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Die Friedenskonferenz beginnt

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Im Januar 1919 trafen sich in ParisParis Vertreter der 27 Siegermächte, um die Bedingungen festzulegen, unter denen sie Frieden mit ihren ehemaligen Gegnern schließen würden. In den PariserParis Vororten wurden insgesamt fünf Friedensverträge zwischen Juni 1919 und August 1920 unterzeichnet. Deutschland unterschrieb am 28. Juni 1919 in VersaillesVersailles, ÖsterreichÖsterreich am 10. September 1919 in St. Germain-en-LayeSt. Germain-en-Laye; BulgarienBulgarien am 27. November 1919 in Neuilly-sur-SeineNeuilly-sur-Seine, Ungarn am 4. Juni 1920 in TrianonTrianon und die TürkeiTürkei am 10. August 1920 in SèvresSèvres. Alle diese Verträge gingen aus der PariserParis Friedenskonferenz hervor, die Übereinkunft mit Deutschland war für die Alliierten zweifellos die bedeutendste. Innerhalb einiger Monate leisteten die alliierten und assoziierten Mächte eine Herkulesaufgabe: Es gelang ihnen, Verträge aufzusetzen, die nicht nur von den Verlierern, sondern auch von den Siegern unterzeichnet werden konnten.

Das war keineswegs gewiss gewesen, denn zahlreiche Krisen erschütterten die Konferenz. In vielen Fragen wichen die Vorstellungen und Ziele der Sieger weit voneinander ab: Gestritten wurde bisweilen um Detailfragen, zum Beispiel welches Land wie viele Delegierte entsenden durfte. Aber auch andere Themen bargen große Sprengkraft, etwa in wessen Besitz die ehemals deutschen Kolonien übergehen sollten. Auch die Frage, ob RusslandRussland an der Konferenz teilnehmen solle, wurde kontrovers diskutiert. Die Sieger wollten auf jeden Fall vermeiden, mit einer Einladung die Kommunisten als neue Regierung anzuerkennen. Am Ende nahm RusslandRussland nicht teil. Eine schwere Krise brachte die Konferenz im April 1919 an den Rand des Abbruchs, als der italienischeItalien Premierminister Vittorio Emanuele OrlandoOrlando, Vittorio Emanuele und Außenminister Sidney SonninoSonnino, Sidney ParisParis verließen. FrankreichFrankreich und GroßbritannienGroßbritannien hatten ItalienItalien 1915 Gebiete versprochen, die zu Österreich-UngarnÖsterreich-Ungarn gehörten, um das noch neutrale Land zum Kriegseintritt aufseiten der Entente zu bewegen. Nun wollten die Sieger nichts mehr von diesem Versprechen wissen. Erst Anfang Mai kehrten die ItalienerItalien an den Verhandlungstisch zurück. Diese schwere Krise erschütterte somit genau die Phase, in der die deutsche Delegation zur Vertragsübergabe nach ParisParis eingeladen worden war.

Ein folgenschwerer Disput entzündete sich an dem Wunsch JapansJapan, in der Völkerbundsatzung die Rassengleichheit zu verankern. Dazu konnten sich die Großen Drei nicht durchringen. Die Frage nach der Höhe der Reparationen, die Deutschland leisten sollte, war so explosiv, dass die Delegierten sogar die Entscheidung verschoben. Genauer gesagt legten sie die Antwort in die Hände einer Kommission, die die genaue Reparationssumme errechnen sollte. Am Ende wurden zwar die Verträge unterzeichnet, aber nicht von allen Vertragspartnern ratifiziert, und das war ein schwerer Schlag für die Sicherung des Friedens sowie die Glaubwürdigkeit des Vertrages. Der Friede währte nur kurz, genau genommen schlossen sich Konflikte etwa in PolenPolen oder der blutige Bürgerkrieg in RusslandRussland (mit Beteiligung europäischer Mächte) unmittelbar an. Nur 20 Jahre später stand die Welt erneut in Flammen. Was ereignete sich in ParisParis? Wer waren die einflussreichsten Personen? Welche Kompromisse wurden geschlossen? Und was wurde eventuell versäumt?

