen? Ich bezweifele das, denn er hat sich so sehr an nahezu diktatorische Befugnisse gewöhnt, dass es ihm schwerfallen wird, sie aufzugeben.«73

Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag

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