In ParisParis kamen ungefähr 10 000 Männer und Frauen zusammen, um die Friedensbedingungen auszuarbeiten. Unter ihnen waren Politiker, Militärs, Diplomaten, Übersetzer und eine Vielzahl von Mitarbeitern und Beratern, die zur Unterstützung der Staatsmänner in die französische Metropole gereist waren. Doch ungeachtet des großen Mitarbeiterstabes hatten drei Männer das Sagen: der amerikanische Präsident Woodrow WilsonWilson, Woodrow, der britische Premierminister David Lloyd GeorgeLloyd George, David und der französische Ministerpräsident Georges ClemenceauClemenceau, Georges, drei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. In den Reihen der Konferenzteilnehmer saßen auch Delegierte vieler Staaten, die sich Gehör von den Mächtigen und Unterstützung bei der Umsetzung ihrer Pläne erhofften, beispielsweise beim Streben nach Unabhängigkeit. Schon sehr früh zeichnete sich ab, dass WilsonWilson, Woodrow sich nicht mit allen seinen Vorstellungen durchsetzen konnte. Er wünschte sich eine Konferenz, bei der alle, Freunde, Feinde, Neutrale, große und kleine Staaten, gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen sollten, vor den Augen der Öffentlichkeit.74 FrankreichFrankreich und GroßbritannienGroßbritannien bestanden hingegen auf Geheimverhandlungen der Großmächte. Ihre Absicht, nicht mit Deutschland zu verhandeln, begründeten sie auch damit, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine demokratisch legitimierte Regierung in Deutschland gab; die Wahlen fanden erst am 19. Januar 1919 statt.

Schon vor der Eröffnung der Friedenskonferenz trafen sich WilsonWilson, Woodrow, ClemenceauClemenceau, Georges und Lloyd GeorgeLloyd George, David am 12. Januar 1919 im französischen Außenministerium zur ersten Sitzung des Obersten Kriegsrates (dem späteren Rat der Zehn). Diese Vorverhandlungen fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, denn der britische Premier hatte nachdrücklich davor gewarnt, vor den Augen der Öffentlichkeit zu tagen, um sich nicht von der Presse Themen oder Meinungen aufzwingen zu lassen.75 Zudem sollten die Deutschen nicht aus der Zeitung vom Zwist der Sieger erfahren. Und es schien den Friedensmachern einfacher, hinter verschlossenen Türen Kompromissen zuzustimmen. Ohne die Öffentlichkeit sei es leichter, das Gesicht zu wahren, wenn man von eigenen Forderungen abrückte, befanden die Bevollmächtigten. Schließlich beobachteten die Politiker in der Heimat mit Argusaugen, was ihre Parteifreunde oder politischen Gegner in ParisParis erreichten. Eine kleine Schwäche, ein Fehler, ein Abrücken von den Versprechen konnte das politische Ende bedeuten. WilsonWilson, Woodrow, der in seinen im Januar 1918 vorgestellten 14 Punkten der Geheimdiplomatie eine klare Absage erteilt hatte, beugte sich also seinen Partnern, die ursprünglich angestrebte Transparenz wurde nicht verwirklicht. Um jedoch die Form zu wahren, eröffneten die Großmächte am 18. Januar 1919 unter Beteiligung aller Verbündeten (von BelgienBelgien bis UruguayUruguay) den Friedenskongress mit einer öffentlichen Plenarkonferenz. Bis auf acht weitere Vollversammlungen blieben die Verhandlungen allerdings geheim.

Deutsche Vertreter waren in der ersten Konferenzphase bis zur Übergabe des Vertragsentwurfes am 7. Mai nicht anwesend. Damit signalisierten die Sieger, dass an der Verantwortung Deutschlands für den Beginn des Krieges kein Zweifel bestand. Die völkerrechtswidrige Verletzung der belgischen Neutralität war eine Schuld, die die Sieger für erwiesen hielten. Ebenso herrschte Einigkeit darüber, dass der U-Boot-Krieg gegen geltendes Kriegsrecht verstoßen hatte. Die Entschiedenheit, mit der die Sieger daran festhielten, nicht mit den Deutschen zu reden, spiegelte auch ihre Furcht, die mitunter täglich mühsam errungene Einheit könne in einem mündlichen Austausch mit den früheren Gegnern bröckeln. Und in diesem Punkt täuschten sie sich nicht, wie aus den Aufzeichnungen des deutschen Außenministers Brockdorff-RantzauBrockdorff-Rantzau, Ulrich von hervorgeht. Es war seine erklärte Absicht, die Sieger gegeneinander auszuspielen, um mit ihnen in Verhandlungen zu treten und die Bedingungen für Deutschland zu verbessern.76

Die Konferenz vom 18. Januar bis zum 28. Juni 1919 kann in zwei Phasen unterteilt werden: Die erste Phase, in der die Alliierten miteinander verhandelten, dauerte bis zum 7. Mai 1919, also bis zur Übergabe des Vertragsentwurfes an die Deutschen. Diese Phase wird offiziell als »Präliminarfriedenskonferenz« bezeichnet. Die zweite Phase begann nach dem Eintritt in den ausschließlich schriftlichen Meinungsaustausch mit den Besiegten, ab diesem Zeitpunkt spricht man vom »Friedenskongress«. Tatsächlich bestand aber zwischen beiden Phasen kein Unterschied. Insgesamt waren über 10 000 Personen an den Beratungen beteiligt, allein die Delegation der USAUSA zählte mehr als 1000 Personen. Das wichtigste Organ war der Oberste Kriegsrat, der spätere Rat der Zehn. Er setzte sich zusammen aus je zwei Vertretern (dem Regierungschef und dem Außenminister) FrankreichsFrankreich, GroßbritannienGroßbritanniens, ItaliensItalien, JapansJapan und den Vereinigten StaatenUSA.77 Der Rat der Zehn legte die Grundinhalte des Friedensvertrages fest, er war der eigentliche Herr des gesamten Verfahrens.78

Am 24. März 1919 wurde der Rat der Zehn durch den Rat der Vier ersetzt, dem nur noch die Ministerpräsidenten der drei großen europäischen Siegermächte angehörten sowie der Präsident der USAUSA, Woodrow WilsonWilson, Woodrow, und natürlich die Dolmetscher. Die Großen Vier kamen gewöhnlich zweimal am Tag zusammen, in ernsten Krisen auch sonntags. Ab und zu trafen sie sich in ClemenceausClemenceau, Georges Büro im Kriegsministerium, meistens jedoch in WilsonsWilson, Woodrow Arbeitszimmer, insgesamt für 148 Sitzungen.79 Die Großen Vier versprachen sich eine reibungslosere Koordination, eine bessere Geheimhaltung sowie schnellere Entscheidungen; vor allem schwächten sie den Einfluss der Militärs, die nur noch auf Einladung als Ratgeber gehört wurden. Die Außenminister der vier Mächte sowie die japanischen Vertreter waren in einem neuen Rat der Fünf für die Fragen zuständig, die der Rat der Vier ihm überantwortete.80 Bereits einen Monat später, am 24. April, nahm der italienischeItalien Präsident OrlandoOrlando, Vittorio Emanuele nicht mehr an den Gesprächen teil. Nach einem großen Eklat verließ er ParisParis und kehrte erst im Mai an den Verhandlungstisch zurück, im Juni 1919 besiegelten Wahlen sein politisches Schicksal.

Unterhalb der Räte waren fast 60 Ausschüsse tätig, in denen Vertreter der Großmächte und der übrigen Siegerstaaten Informationen zusammentrugen, Probleme erörterten und Berichte verfassten. Ihnen gingen vielköpfige Beraterstäbe zur Hand. Fünf Kommissionen wurden eingesetzt, die sich mit dem Völkerbund, Kriegsverbrechen, Reparationen, den großen europäischen Wasserstraßen und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) befassten. Den Ausschüssen kam bisweilen erhebliche Bedeutung im Hinblick auf Einzelheiten der inhaltlichen Gestaltung sowie der endgültigen Formulierung zu. Besonders deutlich zeigt sich das in dem am 25. Januar 1919 eingesetzten Ausschuss, der sich mit den Reparationen befassen sollte. Obwohl seine Aufgabe nur darin bestand, die deutsche Zahlungsfähigkeit zu prüfen und die zu zahlenden Leistungen zu erörtern, wurde der umstrittene Artikel 231, der sogenannte Kriegsschuldartikel, in diesem Gremium formuliert.81 Vertreter der anderen zu den Siegermächten zählenden Staaten wie BelgienBelgien, PolenPolen, das Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen oder die TschechoslowakeiTschechoslowakei wurden in den vom Zehnerrat eingesetzten Unterkommissionen vor allem in strittigen Grenzfragen angehört.82 Die Koordinierung der Tätigkeit der vielen Ausschüsse und die Zusammenfassung ihrer Ergebnisse stellte oftmals eine große Herausforderung dar.83

Die Konferenz fand unter großem Zeitdruck statt. In einem Monat verließen 300 000 amerikanische Soldaten Europa, so dass im August 1920 alle Truppen abgezogen sein würden.84 Das schwächte die Alliierten, die bislang noch drohen konnten, militärisch einzugreifen, wenn die Deutschen den Vertrag nicht unterzeichneten. Die französischen und britischen Soldaten waren müde – zwar wurden viele von ihnen als Besatzungstruppen nach Deutschland oder an neue Einsatzorte nach PolenPolen, RusslandRussland und in den Nahen und Mittleren Osten verlegt, aber ihr Wunsch, heimzukehren, ist aus Soldatenbriefen deutlich herauszulesen.85 Die Politiker wussten, dass ihre Truppen und die Zuhausegebliebenen eine Fortsetzung der Kämpfe nur mit sehr überzeugenden Argumenten akzeptieren würden. Die Menschen in den zerstörten Gebieten NordfrankreichsFrankreich und BelgiensBelgien warteten sehnsüchtig auf den Wiederaufbau, die Gläubiger forderten die Rückzahlung der Schulden. Die Erwartungen an die Friedensmacher waren immens: Die Menschen in der Heimat wollten schnell ihre zum Teil sehr angespannte Lage überwinden. Auch der Bürgerkrieg in RusslandRussland übte großen Druck aus, denn die Ereignisse ließen die Konferenzteilnehmer fürchten, dass der Bolschewismus auf die Staaten in Ost- und Mitteleuropa übergreifen könne, wenn die Konferenz keine schnellen und zufriedenstellenden Lösungen erarbeitete.

Zu guter Letzt gab es Ereignisse, die sich ohne Zutun der Siegermächte entwickelten, jedoch die Debatten berührten und Stellungnahmen erforderten: Als der Oberste Kriegsrat am 12. Januar 1919 zum ersten Mal zusammentrat, war PolenPolen bereits wieder neu entstanden, FinnlandFinnland und die baltischen Staaten EstlandEstland und LitauenLitauen befanden sich auf dem Weg in die Unabhängigkeit, ebenso wie die TschechoslowakeiTschechoslowakei, und SlowenienSlowenien, KroatienKroatien und SerbienSerbien hatten sich zu einem Königreich vereint.86 Diese Staatsgründungen zogen Territorialkonflikte nach sich, weil das von WilsonWilson, Woodrow versprochene Selbstbestimmungsrecht der Völker nicht immer umgesetzt werden konnte.

Obwohl eine Vielzahl von Delegierten, Diplomaten, Beratern und Sachverständigen in ParisParis zusammenkamen, waren es vor allem drei Männer, die Entscheidungen trafen und die wichtigsten Kompromisse erarbeiteten. Die Großen Drei und ihre wichtigsten Berater waren grundverschiedene Persönlichkeiten. Der Sozialist ClemenceauClemenceau, Georges (1841–1929), im Krieg respektvoll »Tiger« genannt, war 1917 im Alter von 76 Jahren vom französischen Präsidenten PoincaréPoincaré, Raymond zum Ministerpräsidenten und Kriegsminister ernannt worden. Seinen Spitznamen verdankte er seinem Mut, denn er war zugleich kampfeslustig und unnachgiebig. Er hatte nicht nur mit eiserner Hand gegen Meuterer und Deserteure in der französischen Armee gekämpft, sondern mit ebensolcher Entschlossenheit gegen die Mittelmächte. ClemenceauClemenceau, Georges galt als Vater des Sieges, und er war entschlossen, in den Friedensverhandlungen den Sicherheitsbedürfnissen FrankreichsFrankreich oberste Priorität einzuräumen.

Seine Forderung nach der Schaffung eines autonomen RheinlandesRheinland war dem Wunsch geschuldet, FrankreichFrankreich vor einer deutschen Aggression zu bewahren. Auch seine Unterstützung der an Deutschland grenzenden neu entstandenen Staaten im Osten, etwa PolensPolen und der TschechoslowakeiTschechoslowakei, entsprang seinem Schutzbedürfnis. FrankreichFrankreich unternahm außerdem während der Konferenz, aber auch in den Jahren danach, alles, um den Bolschewismus zu isolieren. RusslandRussland wurde mit einer Pufferzone aus kleineren Ländern umgeben, wobei noch wichtiger war, dass diese Staaten auch ein Gegengewicht zu Deutschland bildeten. Für den Fall eines wie auch immer gearteten Bündnisses oder Arrangements zwischen Deutschland und RusslandRussland sollten sie eine territoriale Barriere bilden.

In vielen Fragen zeigte ClemenceauClemenceau, Georges sich kompromissbereit, denn ihm war bewusst, dass er ohne die Unterstützung der Briten und Amerikaner dieses wichtigste Ziel, FrankreichsFrankreich Sicherheit, nicht würde erreichen können. Er war ein Kämpfer: Eine Hautkrankheit verbarg er unter Handschuhen, und nach einem Attentat im Februar 1919, also während der Verhandlungen, kämpfte er sich mit ungebrochenem Willen an den Verhandlungstisch zurück. Er saß der Konferenz vor, und seinem beharrlichen Engagement war es geschuldet, dass die Sieger sich in ParisParis und nicht in einer neutralen Stadt, wie etwa GenfGenf oder LausanneLausanne, versammelten. Im Herzen des Landes, das am meisten erduldet und die heftigsten Kämpfe ertragen habe, so sein Argument, müsse der Frieden geschrieben werden. In ParisParis, inmitten der kriegszerstörten Landschaft, war die deutsche Schuld bewiesene Tatsache.87

Doch der Kämpfer ClemenceauClemenceau, Georges war, wie die anderen Staatsmänner auch, abhängig von den Wählern und den Kabinetten in der Heimat sowie konfrontiert mit politischen Gegnern. ClemenceausClemenceau, Georges wichtigster Gegenspieler in den eigenen Reihen war Marschall Ferdinand FochFoch, Ferdinand, seit August 1918 der erste Oberbefehlshaber der alliierten Truppen und Urheber der erfolgreichen Offensive im Sommer 1918. FochFoch, Ferdinand verzieh ClemenceauClemenceau, Georges nie, dass er nicht als offizielles Delegationsmitglied an den Verhandlungen teilnehmen durfte. Der Marschall wurde nur zu Sitzungen eingeladen, in denen Sicherheitsfragen erörtert wurden. Auch das Verhältnis ClemenceausClemenceau, Georges zu Präsident PoincaréPoincaré, Raymond war kompliziert, da es vonseiten des Präsidenten von Neid und Konkurrenzgefühlen geprägt war.

Der Demokrat Woodrow WilsonWilson, Woodrow (1856–1924) war seit 1913 amerikanischer Präsident; unter seiner Leitung waren die Vereinigten StaatenUSA 1917 in den Krieg aufseiten der Entente eingetreten. Schon zuvor hatten die USAUSA die Gegner der Mittelmächte finanziell unterstützt und waren Opfer der Kriegshandlungen geworden, unter anderem durch die Versenkung amerikanischer Handelsschiffe durch deutsche U-Boote. WilsonsWilson, Woodrow vorrangigstes Ziel war die Schaffung eines Völkerbundes, in den er alle Hoffnungen für eine friedlichere Zukunft setzte. Seine Pläne, eine Art Weltregierung zu schaffen, in die er am liebsten auch schon sehr bald Deutschland aufnehmen wollte, blieben nicht unangefochten, auch nicht im eigenen Land. WilsonWilson, Woodrow, der ehemalige Professor für Politische Ökonomie an der Universität Princeton, war ein sturer Mann, zutiefst von seiner Mission überzeugt, und lehnte es mehrfach ab, über seine Pläne zu diskutieren. Das brachte ihm die Feindschaft einiger oppositioneller Senatoren ein. Gesundheitlich war er schon lange geschwächt, aus diesem Grund begleitete ihn sein Arzt nach Europa. Er ignorierte seinen schlechten Gesundheitszustand, wurde allerdings mehrfach von Krankheiten zur Schonung genötigt, auch während der Verhandlungen. Seine große Niederlage bestand darin, dass er den Senat nicht davon überzeugen konnte, den Versailler Vertrag zu ratifizieren. Erst 1921 schlossen die Vereinigten StaatenUSA separate Friedensverträge mit Deutschland, ÖsterreichÖsterreich und UngarnUngarn. Als Anerkennung für seine Bemühungen erhielt WilsonWilson, Woodrow allerdings 1919 den Friedensnobelpreis.

Wesentlich jünger als seine beiden Partner war der Brite David Lloyd GeorgeLloyd George, David (1863–1945), Mitglied der liberalen Partei. 1915 wurde er zunächst als Minister für die Munitionsversorgung zuständig, seit Ende 1916 war er britischer Premierminister, mit Unterstützung der Konservativen und der Labour Partei. Auch Lloyd GeorgeLloyd George, David hatte durch seine Aufgaben den Krieg aus vielen Blickwinkeln kennengelernt, er verkörperte förmlich die britische Kriegsanstrengung. Zu seinen Errungenschaften gehört, dass er die britische Marine überzeugen konnte, im Konvoi zivile Schiffe zum Schutz gegen die deutschen U-Boote zu begleiten. Auf seine Initiative ist auch zurückzuführen, dass seit August 1918 die britischen und französischen Truppen unter einem gemeinsamen Oberkommando kämpften. Im Kontakt mit WilsonWilson, Woodrow und ClemenceauClemenceau, Georges vermittelte er oftmals geschickt. Er konnte den amerikanischen Präsidenten aber auch zur Weißglut bringen, etwa, als er im Mai 1919, nach der Übergabe des Vertragstextes an die Deutschen, kurzfristig seine Haltung zu den Reparationen vollständig änderte. Im Dezember 1918 war Lloyd GeorgeLloyd George, David zwar bei den Unterhauswahlen bestätigt worden, doch seine Partei, die Liberalen, spaltete sich und verlor massiv an Bedeutung. Im Unterschied zu ClemenceauClemenceau, Georges wollte er Deutschland in Zukunft als europäische Macht erhalten, wenn auch GroßbritannienGroßbritannien untergeordnet sehen.

Die drei eigenwilligen Männer, mit eigenen Zielen und Idealen, hatten trotz aller Gegensätze auch eine praktische Gemeinsamkeit: Sie beherrschten alle die englische Sprache. In seiner Jugend war ClemenceauClemenceau, Georges für einige Jahre in den Vereinigten StaatenUSA gewesen, die Geschichte der Amerikanischen Revolution hatte ihn stark beeindruckt. Und obwohl zum Stab der Delegationen auch Übersetzer gehörten, spielte es für die Verständigung eine große Rolle, dass sie sich in derselben Sprache austauschen konnten. Sie gingen regelmäßig gemeinsam essen und beratschlagten sich, nicht selten über Karten gebeugt, die so groß waren, dass sie auf dem Boden lagen. Ihr respektvoller, durchaus nicht unkritischer Umgang miteinander, nicht nur im Rahmen von Sitzungen, hat sicherlich das Zustandekommen von Kompromissen erleichtert. Sie gerieten zwar in lautstarken Streit, fanden aber auch Übereinkünfte. Im Unterschied dazu beherrschte OrlandoOrlando, Vittorio Emanuele, der Chef der italienischenItalien Delegation, ebenso wie die Vertreter JapansJapan die Konferenzsprachen Englisch und Französisch kaum, sie konnten sich schwer verständlich machen.88 Zudem waren zahlreiche Delegationsmitglieder oftmals nur an den konkreten eigenen Zielen interessiert. Den Großen Drei oblag es, sich letztendlich um alle gemeinsamen Anliegen zu kümmern. Die Delegationen in ihren großen Hotels oder in angemieteten Wohnungen und Häusern blieben jedoch meistens unter sich, es sei denn, die Diplomaten und Berater nutzten bereits bestehende Kontakte zu den Delegierten der anderen Siegermächte.

Das letzte Echo des Krieges. Der Versailler Vertrag

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